Liste der Anhänge anzeigen (Anzahl: 1)
Grundsätzlich muss man das ganze glaube ich etwas differenzierter Betrachten.
Zunächst einmal ist HORROR kein Genre, sondern ein Setting, wohingegen ADVENTURE ein Genre, aber kein Setting ist. In der Praxis bedeutet das natürlich, das nicht jedes Horror-Spiel ein Adventure un nicht jedes Adventure ein Horrospiel ist. Bevor man also die User-Akzeptanz von Horror-Adventures in details aufdröselt muss man erst einmal überlegen, wo man Probleme sieht. Beim Setting oder beim Gameplay.
Ich beschäfftige mich bekantermaßen ja auch mit Horror-Adventures und würde meine Kritik daher folgendermaßen formulieren: Das Problem ist nicht Systembedingt, sondern lässt sich schlicht auf das immer wiederkehrende Recycling von nicht-funktionierenden Spielelementen zurückführen. Grund dafür ist wohl, dass üblicherweise ein Autor vom anderen abschreibt, ohne sich selber Gedanken darüber zu machen, wie er es besser machen könnte.
Da ich für den letzten game-Jam ein Horror-Konzept entworfen habe, das mit den meisten makertypischen genrekonventionen brechen soll, gehöre ich wohl zu den hier von kelven angesprochenen Autoren, die das Genre zwar nutzen, allerdings auch für stark überarbeitungswürdig halten. Deshalb führe ich meine Kritik diesbezüglich hier einfach mal näher aus um Kelvens Wunsch nach einer Diskussion zu entsprechen.
Horror als Setting
Das Problem mit Horror als Setting ist, dass man sich damit beschäfftigen muss, wie man Atmosphäre erzeugt. Horror ist einfach mehr, als ein dunkler Bildschirm, seltsame Musik und ein paar Jump-Scares. Während man in einem normalen 3-Akter eine normaler Spannungskurve hat, ist es im Horror-Bereich wichtig, mit der so genannten "Tension" zu arbeiten. Das heißt, den Spieler vermuten zu lassen, das gleich etwas passiert, und diesen Zustand möglichst lange aufrecht zu halten. Dazu muss man dem Spieler den Horror immer Häppchenweise servieren und versuchen, seine Vorstellung zu manipulieren.
Oft wird seitens der Autoren aber einfach das Bild so dunkel wie möglich gemacht, bis der Spieler nichts mehr sehen kann. Und wenn man dank mit einer 2x2 Tiles großen Lochmaske alle drei Minuten in einen zuvor nicht sichtbaren Gegner rennt, wird das ganze "Horror" genannt und mit Shock- und Schreckeffekten begründet. Der frustrierte Spieler irrt derweil in vollkommener Orientierungslosigkeit über irgendwelche Maps und strirbt alle drei Meter, ohne das er seinen Tod hätte abwenden können. Das ist unter Usability-Gesichtspunkten natürlich absoluter nonsense und auch Cortis Abneigung gegen diese Art von Horror ist leicht verständlich. Zumal das ganze auch in der Praxis nicht funktioniert. Denn sobald der Spieler vor lauter Ärger zum Display-Schalter seines Bildschirms greift, um kurzerhand die Helligkeit hochzudrehen, ist dann auch jeglicher versuch, durch die Beleuchtung atmosphäre zu erzeugen, zum Teufel.
Für Shadywood - mein nicht veröffentlichtes Game-Jam-Projekt - habe ich in der Hinsicht auf eine ziemlich naheliegende Mechanik zurückgegriffen: Einen Tag-Nacht-Wechsel. Während der Spieler Tagsüber bei Licht die Welt nach belieben erkunden kann, wird die Sichtbarkeit nur zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr massiv eingeschränkt. Ob der Spieler diese Zeitspanne in seinem virtuellen Bett verbringt und einfach schläft, bis es wieder hell wird, oder ob er sich der Dunkelheit stellt und die ihm vom Tag bekannten Maps auch nochmal im Kerzenschein erforscht, ist seine eigene Entscheidung und wird vom Spiel aufgrund seiner Open-World-Struktur nicht vorgegeben. So lassen sich viele Aufgaben etwa durch beide Varianten lösen. Etwa in dem man bei Tag gespräche führt um einen NPC zu etwas zu "überreden", oder in dem man bei Nacht einen Einbruch wagt um das Objekt der Begierte kurzerhand zu klauen.
Auf der Grafik unten sieht man das. Abgebildet ist jeweils die Lobby der örtlichen Nervenheianstallt. Einmal bei Tag (6:00 - 18:00), einmal am Abend (18:00 - 22:00) und einmal bei Nacht (22:00 - 6:00). Die Licht- und Schattenwürfe sind dabei übrigens keine Lightmaps, sondern werden in Echtzeit berechnet, d.h. während sich der Spiel Nachts bewegt, "wandert" der Lichtschein seiner Lampe perspektivisch um Ecken herum.
