Bevor ich wieder nix zu schreibe, Part 205
Hinter Recettear mach ich 'nen Haken - ich hab zumindest 100% Main-/Postgame-Content durchgespielt. Was ich nicht mehr erledigt hab ist Survival Hell und NG+, ähnlich wie 100% Item Compendium. Reicht jetzt einfach. Es war alle Male eine angenehme Erfahrung, aber man merkt klar und deutlich, dass das Spiel alt ist (von 2007). Convenience und Pity waren zu diesem Zeitpunkt wohl noch Fremdwörter.
Worum es geht: Recette hat Schulden wegen ihrem Vater und trifft dabei zwangsweise auf Tear, die Schuldeneintreiberin spielt. Damit Recette nach und nach zahlen kann, eröffnen sie einen Shop, Recettear, der alle möglichen Items verkauft. Recette muss aber erst das Einmaleins des Handlens lernen, sonst kommt sie nicht weit. Nebendran kehren die Dämonen mal wieder zurück, Rivalität zwischen Rich Girl Alouette und Recette wird aufgebaut und dann gibt's noch einen Golem, der plötzlich in der Stadt aufgetaucht ist und dort sein Unwesen treibt.
- Die Story ist quasi komplett vernachlässigbar und dient nur als Ausrede für das Eröffnen von Recettes Shop. So ziemlich alles, was oben erwähnt wird, ist eigentllich unwichtig, was schade ist. Für die Story spielt man das Spiel aber eh nicht.
- Die Übersetzung empfand ich als ziemlich dynamisch und auch einzigartig. Ich bin nicht im Bilde, was das betrifft, aber anscheinend war Recettear eines der ersten übersetzten JRPG-Indies auf Steam und muss für damalige Verhältnisse echt gut gewesen sein. Recettes "HEUghwah!", "Yayness", "Yayifications" etc. hab ich ziemlich gefeiert.
- Das Maingame ist relativ kurz - wenn ich in 12h durckomme, schaffen es andere definitiv in unter 10h. Zu erwähnen ist, dass Recettear in erster Linie Marktsimulation ist (darum geht's ja schließlich!) und erst in zweiter Linie Dungeon Crawler. Das merkt man auch - man braucht sich für das Maingame nicht wirklich mit den Dungeons auseinandersetzen. Ziel ist letztendlich, Tag 37 zu erreichen, ohne dass Recette pleite geht. Damit haben die Dungeons relativ wenig zu tun, man merkt deutlich wie, stiefmütterlich Exploration und Dungeons im Maingame behandelt wurden.
- Das Postgame dreht den ganzen Spieß herum: Marktsimulation ist nur noch genau dann wichtig, wenn man entweder so pleite ist, dass man keine Heilitems mehr kaufen kann oder, um Mitstreitern Gegenstände zu verkaufen, die sie anlegen sollen (was ein eigenes dummes Kapitel in Recettear ist). Dungeon-Durchgänge werden wichtiger, weil nur noch darüber Fortschritt erzielt werden kann. Postgame-Dungeons gibt's drei - den Obsidian-Turm, die Lapis-Ruinen und den Kristall-Alptraum.
- Durch den Obsidian-Turm kam man relativ gut mit Rang 2- oder Shop-Gear durch, man ist nicht drauf angewiesen, dass irgendwas Brauchbares droppt - dafür gibt's dort aber auch relativ wenig sinnvollen Loot. Der Boss ist fürs erste Mal relativ ungemütlich (Bei Bossen davor hat man das Pattern deutlicher gesehen, hier nicht), aber sehr leicht, wenn man rauskriegt, wie man ihn erledigt. Ebenen-Effekte sind meist positiv.
- Darauf folgten dann die 100 Ebenen der Lapis-Ruine. Auf F50 und F100 gab es zwei Bosse (neben den üblichen Bossen/Gauntlets alle 5 Ebenen), die es ziemlich in sich hatten. Ab der Lapis-Ruine konnte auch Rang 3- oder gar Rang 4-Gear aus Kisten droppen, aber ... man musste derartige Items auch erstmal finden. Einen Weg, das abzukürzen, gab es nicht, man war auf die Gunst der Göttin der Zufallszahlen angewiesen. Mein Hauptcharakter (Griff) hat bis zum Ende keine bessere Waffe gefunden, er trug am Ende immer noch seine Shop-Waffe. Die reicht vielleicht für die Lapis-Ruinen gerade noch ... aber dann halt nicht mehr. Dafür hatte ich ziemlich absurde Mengen an Schwertern für Louie und Bögen für Tielle.
