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Thema: Gut und Böse

  1. #1

    Gut und Böse

    Grundlage dieses Threads ist folgender Beitrag, den ich gestern geschrieben hatte:
    Zitat Zitat
    Dass die Stigmatisierung von Gut und Böse der Community nachwievor eigen ist, wurmt mich. Können wir nicht endlich damit aufhören? Literatur ist voll von allegorischen Geschichten. Ein paar Jahre in die Vergangenheit und eure Mütter haben euch vermutlich jeden Tag mit ihnen gefüttert. Ihr Anspruch ist beliebig, ihre Aussagekraft ist beliebig und ihre Struktur eignet sich zu den schönsten Bildern. Ich sehe keinen Gewinn darin, Makerspiele dem deutschen Autorenfilm anzupassen.
    Das hat jetzt nur indirekt mit deinem Thema zu tun, aber ganz ehrlich: Als Autor ist es empfehlenswert zu wissen, dass Gut und Böse keine Fehlinterpretation menschlicher Realität ist, sondern eine Abkehr von der Abbildungsfunktion. (Quelle)
    Ja, er ist spärlich, aber ich hielt ihn nicht für so fehlinterpretierbar, wie geschehen (nichts für ungut ). Meine Aussage ist nicht, dass der Anschein eine mächtige Waffe ist, Gut und Böse also dem Zweck dient, die Realität zu verschleiern, bis sie irgendwann durchscheint. Vielmehr rechtfertige ich Gut und Böse als symbolische bzw. abstrakte Konzepte, abseits ihrer moralischen Ursprünge oder als Kondensat derer.
    Märchen sind dafür das beste/bekannteste Beispiel. Von Volksmärchen bis zu Der kleine Prinz ist ihnen ausgeprägte Schwarz-Weiß-Malerei gemein. Die dient nicht der Verklärung unserer Realität, sondern der Stilbildung. Sie existiert in einem literarischen Kosmos, der ohne sie unwirklich wirken würde.
    Andere Beispiele liefern z.B. überzeichnete Actionfilme. Was gibt es geileres als Last Action Hero oder Big Trouble in Little China? Hätte Fatih Akin bei Last Action Hero Regie geführt/das Drehbuch geschrieben, wäre der Ripper ein armes Opfer der Gesellschaft, dessen Sohn an der mexikanischen Grenze erschossen wurde. Und er hätte nur notdürftig Amerikanisch gesprochen.
    Ich hätte eigentlich nur Last Action Hero schreiben sollen.


    Jetzt will ich hiermit nicht sagen: "Nutzt Schwarz-Weiß-Malerei. Die ist besser!". Es ist nur sehr, sehr kurzsichtig sie zu verurteilen. Sie erfordert eine andere Art des Schreibens. Keine simplere - im Gegenteil: Man muss sich ihr gewachsen fühlen und ich schätze, das tun die wenigsten. Was schade ist.

    Das Thema fühlt sich richtig alt an, aber wurde meines Wissens nie konkret besprochen. Es lässt sich eigentlich auf alles ausweiten, was erzählerisch als No Go gilt, aber - Geschichte sei Dank - keines sein kann.

    Geändert von Owly (27.08.2012 um 21:58 Uhr) Grund: Zu blöd zum Schreiben/Reprogrammierung meines social module

  2. #2
    Gut und Böse können total klasse sein -- kommt ganz darauf an, was man machen will.

    Wer eine "glaubwürdige", ernsthafte Atmosphäre schaffen will (die btw. NICHTS mit Realismus zu tun hat!), sollte es mit gut/böse nicht übertreiben. Denn wenn eine wichtige Figur nicht gerade irgendwie wahnsinnig ist, benötigt sie eine Motivation, und jede glaubwürdige und gut geschriebene Motivation hat die Angewohnheit, gut und böse irgendwo etwas zu relativieren. Das heißt wiederum NICHT, dass bei die Motivation eines jeden Charakters deutlich werden muss, oder dass die Motivation total nachvollziehbar sein sollte. Man muss bloß das Gefühl haben, dass diese Figur das, was sie tut, auch tatsächlich tun würde, wenn sie es für die Geschichte nicht tun müsste. ()
    Randnotiz: Wahnsinnige Figuren dagegen sind noch mal viel schwieriger hinzukriegen (meistens läuft es auf "huhu, ich bin wahnsinnig, hihi!" oder "ich bin wahnsinnig, damit mein Autor freie Hand hat!" hinaus -- und beides ist total schrecklich).

