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Deus
Ich möchte, weil die Kritik an Urban Nightmare ja nun wieder aufgekommen ist, nochmal über meine Motivation sprechen, warum ich das Spiel so gemacht hab wie es ist.
Modularer Aufbau
Jedes Spiel ist modular. Manchmal spielt man die Module hintereinander (Level), manchmal sind die Module ineinander verschachtelt (offene Rollenspiele, die Wildnis ist ein Modul, alle anderen Orte sind es auch). Einige Module lassen sich immer wieder aufsuchen, andere werden nach dem "Bespielen" gesperrt. Ich habe mich für letzteres entschieden. Dafür gibt es zwei Gründe:
- Urban Nightmare soll von der Handlung und nicht vom Gameplay angetrieben werden. Das Gameplay ist nur Mittel zum Zweck (so wie es bei Psychological Horror meistens der Fall ist).
- zu viel Backtracking geht bei Adventures mit Third-Person-Perspektive auf die Nerven.
Bewegung kann ein erzählerisches Mittel sein. In Open World RPGs ist es für die Atmosphäre wichtig, dass der Spieler die Entfernung zwischen den Städten und Dungeons spürt. In einem Horror-Adventure hat "Entfernung" aber keinen Einfluss auf die Atmosphäre. Deswegen sollte man unnötige Laufwege so gut es geht vermeiden.
Rätsel
Müssen Rätsel glaubwürdig sein? Um diese Frage zu beantworten, muss man erst mal schauen, ab wann ein Rätsel denn glaubwürdig ist. Vergleiche mit der realen Welt bieten sich nicht an, denn dort werden Rätsel gar nicht so wie in Spielen eingesetzt. Es ist allgemein unrealistisch, dass stark frequentierte Räumlichkeiten mit unzähligen Sicherheitsvorkehrungen versehen werden und Schatztruhen haben vermutlich gar keine Rätselschlösser. Klar, heutzutage schiebt man schon mal irgendwo die ID-Karte rein oder muss eine Nummer eingeben, aber das gibt es meistens nur einmal und auch nur dort, wo es wirklich wichtig ist. Sonst geht das den Leuten ja total auf die Nerven. Auf jeden Fall trägt niemand 4 Schachstecker bei sich oder lernt alle Präsidenten der USA auswändig, um dann aus dem ersten Buchstaben ihrer Nachnamen einen Code zu bilden. Rätsel wollen gar nicht glaubwürdig sein, sie sind Gameplay-Elemente und deswegen sollte man an sie auch keinen höheren Anspruch stellen als bei den anderen Gameplay-Elementen. Gerade Adventures sind generell nicht besonders glaubwürdig, oft gibt es ziemlich exotische Lösungen für eigentlich banale Probleme. Bei Urban Nightmare kommt noch hinzu, dass das Spiel in einer surrealen Welt spielt - wer weiß, ob die Rätsel nicht alle dem Unterbewusstsein der Helden entsprungen sind.
Spielmechanik allgemein
Es gibt für mich grundsätzlich zwei Arten von Horrorspielen: Action-orientiere und adventure-orientiere. Urban Nightmare sollte natürlich kein Actionspiel sein, also blieb nur das Adventure übrig. Ganz vereinfacht gesehen besteht ein Adventure aus Problemen, die der Spieler entweder direkt vor Ort löst oder indem er an einer anderen Stelle die Lösung findet. Es spielt keine große Rolle, ob man Gegenstände einsetzen muss, Knobelaufgaben gestellt bekommt oder in Dialogen die richtige Antwort geben muss - das Prinzip ist immer gleich. Falls jemand eine Alternative kennt, also wie man das Gameplay in einem Horror-Adventure ganz anders aufziehen könnte, dann wäre ich sehr interessiert. Für das Optimum halte ich das typische Horror-Gameplay auch nicht.
