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Thema: Sind unsere Figuren zu schlecht?

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  1. #1
    Zitat Zitat von Diomedes Beitrag anzeigen
    Eine objektive Definition für "das Böse" gibt es eh nicht, aber es ist unvernünftig nach der Auffassung zu argumentieren, dass gut und böse immer im Auge des Betrachters liegen. Theoretisch ist die These nicht unangreifbar, und auch sonst kann man nicht beliebig alles mögliche gut und böse nennen, und sich mit diesem Relativismus rausreden oder sich darauf berufen, dass das "nur Konventionen unserer Gesellschaft" sind. Kein noch so überzeugter ethischer Antirealist kann den common sense ignorieren.
    Das habe ich auch nicht behauptet. Ich schrieb:
    Zitat Zitat
    Ein Charakter kann von einem Menschen als gut, und vom anderen als böse empfunden werden. Da besteht keinerlei wiederspruch. Böse ist kein ultimatives Naturgesetzt, es ist das subjektive empfinden einer handlungsweise, die auf verschiedenen Charaktereigenschaften wie z.B. Egoismus beruht, die nach moralischen oder ethischen Gesichtspunkten als negativ gelten.
    Kein Mensch wird eine Mutter Theresa als "böse" bezeichnen, und "böse" ist immer etwas negatives. Aber das spielt absolut kein Geige. Der Springende Punkt ist, dass es kein ultimatives "Böse" im Sinne aller physikalischen Richtlinien des universums gibt. "Böse" definiert sich immer aus einem Blickwinkel - meistens aus dem, des Opfers.
    Selbst psychopatische Massenmörder kann man aus diversen Blickwinkeln plötzlich als Opfer darstellen, wenn man ihren sozialen und psychologischen Hintergrund beleuchtet. Ob es für das persönliche gewissen sinnvoll ist, das zu tun, steht auf einem ganz anderen Blatt. Aber möglich ist es dennoch. Ich kenne einen liebevollen Familienvater, der politisch rechts orientiert und ein großer Anhänger Hitlers ist.
    Im "Konsens" der Bevölkerung gibt es keinen Zweifel daran, das Hitler "böse" war. Trotzdem gibt es Menschen, die das anders sehen.

    Wenn ich in einer Versicherungsagentur arbeite und alten rentnerpärchen versicherungen verkaufe, die sie nicht bezahlen können, damit sie ihre Sicherheiten (haus etc.) verlieren, dann bin ich aus Sicht meiner Opfer der Böse. Gleichzeitig bin ich aus Sicht meiner Kollegen vermutlich ein Held, weil ich dem laden so viel geld einbringe. Aus Sicht meiner Kumpels bin ich ein dufter Typ, weil ich immer in feierlaune bin und aus Sicht meiner familie "Der beste Vater der Welt" weil ich jede freie Minute mit der familie verbringe.
    Obwohl das "Ausbeuten" der rentner in diesem fall im gesellschaftlichen kontext "böse" ist, schließen sich dennoch keine dieser Aspekte gegenseitig aus. Und dasist der Punkt. Menschen, die so böse, diabolisch und verachtenswert sind, das sie aus jeder nur erdenklichen Perspektive wie der teufel in persona aussehen, gibt es in der realität nicht. Selbst an den miesesten Dreckschweinen die man sich vorstellen kann, wird irgendwer, irgendwo eine positive oder zumindest neutrale Seite finden.



    Zitat Zitat
    Vor allem aber ist es idiotisch, in Frage zu stellen, dass der Hauptcharakter eines Spieles "gut" sein muss. Entweder ist der Charakter nur so relativ "böse", dass er am Ende doch wieder irgendwie als der Gute dasteht, oder er ist so abgefuckt soziopathisch und geistig vernebelt, dass niemand ihn spielen will. Egal, was man spielt und als wer man spielt, man möchte in der Rolle des Helden sein, und sei es auch nur, dass man gute Gründe dafür hat, schlimme Dinge zu tun. Alles, was irgendwie darüber hinaus geht, kann und darf nur Ausnahme und Grenzerfahrung sein.
    Dann erkläre mir bitte, warum man im bis heute meistverkauften Videospiel aller zeit NUR Charaktere spielt, die nach "Objektiven" Gesichtspunkten als Böse gelten müssten?
    Da gibt es einen abgehalfterten Dieb mitten in der Midlife-Crisis, der seine Familie Terrorisiert. Einen psychopatischen Junky, Mörder und Drogendealer. Und einen möchtegern Gangsta, der zum Autodieb wird, weil er sein leben nicht auf die Reihe kriegt. Und mit diesen Gestallten Raubt und Mordet man sich durch ganze Tausendschaften an Polizisten und Soldaten. Die Protagonisten sind in diesem Fall klar die Bösen, weil sie für vollkommen egoistische Ziele (Ihr persönlicher reichtum) über leichen gehen. Oh - und nicht zu vergessen, der Multiplayer des ganzen, der nur keinerlei Story bietet, sondern NUR daraus besteht, Verbrechen zu begehen um geld anzuhäufen.

