System: PC
Spielzeit: 79h
Angefangen: 02.01.
Beendet: 20.01.
Warum dieses Spiel?
Auch wenn die Tales Reihe selten richtig hochkarätige Spiele rausknallt so mag ich sie dennoch ganz gerne. Gerade der Fokus auf Charakterinteraktionen ist mein Ding. Habe daher beide Tales-Teile mit in die Challenge genommen, die es auf dem PC gibt und die ich noch nicht gespielt habe. Und bin sehr froh, dass der RNG mir dieses Spiel und nicht Zestiria vorgeworfen hat
Kontext:
Tales of Berseria wurde im August 2016 in Japan für die PS3 und PS4 veröffentlicht. Es ist ein Prequel zu Tales of Zestiria (Release: 01.2015) und spielt etwa 1000 Jahre zuvor.
Story / Charaktere:
Seit der Scarlet Night vor sechs Jahren wird die Welt Desolation von der Daemonblight heimgesucht. Dabei handelt es sich um eine Krankheit, welche Menschen zu Dämonen macht. In dieser Nacht verlor auch Velvets Schwester ihr Leben.
Drei Jahre später wird Velvets Leben vollständig ruiniert, wieder an einer Nacht mit blutrotem Mond. Ihr Bruder wird getötet, sie von ihrem Schwager Artorius hintergangen, in einen Dämon verwandelt und schließlich in einen Kerker gesperrt. In den folgenden Jahren ist Artorius in der Abbey, einer religiösen Institution, die immensen Einfluss in der Welt hat, hoch aufgestiegen und zum Shepherd (sprich: Führer) der Menschheit geworden. Nach einem spielbaren Flashback der Ereignisse vor drei Jahren eröffnet das Spiel mit der Befreiung Velvets aus dem Kerker. So nimmt ihr Rachefeldzug gegen Artorius und die Abbey seinen Anfang.
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Wenn ihr euch jetzt denkt "Woah, das ist aber ziemlich dick aufgetragen, und wieso ist so viel EDGE in meinem Tales-Spiel?!" - viel subtiler wird das auch nicht. Aber wann waren Tales-Spiele das schon mal? Die (vergleichsweise) düstere Grundstimmung hat mir definitiv gefallen. Ich halte es dem Spiel auch zu Gute, dass sie mal einen komplett anderen Hauptcharakter eingebaut haben, als das, was einem die Reihe sonst so vorsetzt.
Mit ihrem brachialen, relativ rücksichtslosen und egoistischen Auftreten ist Velvet klar eine Antiheldin. Die Abbey wird von der Bevölkerung als eine wohltätige und friedensschaffende Organisation angesehen, und so haben die Aktionen der Party durchaus einen terroristischen Charakter. Trotz dieser Diskrepanz will das Spiel, dass man mit Velvet sympathisiert. Oder zumindest mitfiebert, wenn sie off the rails geht. Bei mir ist das geglückt, aber das ist der Punkt, der das Spiel für manche brechen wird.
Zusätzlich zu der Motivation, die sich für Velvet aus den oben geschilderten Ereignissen ergibt, liefert das Spiel noch weitere Gründe, um Velvets Aktionen für den Spieler vertretbar zu machen. Denn die Abbey ist eine kirchliche Organisation in einem J-RPG - wir wissen alle, was das bedeutet: ihre Ziele sind rechtschaffen, aber sie arbeitet mit äußerst zweifelhaften Methoden. Der Konflikt wird nicht schwarz/weiß gemalt, aber die Tendenz, dass die Position der Party die moralisch bessere ist, ist durchaus da. Dass die meisten Mitglieder der Gruppe, Velvet voran, persönliche Fehden mit der Abbey haben und wir nun mal die Geschichte aus ihrer Perspektive sehen, trägt sicherlich dazu bei. Auch Velvets Beziehung zu Artorius verleiht dem Spiel emotionales Gewicht.
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Die Party in Berseria hat mir sehr gut gefallen, was auch daran liegt, dass sie etwas bodenständiger und ernster ist, als in anderen Teilen der Reihe. Am Anfang hat sie eher den Charakter eines Haufens Ausgestoßener, welche alle ihre eigenen Ziele verfolgen aber miteinander kooperieren, um diese zu erreichen. Motivationen sind aber nicht unbedingt konsistent und manchmal ist es fraglich, wieso Charaktere überhaupt mit Velvet reisen. Später wächst die Gruppe zusammen und es bilden sich tiefe Verbindungen zwischen Charakteren. Hervorzuheben ist hier die von Velvet, Phi und Eleanor. Phi macht das meiste (persönliche) Wachstum während der Reise durch und hat einige starke Szenen im späteren Spielverlauf. Das Banter zwischen Velvet und Magilou ist erstklassig, denn letztere sorgt in der ernsten Gruppe für die nötige Zynik um Velvets einfältiges Verhalten zu kommentieren. Was gerade am Anfang für viel Dynamik und Humor sorgt. Ich sage da mal nur "Coo Coo"
Generell ist Magilou einer der hervorstechenden Charaktere hier im Spiel - sie ist relativ komplex und ihr Background stark. Lediglich Rokurou sehe ich als nicht essentiell an, aber er ist immerhin noch ein cooler Typ.