    Will man dagegen ganz bewusst in den pulpigeren Bereich gehen (wertungsfrei gemeint!), sind gut und böse sehr interessante Konzepte, mit denen man wunderbar arbeiten kann, um zu unterhalten. Owlys Beispiele aus dem Action-Kino unterstreichen das schon klasse.
    Btw.: Märchen oder der "Kleine Prinz" sind imho denkbar schlechte Beispiele. Denn ganz davon abgesehen, dass man sich bei zweiterem durchaus streiten kann, sind es Kindermedien, oder allgemeiner ausgedrückt, sie haben eine pädagogische Funktion. Und Kinder können tatsächlich noch nicht allzu gut differenzieren (rein entwicklungspsychologisch), heißt, sie brauchen klare Aussagen, wenn es um Moral geht. Auch Erwachsene kann man mit einseitigen Konzepten teilweise besser "erziehen", also à la "er ist BÖSE, er ist der FEIND". Anders gesagt, die Medien haben nicht gut und böse, weil gut und böse so toll sind, sondern weil sie der Intention dieser Medien (Erziehung) zuträglich sind.

    Unentschieden bin ich persönlich bei settingbasiertem Gut und Böse. Also bspw. Engel, Dämonen und sowas, die per se und immer gut oder böse sind. Der Witz ist, dass irgendwie alle ernst gemeinten "bösen" oder "guten" Figuren, die mir gefallen haben, letztendlich gar nicht mal so gut oder böse waren. Ich glaube also, das mag ich nicht, obwohl es etwa ziemlich tief im Fantasy-Genre verankert ist. Es fühlt sich oftmals einfach falsch und veraltet an, zu sagen "Orks sind nun mal grausame Kreaturen" (wie etwa in Herr der Ringe oder Dungeons & Dragons). Ausnahme: Es ist ein total pulpiges Setting, dass sich Null ernst nimmt und auch keinen Anspruch erhebt, ernsthaft glaubwürdige Geschichte zu erzählen. Dann von mir aus rein damit.

    Was ich schrecklicher als jedes Schwarz/Weiß-Malen finde, sind dahin geworfene 08/15-Motivationen. WENN ich meine Figuren relativieren will, dann bitte richtig. Mal so eine kleine Rückblende mit toten Eltern tut es da imho nicht unbedingt. Was jetzt aber sehr pauschal gesagt ist, es kommt schon auf den speziellen Fall an. Wichtig ist einfach, dass man nicht auf Teufel komm raus irgendwas erklärt (wie es ja in 50% aller Hollywood-Filme passiert, dass man eben mal schnell sieht, wie dem Schurken was Schlimmes passiert, er einmal laut schreit und dann ist er BÖSE).

  3. #3
    @ Owly:In diesen Punkten gebe ich dir absolut Recht.


    Man bedenke jedoch, dass viele Makerer nicht nicht in der Lage sind, sich der Erzählweise eines Gut-und-Böse-Plots zu stellen sondern dies schlichtweg aus Lustlosigkeit unterlassen. Ich kann da nicht unbedingt aus meinen Erfahrungen sprechen, allerdings kenne ich genug Leute, die sich abends an den Maker setzen und einfach drauflosschawänzeln. Sie wollen bei besagten Geschichten nicht ihre gesamte Erzählkunst verwenden sondern mal einfach nur mit Wachsmalstiften malen. Sprich: Picasso könnte wunderschöne Sonnenblumen in einer Vase malen, möchte aber lieber einen Stirchmännchencomic zu Papier bringen weil es entspannender ist. Verschenktes Potential (zumindest für die Makergames) wenn man so will. Das alles ist allerdings - wie du bereits erwähnt hast - schade.

