Gerade der erste Post wirkt auf mich wie die Argumentation, dass es neben dem persönlichen Gefallen oder Nichtgefallen des Einzelnen wenig Maßstab gäbe, um den es sich zu diskutieren lohnen würde. Zum einen, weil du der Meinung bist, es gäbe hier niemanden der die fachliche Qualifikation aufbringt aber auch weil die wohl bisher gelieferte Begründungen nie gereicht haben.

Das Handwerkliche wurde hier stellvertretend für das Objektive. Ich bin der Meinung, dass Bewertungen, Feedback, kritik und Reviews gut daran tun würden, wenn die Autoren nicht versuchen würden sich als objektiv darzustellen, weil sie das nicht sind und nicht sein können. Ganz und gar die Möglichkeit einer sinnvollen sachlichen, objektiven, handwerklichen Grundlage zu verneinen, beschränkt die mögliche Diskussion aber auf eine Aufzählung von Gefühlen.

Das finde ich zum einen furchtbar langweilig. Es ist aber auch sachlich falsch, da es sich bei Spieldesign ja nicht um eine okkulte Kunst handelt, die nur ein paar Auserwählte beherrschen und die jeder andere nur bestaunen und bewundern kann. Ein Spiel ist ein Softwareprodukt. Natürlich haben Spiele das Potential gefühlt mehr als die Summe ihrer Teile zu sein, aber das bedeutet ja nicht, dass die einzelnen Teile und Aspekte in sich auch ungreifbar sein müssen.

Beispiel:
Diablo 3 in seinem Releasezustand hatte wenig und schlechte Itemdrops und ein Auktionshaus, dass dem Spieler ( für Gold und € ) spottbillig Items vorgesetzt hat die besser waren als was man selber finden konnte, aufgrund der Art wie die Ingameökonomie funktionierte. Wenn der Nachfolger der bekanntesten "Sammel coole Items"-Spiele so gestaltet ist, dass der Durchschnittsspieler anstatt in gesammelten coolen Items in gekauften nicht coolen Items rumrennt, ist das dann eine reine Geschmacksfrage, oder ist das schon handwerklich versagt?

Beispiel:
Wenn ich jetzt eine DVD einschmeisse und im Sprachmenü nicht erkennen kann, ob nun Deutsch oder Türkisch angewählt ist, weil die Farben für den ausgewählten und den nicht gewählten Menüpunkt einfach nicht ausdrücken, was davon grad angewählt ist, und ich deshalb erstmal bis zum ersten Dialog gucken muss um dann zu schlossfolgern, welche der Menüfarben für den gewählten Menüpunkt stand, ist das dann eine reine Geschmacksfrage, oder ist das handwerklich versagt?

Beispiel:
Wenn ich in einem Open World RPG das Angeln-Minigame cool finde, bischen länger angle und mich anschliessend die Monster chancenlos zu Matsch hauen, weil deren Angriff und Verteidigung mit meinem gelevelten Angelskill hochskaliert anstatt mit meinen nicht gelevelten Kampffähigkeiten, ist das dann eine reine Geschmacksfrage, oder ist das handwerklich versagt?

Neben Argumentation, die irgend ein Nichtexperte sich herleitet, gibt es aber auch eine ganze Menge Fachwissen, und auch das ist nicht nur irgendwelchen Profis vorbehalten, die es hier garantiert nicht gibt. Menü-Design beispielsweise. Für Mensch-Maschine-Interfaces gibt es auf wissenschaftlichen Grundlagen basierende Richtlinien, seit es sowas gibt, also irgendwann in den 80ern. Wie lange in der Geschichte der Menschheit werden schon Informationen strukturiert dargestellt? Höhlenmalereien könnten noch Freestyle sein, bei den ägyptischen Hieroglyphen sehe ich schon erschreckend starke Hinweise, dass da mit einem System gearbeitet wurde, dass sich jemand vorher überlegt hat, evtl. sogar aus gutem Grund. Zugänglichkeit, Bedienbarkeit und Ergonomie gibt es wirklich, und auch wenn die Gestaltung eines Menüs Geschmackssache ist, so gibt es doch eine gute Menge an logischen Zusammenhängen, die ihren Beitrag dazu leisten, dass Dinge in der Praxis funktionieren.

Bei Spielmechaniken ist das weniger eindeutig. Bücher von Menschen, die Spiele gemacht haben und dafür bezahlt wurden. Denen muss man nicht glauben, ich glaube Newton auch erst seit dem ich selbst von einem Apfel getroffen wurde. Man kann aber. Die sagen dann so abstrakte Thesen á la "Ein Spiel ist eine Abfolge interessanter Entscheidungen" oder geben mathematische Beispiele für Gamebalance.