Handlung
Wie ich schon am Anfang des Threads sagte, hatte ich das Gefühl, dass ich bei einigen meiner Horrorspiele die Handlung zu sehr vernachlässigt habe. Deswegen hab ich Urban Nightmare von Anfang an darauf ausgerichtet. Mir ging es weder direkt um Gesellschaftskritik noch darum, eine besonders anspruchsvolle Geschichte zu schreiben - wichtig war mir wie gesagt nur, dass die Figuren besser zur Geltung kommen als bei meinen älteren Spielen und dass sie sich glaubwürdiger verhalten. Ein Autor steckt immer etwas von sich selbst in die Geschichten. Wenn er x nicht mag, wird er x nicht positiv darstellen und umgekehrt. Geschichten spiegeln also auch die Ansichten und Moralvorstellungen ihrer Autoren wieder. Das ist bei Urban Nightmare nicht anders. Allerdings sollte man mir auch nur das vorhalten, was wirklich offensichtlich so vom Spiel gesagt wird. Beim Interpretieren kann man sich immer irren. Ich bin aber gerne bereit bei jeder Szene zu erzählen, warum ich sie gerade so darstelle wie sie ist und was meine Motivation gewesen ist.
Vier spielbare Charaktere
Die Idee kam mir, weil ich es interessant fand, mehrere Figuren mit unterschiedlichen Problemen zu beleuchten. Das passiert bei anderen Horrorspielen zwar auch, aber da gibt es meistens eine klare Hauptfigur und die Nebenfiguren werden nur angerissen. Warum also nicht mal wechselnde POV-Charaktere benutzen? Bei Dreamland R hat es ja geklappt.
Darstellung der Gegner
Ich hab gehört, dass einige Spieler meinen boxenden ET nicht mochten. Mal abgesehen vom konkreten Design sind die Möglichkeiten bei so kleinen Figuren ziemlich eingeschränkt und ich kann mir nicht vorstellen, dass es möglich ist, ein so kleines Sprite überhaupt unheimlich aussehen zu lassen. Die Flucht vor den Gegnern ist aber wiederum ein wichtiges Gameplay-Element, das heißt ich hätte gar nicht auf die Gegner verzichten können. Ich muss die Gegner also darstellen, damit man gegen sie kämpfen oder vor ihnen flüchten kann. Wo hab ich den Fehler gemacht?
Fanservice
Ich akzeptiere es zwar grundsätzlich, wenn jemand Service für fragwürdig hält, aber gegen den Vorwurf der Frauenfeindlichkeit wehre ich mich entschieden. Was wäre dann die ganze Gewalt? Menschenfeindlich? Ich könnte nun sagen, dass die Szenen gegen Ende des Spiels die Verkommenheit der Bewohner der Welt wiederspiegeln sollen, aber eigentlich hab ich die Nacktheit aus den gleichen Gründen eingebaut, aus denen sie auch in allen anderen Geschichten eingebaut wird. Gewalt natürlich auch, die hat in erster Linie auch den Zweck, dass sich die Zuschauer daran erfreuen und selbst in den seltenen Fällen, in denen ein Autor mal ein anderes Ziel anstrebt, werden die Zuschauer es trotzdem tun. Wenn jemand Gewalt und Erotik prinzipiell ablehnt, könnte ich die Kritik verstehen, aber falls nicht, sollte man hier nicht mit zweierlei Maß messen. Ich sehe das so: Ein Spiel ohne nackte Haut ist so fade wie eine ungewürzte Suppe.
Urban Nightmare ist ja auch nicht das erste Spiel von mir mit Service.
Was würde ich anders machen?
Trotzdem würde ich den Service bei einem neuen Horrorspiel zurückfahren bzw. aufpassen, dass er nicht als Exploitation missverstanden werden könnte. Von mehreren POV-Charakteren würde ich auch Abstand nehmen, weil die wieder ihre eigenen Probleme mit sich bringen. Schließlich würde ich das Spiel wohl etwas offener gestalten, um einen Kompromiss zwischen Laufwegen und Modularität zu finden.
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