    Und trotzdem haben die Spieler ganz offensichtlich ihren Spaß dran, sonst würde sich das Spiel nicht so oft verkaufen.
    Dungeon-Keeper ist auch so ein Beispiel, oder diverse Echtzeitstrategiespiele. Wäre deine Argumentation richtig, würde niemand auf der Welt freiwillig die Zerg, die Geissel oder die Bruderschaft von Nod spielen wollen.
    In MassEffect und diversen anderen RPG's kann man als Spieler stets zwischen dem "guten" und dem "bösen" Pfad wählen. Glaubst du, es ist eine "Grenzerfahrung für die gute Gründe existieren", dass Millionen Spieler Weltweit FREIWILLIG die Stadt Megaton mitsamt ihrer einwohner mit einer Atombombe sprengen, nur weil "Mister Tenpenny" die Aussicht nicht mag? Und das obwohl man die Bombe als alternativen Weg auch entschärfen könnte? Grade bei Spielen wie fallout3, NV und Skyrim habe ich bei so vielen verschiedenen Quests die Möglichkeit unterschiedlicher lösungen. Und die Lösungswege, bei denen man sich mit den "bad Guys" verbünden kann, werden von Spielern nicht seltener gewählt, als die, bei denen man die Good Guys spielt.
    Vor drei tagen erst habe ich in Skyrim die Questreihe der dunklen Bruderschaft angefangen. Ich hatte die Wahl, einen von drei umschuldigen umzubringen, oder ebend den Questgeber. Da ich die Questreihe spielen wollte, habe ich einen der Unschuldigen umgenietet. Einfach so. Bumm. Die moralische Konsequenz - in diesem fall der Böse zu sein - war mit total egal, es ist schließlich nur ein Videospiel.

    Das es in der Realität also anders ist als du behauptest, liegt offensichtlich auf der hand. Der Spieler will nicht immer der gute sein. Er hat absolut kein Problem damit, innerhalb einer Spielhandlung das "Böse" zu verkörpern. Egal ob aus gutem Grund, dem Wunsch, einmal das Arschloch raushängen zu lassen oder nur aus purer Willkür.
    Und warum sollte er auch? Spiele sind total fiktiv und erlauben es dem Spieler Dinge zu tun, die ihm die realität nicht erlaubt.

    Der "Schurke" zu sein, ist dabei durchaus eine attraktive Rolle.

    Geändert von caesa_andy (13.08.2014 um 09:17 Uhr)

  2. #2
    @Diomedes
    Ich kann deine Kritik am Genre (so wie ich sie bisher verstanden hab) schon verstehen, weil ich bei anderen Wörtern auch davon abrate, sie zu benutzen (z. B. Kitsch, Klischee), da sie zu vage sind. In diesem Fall halte ich die Wörter aber doch für notwendig, um schnell einordnen zu können.

    Zitat Zitat
    Vielleicht hilft es, Leute dazu aufzufordern, ihre Kritik handfester zu formulieren?
    Das wäre auf jeden Fall ein guter Ansatz, obwohl ich aus eigener Erfahrung weiß, dass es nicht immer einfach ist, die Eindrücke in Worte zu fassen. Trotzdem wäre es gut, wenn die Kritiker in diesem Thread konkretisieren würden, was sie stört, vielleicht sogar wie vorgeschlagen wurde anhand von Beispielen.

    @caesa_andy
    Ich hab den Begriff Komplexität allerdings nur aufgegriffen und das zusammengefasst, was andere damit sagen wollten oder zumindest das, was ich verstanden hab. Mir wäre das auch lieber, das nicht alles aus zweiter Hand zu machen, aber dann müssten hier mal die Kritiker ihre Kritik konkretisieren, wie Diomedes vorschlug. TrueMG hat z. B. einen sehr spöttischen Verriss über Force geschrieben, es gab einige kritische Let's Plays vom Bloody-Daggers-Team und es gibt weitere Let's Player, die den Maker-Spielen recht kritisch gegenüberstehen. Weitere Beispiele findet man in Vorstellungen von Anfängern, auch dort wird der Eindruck vermittelt, es gäbe hohe Ansprüche an die Charaktere. Die Kritiker gibt es also.