  4. #4
    Zitat Zitat von Edward.Newgate Beitrag anzeigen
    ...Sprich: Picasso könnte wunderschöne Sonnenblumen in einer Vase malen...
    war das nicht van gogh mit den blumen?

    ich finde es in spielen echt schöner, wenn es nicht nur um schwarz weiß denken geht, und man sich selbst die frage stellt, ob das so richtig ist, was man hier tut. mir fällt jetzt leider kein paradebeispiel dafür ein, aber es verleiht dem plot auf jeden fall mehr tiefe und ernsthaftigkeit. wenn man natürlich nur eine geschichte alá "rette dir prinzessin aus dem turm" erzählen möchte, ist die durch und durch böse hexe sicherlich ein gut benutzbares stilmittel. sollte das ganze aber mehr an tiefe gewinnen, wird es teilweise einfach nur lächerlich.

  5. #5
    Ich bin der Ansicht, sowohl der Protagonist als auch der Antagonist sollten sowohl gute als auch schlechte seiten haben, da man so
    unteranderem die Aktionen des Antagonisten z.B. persöhnlich besser nachvollziehen kann und man bei einer Konfrontation beider
    auch wirklich mitfiebern kann und die Geschichte eine gewisse Diskussionsbasis erhält, somit also auch "anspruchsvollere" Zuhörer/Leser/Spieler
    zu fesseln weiß.
    Ich selber führe mir aber doch gerne ab und an mal "Schwarz/Weiß Malerei" zu Gemüte, einfach weil auch etwas triviales wie "Schwarz/Weiß" unter den ganzen "Grautönen"
    in gewisser Weise den Anschein von Innovation erweckt, welche ersteinmal eine gewisse Vielfalt ermöglicht und somit das Aufkommen von Langeweile unterbindet.
    In Kurzform: Auch Grautöne können irgendwann mal langweilig werden.

  6. #6
    Ich persönlich stehe auf nachvollziehbare Handlungen der Charaktere.
    Gründe für eine bestimmte Handlung finde ich immer wesentlich spannender, als eine generelle Einstellung einer Person. Hatte da letztens mal vom Positiv-Beispiel Game of Thrones gelesen, wo keiner wirklich böse ist(...außer Joffrey -.-), sondern stets ein nachvollziehbarer Hintergedanke hinter der Handlung steckt. Ursache und Wirkung, bzw. Zielsetzung. Der Ausbau bzw. die Umsetzung dieser Handlung ist dabei aber der Knackpunkt, an dem viele "Autoren" scheitern.
    Zudem finde ich es sehr interessant, wenn eine Person innerhalb einer Handlung etwas vortäuscht, ohne dass einem der Wink mit dem Zaunpfahl um die Ohren gehauen wird. (Alá Familie des Antagonisten wird getötet = Hass auf die Welt) Viel interessanter ist es, wenn die Einstellung einer Person nur Subjektiv wahrgenommen wird und der Spieler eher ein Gefühl dafür bekommt, dass hier doch irgendetwas nicht ganz stimmt.
    Gut und Böse im klassischen Sinne macht zwar in den meisten Handlungsstränden, was Spiele angeht, durchaus einen Sinn, ist aber für mich persönlich idR ziemlich Öde. Es sei denn es wird persifliert oder satirisch umgesetzt. Manche Konzepte funktionieren zwar nicht ohne Schwarz/Weiß, aber ich finde das Konzept, gute und böse Charaktere ganz offensichtlich darzustellen ziemlich ausgelutscht.
    Wie wäre es denn mal mit einer Handlung, bei der es keine Antagonisten im klassischen Sinne gibt. Wenn Held und Bösewicht in einer Person vereint sind. Eine Art Ying und Yang Persönlichkeit!?
    Oder die Umwelt selbst das Böse darstellt? Umgekehrt kennt man das ja schon aus allerlei Trash-Spielchen (oder GTA - auch beides ohne Wertung)
    Nicht das Konzept des Gut und Böse selbst ist das Problem, sondern eher die mangelnde Kreativität in der Umsetzung!

    Geändert von Mr.Räbbit (28.08.2012 um 10:34 Uhr)

  7. #7
    Ich finds ätzend wenn die Handlungen böser Menschen durch 'ne traurige Kindheit etc. entschuldigt und relativiert werden, das hat sowas von "niemand ist wirklich von Grund auf schlecht!", das mag stimmen, aber es gibt Menschen, die sind von Grund auf ein Arschloch.

