Bin gerade in Akt 3 mit meinem Templer, Level 30 irgendwas (Ranger war mir ab Akt 3 zu langweilig), und inzwischen tun sich die ersten richtig starken Mängel auf. Um eins aber direkt davor zu sagen: Path of Exile ist durchaus richtig gut, ich würde es bisher ungefähr auf einem Level mit Torchlight einordnen, aber immer noch weit weg von Diablo 2 oder den beiden Borderlands, die alle ein anderes Niveau erreichen. Das zeigt sich auch daran, dass meine Motivation nach einem anfänglichen Hoch inzwischen wieder rapide sinkt.

1. So innovativ das Handelssystem auch sein mag (!), es ist ebenso unzugänglich. Bevor ich mich auch nur getraut habe, irgendwas zu kaufen oder zu verkaufen, ist schon verdammt viel Zeit vergangen, und selbst jetzt habe ich jedes Mal das Gefühl, danebenzugreifen. Es fehlt halt ein fester Orientierungswert, und während das großartig für Hardcore-Nerds ist, die Stunden im Chat oder im Internet verbringen, ist es speziell für Neulinge ziemlich abschreckend.

2. Dasselbe gilt für das Charaktersystem. Es ist richtig toll, aber wenn man sich nicht reinhängt (Internet-Recherche, Durchplanen), muss man ordentlich Glück haben, um nicht in jedes Fettnäpfchen zu treten. Gerade der anfordernde dritte Akt des ersten (!) Schwierigkeitsgrads erfordert durchaus schon einen funktionierenden Charakter oder echte Skills, was ich sehr schade finde. Ab dem zweiten Schwierigkeitsgrad können sie gern machen, was sie wollen, aber imho sollte jeder imstande sein, das Spiel einmal durchzuspielen, und zwar ohne irgenwelche Builds nachzubauen oder schlechte Passives zu vermeiden.
Saving Grace ist hier die funktionierende Respawn-Funktion. Es kann zwar nervig sein, zu sterben, aber wenn man gut mit seinen zahlreichen Portalen umgeht, ist es im ersten Schwierigkeitsgrad durchaus nicht demotivierend.

3. Das Sphärobrett hätte imho noch einen Tacken handfester sein können, das heißt viele kleine Optionen in größere Schritte zusammenfassen. Ich habe ein bisschen das Gefühl, man wollte hier nicht zu "simpel" erscheinen und hat deshalb lieber drei mal "8% Leben" hintereinandergeklatscht anstelle dickere Rotes zu benutzen, die auch wirklich was verändern. Damit zusammenhängend hat man oft leere Level (+10 Bla), was nicht so motivierend ist, wie es sein könnte.

4. Die Ausrüstung
Das Verbinden der Gems ist eine verdammte FIDDELEI. Jedes verdammte Mal, wenn ich ein neues, tolles Ausrüstungsteil finde, muss ich meine riesige Kleiderkiste öffnen, um wieder irgendwie zu einem Punkt zu kommen, an dem ich sämtliche Gems in die Ausrüstung gestopft kriege. Das Spiel hat viel zu sehr den Endgame-Charakter vor Augen, der sich kaum noch verändert, und leidet im Mid-Game extrem darunter. Könnte aber an meinen Charakteren liegen.
Was mich schon bei Diablo 2 gestört hat (speziell mit dem Muli-Trick) und hier auch wieder behindert ist: Gerade auch dadurch, dass man Gegenstände zwischen Charakteren umhertauschen kann -- aber nicht nur dadurch -- findet man viel zu viele potentiell nutzbare Items. Man muss ständig an seine verdammte Kiste und die tausend Mini-Modifier ausgleichen, am besten auch noch mit allen seiner Charaktere. Zusammen mit der Gem-Sache stehe ich jedes Mal, wenn ich was Tolles finde, wieder eine Viertelstunde an der Truhe.

Viele Punkte hängen damit zusammen, dass das Spiel sich ja ach so sehr vom Casual-Kram absetzen will und auf dem Weg gewisse Design-Grundlagen auskotzt, die schon bei Diablo 2 überholt waren. Anfänger werden in eine bescheuerte Schlangengrube mit tausend unsichtbaren Modifikatoren und Systemen geworfen. Das geht besser, und außer Idealisten hätte auch niemand darunter gelitten.
Die Respec-Option akzeptiere ich inzwischen sehr gern -- sie ist halt nicht wie in eigentlich allen anderen Spielen dieser Art dazu da, um etwas auszuprobieren oder um das Spiel angenehmer/lockerer zu machen, sondern sie ist nur ein kleiner Flavour-Punkt, um Kleinigkeiten auszutauschen, den Charakter geplant umzuorientieren usw. Ich würde sie allerdings nicht mal eine Respec (Respecializing) Funktion nennen, sondern irgendwie anders. Das ist nur irreführend und bringt Frust.

Ich werde es denk ich noch ein bisschen weiterspielen, zumindest einmal durch. Das Charaktersystem IST definitiv sehr motivierend und trotz seiner Mängel gut gemacht, man hat auch wirklich Bock, verschiedene Builds auszuprobieren. Aber das Spiel vergibt wirklich viel Potenzial, und das ist schade. Vielleicht machen sie ja mal einen Nachfolger, wenn sich der Diablo-3-Trubel gelegt hat, aber dann bitte einen Nachfolger, der nichts mehr mit Diablo 3 zu tun hat -- auch nicht den krampfhaften Versuch, sich um jeden Preis davon abzusetzen.