    Gut und Böse: Objektiv gesehen gibt es kein Gut und Böse, doch diesen objektiven Standpunkt kann natürlich kein Mensch einnehmen. Jeder Mensch teilt in richtig und falsch ein. Deswegen sage ich immer: Das Kind glaubt, Gut und Böse sind feste Gesinnungen; der Teenager glaubt, dass es kein Gut und Böse gibt; der Erwachsene erkennt, dass es Gut und Böse doch gibt, nämlich als Wertekategorie jedes einzelnen Menschen.

    Ich stimme Diomedes zu. Kein Spieler will eine böse Figur spielen. Deswegen werden die Figuren aus GTA V glorifiziert. Man suggeriert den Spielern, dass es cool ist, "Böses" zu tun - das Spiel ist gewaltverherrlichend, nicht gewaltkritisierend. Du hast es ja selbst geschrieben: Gut und Böse ist eine Frage des Blickwinkels. In GTA V sehen sich die Spieler als Helden, selbst wenn sie Verbrechen begehen. Auswahlmöglichkeiten sind das Gleiche. Sprengt der Spieler Megaton in die Luft, fühlt er sich wie ein Held dabei. Eine wahrhaft böse Figur wäre eine, die vom Spiel selbst gewertet wird. Wenn der Autor dem Spieler sagen will "Hier, dieser Mensch verhält sich moralisch falsch, er ist ein schlechter Mensch". Das wäre eine böse Figur. Und die will niemand spielen, es sei denn der Autor setzt es gut um, wie es Judeau z. B. mit Dreamland R gemacht hat.

    ***

    Wie dem auch sei, ich setze den Vorschlag von Diomedes mal in die Tat um und konkretisiere meine Kritik noch etwas mehr. Die hat nichts mit zu wenig oder zu viel Komplexität zu tun und ist wie alles bei mir sehr emotional gefärbt. Sie gilt natürlich nicht für alle Spiele, aber ich komme nicht umhin, hier zu verallgemeinern.

    1. Die Figuren sind nicht sympathisch genug. Es gibt zwar nur sehr wenige, die ich unsympathisch finde, aber es gibt kaum welche, die ich in mein Herz schließen kann. Das liegt nicht daran, dass ich so verbittert bin, sondern daran, dass den Figuren die sympathischen Merkmale oder die sympathischen Dialoge untereinander fehlen. Wie jeder weiß ist Sympathie subjektiv, der eine mag diesen Archetyp und der andere jenen. Trotzdem gibt es Charaktere, die allgemein beliebter sind als andere. Das merke ich z. B. wenn ich JRPGs spiele. Da ist eigentlich immer jemand dabei, den ich gerne mag, manchmal sind es sogar alle Figuren aus der Gruppe. Die Produzenten wissen schon, was sie tun. Ich kann leider nicht so genau beschreiben, warum die Figuren aus Maker-Spielen nicht so sympathisch sind, vermutlich spielen dabei mehrereFaktoren zusammen.

    2. Die Figuren sind sich zu ähnlich. Der Punkt hängt vielleicht mit dem ersten zusammen. Wenn alle Charaktere aus der Gruppe mit der gleichen Stimme sprechen, dann ist das schon fade. Noch langweiliger wird es, wenn sich die Helden sogar spielübergreifend zu ähnlich sind. Vielleicht hat die Community eine Standard-Schablone, auf die immer wieder zurückgegriffen wird.

    Wie ist das mit meinen eigenen Spielen? Mit vielen Figuren meiner älteren Spiele bin ich nicht mehr zufrieden, was aber nicht unbedingt am Konzept liegt. Ich würde sie heute anders darstellen, aber ihre Persönlichkeit wäre wohl ähnlich. Die eigentlichen Probleme sind Folgende:
    - zu oberflächliche Dialoge, vor allem das Zwischenmenschliche kommt zu kurz.
    - oft gilt: Je später ein Charakter in die Gruppe kommt, desto blasser ist er (das Problem haben aber sogar kommerzielle Spiele). Als Autor hat man anscheinend seine Lieblinge und die anderen sind nur zum Auffüllen da. Deswegen sind mir heutzutage kleinere Gruppen lieber.
    - ein Charakter kann sich ganz anders entwickeln, als ich es eigentlich geplant hab. Das liegt daran, dass ich meine Geschichten quasi tagträume (Martin macht das aber auch so!). Später möchte ich aber nicht wieder alles umwerfen.
    - einige meiner Figuren sind überzeichnet, aber gerade bei "ernsteren" Spiele zögere ich, weil ich schon Bedenken hab, ob die Spieler solche Charaktere überhaupt mögen und ob ich das überhaupt hinbekomme, was ich erreichen will.