  8. #8

    Hier wird nicht geterrort
    stars5
    Zitat Zitat von Corti Beitrag anzeigen
    es gibt Menschen, die sind von Grund auf ein Arschloch.
    +1
    Es gibt sie einfach, diese Menschen die ein Ziel verfolgen und es auf die einfachste Art und Weise erreichen möchten - in dem man lügt, betrügt und korrumpiert. Ich kenn genug Leute, die sind aber auch ohne ersichtlichen Grund öhm...voll die bösen Buben. Trotzphase? Pubertät? Midlifecrisis? Aus Spaß an der Freude? Depression wegen mangelndem Erfolg? Neid? Das reicht alles schon völlig um was böses zu machen. Umso böser und brutaler die Tat, um so dramatischer wird das Enden. Vom Bein stellen über versuchten Todschlag bis zum Genozit ist da alles mit dabei.
    Vor einigen Wochen stand in der Zeitung das eine Mutter ihr Kind hat verhungern lassen - sie ist zu ihrem Freund gegangen weil ihr das Geschrei auf den Senkel ging. Purer menschlicher Wahnsinn, den ich so z.B. auch aus Silent Hill - Spielen kennen gelernt habe, obwohl da auch noch eine andere Komponente mitspielt: Radikale Taten im Namen der eigenen Religion.(vor allem in Teil 3). Das ist der Wahnsinn den ich so liebe. Nicht der "muhaha ich bin so wahnsinnig"-Wahnsinn, sondern der "Ich tue das aus einer ernsthaften Überzeugung und kuck dabei auch ganz ernst"-Wahnsinn. Jedem normalen Menschen ist klar, dass das so nicht geht und kämpft dagegen an. Der Bösewicht aber klammert sich mit so einer überzogenen Leidenschaft daran, dass man an erster Stelle Angst, an zweiter Stelle schon fast Mitleid bekommt.

    Wozu gehört eigntlich der völlig Wahnsinnige Antagonist, der noch zurechnungsfähig genug ist, um intelligent und hinterhältig zu handeln? Schwarz oder grau? Schließlich handelt er aus einer Überzeugung heraus, nicht aber aus einer völlig rationalen.

  9. #9
    Ich kann mich da Owly und Corti nur anschliessen. Ich sehe das teils auch so wie Maister-Räbbit. Problematisch ist hier allerdings der Umstand, dass die Umsetzung in beiden Richtungen missglücken kann. Und das kommt bei Leuten, wie Corti so schön sagt, mit trauriger Kindheit einfach wesentlich bescheuerter rüber. Gut und Böse stellt in sich schon eine gute Basis dar. Wenn man das Ganze nun verwässern muss, weil man sich der Herausforderung nicht gewachsen sieht es knallhart und überzeugend durchzuziehen, so führt es häufig zu traurigen Ergebnissen. Es stecken (vllt) tolle Ideen dahinter, doch unzureichend inszeniert bringen einem Ideen garnichts. Okay, zugegeben, vielen Leuten in der Makerszene ist sowas scheinbar egal und Ideen werden in den Himmel gelobt, auch wenn die Umsetzung (u.a.) mir Tränen in die Augen treibt. Und, nein, es sind Tränen der Enttäuschung.

    Zudem haben viele Leute in kreativen Bereichen allgemein das Problem, dass sie alles logisch und originell aufbauen wollen. Dies ist aber ein unsagbarer Fehler. Die Spieler wollen in gewissem Maße altbewährte Konventionen, so ausgelutscht sie auch sein mögen. Es geht in erster Linie um die Verpackung. Gerade bei Makergames habe ich die Erfahrung gemacht, dass ziemlicher Rotz rauskommt, wenn der Ersteller versucht(!) "authentische Charaktere" mit nachvollziehabren Handlungen und Beweggründen zu erschaffen. In gewisser Weise macht man sowas ja schon automatisch. Den Zwang nun jede Lücke füllen zu wollen und jeder tragenden Figur eine potentielle Rechtfertigung in den Mund legen zu müssen (besonders schön in überaschenden Monologen, kurz vor dem Ableben besagter Personen), kann ich nicht nachvollziehen. Zumindest nicht, wenn man schon mehrere Jahre makert und somit schon länger Geschichten erzählt. Man übertreibt es schnell.

    Allgemein würde ich dazu raten beim Geschichtenerzählen Schwerpunkte zu setzen. Es braucht einfach keine perfekt ausgearbeitete Story. Sofern man nicht vermitteln will, dass es kein Schwarz/ Weiss gibt, so sollte man sich auch nicht allzuviel mit dem Thema aufhalten.

