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Hmm... vielleicht ist es einfach allgemein schwierig, ein gutes Charakterkonzept zu entwerfen, ohne den Charakter mit seiner Umwelt zu verbinden, ohne einen Bezug zu der Welt herzustellen, in der er lebt. Ich denke, das funktioniert schon auf kleiner Basis, wie bei Sandra (bei dem Beispiel bleib ich einfach mal), die mit ihren Eltern unterwegs ist und keine Lust hat, ein bisschen rumzickt und dann alleine in der Wüste gelassen wird. Ab dem Punkt haben wir schon etwas von ihr erfahren, was uns vielleicht neugierig macht, wir wollen wissen, wie ihre Geschichte weitergeht, weil es von Anfang an diesen persönlicheren Bezug zur Geschichte gibt. Ihre Eltern haben sie scheinbar einfach allein gelassen und sie ist nun trotzig und rennt von sich aus drauf los. Dann landet sie in der Stadt. Ich denke, das meinte ich auch mit der Austauschbarkeit, ich denke, wir beide haben einfach jeweils eine andere Interpretation dieser Begrifflichkeit. Sandra landet in der Stadt, durch das, was vorher geschah, wir fragen uns, was mit ihren Eltern ist, plötzlich ist da ihr Rucksack, es gibt einfach einen Symbiose zwischen der Umwelt und der Protagonistin, weswegen sie für die Geschichte nicht austauschbar ist, denn von Anfang erleben wir ihre Geschichte. Dass auch ein anderer Teenie hätte in die Stadt kommen können, ist nicht mehr von Relevanz.
Bei UN allerdings wirkt es so, als wären die Figuren einfach in diese Umgebung gesetzt worden, wie mit einer Hand, die Legofiguren in ein fertig gebautes Haus stellt. Ich muss nochmal betonen, dass ich leider nicht ganz genau weiß, wie ich das erklären oder begründen soll, weil es nach wie vor mehr ein Gefühl ist, aber sie wirken einfach so, als könnte man dort auch andere Figuren hinsetzen und die Geschichte bliebe in etwa dieselbe, natürlich mit anderen Vergangenheitserklärungen und vielleicht auch anderem Ausgang, aber eben so, als wäre das Konzept nicht mit den Charakteren verbunden.
Das meinte ich mit Austauschbarkeit. Und ich finde ich nicht, dass Sandra generisch wirkt, allein schon, weil sie glaubhaft ist. Generisch verbinde ich immer mit nicht glaubhaft, denn wenn ein Charakter glaubhaft wirkt, dann hat er auch irgendetwas an sich, was ihn irgendwie einzigartig macht. Ich denke sowieso, dass mit dem Begriff 'generisch' und 'Klischeecharakter' viel zu inflationär umgegangen wird. Ich sehe in Sandra schon Feinheiten und nicht jeder glaubhafte Charakter muss eine exzentrische Persönlichkeit haben. Sandra ist in der Pubertätsphase, sie ist nicht einverstanden mit dem, was ihre Eltern ihr aufdrücken, was sie zuweilen sehr hitzköpfig werden lässt. Sie ist trotzig und dickköpfig, will beweisen, dass sie sich nichts gefallen lässt und geht deswegen alleine in die Wüste, hält in Dusty Creek immer noch daran fest, wie erwachsen sie doch ist und auch ohne ihre Eltern klarkommt, indem sie erstmal klarstellt, dass sie ja nicht in das gleiche Motel wie ihre Eltern will (war das so? Ist ne Weile her, dass ichs gespielt hab) und sich mit Jake einlässt, dem coolen Typen. Aber dann entdeckt sie Dinge, die sie ängstigen, und die Fassade ihrer Trotzigkeit wird als solche enttarnt, sie bekommt mehr und mehr Angst und sucht Schutz bei Jake oder auch Alan, was auch mit Unsicherheiten begleitet wird, weil sich Jake oftmals aufdringlich gibt; für sie aber immer noch kein Grund, ihn zu meiden.
Ich finde schon, dass das alles durchaus ausreicht, um sie nicht als generisch zu bezeichnen. Sie ist und handelt vielleicht so, wie viele andere Mädchen in ihrem Alter auch, aber sie agiert immer glaubwürdig und hat ihre eigene Geschichte und trifft spezielle Leute, was ihren Charakter rund gestaltet. Wie gesagt, man braucht nicht unbedingt einen Haufen individueller Merkmale, wenn man auch mit einfachen Mitteln eine Person glaubhaft gestalten kann, zumindest im Format einer kleineren Geschichte, und sowas sind Horrorspielgeschichten nun mal meist. Das ist zumindest meine Ansicht, so habe ich das wahrgenommen.