  3. #3
    Zitat Zitat
    Sorry, aber das ist blödsinn. Es gibt keine objektive definition von „Gut“ und „Böse“, das hängt immer vom persönlichen Standpunkt ab. Einen ultimativen Zustand „Böse“, der im sprachenlichen konsens einen unumstößlich definierbaren Zustand beschreibt, existiert nicht.
    Ich spreche auch nicht von einem objektiven Standpunkt. Aber das ändert nichts an dem Konzept von gut und böse.

    Zitat Zitat
    Wenn Kind A Kind B das Spielzeug weg nimmt, und Kind B Kind A dafür auf die Nase haut, wer ist das Böse?
    Aus Sicht von Kind B ist Kind A das böse. Und deswegen haut es ihm auf die Nase. Kind B wird sich wohl kaum freuen, dass Kind A ihm etwas "böses" angetan hat (außer vielleicht wenn es ein extremer Masochist ist, aber das ist wieder ein eigenes Thema). Und eben deswegen ist es etwas "Böses". Und wenn Kind A zehntausend überzeugende Gründe dafür hatte, ändert das trotzdem nichts an der Sicht von Kind B. Und deswegen bezeichne ich es als Blödsinn, wenn Schnorro erklärt, dass etwas Böses nicht zwangsläufig schlecht sein muss. Das ist als würde man sagen, dass die Farbe Grün nicht zwangsläufig grün sein muss.

  4. #4
    Zitat Zitat von caesa_andy Beitrag anzeigen
    Der Springende Punkt ist, dass es kein ultimatives "Böse" im Sinne aller physikalischen Richtlinien des universums gibt.
    Natürlich gibt es das nicht. Es liegt ja auch gar nicht im physikalischen Raum, in dem überhaupt das Böse erfasst wird. Warum sollte man auch einen moralischen Begriff physikalisch ergründen wollen? Was allerdings auch nicht heißt, dass die "Wahrheit" damit bereits schon erschlossen wäre. Die Idee vom Bösen gibt es durchaus. Sie erschließt sich den allermeisten Menschen ganz intuitiv, sie spielt eine Rolle für jeden Menschen gleichermaßen. Ob es gut und böse prinzipiell gibt und in welchem Ausmaß, ist schwer auf einen Punkt zu bringen. Allerdings finde ich diesen Ansatz, dass es kein "Böse" in der Natur gibt, und der Begriff damit bedeutungslos wird, ziemlich dämlich. Diese abstrakten Begriffe spielen nur für den Menschen eine Rolle, auffälligerweise auch nur in Zusammenhang mit anderen Menschen oder anthropomorphen Gestalten (wie etwa Geistern, Gottheiten etc.). Insofern muss das "böse" auch nicht in der Natur nachgewiesen werden oder irgendein Gesetz abgeleitet werden. Die Diskussion in diese Richtung zu bewegen, lenkt meines Erachtens nur davon ab, dass in der Wahrnehmung des Menschen und für dessen moralisches Bewusstsein "gut" und "böse" durchaus eine Rolle spielen. Damit zum nächsen Punkt:

    Zitat Zitat
    "Böse" definiert sich immer aus einem Blickwinkel - meistens aus dem, des Opfers. ...
    Den Begriff des "Opfers" würde ich mal komplett rauslassen. Ich denke eh, du meinst ausschließlich geschädigte Personen (also Personen, denen ein Schaden entstanden ist), nicht auch das Opfer im Sinne ritueller und funktioneller Darbietungen, wonach Opfer Teil einer rationalen Überlegung wären.
    Davon abgesehen: Das alles führt komplett an der Sache vorbei.
    Es spielt weder eine Rolle, ob ein hinterlistiger, selbstgerechter, brutaler Mensch auch seine guten Seiten hat, noch ist es von Bedeutung, dass das "böse" nur eine Wahrnehmung aus einer bestimmten Perspektive ist. Es bleibt letztlich auch unerheblich, dass kaum eine Position absolut gut oder böse ist. Unter "böse" wird allgemein verstanden, was sich bewusst gegen das Wohl anderer richtet, das gezielt zerstören will, und damit im Endeffekt eine allgemeine Bedrohung darstellt.
    Es wird nicht an der Sache beobachtet, es ist insofern nicht objektiv, sondern es ist ein subjektiver Eindruck. Kann es ja auch nur sein. Doch jedem vermittelt sich dieser in gleicher Weise, insofern hat auch jeder eine Vorstellung davon, was "böse" ist, einschließlich dem, der böses tut. Auch wenn er von seinen Kollegen gefeiert wird, ist sich ein betrügerischer Verischerungsmakler darüber im Klaren, dass er anderen Menschen Schaden zu seinem eigenen Wohlergehen zufügt. Ihm ist es bloß egal. Deswegen kann man die Sache auch nicht drehen und wenden wie man will. Knifflig wird es, wenn sich jemand eine moralische Grundlage für sein böses Verhalten zusammenspinnt, meinetwegen göttliche Berufung. Weil dies aber i.d.R. extreme Positionen sind, die von den meisten Menschen (zum Glück) abgelehnt werden, kann man auch nicht sagen, der "Held" sei für den "Schurken" böse, denn es sei bloß ein Interessenkonflikt, ob die Welt zerstört wird oder nicht.

    Zitat Zitat
    Dann erkläre mir bitte, warum man im bis heute meistverkauften Videospiel aller zeit NUR Charaktere spielt, die nach "Objektiven" Gesichtspunkten als Böse gelten müssten?
    Man, ich hätte Wii Sports echt mal spielen sollen.

    Was den Punkt angeht, auf den du hinaus willst:
    Zusätzlich zu dem, was Kelven gesagt hat, will ich noch anmerken, dass das von Spiel zu Spiel sehr verschieden ist. In einem Spiel, in dem man die Wahl hast, für wen oder was man sich entscheidet, hat das böse natürlich auch seinen Reiz. Bestreite ich auch gar nicht. In einem Spiel, wo man primär böse Dinge tut, und auch gar keine große Wahl hat, wäre es mir zumindest schon lieber, wenn dahinter irgendein Grund steht. In Shootern ist es das alte "Töten oder getötet werden". In GTA gibt es durchaus für jeden Charakter noch Grenzen und Motive, und jeder offenbart ein Bewusstsein. Man kannt zwar einen Amoklauf auf der Straße anfangen, wenn man das möchte, aber man spielt keinen durch und durch menschenverachtenden, aus Langeweile mordenden Killer. Gibt sicher auch Leute, denen das gefallen würde, aber du wirst dafür schon deutlich weniger Begeisterung finden als für Charaktere, die trotz ihrer Handlungen immer noch menschlich erscheinen. Und ja, in Spielen böse Entscheidungen zu treffen, kann in manchen Fällen eine Grenzerfahrung sein. Wenn man mit einer bösen Handlung prinzipiell ein Problem hat, und sie dennoch vollzieht, kann man an sich selbst sehen, wie einen das beeinflusst.
    Darüber hinausgehend ist der Fokus eines Spieles auch von Bedeutung: Ob man immer dasselbe macht, ob man Alternativen hat, und wie das, was man als Spieler tut in die Handlung eingeführt und vom Spiel sanktioniert oder belohnt wird, trägt alles mit dazu bei, wie wohl man sich bei einem Spiel fühlt. Wie Kelven es ansprach: würde man vom Spiel für das verurteilt, was man macht, wie soll sich der Spieler dabei fühlen? Wenn es für dich keine Grenzen gibt, wie brutal ein Spiel sein darf und du an allem deinen Spaß hättest, ist das ja schön und gut für dich, aber das gilt sicher nicht für alle.
    Und um das noch von der anderen Seite zu betrachten: Ein Eintwickler muss sich die Frage stellen oder im Nachhinein gefallen lassen, warum und wie er Gewalt in seinem Spiel darstellt. Die Antwort sollte möglichst nicht lauten, dass man glaubt, den Leuten gefalle es, und dass es sich gut verkaufe. Für manche Menschen mag das genug sein, und Geld verdienen will jeder mit dem, was er tut (wobei das hier weniger der Fall ist), aber jeder, der etwas veröffentlicht das für andere bestimmt ist, kann sich nicht aus der Verantwortung ziehen, dass er selbst auf diese Weise sein Umfeld mitgestaltet oder zumindest darauf Einfluss nimmt, und damit auch mehr tut als nur seinen Job.