  10. #10
    In Bezug auf dieses Thema will ich noch kurz anmerken, dass ein Faktor in der Erzählweise von Geschichten viel zu selten genutzt wird:
    Der Zufall.
    Die Welt (ja, die echte) ist doch gerade so spannend und voller irrwitziger Ereignisse, weil nichts voraussehbar ist. Warum muss innerhalb von Geschichten also alles immer logisch erklärt werden und jeder Charakter seinen festen Platz in der Geschichte haben, oder erzwungenermaßen verwoben werden!? Ich weiß, dass Handlungen so nicht funktionieren und man nicht einfach Charaktere aus einem Stück rein- und rausspringen lassen kann, aber dennoch bin ich ein Freund unkonventioneller Erzählmethoden und zumindest das Ergebnis eines Versuches würde mich doch sehr interessieren.

    @Cort und Sabaku:
    Kann dem nur zustimmen

    @Jiro Toshima:
    Die Umsetzung, da Hobbytechnisch erzeugt ist im "Indieentwickler" Bereich immer das Problemo No.1

  11. #11
    Zitat Zitat von Sabaku
    Wozu gehört eigntlich der völlig Wahnsinnige Antagonist, der noch zurechnungsfähig genug ist, um intelligent und hinterhältig zu handeln? Schwarz oder grau? Schließlich handelt er aus einer Überzeugung heraus, nicht aber aus einer völlig rationalen.
    Es spielt sicherlich der Standpunkt eine Rolle. Für die Außenstehenden und vor allen Dingen die Opfer seiner Taten, ist er der Wahnsinnige. Für sich selbst, sieht er seine Taten und Beweggründe als völlig selbstverständlich an, da er sie am Besten (und eventuell auch als Einziger) nachvollziehen kann. Innerlich ist er Grau, nach außen hin Schwarz.
    Und diese Unterscheidung finde ich auch wichtig. Kein gut geschriebener Antagonist handelt schurkisch, weil er heute mal besonders böse sein will, sondern aus seiner Überzeugung heraus, es müsse für einen Zweck getan werden, der ihm (oder seiner Ansicht nach der Welt) einen Vorteil verschafft.

    Cortis "Arschloch" Ausspruch - er schrieb am Wenigsten aber brachte es gut auf den Punkt - zeigt noch eine andere Art von Antagonist auf. Leute, die einfach nur Macht wollen, sehr wohl im Gewissen es würde Anderen schaden und für sich selbst einen Vorteil abwerfen. Als Beispiele wäre die Historie der christlichen Religion (zB die Inquisition) zu nennen. Oder die Mafia, die bewusst organisiertes Verbrechen durchführt. Da ist niemand fehlgeleitet, es geht einfach nur um kriminellen Gewinn. Das lässt sich locker in den Schwarzbereich abführen und muss auch nicht weiter argumentiert werden.

    Für den spielbaren Helden wünsche ich mir jedoch, dass er sich einer Linie treu bleibt, vorzugsweise die "gute" Seite, um sich mit ihm zu identifizieren (für Filme mag etwas Anderes gelten; da ist es recht cool wenn der Protagonist einen Mistkerl-Charakter hat. Man spielt ihn ja auch nicht und verkörpert ihn somit auch nicht). Da ist es mir ein absolutes NoGo, wenn mein strahlender Held plötzlich anfängt grundlos Leute zu ermorden, arme Omas zu bestehlen oder ähnliche Spirenzchen beginnt, nur weil es halt durch die Features möglich ist. Auf eine eindeutige Charakterisierung sollte gerade beim Helden wirklich geachtet werden.

    [MG]

  12. #12
    @Corti
    Das gilt aber nur für Menschen, die wirklich böse sein sollen, also quasi so was wie der Teufel in Menschengestalt. Ein richtiger Mensch wird nicht als Arschloch geboren, zumindest meine ich, dass in der Wissenschaft angenommen wird, dass die Persönlichkeit erst durch die Sozialisation entsteht. Wenn ein Mensch also ein Arschloch ist, dann muss in der Kindheit wirklich etwas schiefgelaufen sein. Wobei das nicht notwendigerweise was mit bösen Vergewaltiger-Eltern zu tun haben muss o. ä. Das Problem bei manchen Geschichten ist mMn auch eher, dass versucht wird, das Arschloch-Verhalten zu entschuldigen, man soll Mitleid mit dem Antagonisten haben, er ist nur ein armes Opfer. Ich finde es grundsätzlich nicht verkehrt, wenn man versucht das asige Verhalten vom Gegenspieler zu erklären, solange man damit nicht versucht, die Antipathie zu nehmen.

