Ja, die Frage stellt sich mir in letzter Zeit immer häufiger.
Vielleicht gar nicht mal so sehr vom eigentlichen Spielumfang her gesehen, denn die Spielzeit hat sich zumindest bei mir nicht wesentlich geändert. Zum Teil brauche ich sogar länger für die Spiele. Nein, ich meine eher von der Art des Spielerlebnisses her, sodass einem die Spiele hinterher irgendwie sehr klein vorkommen.
Ich bin jemand, der mit SNES und PSX groß geworden ist. Und wenn ich nun ein Wild Arms mit einem Wild Arms 4, ein Xenogears mit Xenosaga, ein Final Fantasy VI, VII oder VIII mit Final Fantasy X und XII oder ein Breath of Fire IV mit Breath of Fire V vergleiche ... bin das nur ich, dem da irgendwie gewisse durchgängige Unterschiede auffallen?
Liegt es an den Spielwelten? Die sind in der gerade zu Ende gehenden Konsolengeneration ja doch irgendwie eher zusammengeschrumpft. Früher waren die Spiele nicht selten so aufgebaut, dass jeder einzelne Charakter seine eigene Episode innerhalb der Hauptstory hatte, die zusammengenommen wirklich viel ausgemacht haben. In der Xenosaga-Trilogie muss man für eine Episode II, die eigentlich nichts anderes ist, als die Vertiefung einer einzelnen Spielfigur unter vielen, gleich ein ganzes Vollpreis-Spiel kaufen und durchzocken. Früher wurde das ganz anders gehandhabt. Wenn man nun mit seiner FFVI-Party zusammen so viel durchgestanden hat, und nebenbei auch mal die Welt untergegangen ist, erscheint es irgendwie nachvollziehbar, dass es einem während dem Abspann so vorkommt, als habe man sich Jahre mit dieser Gruppe beschäftigt, auch wenn es in Wirklichkeit nur 40 Stunden oder so waren.
Dieses Verhältnis hat sich in neueren Spielen praktisch umgekehrt. Mir kommt diese "virtuelle Spielzeit" nun nicht mehr länger vor als die tatsächliche Dauer, sondern kürzer. Vielleicht hängt das auch mit dem Wegfall der Weltkarten in zahlreichen Fortsetzungen der gerade noch aktuellen Konsolengeneration zusammen. Weltkarten haben einem damals immer das Gefühl gegeben, große Entfernungen zurückzulegen, lange Reisen zu unternehmen. Dabei war es ganz egal, wie symbolhaft diese Weltkarte gestaltet war, funktioniert und gereicht hat es dennoch. Aber da so viele Spiele immer "realistischer" sein wollen, richtet man die Aufmerksamkeit lieber auf Details. So verhält es sich auch ähnlich mit den Städten: immer häufiger treffen wir in den Spielen vier bis fünf größere, gut ausgearbeitete Metropolen an, das wars dann aber auch schon. Diese mögen für sich genommen zwar toll aussehen, aber wenn man einen Schritt zurück geht und das ganze Bild betrachtet, ist es doch eher enttäuschend: die paar Städte, unabhängig davon, wie groß sie sind, können doch nicht wirklich die gesamte Zivilisation dieser Spielwelt darstellen, oder etwa doch? Es scheint durchaus so. Und das finde ich schade. Ich und ich glaube auch viele andere Spieler sind sehr zufrieden mit kleinen Städten. Nun gut, sie müssen wirklich nicht so winzig sein wie in Wild Arms 3 (erinnert sich noch wer ^^ ? Jeweils ungefähr zwei Häuser mit ein paar Passanten = Stadt), wobei mir diese Alternative, also viele sehr kleine Orte, immernoch besser gefallen hat als eine Handvoll Riesengebilde, aber es dürfte doch immerhin mal wieder so werden wie besagte 16- oder 32-Bit-Abenteuer. An Final Fantasy kann man da eine sehr schöne Kurve sehen:
In FFIV waren es 13 Städte.
In FFV 15.
In FFVI 16.
In FFVII ebenfalls 16 (obwohl man Midgar theoretisch nochmal in zig kleinere Einheiten unterteilen könnte)
FFVIII hatte 11 Städte.
Auch in FFIX waren es 11.
Und dann: In FFX gerade mal vier! Welche auch noch winzigst klein waren. In FFXII wenigstens schon wieder fünf größere und drei kleinere, aber dennoch ...
Sicher will ich damit nicht behaupten, dass man die Qualität bzw. den Umfang eines RPGs in den vorhandenen Städten messen kann, aber ist doch irgendwie bemerkenswert. Und wohl kaum ein Zufall, dass mir persönlich FFVI und VII am besten gefallen haben, genau die beiden Spiele mit den meisten Orten.
Aber es ist nicht nur das. Auch die Dungeons an sich kamen mir damals länger und größer und Gefährlicher vor. Wahrscheinlich auch abwechslungsreicher. Die Entwickler waren verspielt genug, mal was fernöstliches, mal was düsteres und mal etwas total phantasievoll durchgeknalltes einzubauen (wo wir schon überall gewesen sind - in den Träumen von Mitstreitern, deren Albträume wir besiegen mussten, oder in den Innereien von irgendwelchen Riesenviechern!). Heute sieht man so etwas kaum noch. Die verschiedenen Höhlen und Dungeons usw., die es auf dem Weg zu durchqueren gilt, müssen in Einklang mit dem allgemeinen Design und der Architektur sein, die man sonst so im Spiel antrifft. Und sie sind irgendwie auch ziemlich kurz. Neulich in Xenosaga III habe ich das gigantische Tactical Warship Merkabah erforscht. Gigantisch leider nur dem Namen nach. Da sieht man gleich zu Beginn des Spiels in einem Showroom wie groß das Ding sein soll, kommt dann später tatsächlich dorthin und ist gerade mal ein paar Minuten zugange, bis zum Kern vorzudringen. Sah geil aus, keine Frage, aber - und ich mag lange und eintönige Dungeons so wenig wie ihr - in diesem Fall hatte ich mich seelisch auf ein langes Labyrinth voller fieser Gegner eingestellt, und dann sowas.