    Zitat Zitat von Kelven
    Die Figuren sind nicht sympathisch genug.
    Versuch doch mal zu erläutern, was genau dich an einer beliebigen Figur gestört hat, die du unsympathisch fandest. Hat die Figur etwas bestimmtes getan oder gelassen? Hatte die Figur einfach nicht genug Persönlichkeit und wirkte wie aus Pappe? Gab es irgendwelche Szenen, in denen dir eine Figur besonders negativ auffiel?
    Solche Punkte zu verbessern ist schwierig, denn es kann letztlich jedem unterschiedlich stark oder schwach auffallen, aber ich denke, wenn einen Spieler eine Figur kalt lässt, dann wurde offensichtlich das Ziel verfehlt, und kann man auch ermitteln, woran das liegt.


    Zitat Zitat von Schnorro
    Man kann noch so viele Beispiele nennen, aber am Ende läuft es doch nur darauf hinaus, wie der, der das Urteil fällt, gut und böse sieht. Und diese Leute sind hier im Forum meistens aus Deutschland und pflegen dementsprechend das aktuell gesellschaftlich anerkannte Menschenbild.
    Na, hoffentlich herrscht bald wieder ein anderes gesellschaftlich anerkanntes Menschenbild.... Oo

  5. #5
    Zitat Zitat von Diomedes Beitrag anzeigen
    Na, hoffentlich herrscht bald wieder ein anderes gesellschaftlich anerkanntes Menschenbild.... Oo
    Was hast du denn für ein Menschenbild von deinen Mitmenschen? ^^
    Meines ist eigentlich (bis auf ein paar Ausnahmen) ein recht positives.

  6. #6
    @Lord of Riva und Schnorro
    Danke für die Spiele. Ich find's gut, dass ihr aktuelle Spiele spielt. Viele aus der Community machen das ja leider nicht.

    @Lord of Riva
    AAA-Titel war auch nicht ganz ernst gemeint. Ich meinte die besonders bekannten Spiele aus unserer Community.

    So eine negative Einstellung hab ich eigentlich gar nicht, sonst hätte ich den Threadtitel nicht als Frage formuliert. Ich wollte schauen, wie die anderen die Charaktere sehen und darüber diskutieren, was besser gemacht werden kann. Davon profitieren die Entwickler auf jeden Fall. Wenn die Mehrheit zufrieden ist, dann wissen sie, dass sie auf dem richtigen Weg sind und wenn die Mehrheit unzufrieden ist, dann sollten sie etwas ändern. Oder nicht? Wegen meinen Spielen hab ich den Thread nicht aufgemacht, ich bin mit meinen Charakteren zufrieden. In den Spielen der anderen würde ich natürlich schon gerne "bessere" Charaktere sehen, aber das steht nicht so sehr im Vordergrund. Gefallen die Charaktere der Mehrheit nicht, dann würden alle davon profitieren, wenn sie verbessert werden - sowohl die Entwickler als auch die Spieler.

    @Diomedes
    Zitat Zitat
    Versuch doch mal zu erläutern, was genau dich an einer beliebigen Figur gestört hat, die du unsympathisch fandest.
    Die unsympathischen Figuren sind aber wieder etwas anderes, die sind klar in der Minderheit. Neben sympathischen und unsympathischen Charakteren gibt es die, die mich weder stören noch mir gefallen, und die machen die Mehrheit aus. Eine unsympathische Hauptfigur ist schon eine, wegen der ich ein Spiel unter Umständen abbrechen würde. Es gibt ein aktuelles Beispiel, die weibliche Hauptfigur aus DEEP 8. Ich fand sie unsympathisch, weil sie die männliche Hauptfigur die ganze Zeit schlecht behandelt, sie verachtet ihn regelrecht.

  7. #7
    Ein paar weiterführende Gedanken zum Thema Charaktere

    Oft wird in Diskussionen oder Kritiken die Glaubwürdigkeit der Figuren angesprochen und für so manchen Leser erscheint es so, als gäbe es eine universelle Glaubwürdigkeit, die unabhängig von Mensch und Werk erreicht werden muss. Ein Charakter müsse glaubwürdig sein - das sei ein wichtiges Gebot für jeden Autor.