    Ich finde eine klare Trennung in Gut und Böse in Ordnung, solange die Geschichte nicht besonders glaubwürdig sein soll. So was funktioniert bei High Fantasy, bei Low und Dark Fantasy wird es schon schwieriger. Wobei selbst dort Sympathie und Antipathie klar verteilt werden können. Die Serie Game of Thrones polarisiert z. B. sehr stark (in den Büchern soll das afaik nicht so ausgeprägt sein). Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass es jemanden gibt, der gewisse Charaktere aus der Serie sympathisch findet. Böse macht das sie zwar nicht, aber zu Arschlöchern schon.

  13. #13
    Ich glaub nicht an "böse" Menschen, aber durchaus an Menschen, deren Hintergründe man nicht kennt oder deren Entscheidungen und Verhaltensweisen man für total dumm oder asozial hält. Was man dann natürlich wieder "böse" nennen könnte ... Weshalb sich mein Post oben auch eher auf die "klassische" Definition bezieht, also eine Gesinnung in dem Sinne, dass "gut" und "böse" tatsächlich inhärente Charakteristika ohne großen Kontext sind.

    Was Corti sagt, trifft imho nur zu, wenn es schlecht gemacht ist.

  14. #14
    Geschichten mit einem klaren Guten und Bösen verströmen für mich romantische Behaglichkeit. Wenn der Schurke böse lacht, während er das Dorf samt Bauern niederbrennt, hat das was von Kuschelrock. Ich lasse mein Feuerzeug aufschnippen und wippe wohlig mit. Luke Skywalker muss blond sein und wenn er vom ruchlosen Trachten des Imperiums erfährt, muss in seinen Augen ideale Naivität aufscheinen. Und natürlich muss der böse Imperator eine schwarze Kutte tragen, die tückische Augen und schlechte Zähne birgt. Auf eine gänzlich ironiefreie Weise mag ich das.

    Solche Geschichten fallen in sich zusammen, sobald spöttischer Abstand einzieht. Wer als Erzähler unfähig zum Pathos ist, sollte davon die Finger lassen; derartiges liegt dann außerhalb seines Könnens. Der hohen Kunst des Schwarz-Weiß kann man sich dann allenfalls mit der Krücke der Parodie nähern. Ich schaffe das beispielsweise nur so. Damit gehen Nachteile einher. Man kann nur vom Abglanz der Klischees schmarotzen, sie aber nicht direkt anzapfen. Und selbst ein neues Klischee zu erschaffen, also den Gipfel der Kreativität zu erringen, weil die eigene Fantasie in diesem Fall die Vorstellung der Vielen prägte, fällt dann auch weg.

    Allerdings lassen moralisch klare Konturen kaum Heldenpersönlichkeiten zu. Man ist auf Archetypen angewiesen, das dramatische Personal fungiert sehr zweckrational als Gefäße sittlicher oder unsittlicher Prinzipien. Auf der popkulturellen Ebene: Selbst Indiana Jones hat mehr Ambivalenz als die Gefährten im Herrn der Ringe (Boromir ist wohl nicht zufällig der am ehesten in Erinnerung bleibende Charakter des ersten Films). Prinzipiell überlegen ist keine der beiden Erzählweisen. Sie funktionieren je anders und das sollte man sich vor Augen halten, bevor man sich das erzählerische Mittel aussucht, das am besten dem eigenen Zweck dient. Hier stimme ich Owly zu: ein Märchen als post-existenzialistisches Selbstbetrachtungsstück aufzuziehen, verwandelte es in ein saft- und kraftloses Ding.

  15. #15
    Was zählt ist, ob ein Arschloch glaubwürdig sein kann und das kann es, weil wir alle Arschlöcher kennen und ich finde, dass man Charakteren auch Tiefe geben kann ohne sie zu entschuldigen.