Aber du hast Recht, Glaubwürdigkeit an sich ist ein schwieriges Thema, sicher, weil sie auch von verschiedenen Personen verschieden wahrgenommen wird. Ich gebe dir auch Recht in dem Punkt, dass es schwieriger ist, Horrorspielcharaktere glaubhaft zu gestalten als Charaktere, die etwas erleben, was wir auch erleben könnten.
Doch ich meine nicht, dass Sympathie über die Glaubhaftigkeit eines Charakters entscheidet. So sollte es zumindest nicht sein und ich kann mir vorstellen, dass viele vielleicht nicht empathisch genug sind, um sich in Charaktere hineinzuversetzen, die ihnen unsympathisch erscheinen, und deswegen der Eindruck entsteht, sie seien nicht glaubwürdig. Nun, ich denke, das kann man als Entwickler schwer umgehen. Doch Sympathie sollte dennoch kein Indikator für Glaubwürdigkeit sein und UN ist dafür eigentlich auch ein gutes Beispiel. Marcel ist mir als Charakterkonzept sympathisch, als Figur hingegen nicht unbedingt, und dennoch mochte ich ihn am meisten, weil seine Geschichte am glaubhaftesten war. Da verweise ich gerne auf Cortis Post, er hat Marcels Glaubwürdigkeit so erklärt, wie ich es gerne getan hätte, wenn ich auf die Formulierung gekommen wäre. Auch außerhalb von UB, in anderen fiktiven Werken, gibt es Charaktere, die ich einfach nicht leiden kann, die aber dennoch glaubhaft sind und manchmal auch so wichtig, dass ich, trotz absoluter Antipathie, weiß, dass sie für die Geschichte unentbehrlich sind.
Und um mal wieder den Bogen zu UB zurückzuschlagen; das Problem ist, dass ich im Großen und Ganzen weder Sympathie noch Antipathie aufbauen konnte, weil die Charaktere, wie bereits erwähnt, einfach plaziert wirkten, als hätte sie jemand einfach in die Geschichte gestellt. Das muss nicht zwangsläufig damit zusammenhängen, dass sie wirklich nur zufällig dort sind, oder doch, sicher bin ich mir da auch nicht, aber das Gefühl währt einfach das gesamte Spiel lang an. Wie gesagt, weil ich finde, dass es so wirkt, als stünde jeder Charakter das ganze Spiel hinüber in einer Art Glocke, als würde man eine Legofigur ohne Bezug zur Umgebung durch eine Legostadt laufen lassen. Das mag auch daran liegen, dass sich viele gleichaussehende Abschnitte wiederholen, ich weiß ja selbst nicht genau, woran ich das alles festmachen kann. Ich denke, es ist eine Mischung aus vielen Elementen, die das hervorruft. Vielleicht auch, wie von dir schon angemerkt, weil sie alle absolut keinen Bezug zueinander haben und sich nicht wirklich füreinander interessieren.
Ich denke schon, dass eine dezente Darstellung von Gefühlen auch ausreicht, mein Problem liegt nicht darin, dass du die Emotionen nicht stark genug zum Ausdruck gebracht hast, sondern eben, dass sie deplaziert wirken, gekünstelt, wie du erwähnt hast. Dass man um das Gekünstelte herum kommt, zeigen DN und Alice recht gut, die Gefühle und Verhaltensweisen und Gedanken der Hauptcharaktere wirkten auf mich nie gekünstelt.
Das Problem ist vielleicht wirklich, dass sie einfach keinen Bezug zu irgendetwas haben, keinen Bezug zueinander und keinen Bezug zu der Umgebung, es gibt nichts Greifbares, was die Charaktere eben... greifbar machen würde.
Deswegen auch austauschbar. Ich weiß, ich wiederhole mich wahrscheinlich zum tausendsten Mal, aber ich schaffe es nicht so recht, meine Gedanken zu ordnen.
Hargh, ich wünschte, ich könnte besser das zum Ausdruck bringen, was ich meine, aber ich war schon immer gut darin, ellenlang um meine eigenen Gedanken herumzupalavern ^^"
Eine Sache noch: Es stimmt schon, dass die Glaubhaftigkeit in einem RPG vielleicht wichtiger ist als in einem Horrorspiel, aber da du selbst meintest, dass es dir in UN hauptsächlich um die Charaktere geht, siedel ich den Punkt schon recht hoch an in meiner Kritik.
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