    Ich frage mich nun, ob die Glaubwürdigkeit wirklich so etwas Einheitliches ist, wie man beim Lesen der Diskussionen und Kritiken vielleicht denken könnte. Wahrscheinlich eher nicht. In der Bezeichnung selbst steckt ja schon die Einschränkung, dass es immer einen bewertenden Betrachter gibt. Ein Mensch entscheidet, ob etwas würdig ist, geglaubt zu werden. Erfahrungsschatz und Verständnis spielen also eine große Rolle. Außerdem stellt nicht jedes Werk den gleichen Anspruch an die Glaubwürdigkeit und das führt mich zum eigentlichen Kern des Problems, nämlich zur Annahme, ein glaubwürdiger Charakter wäre ein realitätsnaher Charakter. Ich hab zumindest den Eindruck gewonnen, dass viele diese beiden Begriffe gleichsetzen.

    Viele Autoren wollen aber gar keine realitätsnahen Charaktere erschaffen. Selbst in der Weltliteratur findet man Figuren, die nicht realitätsnah sind - vielleicht weil sie idealisiert, vereinfacht oder überzeichnet wurden. Letztendlich haben ja alle Figuren einen Zweck und der ist oft wichtiger als Realitätsnähe.

    Es ist also kein grundsätzlicher Fehler, wenn sich die Figur nicht wie ein echter Mensch verhält. Mal angenommen, der Entwickler entscheidet sich für einen idealisierten Helden, der ein freundliches Wesen hat und allen in der Not hilft. Das finden einige langweilig und das ist auch in Ordnung. Der Entwickler hat den Charakter aber nicht aus Unwissenheit oder kindlicher Naivität so geschrieben. Das sollte man ihm nicht zu voreilig vorwerfen.

    Ich finde, wir sollten lieber über Konsistenz sprechen. Das Verhalten der Figuren muss konsistent sein, es sei denn das abweichende Verhalten wird vorher legitimiert - sonst hätten wir die "wahre" Unglaubwürdigkeit. Außerdem müssen die Charaktere gegenüber dem Genre/Setting/Thema (oder wie man es auch nennen mag) der Geschichte konsistent sein. Eine ernste Milieu-Studie funktioniert nicht mit verkindlichten Anime-Figuren. Die Ansprüche an eine High-Fantasy-Heldengeschichten sind aber sicher weitaus geringer, vermutlich würde man auch dort einen Stilbruch spüren, wenn die Charaktere in einer positiven idealisierten Handlung realitätsnah wären.

    Man sollte also, wenn man über Charaktere allgemein oder die aus einem bestimmten Spiel spricht, im Hinterkopf behalten, dass der Autor immer irgendeine Vorstellung hatte, die Figuren sind ja kein Zufallsprodukt. Natürlich kann man trotzdem meinen, dass sie nicht gut umgesetzt wurden oder man findet sie unsympathisch, das ist vollkommen in Ordnung. Wichtig ist nur nicht auszublenden, dass der Autor die Figuren schon bewusst "einfach" oder "klischeehaft" gehalten haben kann.

  8. #8
    Mich stört es ehrlich gesagt nicht, warum die Charaktere dies oder jenes tun. Der, der diesen Charakter entwickelt hat, wird schon seine Gründe dafür haben.
    Dadurch sind die Charaktere schon glaubwürdig genug für mich.
    Schlimm wird es erst, wenn ohne Grund (im ganzen Spiel taucht dann der Grund nicht dafür auf) sich ein Charakter komplett eine andere Richtung einschlägt als die, die er vorher bestritten hat. Dann ist die Glaubwürdigkeit dahin. Für so einen Bruch fällt mir jetzt aber kein Beispiel ein.

    Und das die Glaubwürdigkeit eines Charakters immer ein subjektives Empfinden ist, dies sollte auch klar sein.

    Was die Aussage "glaubwürdig = realistisch" betrifft, würde ich diese beiden Begriffe niemals gleichsetzen. Wenn jemand anfängt und realistische Dinge in einem Spiel zu fordern, dann sollte er dies auch auf alle Dinge im Spiel anwenden und nicht nur auf die Charaktere. Wieso sollten auch nur die Charaktere realistisch sein und nicht die Welt? Aus diesem Grund würde ich den Begriff "realistisch" komplett außen vor lassen.

  9. #9
    @Schnorro: Du wärst überrascht davon, wie oft man überdeutlich merkt, dass die Entwickler/Schreiberlinge keinen einzigen Gedanken an die Charaktere verschwendet haben. Wenn man aufmerksam liest/spielt/whatever, fällt das auf, wenn eine Figur etwas nur tut, damit es den Plot vorantreibt, wenn es leere Hüllen sind, was eben nicht in jedem Spiel passt und manchmal auch gar nicht gewollt ist.