  16. #16
    Ich kann wenig damit anfangen, wenn Charaktere einfach gut oder böse sind, weil sie so sind. Auch in einer Fantasy Geschichte sollten da schon richtige Beweggründe sein. Gut und Böse sind nie Handlungsmotive, es sind lediglich Wertungen basierend auf der vorherrschenden Moralvorstellung. Damit sind Gut oder Böse auch nie absolut, weil Moral nicht absolut, sondern abhängig von Gesellschaft und Zeit ist.
    Das heisst aber nicht, dass man "bösen" Charakteren immer eine tragische Hintergrundgeschichte geben muss, nur eben eine glaubhafte Handlungsmotivation.
    Ganon will beispielsweise nicht das Triforce weil er so unglaublich böse ist. Er ist ein machthungriger Mensch (was wir als böse einstufen) und daraus leitet sich sein Handeln ab. Er hat also wesentlich mehr Persönlichkeitsaspekte als böse zu sein.
    Ein gutes Beispiel finde ich auch Nene aus Blue Dragon, der einfach gerne Menschen leiden sieht. Er handelt nicht so, weil es böse ist Menschen leiden zu lassen und er halt böse sein will, sondern weil er sich daran belustigen kann. Damit hat er eine ausgearbeitete Persönlichkeit, die nichts damit zu tun hat einfach böse zu sein. Sie wird lediglich von uns so eingestuft.

    Schlussendlich geht es daher bei allen Charakteren, seien sie schwarz, weiss oder grau, darum, ihre Charaktereigenschaften und Handlungsmotive auszuarbeiten und sie durch diese besonders interessant und tief zu gestalten. Es ist die gleiche Arbeit und man muss auf die gleichen Dinge achten.

  17. #17
    Zitat Zitat von La Cipolla
    Weshalb sich mein Post oben auch eher auf die "klassische" Definition bezieht, also eine Gesinnung in dem Sinne, dass "gut" und "böse" tatsächlich inhärente Charakteristika ohne großen Kontext sind.
    Das ist der vernünftigste Ansatz.

    Zitat Zitat
    Btw.: Märchen oder der "Kleine Prinz" sind imho denkbar schlechte Beispiele. Denn ganz davon abgesehen, dass man sich bei zweiterem durchaus streiten kann, sind es Kindermedien, oder allgemeiner ausgedrückt, sie haben eine pädagogische Funktion.
    Jein, inhaltlich vielleicht, aber selbst das ist streitbar. Viele Märchen, wie "Das Mädchen mit den Zündhölzern" und andere Andersens, finde ich wenig kindgerecht. Gerade Kunstmärchen zeichnen sich doch dadurch aus, dass sie eine Bedeutungsebene haben, die oft nur Erwachsene verstehen. Außerdem sind sie sprachlich sehr ausgefeilt. Beides nicht der Schwarz-Weiß-Malerei zum Trotz - es ist ihr zu verdanken. Worauf es mir bei Märchen ankommt: Sie sind sehr homogen. Welt, Charaktere, Ereignisse und Sprache sind nicht voneinander zu trennen.


    Wie real Troll schreibt: Es ist nötig, seinen Stil der Intention anpassen zu können. Wenn man sich nur für Realismus interessiert, ist das ok. Wenn man nur zu ihm imstande ist, ist das schade. Wenn man nur zu ihm imstande ist und den Rest verurteilt, macht mich das wütend. Aber nicht so wütend, dass ich meinen Schaukelstuhl verlassen möchte. Also gar nicht.

    Menschen sind zu so toller Abstraktion fähig und ihr Unterbewusstseins ist voll von Symbolen, wieso also sollte man sich vor allem, außer seiner bewussten Wahrnehmung verschließen? Das ist so, als hätte es die Kunstgeschichte seit Anfang des 20. Jahrhunderts nicht gegeben.

