Wow, ich wünschte, ich hätte mal die Geduld für solche Reviews für Spiele, die es entsprechend verdient haben. Chapeau!

Ich stimme dir in fast allem zu. Über Ausnahmen haben wir uns ja bereits ausgelassen. Über die Frage, ob ich Silksong wirklich (in dem Sinne) politisch fände, müsste ich erst mal noch etwas nachdenken. Deine Beobachtungen teile ich da und die macht das Worldbuilding auch genial, aber „eine Macht unterdrückt die Bewohner:innen/Pilgerer und es gibt ökonomische Unterschiede, die unüberwindbar sind“ ist an sich auch noch keine sonderlich effektive politische Message, insbesondere weil die Darstellungen davon im Vergleich zu realen Systemen von Ungleichheit eher auffallen/herausstechen und vielleicht sogar weniger abstrakt sind. Wenn man das tiefer betrachtet, kann man da aber sicher auch den ein oder anderen Nod finden und genau so wie Gameplay und Storytelling ineinandergreifen, wie du treffend beschrieben hast, finde ich hier eben auch, dass Vermarktungspolitik des Spiels (also Preis, Entwicklungszeit, Kompromisslosigkeit der Umsetzung, etc.) und Inhalt gut zueinander passen wollen.

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und nein, es macht nicht *jeder* Gegner 2 Schaden, zu Anfang noch nicht mal ein Großteil
Unabhängig davon, wie viele Gegner es jetzt wirklich sind, fand ich diesen Kritikpunkt immer etwas seltsam. Das ist ja total sinnlose Kritik, wenn man sie ohne Kontext übt. Kopfschüsse in diversen Shootern machen oft 100% des HP-Max Schaden und trotzdem würde man das ja nicht kritisieren, weil es bei Damage natürlich auf den Kontext ankommt. Und abgesehen davon, dass es zweifachen Schaden in HK auch gab – wenn auch deutlich seltener -, funktionieren die beiden Spiele eben anders, also warum soll das die Benchmark sein? Gerade die Sache, dass man – wie wir ja beide erwähnt haben – in Silksong viel komfortabler heilen kann als in HK kompensiert das ja schon. Selbst mit entsprechenden Verschnellerungs-Boni dauert das Heilen in HK ja selbst für eine Maske total lange und muss am Boden stattfinden, macht das Spiel viel statischer (wobei das natürlich ein Hindsight-Bias ist) UND hat eine taktische Komponente weniger. Das taktisch spannende am Doppelschaden in Silksong ist ja auch, dass das Heal-Management dadurch noch mal interessanter wird. Weil man immer drei Masken heilt, aber durch so eine Attacke vielleicht nur zwei verloren hat, wodurch sich die Frage stellt: „Heile ich jetzt, damit ich Full HP bin oder hole ich das Maximum aus der Heilung raus und warte, bis mir noch zwei fehlen, wodurch ich dann aber nicht voll wäre und später mit neuer Silk-Regeneration anfange?“ (Ich bin da übrigens immer total vorschnell mit dem Heilen, lade in Shootern aber auch schon immer nach, sobald ich nur ein paar Schüsschen aus einem Magazin verschossen habe )

Was die Tools angeht, ist das zum Teil ganz ähnlich, was die fehlgeleitete Kritik angeht. Da hieß es ja auch am Anfang, dass es die Belohnungen eigentlich gar nicht wert ist und fast nichts das Spiel signifikant leichter macht, während jetzt nach und nach alle feststellen, dass es eben doch total overpowerte Builds gibt, wenn man darauf eben auch erst mal kommen muss. Aber dass das Spiel das Engagement fordert und will, dass man sich mit Gameplay und Welt beschäftigt, um Dinge leichter zu haben, ist eben auch kein Nachteil, finde ich. Ich würde mir nur ganz persönlich wünschen, dass ich sowas mehr ausprobieren würde und nicht so ein – in der Praxis – konservativer Gamer wäre. Ich bin beim ersten Playthrough ja wirklich quasi ohne die Crest zu wechseln durch das Spiel gegangen und habe für sämtliche Kämpfe so gut wie keine Tools benutzt, womit ich es mir nicht nur unnötig schwierig gemacht habe, sondern sicher auch noch mal ein paar coole Mechaniken in action verpasst habe. Aber sowas können dann ja auch gut sukzessive Durchläufe kompensieren. (Wenn ich es nicht wie bei Dark Souls mache und fast jeden Playthrough wieder mit meiner Lieblingswaffe, dem Uchigatana, bestreite ^^)

Zur Geschichte und auch Hornets Rolle noch als Ergänzung, und gleichzeitig als Addendum zum Politikthema: So Geschichten, die sich um Rebellion und das Absetzen von toxischen Ordnungen (wie Grandmother Silk) drehen, haben dann oft so eine French Revolution-Narrative, die leider sehr konservativ und anti-revolutionär ist. Nämlich, dass die Macht korrumpiert und die revolutionären Akteure (in diesem Fall Hornet), die den Missstand erkannt und bekämpft haben, selbst zu einer neuen ebensolchen werden. Und so ist ja quasi auch das False Ending nach Act 2 und auch (in etwa) der Status Quo nach der Übernahme des Abyss. Dementsprechend ist es (politisch/ideologisch) für mich sehr schön, dass es da im True Ending nicht aufhört und man mit Hornet „wieder gut machen“ kann was Schlechtes angestellt wurde. Und sie trotzdem den Willen und die Entschlossenheit beibehält, da auch dran zu bleiben und dafür auch kleinere Grausamkeiten in Kauf zu nehmen (wie das Eindringen in die Erinnerungen von diversen Figuren, die ja schon nicht nett sind ).