- Der Kristall-Alptraum kam in zwei Varianten - F1-30 und als Boss Rush. Man konnte sich überlegen, ob man 10, 20 oder 30 Ebenen auf einmal erledigt, was je nach Wahl am Ende mehr Schätze eingebracht hat. F21-30 musste man dabei jedoch immer erledigen - und die Monster dort hatten ein ziemlich absurdes Level. Fing bei 81 auf F21 an, ging bis 98 am Schluss - diese Ebenen zu erledigen, hat keinen Spaß gemacht, zumal der Ebenen-Effekt auch zu 100% negativ war - man ist mit Debuff herumgelaufen. Spätestens ab da braucht man Rang 4-Gear, eine halbe Tonne an Heil- und Mana-Items oder ziemliches Glück bei den Ausgängen der Ebenen. Der Boss Rush ging auch nochmal über 30 Ebenen - F31-60 und ließ einen jeden Bosskampf des Spiels nochmal angehen. Die Bosse waren im Movement komplett unverändert, hatten nur höhere Stats. Viele Bosse konnten hierbei Rang 5-Gear droppen - mit einer lächerlich geringen Chance von ca. 5%. Einiges davon hab ich nicht mal gesehen, obwohl ich den Boss Rush bestimmt 15 Mal angefangen habe. Das Design vom Dungeon selbst fand ich nicht ideal - von "Kristall-Alptraum" keine Spur, stattdessen bestand alles nur aus wiederverwerteten Ebenen.
- Worin das resultierte: Hatte man Pech mit den Drops in der Lapis-Ruine und trägt man noch Rang 2-Gear, bleiben einem drei Optionen - 1) andere Charaktere leveln (bei mir Louis und Tielle), für die es Rang 4-Drops gab. 2) In der Lapis-Ruine grinden und hoffen, dass doch was droppt (die Chance dafür war schwindend gering, wenn ich mir die Loottables anguck - vielleicht 1,5 - 2% auf einen spezifischen Drop). 3) Den Boss Rush mit Rang 2-Gear anfangen und dabei scheitern - wenn man nur Heilitems mitnimmt, schafft man's vielleicht bis 50F, mit viel Glück nimmt man zwei Items mit heraus, die man dann für den nächsten Durchgang verwenden kann. Ich selbst hab mich zunächst für Option 2 entschieden, nur damit wieder nix gedroppt ist - Option 3 hat dann über kurz oder lang funktioniert.
- Dialoge basierten auf Seitenhieb-Humor und Charakterentwicklung. Es gibt kaum einen Moment im Spiel, in dem Recette nicht total verstrahlt ist und den Ernst der Lage, den Tear, Alouette, Arma oder Griff ihr vermitteln wollen, absolut nicht realisiert. Bisschen was zu den Charakteren - Charme hockt jeden Abend sturzbesoffen in einer Bar, Arma analysiert das Wetter anhand der Wolken und Tiell rennt zum nächsten Fresswetbewerb ... worauf ihr Recette einen herzzerreißenden Abschied hinterherwirft.
- Fusion von Items ist im Grunde genommen nur in einigen sehr nischigen Fällen interessant und für das Maingame überhaupt nicht. Bisschen was davon betrifft das im Vergleich zum Markt erhältliche wesentlich bessere Essen und die Rang 2-Fusionen, die einem bei Droppech aushelfen können. Über die Rang 5-Fusionen redet man besser nicht - komplett absurd.
- Die Handelsmechaniken sind erstmal ziemlich undurchsichtig, man hat aber fix den Bogen heraus. Grundsätzlich gab's zwei Optionen - auf Handels-EXP zu gehen oder auf maximalen Profit. Tendenziell war ersteres besser als letzteres, weil man im späteren Verlauf durch Ankauf von reduzierten Items und Verkauf von überteuerten Items sowieso ziemlich viel Asche machen konnte. Man musste dabei allerdings auch auf die Kundenumstände achten, die relevanter waren als einem lieb ist - Louie und Elan sind chronsich arm und können sich nichts leisten, Alouette, Arma (aus ziemlich logischen Gründen tbh) und der Gildenmeister sind reicher als Gott und kaufen selbst die teuersten Items. Als ziemlich essentiell äußerte sich die Shopatmosphäre, die die einzelnen Kunden anlockt. Man hatte viel von vielen Ladenbesuchern, weswegen es sich rentierte, in der Mitte zu bleiben und viel darauf auszulegen.
- Nebenbei verkauft Euria Recette unfassbar viel Scheiß zu komplett überteuerten Preisen (500% des Einkaufspreises). Die ist für genau zwei Dinge da: Um den Spieler bei Geldmangel zusätzlich anzupinkeln und um Schätze zu verkaufen, an die man sonst nicht kommt. Wer keine 100% anstrebt, kann auf sie komplett verzichten, auch wenn ihre Dialoge erste Sahne sind - sie ist die Geldgier in Person.
