Gewinn
Alles ließe sich in einem Abwasch mitnehmen und viele Spieler haben auch kein Interesse, ein Spiel ein zweites Mal zu beginnen. So könnte ich also auch gleich mit allem angeben, was in der Allreise steckt.
Die Spielzeit eines Durchlaufs stiege nochmals an. Das ist kein Wert an sich, aber da ich hoffe, mein Spielchen zählt eher zur vergnüglichen Sorte, wird es dann doch ein Vorteil.
Und schließlich geraten Spielertypen des – ich nenne ihm mal – Sammlers nicht in Verzweiflung, etwas zu verpassen. Der Spielertyp ist gerade bei Rollenspielen häufig und er hat teilweise wirkliche Bauchschmerzen dabei, einen Winkel auszulassen. Je größer der Winkel, desto mehr tut es weh.
Bei gleich drei Vorteilen sollten dem also wirklich gute Gründe entgegenstehen.
Aufwand
Ich beginne mal rein praxisgesättigt. Was würde also eine Umarbeitung dieses Spielteils eigentlich an Aufwendungen erfordern?
Die Spielbalance wäre im Eimer. Wer beide Kapitel spielt, ist im nachfolgendem durch die gewonnene Erfahrung im ersten natürlich stärker. Also müsste ich die Gegner entsprechend neu justieren. Aber nicht nur dort, sondern im gesamten Rest des nachfolgenden Spiels, das ja darauf ausgelegt ist, einem Spieler zu begegnen, der kurz zuvor nur die einfache und eben nicht die doppelte Erfahrungsmenge gescheffelt hat. Mal eben überschlägig jeden Gegnerwert um 1/5 zu erhöhen, geht leider schief. Das erforderte schon etwas mehr (ausdauernde Testkämpfe, Probespielen, Kampftester usw.)
Das Spiel ist auf die bislang zu erreichende Menge an EXP ausgelegt. Ein eingeschobener neuer Spielabschnitt erhöhte natürlich die insgesamt zu erzielende Menge. Damit die Helden dann nicht im Endteil einen Beförderungsleerlauf erleiden (sie sammeln zwar noch Punkte, erhalten aber keine neuen Fähigkeiten mehr), müsste ich da gegensteuern, indem ich neue Fähigkeiten entwerfe und erringen lasse. Dadurch kippte die Schwierigkeitsgewichtung der Kämpfe natürlich nochmals und zöge weitere Tests nach sich.
Neben diese technischen Problemchen der Spielmechanik treten inhaltliche. Die Auswahlszene in der Konferenzhöhle müsste ich kippen oder wenigstens umschreiben, da nun eben keine Auswahl, sondern eine Zuteilung erfolgt. Außerdem sind die beiden alternativen Spielareale so angelegt, dass die Helden nicht wissen, was im jeweils anderen vor sich geht. Würde ich beide nacheinander bespielen lassen, müsste ich wenigstens einen der beiden ummodeln, denn diesen betreten die Helden nun mit einem Vorwissen, das sich äußert. Dialoge, Überraschungen und diverse Handlungsakte sind darauf nicht ausgelegt. Schlimmstenfalls müsste ich eines der beiden Szenarien in weiten Teilen neu aufziehen.
Es macht also viel Arbeit. Nun kann man einwenden, die dahinterstehende Arbeit darf nie ein Ausschlussgrund sein. Aber so eine Aussage wäre schon das Kind eines eher theoretisch interessierten Standpunktes. Der Aufwand ist aber gar nicht mein Hauptpunkt, ich führe die Kosten vor allem an, um Dir zu zeigen, dass sie gewichtig genug wären, eine nur knapp ausgehende Abwägung zu entscheiden. Aber so knapp ist es gar nicht, denn mir ist der Verlust auch so schon groß genug.
Verlust
Ich wollte ein Spiel mit wenigstens einer echten Varianz erstellen, das heißt, die Entscheidungen des Spielers sollten einen wirklichen Einfluss auf das weitere Spielgeschehen ausüben. Die Möglichkeit mehrerer Enden hatte ich erwogen, aber wieder verworfen, da es meist eh nur ein Ende gibt, das dramaturgisch passt; es sei denn, man entwickelt von Anfang an zwei Spiele in einem, die durch viel Variablen- und Bedingungsakrobatik miteinander verwoben werden. Das war mir zu aufwändig und auch zu ungewiss, ob ich so etwas überhaupt kann.
Glücklicherweise hatte ich während des Herumbastelns immer mehr Ideen, was den Helden an Abenteuern zustoßen konnte. Eigentlich sogar zu viele Ideen, denn ein Gutteil davon war daran gebunden, auf der Erde stattzufinden. Das hätte den Spielzuschnitt erdzentrierter gemacht, als gewollt, immerhin handelt es sich um eine Allreise. Es hätte mir leid getan, das fallen zu lassen, denn die Wahrscheinlichkeit, das ich noch einmal ein Spiel erstelle, das im 19. Jahrhundert angesiedelt ist, und in das folglich die Szenarien Wilder Westen und kolonisierter Orient gepasst hätten, tendiert straff gegen Null. Statt nun auf zwei Problem sitzen zu bleiben (keine Varianz, zu viele Ideen), drehte ich einfach beide so, dass sich eine Lösung ergab: Eine Weggabel im Spielverlauf, an der es dem Spieler anheim gestellt ist, zu entscheiden, wie er verfahren möchte. Beide Wege unterscheiden sich nicht nur im Szenario, sondern auch im Konzept – mal handlungsorientierter, mal mehr auf Gameplay aus.
Folgte ich Deinem Vorschlag, müsste ich genau auf die beiden benannten, mir sehr wichtigen Kriterien verzichten, nämlich auf eine richtige Alternative und auf ein Spiel, dessen tatsächlicher Schwerpunkt nicht nur dem Namen nach im All liegt.
Entscheidungen haben es in ihrer Natur, auf einen Verzicht hinauszulaufen. Du kennst nun die Kriterien, anhand derer ich mich orientiert und entschieden habe. Es steckt also keine zwingende Logik dahinter, sondern nur mein Geschmack, aber er hat sich zur Frage "Varianz oder Fülle auf einen Schlag?" eben nicht auf der Basis reiner Willkür geäußert. Und dass ich das Problem nach wie vor als interessant betrachte, siehst Du ja schon der äußeren Textlänge an. Vielleicht hast Du sogar bis hierhin mitgelesen.