Genau das ist das Problem, das ich mit dem Text habe. Natürlich sind Figuren "verwundbar", wenn sie intime Momente erleben. Aber jeder Moment ist potenziell intim. Die körperliche Bloßstellung beim Sex ist immer auch eine emotionale, eine gedankliche, ansonsten würde sich der Sex in sich selbst ergehen.Zitat von La Cipolla
Ich lese momentan Stoner und der Sex darin ist so erbärmlich beiläufig wie ein Mittagessen. Nicht ausführlicher beschrieben, so stoisch wie der Rest und so offenlegend. Die Hauptfigur ist schon durch Alltäglichkeiten bloßgestellt, da mutet der flüchtige Sex mit einer Affäre schon an, als könnte er sie über das Menschsein hinausheben.
Die Zielgruppenfrage stellt sich zwar nur bei Genreliteratur, aber feuilletonistischer Kram ist ja auch nicht davor gefeit, Leser mittendrin zu verprellen. Passiert ist mir das allerdings noch nie und dabei gehöre ich eindeutig zur prüderen Sorte. Entweder weiß ich, worauf ich mich einlasse, oder ich gehe auf Blindflug. Dann scheitert es aber nie nur an einer Szene. Ich könnte mir vorstellen, dass ich an Lolita oder Uhrwerk Orange keinen Spaß hätte. Den Beschreibungen nach würde ich Uhrwerk Orange nach ein paar Seiten wütend an die Wand klatschen.
Jugendliteratur finde ich deshalb schwer zu beurteilen, weil die Grenze so fließend ist. Harry Potter und Panem sind ja kaum mehr als solche zu bezeichnen, und Statistiken besagen, das etwa die Hälfte als Jugendbücher von Erwachsenen gekauft werden. Ich habe letztens Die Sprache des Wassers gelesen. Aber bis auf die jugendliche Hauptfigur und die Tatsache, dass der Inhalt von Jugendlichen verarbeitet und verstanden werden kann, wüsste ich nicht, wodurch sich das Buch nunmal als Jugendbuch ausweist. Zu Sex kommt es darin nicht, aber wenn er genauso behandelt worden wäre, wie der Rest, hätte wohl kein Jugendlicher was zu monieren. Da gebe ich dir definitiv Recht, La Cipolla, der Ton sollte beibehalten werden.
Eher, um meine Vorurteile zu schüren.Zitat
Der Blick ist so losgelöst von der sonstigen Literatur, dass ich mich fragen muss, wieso er nicht aus deren Erfahrungsschatz schöpft, statt die Erkenntnisse jungfräulich zu gewinnen.
Ich glaube eher, dass die Sprache nicht ihren Zweck erfüllt. Blumige Sprache, reich an Metaphern und Vergleichen, eignet sich nicht für einen stumpfen Akt. Das ist eher gut, um Sex als transzendentales Erlebnis zu beschreiben, als religiöse Sache. Und da das schnell im Verdacht steht, melodramatisch zu sein, kann man mit blumiger Sprache nur verlieren. Außer natürlich bei der Zielgruppe, die in Erotikromanen die erwachsene Fortsetzung der Romantik und der Backfischliteratur sieht.Zitat
Würdet ihr folgenden Satz schon als Sexszene begreifen? Er sah sie an, sie sah ihn an, aber erst, als sie Nacken an Nacken ineinander verschlungen lagen, sahen sie sich richtig.