- Die Dungeons im Allgemeinen waren zwar nicht der Brenner (unterschieden sich nur unwesentlich, und ganz besonders negativ ist's mir beim Kristall-Alptraum aufgefallen), aber zumindest gab's da auch den typischen MD-artigen Aufbau abseits der Hungermechanik - eine ganze Reihe an Fallen, ekelhafte Gegner, Ebenen-Buffs oder -Debuffs. Dungeons taten ihren Zweck, oftmals ist man aber mit einem mulmigen Gefühl zurückgeblieben, wenn man den Ausgang vor der Nase hatte - geht man raus und sichert sich die Items, oder zieht man doch noch weiter, in der Hoffnung auf noch mehr Loot, im Wissen, dass die Gegner zunehmend ekelhafter werden?
- Apropos ekelhafte Gegner - in Summe konnte jeder Gegner unschön sein, aber zwei Spezies fielen dabei nochmal verstärkt auf - Roper (gibt's eigentlich ein deutsches Wort dafür, außer Tentakelmonster?) und Bomber. Roper waren z.T. immun gegen Stagger, bewegten sich mit hoher Geschwindigkeit und verletzten bei Berührung. Besonders gefährlich wurden die bei der sonst unproblematischen doppelten Bewegungsgeschwindigkeit - man wurde fast immer von denen angegriffen und konnte Schaden schlecht vermeiden. Außerdem, rückten die, wie es sich für derartige Viecher gehört, ganz gern in Gruppen an, hat man einen gesehen, waren weitere vier oftmals nicht weit weg. Bomber explodierten bei Kontakt mit irgendwas - Wand, Gegner, Kiste, oder eben nach 1-5 Sekunden am Boden. Die Explosion bei Kontakt mit Gegnern war in den ersten Ebenen des Bersteingartens ziemlich übel: -50HP, teilweise 80-100% HP-Schaden, und später in den Lapis-Ruinen/dem Kristall-Alptraum nochmal (-100 - 230 HP, 30-50% HP-Schaden). Ihr Feuerangriff verfolgte außerdem und war sehr schlecht ersichtlich.
- Abschließend noch der eine Punkt, der mir das Spiel ziemlich ruiniert hat: Man musste seinen Mitstreitern die getragene Ausrüstung verkaufen. Ich find das eigentlich ziemlich gut, weil Recette und ihre Mitstreiter eben Geschäftspartner sind - eigentlich gibt's umsonst nix, Recette ist erbarmungslose Geschäftsfrau, der Charakter soll selbst schauen, wie er stärker wird, schließlich müssen Wannabe-Helden wie Louie und Gelegenheits-Diebe wie Charme ja auch schauen, wie sie über die Runden kommen - und mit besserer Ausrüstung ist man dabei erfolgreicher, oder? Oder? Nein, natürlich nicht. Anders kann ich mir nicht erklären, warum im Schaufenster bis zum Ende des Spiels immer noch Megafeuer-Stäbe, Nephilim-Klauen und Greifenwind-Rüstungen lagen, die manch ein Charakter, der Recettes Shop regelmäßig betreten hat, eigentlich hätte einkaufen und anziehen können. Stattdessen hatte mein Main Charakter noch zwei Teile seiner Startrüstung. Sollte nicht sein. Es blieb nur zu hoffen, dass der entsprechende Charakter einem anbot, eine bestimmte Ausrüstungsart einzukaufen - passiert ist das immerhin bei der Rüstung und einer Waffe, beim Rest aber nicht. Man war deswegen trotzdem nicht aufgeschmissen - Recette konnte Ausrüstung an Charaktere verleihen. Die haben aber dann einen Slot im Inventar gefressen, das aus 20-30 davon bestand. Schlimmer noch - nahm man zwei oder mehr zusätzliche Gegenstände mit in einen Dungeon, konnte man nichts aus diesem Dungeon bei Niederlage retten, da man die geliehenen Gegenstände ja auch nicht verlieren wollte. Zuletzt war ich gezwungen, den Kristall-Alptraum-Boss Rush mit Startausrüstung anzugehen, was natürlich auf den höheren Ebenen (ab F50+) krachend gescheitert ist. Eine Romancing-Option, die Recette Geschenke verteilen lässt, hätte z.B. unter anderem geholfen.
Ach genau - 100% ist komplett absurd. Man muss das Spiel dafür 5 oder 6 Mal durchspielen (jedes Mal mit einem Fokus auf einen anderen Abenteurer), mal ganz abgesehen von dem Grind für die Rang 5-Fusions-Items. Ich war am Ende fast 50h drin (Steam sagt sogar 60+, das waren die Game Over) und war von den 100% sehr weit weg.
Aber: Danke für das Spiel, Sylverthas. Hab ich endlich diesen großartigen Verschnitt eines JRPGs auch mal gespielt. Bin mal gespannt, ob jetzt aus dem Recettear-Remaster was wird. Nicht, dass ich das jetzt noch spielen will.
Nächster Halt: Stranger of Paradise - dieses Mal wirklich. Mit dem Thread für '26 sollte ich auch irgendwann anfangen.

Kontrollzentrum




) und war von den 100% sehr weit weg. 
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