Anhang 21547
Weitere Streitpunkte die durch Horror als Setting enstehen und auf jeden fall Diskussionswürdig sind, sind die klassischen Instant-Death objekte, die einen umgehend auf den gameover-Screen schicken, wenn man sie untersucht. Oft ist der Charakter einer Todesfalle für den Spieler nicht ersichtlich. Er öffnet drei Truhen die leer sind, und aus der vierten springt ein Monster, das ihn tötet, ohne das er es vermeiden kann. Den ganzen Mist gibt es z.B. auch - in etwas abgeschwächter Form - in Taut, wo beim Untersuchen eines Teddybärs plötzlich und ohne Warnung Judiths Lebensenergie verringert wird. Prinzipiell läuft das ganze dem Adventure-Charakter vieler Horrorspiele zuwieder, denn auf der einen Seite wird vom Spieler gefordert, alles abzusuchen und jedes Wandtile anzuklicken. Auf der anderen Seite wird er dann aber durch so einen Mist dafür bestraft, alles zu erforschen.
Anschließend beschwert sich der Spieler im Forum darüber und der Entwickler knallt ihm ein "Schockeffekt für mehr Spannung" um die Ohren. Bullshit, sage ich da nur. Eine Gefahr, die der Spieler nicht kommen sieht, und gegen die er nichts aktiv unternehmen kann, erzeugt keine Spannung, höchstens ärger. Wenn ich mit einem Schachtelteufel Spannung erzeugen will, muss ich das Monster vorher schlafend im Raum platzieren, so das der Spieler zwar "vermuten" kann, dass es aufwacht, wenn er eine Kiste öffnet, aber nicht weiß, bei welcher. Außerdem muss ich ihm eine Fluchtchance geben.
Unvermeidbare Resultate erzeugen keine Spannung, sie erzeugen Frust.
Und ja ... dann noch die lieblings Kritiken vieler Horror-Kritiker:
Langsame Textgeschwindigkeit und oft gesetzte "...", neben einer zum gähnen langsamen Bewegungsrate des Protagonisten. Horror-Adventures gehören wohl zu den zahlreichsten Projekten auf dem maker. Da wundert es mich schon, dass die Autoren einfach nicht "checken" das man mit langsamen Textaufbau, leeren textboxen und "..." keinen Sprachrhytmus simulieren kann. Geschriebener Text ist keine verbale Kommunikation. Und - verdammte Scheiße - ein Textbasiertes Makergame auf SNES-Niveau ist KEIN Hollywoodfilm und muss auch nicht ebendso inszeniert werden. In KEINEM einzigen Buch das ich in meinem leben gelesen habe, wurde Sprachrhytmus durch den inflationären Gebrauch von Leerzeilen oder "..." realisiert. Man kann den Leserhytmus des Konsumenten beeinflussen, ja, aber nicht so!
Leserhytmus Manipulation geht so:
-Lange Sätze reduzieren das Lesetempo, sollten aber nie mehr als 15 Wörter haben.
-Kurze Sätze beschleunigen das lesetempo.
-Zufällige Variation der Satzlänge zwischen Lang und Kurz führen zu einer hektischen Leseweise und eignen sich gut für Action-Szenen. Hier dürfen auch 1-Wort-Sätze benutzt werden!
-Das setzen vieler Adjective führt zu einer reduzierung der Lesegeschwindigkeit.
-Das weglassen von Adjektiven erhöht das Lesetempo indem der Inhalt auf ein Minimum reduziert wird.
-Bei Action-Szenen möglichst weitgehend auf Adjektive verzichten.
-Absätze verursache im Leserhytmus eine kurze Pause, die denoch etwas länger ist, als die bei einem Punkt.
Dazu das ewige rumgeschleiche mit reduzierter Bewegungsrate, das nicht selten dann durch eine mehr als behälfsmäßige implementierte Rennen-Funktion ausgeglichen wird, statt einfach das Bewegungstempo auf einem normalen Niveau zu lassen. Ich weiß nicht, welcher Honk ursprünglich auf die Idee kam, das langsames rumgeschleiche ohne konkreten Grund eine "gruselige" Atmosphäre erzeugt. In einem 3D-Raum hilft langsames gehen der Imagination, weil man so beispielsweise vorsichtig um Ecken herum gucken kann. In Makergames mit Top-Down Perspektive geht das aber nicht, also ist auch das herumgeschleiche sinnlos und letztlich nervtötend.
Wichtig ist, dass man immer im Hinterkopf behällt, das Horror auch nicht bei jedem Spieler funktioniert. Oft ist die Bereitschaft, das Spiel als Horror zu akzeptieren einfach nicht gegeben. Viele Autoren neigen dazu, eine konstruierte Horror-Atmopshäre als Basis zu nehmen und dann ein eher rudimentäres Adventure-Gameplay darum herum zu bauen. Wenn dann die Atmosphäre ihren Dienst beim jeweiligen Nutzer versagt, versagt das ganze Spiel. Wenn sich das Spiel dann NUR auf seinen Horror-Aspekt beruft, fällt es schnell durch das Raster. Im Idealfall sollte ein Horrorspiel also auch dann durch sein gameplay überzeugen, wenn der Horror beim jeweiligen Spieler versagt.