Berseria mag düsterer und melancholischer als andere Teile der Reihe sein, aber durch die exzellenten Skits und einiges an weiterer Auflockerung (z.B. die Gerüchte über die Gruppe, die immer abstruser werden) wird die Grundstimmung nie zu negativ. An manchen Stellen hätte ich mir sogar gewünscht, dass die Charaktere auf Ereignisse etwas betrübter reagieren, als sie es dann tun. Aber das hier ist schließlich immer noch ein Tales-Game, denke da sind das hier schon durchaus Schritte in die richtige Richtung.
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Trotz der Tatsache, dass es am Ende natürlich um das Schicksal der Welt geht, bleibt die Geschichte sehr persönlich. Dafür sorgen auch die Kernthemen des Spiels - Familie und Gefühle vs. Vernunft - welche sich durch viele Aspekte der Story und Charaktere ziehen. Velvet hat ihre gesamte Familie verloren und sinnt auf Rache an Artorius und ist bereit, jeden zu bekämpfen, der sich ihr in den Weg stellt. Rokurou kommt aus einer Familie von Schwertkämpfern und will seinen Bruder umbringen, um zu beweisen, dass er der Stärkere ist. Die Abbey verkörpert praktisch das Mantra, dass Vernunft über allem stehen muss. Die Liste kann man beliebig fortführen und es gibt wenige Charaktere, die nicht irgendeine Facette der Kernthemen widerspiegeln. Bei vielen Situationen im Spiel können so Parallelen zu Velvet aufgebaut werden, was ein weiterer Kniff ist, sie für den Spieler zugänglicher zu machen. Diese Kernthemen sind es meiner Meinung nach auch, warum die Geschichte effektiv ist und sich dicht anfühlt.
Denn der Plot ist eher statisch und hat einigen Leerlauf. Gerade in der ersten Hälfte verzettelt man sich öfter in Nebengeschichten, welche zwar interessant sind (z.B. neue Charaktere einführen oder die Welt vertiefen), aber die Handlung kaum weiterbringen. Das hat den Höhepunkt in einer Szene, bei der einem das Spiel fast direkt sagt, dass man die letzten paar Stunden verschwendet hat. Im Kontext der Story kann man sie aber vielleicht als ludonarrative Harmonie ansehen *g*
Dazu muss ich erwähnen, dass mich die Nebengeschichten hier selten gelangweilt haben. Einige der Plottwists sind ziemlich vorhersehbar und das Interessante ist eher zu sehen, wie die Charaktere darauf reagieren werden.
Als Prequel hat Berseria einiges an Foreshadowing für Ereignisse, die in Zestiria passieren. Das sehe ich nicht mal als negativ an für Leute, die Berseria zuerst spielen. Dadurch erscheint die Lore und Welt bereits in diesem Spiel komplexer, als es bei vielen anderen Teilen der Reihe der Fall ist.
Gameplay:
In den Kämpfen wird eine Variante des Linear Motion Battle Systems verwendet, welche aus Tales of Graces/Zestiria bekannt ist. Man reiht hierbei wie in einem Fighting Game verschiedene Angriffe aneinander um Kombos zu erzeugen. Für lange Komboketten gibt es Schadensmultiplikatoren und manche Spezialangriffe können nur bei geeigneter Kettenlänge benutzt werden. Das Buttonlayout der Kombos kann im Menu konfiguriert werden (was AFAIR in Graces noch nicht möglich war).
Wenn man nun so spielt wie ich Button-mashed man sich eigentlich nur durch die Monsterhorden durch. Was möglich ist, da das Spiel auf "hard" (4/6 Difficulty) nicht besonders schwer ist. Mit etwas mehr Finesse sind aber wie in jedem Tales-Titel sehr stylische Sachen und elendig lange Kombos möglich.
Velvet hat als spezielle Mechanik ihre Dämonenhand, welche man als einen Hyper Mode ansehen kann. Aktiviert man diese, so kann Velvet nicht sterben aber verliert konstant HP. Fallen diese auf eins so endet der Modus. Mit ihrer Hand kann sie lange Combo Chains aufrecht erhalten und Spezialangriffe (z.B. Mystic Artes) verwenden. Damit ist sie der vermutlich stärkste Charakter im Spiel und ein Ziel ist es, sie so lange wie möglich in diesem Modus zu halten - was mit der richtigen Ausrüstung auch möglich ist und sie fast broken macht. Bei mir hat das einfache Kombopotential und das Zerschreddern von Gegnern für viel Spaß gesorgt. Ein Hoch auf Dämonen Velvet!
Ähnlich zu Final Fantasy IX kann man in Berseria durch die Ausrüstung Skills lernen. Daher wird man seine getragenen Items häufig wechseln und das Spiel ist recht menülastig. Zusätzlich wird man auch überworfen mit immer gleicher Ausrüstung, welche sich nur in zusätzlichen Boni unterscheidet - was Besuche bei Händlern nach einer langen Reise langwierig macht. Die Systeme beissen sich mit der Möglichkeit, die Items noch upzugraden - durch das stetige Wechseln wird man selten Sachen tragen, die stark verbessert sind.