Angenommen ein Spiel besteht daraus, rum zu laufen, die Wände Tile für Tile abzuklicken und nach X gefundenen Gegenständen ins nächste Areal zu kommen. Klingt für mich furchtbar langweilig. Wäre ich ein Entwickler, werde ich mir wohl nicht gedacht haben "Ja, ich mach ein Spiel in dem der Spieler einfach jedes Tile in jedem Raum einmal mit Enter abgrast!" Eher hätte ich etwas gedacht wie "Ich mach ein Spiel, in dem man erkundet und versteckte Gegenstände finden und kombinieren kann!". Wenn die Umsetzung dazu führt, dass der geneigte Spieler mit seinen Augen im Spiel nicht erkennen kann, welchen der 10 Zettel an den Pinwand des Polizeibüros von interesse ist, dann bleibt nichts über, ausser es aus zu probieren und sich vor allen einmal hin zu stellen und Enter zu drücken.

Ob eine Idee im gewünschten Sinne funktioniert kann sehr einfache rationale Gründe haben. Ergonomische, pragmatische, und viele andere. All das kann man auf Geschmack schieben. Aber dann muss man ja nichts ändern, ist ja nur der Geschmack eines einzelnen. Problematisch wirds, wenn viele etwas blöd finden. Wo setzt man an, wenn man davon ausgeht, dass das handwerkliche in Ordnung ist, oder es sowieso nichts damit zu tun hat, oder man sich gar gefühlt am Maximum dessen befindet, was die Plattform hergibt. Sich drauf einigen, dass alles richtig toll ist, wie es ist und das Gefallen daher nur Geschmacksfrage? #Makerhorror

Zitat Zitat von Kelven
Dann wären ja irgendwann alle Spiele gut designed, solange du nur genug Spieler findest, denen sie viel Spaß machen. Das klassische Beispiel: VD1/VD2 wurden in unserer Community wohl von mehr Spielern gespielt als alle anderen Spiele. Und die Spiele haben vielen Spielern Spaß gemacht. Sind sie also gut designed?
Die Frage ist doch rethorisch, weisst du doch. Ob ein Design gut ist, misst sich ja daran, wie sehr es das Ziel erreicht. Wenn ich ein Spiel für die absoluten Hardcoregamer machen will und kriege größtenteils Feedback "Schön, war ganz spassig zum locker durchzocken" und seltener "War okay, aber bischen zu leicht und anspruchslos", hab ich dann gut designt? Für mich klingt es nach einem Fehlschlag im Sinne des Zieles.
Ich weiss nicht, was das Ziel von VD1/VD2 war. Ich mag daran einiges nicht, andere werden es genau dafür toll finden. Ob es wohl Spieler gibt, die diesen Berg zum Schloss zum 100. mal hochlaufen und sich denken "Man ist das cool! Dieser Berg sollte echt nicht kleiner sein!"? Ich kann mir das nicht vorstellen. Ich weiss aus diversen Spielecommunties, dass Quality of Life Changes manchmal abgelehnt werden, weil es dem Selbstbild der Spieler widerspricht ihr Spiel vereinfacht zu sehen, auch wenn die Vereinfachung nur darin besteht, etwas trivial Stumpfes auf weniger zeitraubende Weise zu tun.

Dieses Topic ergab sich wenn ich das richtig verstanden habe aus einer Diskussion um dein Desert Nightmare Remake. In dem Topic hast du die Position des Autors und die anderen die Position der Kritiker. Ich halte es für schwierig, aus Sicht eines Kritikers zu analysieren, was handwerklich nicht funktioniert und das dem Ersteller zu begründen.
Wenn ich Feedback ersuche, dann wünsche ich mir, dass jeder Kritiker mir darlegt, was er fühlt, und warum er fühlt. Das ist authentisch. Würde der oder diejenige nun versuche ihre Gefühle in logischen objektiven Erklärungen zu rechtfertigen, dann wäre da schon eine Interpretation vorhanden, das verfälscht die Information. Kritiker und Tester geben Feedback. Der Designer verwendet das Feedback um darauf basierend eine Lösung zu finden. Diese Lösung zu finden bedeutet allerdings von den subjektiven Impressionen anderer auf die Spielmechaniken und anderen Komponenten zu schließen in denen diese ungewünschten Wirkungen ihre Ursache haben. Diesen tiefen Einblick hat im Regelfall nur der Autor. In deinem Fall hast du dir ausgedacht, was es werden soll und alle Komponenten so dosiert, dass es deiner Meinung nach die gewünschte Wirkung erzielen sollte. Wenn es das nicht tut, bleibt es leider an dir, deine Komponentenmischung zu hinterfragen, und das ist dann Design und Handwerk. Selbst Sachen wie Charaktere sympathisch finden basiert ja auf ganz sachlichen Elementen. Wir halten uns zwar alle für individuelle Sternschnüppchen, aber psychologisch sind wir im groben und ganzen Einheitsbrei.