    Ich denke auch nicht, dass Glaubwürdigkeit immer subjektiv ist. Nehmen wir an, wir haben einen übermäßig schüchternen Protagonisten, der wirklich die Fresse nicht aufkriegt, der stolpert irgendwie in eine Weltrettungsmission, wie es eben jedem mal passiert. Wenn dieser Protagonist, der in seinem Heimatdorf immer still und leise und eben schüchtern war, dann plötzlich eine Map später fröhlich schlachtend durch eine Dämonenfestung rennt und gegenüber dem grauseligen, einschüchternden Oberdämonenbösewicht, an dessen Schuhen noch das Fell getretener Welpen und Kätzchen klebt, ach so schlagfertige und cooliche Sprüche ablässt, kann dann irgendjemand behaupten, er wäre glaubwürdig?

    Zu diesem "realistisch=glaubwürdig" sage ich nur willentliche Aufhebung des Unglaubens. Eine Welt ist glaubwürdig im Sinne von realistisch, wenn ich mir beim Erfahren dieser Welt denke, dass sie als Welt funktioniert, dass sie ihre Regeln hat und diese einhält, dass sie nicht wirkt wie zusammengemanscht aus allem, was irgendwer einfach cool fand (außer das ist dann eben richtig präsentiert). Allerdings bevorzuge ich da auch einfach den Begriff glaubwürdig.

    (Ich möchte hier eigentlich gar nicht sein, aber ich kann einfach nicht anders D: )

  10. #10
    @Sephigruen:
    In den Spielen, die mir so in den Kopf kommen, passiert so etwas halt nicht.
    Das es Charaktere gibt, wo dies passiert, will ich nicht abstreiten. Mir fällt bloß kein Beispiel ein .

    Das von schüchtern zu badass Held habe ich ja auch beschrieben (nur halt ohne konkretes Beispiel). Solange es vernünftige Gründe für eine Verhaltensänderung gibt, ist alles OK.
    Fehlen diese, dann wird die Glaubwürdigkeit zerstört. Da stimme ich dir zu.

  11. #11
    @Sephigruen
    Ich sehe das zwar auch so, dass die Figuren in einigen Maker-Spielen zu funktional denken, also dass sie eigentlich nur ihre Aufgabe im Sinn haben, aber vollkommen wahllos haben die Entwickler die Charaktere dann doch nicht erschaffen. Welche Spiele meinst du denn und spielt die Handlung dort überhaupt eine große Rolle?

    Dein Beispiel ist das was ich mit Konsistenz meinte. Eine inkonsistente Figur ist unglaubwürdig, während ich Figuren, die nicht realitätsnah sind, mMn nicht als unglaubwürdig bezeichnen würde. Naja, kommt halt wieder darauf an, was man unter dem Wort unglaubwürdig versteht.

    Das was du in deinem dritten Absatz ansprichst, schlägt in eine ähnliche Kerbe. Die Welten der Speculative Fiction sind meistens "unglaubwürdig", trotzdem funktioniert die Suspension of Disbelief, wenn die Welten konsistent sind. Außerdem stellt sich das Publikum wie gesagt je nach Genre/Setting auf ein gewisses Maß an "Unglaubwürdigkeit" ein.

  12. #12
    Wenn man realistisch und glaubwürdig gleichsetzt, bekommt man schnell ein Problem, das sehe ich auch so.
    Glaubwürdig würde ich in diesem Sinne eher mit nachvollziehbar beschreiben. Der Rezipient muss jederzeit verstehen, wieso sich eine Figur so und so verhält. Ob eine Handlung gut, schlecht, böse, realistisch oder klischeehaft ist spielt weniger eine Rolle, solange man sie sich erklären kann. Ausnahme ist natürlich, wenn ein Verhalten unnachvollziehar ist, weil es im Sinne eines Rätsels daherkommt, das im Laufe der Geschichte gelöst werden muss (z.B. der beste Freund des Helden betrügt ihn scheinbar grundlos, im Laufe der Geschichte erfahren wir aber seine Motivation).

    Damit Handlungen nachvollziehbar sind reicht es oft aber nicht, dass die Figur gut geschrieben ist, sondern dass der Rezipient auch den Kontext kennt, in welcher die Figur agiert. Sobald eine Figur oder die ganze Gesellschaft ein uns völlig fremdes Wertesystem lebt, müssen wir zuerst dieses verstehen, um die Handlungen der Figur nachvollziehen zu können.
    Gerade in einem Fantasy Setting, wie wir es in Makerspielen so oft vorfinden, ist dies nicht zu unterschätzen und gehört zur Exposition.

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