    Geändert von Owly (28.08.2012 um 12:42 Uhr) Grund: Ein Tag später und immer noch zu blöd zum Schreiben

  18. #18
    Zitat Zitat
    Jein, inhaltlich vielleicht, aber selbst das ist streitbar. Viele Märchen, wie "Das Mädchen mit den Zündhölzern" und andere Andersens, finde ich wenig kindgerecht. Gerade Kunstmärchen zeichnen sich doch dadurch aus, dass sie eine Bedeutungsebene haben, die oft nur Erwachsene verstehen. Außerdem sind sie sprachlich sehr ausgefeilt. Beides nicht der Schwarz-Weiß-Malerei zum Trotz - es ist ihr zu verdanken. Worauf es mir bei Märchen ankommt: Sie sind sehr homogen. Welt, Charaktere, Ereignisse und Sprache sind nicht voneinander zu trennen.
    Hm, okay, da kenne ich wohl einfach zu wenig, ich bin jetzt erst mal vom üblichen Kindermärchen à la Grimms ausgegangen. Ob kindgerecht oder nicht spielt dabei (!) aber erstmal keine Rolle (zumal der Begriff im historischen Kontext sehr wechselhaft ist), denn die pädagogische Funktion ist da eigentlich immer dabei, gerade bei den Grimms -- was noch drin steckt, ändert daran nichts. Wobei in Anderssons Märchen doch das Einzige, was gut oder böse ist, die BÖSE BÖSE WELT sein dürfte.
    Aber wie gesagt, ich denke ich hab einfach nicht genug Ahnung vom Genre, um da was Verallgemeinerndes drüber zu sagen.

  19. #19
    Zitat Zitat von Owly Beitrag anzeigen
    Wie real Troll schreibt: Es ist nötig, seinen Stil der Intention anpassen zu können. Wenn man sich nur für Realismus interessiert, ist das ok. Wenn man nur zu ihm imstande ist, ist das schade. [...]
    Menschen sind zu so toller Abstraktion fähig und ihr Unterbewusstseins ist voll von Symbolen, wieso also sollte man sich vor allem, außer seiner bewussten Wahrnehmung verschließen? Das ist so, als hätte es die Kunstgeschichte seit Anfang des 20. Jahrhunderts nicht gegeben.
    Um dich zu zitieren: "Jein". Ich widerspreche dem nicht, kann mich dem jedoch auch nicht anschließen. Schwarz-Weiß-Schreibungen entstammen aufgrund ihrer anfänglichen Einfachheit, nicht grundlos oft der Anfängerfeder, was auch spielerisch nur höchst selten überzeugt. Anfänger sind oft nicht in der Lage sich mehr Gedanken über ihren Plot und Charaktere, das Spiel im Gesamten, als Werk, zu machen. Hier liegt die Ursache nicht im Interesse des Entwicklers, sondern der persönlichen Grenze.
    Aus der Perspektive der Kunst, wie ich oft sehr gerne sage: Wer realistisch zeichnen kann, ist auch zur Abstraktion fähig. Wer nur abstrakt zeichnet, beherrscht den Realismus nicht. Ähnlich verhält es sich mit den Spielen: Es bedarf einer gewissen Grundlage, der Fähigkeit komplex über sein Werk nachzudenken und es auch wie gedacht umzusetzen, dazu fähig sein Abgleiche mit der Realität zu treffen und somit Variationen und Optionen zu entwickeln. Gute und überzeugende Schwarz-Weiß-Spiele oder Bestandteile zu integrieren, bedarf viel Erfahrung und Arbeit. Und der Schritt dahin, ist der Blick auf die Realität. In dem Sinne, würde ich Erst- und Frühentwicklern nicht unbedingt empfehlen, mit den Überzeichnungen von Gut und Böse zu spielen.

    [Nachtrag] Ich schätze es ist unnötig zu erwähnen, dass diejenigen fortgeschrittenen Entwickler auch selbst wissen, dass sie zu Schwarz-Weiß-Abstraktionen in der Lage sind und dein Ansporn ihnen gegenüber durchaus legitim ist.

    [MG]

    Geändert von TrueMG (28.08.2012 um 13:33 Uhr) Grund: Because I can

  20. #20
    Zitat Zitat
    Wer realistisch zeichnen kann, ist auch zur Abstraktion fähig. Wer nur abstrakt zeichnet, beherrscht den Realismus nicht.
    Hm, mutige Aussage. Wenn man einmal so richtig schön drin im Differenzieren ist, kann es durchaus schwer werden, wieder auf simple Konzepte zurückzugreifen und diese ästhetisch ansprechen durchzuziehen. Letzeres ist imho nicht sooo einfach, wie es immer gern dargestellt wird.

    Wo ich dir aber recht gebe: Eine wirklich gute Abstrahierung ist letztendlich einfach er als eine wirklich gute Relativierung, denke ich.

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