Ein Tolles Beispiel dafür ist Kelvens "Das Heim". Als Horrorspiel zündet das Spiel bei mir zwar nicht wirklich, aber es bietet eine spannende Story und - bis auf wenige Ausnahmen - solide Rätsel, so dass es auch ohne den Gruselfaktor als klassisches Maker-Adventure bestehen kann. Hällt man in dem Fall das "legendäre" TAUT dagegen, stellt man unweigerlich fest, das TAUT zwar die - zugegebenermaßen - bessere Atmosphäre hat. Dass, wenn man die Atmosphäre allerdings wegnimmt, auch nicht mehr viel übrig bleibt, was TAUT spielenswert macht.
Adventure als Gameplay
Das Adventure gehört zu den ältesten Genres überhaupt und ist schon seit der Ära der Textadventures in der Hobby-Szene auch das am häufigsten gewählte genre für selbst erstellten Spiele. Das Adventure als abgespecktes RPG zu betrachten, wird dem also nicht ganz gerecht.
Ein Problem hier ist wohl, dass Horror-Spiele die als Adventures im maker-Stil ausgeführt sind, oft nur an der Oberfläche dessen kratzen, was Adventures EIGENTLICH sind. Oft werden spiele auf herumlaufen und alles anklicken reduziert, obwohl das Adventure an sich viel mehr potential her gibt.
Klassische Adventures beziehen z.B. zu einem erheblichen Teil interaktive Dialoge und richtige Denkaufgaben in ihren Ablauf mit ein. Horrorspiele auf dem Maker verzichten darauf meistens oder reduzieren sie auf das wesentlichste. So bleiben von den klassischen Denkaufgaben aus Adventures oft nur einfache "Schlüssel finden und in das richtige Schlüsselloch stecken" übrig, wobei das Schloss ggf. auch mal durch ein Zahlenschloss, Buchstabenschloss oder Symbolschloss ersetzt sein kann. Immer geht es aber hauptsächlich darum, den passenden Schlüssel für eine Tür zu finden. Mehr bieten Maker-Adventures oft leider nicht.
Die Dialoge sind oft - wenn sie denn überhaupt existieren - als selbstablaufende Cutscene ausgeführt und oft genug derart ... kryptisch ... geschrieben, dass man sich als Spieler irgendwann zwangsläufig fragt, was der redende Charakter - oder der Autor - für Zeug geraucht hat, und wo er auch was davon bekommt. Personlich finde ich es seltsam, dass in so vielen maker-Horrorspielen die Leute einen Sprachstil haben, der irgendwo zwischen "Fürchterlich Geheimnisvoll" und "Totales Delirium" variiert. Da sitze ich mit einem kleinen Mädchen im Park, das offenbar meine Verbündete ist, aber bekomme trotzdem nicht eine einzige, hilfreiche Information von ihr. Andeutung folgt auf Andeutung, Mutmaßung auf Mutmaßung. Es folgen Metaphern die für Metaphern stehen und viel leeres Gerede. Nix konkretes, nix das irgend einen Wert hätte. Stattdessen kotzt sie mir Quasi Buchstabensalat vor die Füße. Nach 10 Minuten Textbox zerhacken bin ich nix schlauer, aber viel entnerfter als vorher und frage mich vor allem "Was soll der Scheiß?"
Dialoge dürfen auch mal verwirrend sein, ja. Aber sie sollten trotzdem glaubhaft sein. Wenn ich als Spieler zwei Charaktere bei einer Unterhaltung belausche, dann ist zu erwarten, das ich den Sinn des Wortwechsels nicht sofort begreife (Wäre in der Realität ja auch so). Wenn mich ein Charakter aber direkt anspricht und dann Textbox-auf-Textbox herumschwadroniert ohne das ich auch nur einen halbwegs brauchbaren Satzfetzen in dem Geschwafel finden kann, dann ist das nicht "mysteriös" sondern albern.
Mein Job ist zwar kein "Horror" in dem Sinne, denoch hat mein Chef mir gegenüber noch nie Bibelzitate benutzt, wenn er mir eine Aufgabe geben wollte. Ich denke, dass sich viele Autoren in der Hinsicht einfach zu stark an Silent Hill orientieren und glauben, es würde für Mystery oder Grusel stehen, wenn man seine Charaktere so reden lässt, als wären sie auf 'nem Trip.
Wer ein Adventure erstellt, sollte einfach mal einen Blick rüber zu klassischen Point&Click-Adventures werfen und sich verdeutlichen, wieviel mehr man mit gut ausgeführten Dialogen anfangen kann (Gegenwärtig kann ich z.B. die beiden ersten Teile der Tunguska-Reihe und "The Book of unwritten tales" empfehlen. Alle sehr günstig zu haben und wirklich gut.