Und die Welten an sich ... früher gabs davon in einem Spiel mehr als eine einzige. In FFV gleich drei Stück, wobei sich die ersten zwei zur dritten wiedervereinen. Oder die World of Ruin aus FFVI, wo jede Stadt, die die Katastrophe überstanden hat, theoretisch zwei mal gezählt werden könnte, weil es so viel Neues zu entdecken gibt. Oder sei es nur die Unterwelt von FFIV.
Wann haben wir so eine Vielfalt in dieser Konsolengeneration gesehen? Wenn ich bloß die falschen Spiele gespielt habe, dann klärt mich darüber auf -_^
Sicherlich hängt das irgendwie mit der immer größer werdenden technischen Herausforderung zusammen. Solche Polygonmetropolen sind nunmal schwerer zu erstellen, als Layerbasierende 16-Bit Häuser, mit vorgefertigten Grafiksets, die immer wieder neu verwendet werden können. Aber wie ich schon sagte, setzen viele Entwickler da einfach die falschen Prioritäten. Es muss nämlich nicht gleich ein großartiger Ort sein, lieber ein paar mehr kleine, die einem die Illusion einer zusammenhängenden Welt glaubwürdiger erscheinen lassen.
Und wo wir grade sowieso schon dabei sind: Die Entwickler wollen ihre Spiele natürlich auch verkaufen, also werden sie gleich möglichst spektakulär gemacht, dafür kann man ja an Charakterentwicklung und sonstigen Cutscenes sparen. Damals konnte man visuell nicht so unglaublich beeindrucken, wie das heute mit dem richtigen Budget möglich ist. Man war gezwungen, sich schöne, herzzerreißende und teils auch recht umfangreiche Geschichten auszudenken, die dem Spieler eben ein ganzes Abenteuer gegeben haben. Aber so geil sowas auch aussehen kann, anstelle eines Tidus, der mit seiner Crew auf Stahlseilen surft (Kinder, bitte auf keinen Fall zu Hause nachmachen!), wären mir zwei, drei Zwischensequenzen in Spielgrafik, in denen die unterentwickelte Lulu oder der ebenso blass belassene Wakka oder auch der stumme Kimahri etwas mehr zu sagen bekommen und über sich erzählt hätten, sehr viel lieber gewesen. Und niemand kann mir erzählen, dass die teurer geworden wären, als eine Bombast-FMV-Videosequenz.
Hm. Mag sein, vielleicht bin ich nur ein Retro-Gamer, der auf die guten alten Zeiten steht und sich diese manchmal zurückwünscht. Vielleicht sehen das diejenigen, die erst später mit dem Genre in Berührung gekommen sind ja auch ganz anders. Aber ich glaube nicht, dass ich mir das insgesamt bloß einbilde.
Und natürlich gibt es Ausnahmen. Habe gehört, Dragon Quest VIII soll sehr lang sein. Und doch meine ich, dass DQVII noch ne ganze Ecke umfangreicher ist, zumindest, soweit ich das mitbekommen habe.
Ich kann es auch gut nachvollziehen, dass sich viele darüber freuen, wenn die Spiele nicht übermäßig lang sind. Wir haben alle noch ein Leben abseits unseres Hobbys ^^ Aber darum geht es mir ja auch gar nicht. 40 Stunden reichen völlig aus, um eine großartige Geschichte zu erzählen. Genug Filme schaffen das immerhin auch in zweien. Bloß sollten die Rollenspiele diese Zeit auch sinnvoll anfüllen, und unter sinnvoll verstehe ich da unter anderem, dass das Spiel den Spieler denken lässt, dass die Zeit in dieser Spielwelt wirklich schneller vergeht als in der Realität. Dass man durch so ein Abenteuer fast ein ganz neues, anderes Leben gelebt und die Welt gerettet hat, die man vorher ausgiebig kennenlernen durfte.
So etwas vermisse ich immer mehr. Und mit dem technischen Fortschritt scheint sich daran nicht sonderlich viel zu ändern. Ich möchte endlich wieder denken können, Jahre mit den Charakteren verbracht zu haben, wenn ich den Abspann sehe, und nicht wie zuletzt immer wieder nur ein Wochenende oder so ähnlich. Verdammt, in Lufia II hat man sogar geheiratet und Nachwuchs bekommen ^^ Das waren noch in jeder Hinsicht umfangreiche RPGs - sowohl vom Gefühl als auch vom Inhalt her.
Die Entwickler sollten öfters mal einen Blick in die Vergangenheit wagen und nicht auf Soheil komm raus versuchen, krampfhaft was ganz neues herüberzubringen. In den alten Spielen stecken viele Tugenden, die heute mehr und mehr verloren gehen imho.
So, nachdem das Gedankenwirrwarr aus meinem Kopf gebannt ist, geh ich jetzt Xenosaga Episode III zu Ende spielen und hoffe, dass dieses wunderbare Gefühl von einst wenigstens halbwegs zurückkehrt. Wär doch gelacht, wenn gleich drei Spiele nicht das vermögen, was früher ein einziges vermochte ...