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Die Dungeons in Berseria sind monoton und langweilig. Es gibt nur wenige, in denen man mit der Umgebung interagieren kann, in den meisten Fällen muss man einfach nur von A nach B laufen und währenddessen Horden von Monstern verprügeln. Zu sagen, die Dungeons wären einfallslos, ist eine Untertreibung. Dass man auf dem Weg Schrott und Katz' Kugeln (für kosmetische Items) sammeln kann mildert das nur wenig.
An optionalem Content hat Berseria verschiedene Sachen zu bieten. Es gibt ein paar Sidequests, welche größtenteils erst am Ende des Spiels oder gar im Postgame verfügbar sind. Man kann auf speziellen Inseln verschiedene Gauntlets an Monstern bekämpfen. Im Postgame gibt es einen optionalen Dungeon. Insgesamt habe ich etwa 15h für den Content benötigt. Schließlich gibt es noch eine Reihe an Minispielen, von denen ich aber nichts mitgenommen habe, weil ich sowas in der Regel wie die Pest meide.
Präsentation:
Berseria sieht wie ein mittelmäßiges PS3 Spiel aus - was für den japanischen Release sogar zutrifft. Dies fällt vor allem beim detailarmen Umgebungsdesign und den simplen Texturen auf. Dungeons sind monoton und es gibt zu viele typische Wälder, Höhlen und Ruinen. Hier hätte das Art Team viel rausholen können, aber die Gebiete sind generisch und ohne Wiedererkennungswert. So gibt es sicherlich 4-5 Höhlen in diesem Spiel, welche sich größtenteils nur durch ihre Farbpalette unterscheiden und auch kaum interessante Features haben.
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Die Städte im Spiel kommen etwas besser weg, aber bis auf "Schneestadt" oder "Strandstadt" könnte ich auch keine besonderen Details wiedergeben. Das Charakter- und Monsterdesign ist der beste Punkt hier. Velvets Design ist ziemlich gut und die wichtigsten Charaktere haben einen einzigartigen Look. Für die Animeszenen zeichnet sich wieder Ufotable verantwortlich und diese sind durchgehend toll animiert. Das Spiel hat einige ganz ordentliche ingame Kampfszenen, aber nichts auf dem Niveau von beispielsweise Xenoblade Chronicles 2. In den Cutscenes sind die Modelle ausdrucksstark und können gut die gewollten Emotionen vermitteln.
Dazu trägt auch das exzellente japanische Voice Acting bei. Gerade Velvets und Magilous Sprecherinnen bringen viel rüber. Gleiches kann nicht von der musikalischen Untermalung von Sakuraba gesagt werden. Wenn einen jemand nach einem generischen J-RPG Soundtrack fragen würde, könnte man problemlos den von Berseria "empfehlen". Ein paar Songs sind ganz gut, wie beispielsweise Velvet's Theme oder The Will That Opposes Reason, aber viel von der Musik wird man wohl nicht im Kopf behalten. Letzterer Track gibt aber das Konzept von "Emotionen vs. Vernunft" zumindest namentlich (und durch die Art, wie er als Boss Battle Theme eingesetzt wird) wieder.
Fazit:
Durch seine sehr persönliche Geschichte, der düsteren Grundstimmung, der Dichte, mit der Kernkonzepte in viele Ebenen der Charaktere und Story verwoben wurden und der gelungenen Umsetzung von Velvet als Antiheldin ist Berseria für mich ein ziemlich guter Teil der Reihe. Ich bin recht glücklich damit, es vor Zestiria gespielt zu haben. Letzteres sieht für mich sehr generisch aus, aber jetzt kann ich mir vorstellen, durch die Ereignisse aus Berseria dennoch meinen Spaß an Welt und Story zu haben.
Die Kernthemen von Familie und Emotion vs. Vernunft sind prävalent und werden in immer neuen Facetten hervorgeholt. Dadurch hat sich bei mir rückblickend ein sehr dichtes Bild des Spiels ergeben, auch wenn es einige Substories hat, die eher "lose" mit dem Rest zusammenhängen oder recht irrelevant sind. Hier kann ich aber verstehen, wenn Leuten das alles zu viel ist. Denn Berseria ist nie subtil und haut alle Themen mit dem Holzhammer durch.
Die Nebenmissionen würde ich jedem Spieler, der Spaß an der Geschichte hatte, ans Herz legen. Dort sind einige gute Backgrounds für Charaktere und Welt versteckt. So wird Artorius kompletter Hintergrund nur in einer Sidequest erzählt und auch Partymitglieder werden in optionalen Inhalten stärker ausgebaut.
Enttäuschend ist definitiv die Präsentation vom Spiel. Gerade musikalisch ist hier einfach zu viel Gedudel und das Spiel hat außer Velvet's Theme wenig, was die emotionaleren Momente unterstreichen kann.
Wertung: 8/10