Gedanken über die Spielentwicklung mit dem RPG Maker
In bester Tradition möchte ich einmal mehr einen Diskussionsthread über einige beliebte Themen aufmachen. Mein Beitrag wird denke ich nicht besonders geordnet und durchdacht sein. Es gibt nur ein paar Themen, über die ich mal wieder schreiben möchte, weil sie zeitlos sind und weil ich glaube, dass wir bzw. unsere Spiele sich noch verbessern können. Ich weiß, dass solche Threads Bedenken hervorrufen und ich kann sie verstehen. Sie erwecken den Eindruck, als würden die Diskussionsteilnehmer unmöglich zu erfüllende Ansprüche an die Spiele stellen. Dieser Einfluss ist vielleicht sogar eines der größten Probleme, die unsere Community hat. Aber der Reihe nach.
Wir diskutieren gerne über Geschichten und die Erzählkunst. Ich hab das Gefühl, dass dadurch zumindest einige Entwickler negativ beeinflusst wurden. So finde ich zum Beispiel, dass die Abkehr von einer klaren Schwarz-Weiß-Zeichnung (die damals von einigen Entwicklern forciert wurde) nicht grundsätzlich gut ist. Es gibt Stories, die brauchen sie nicht, aber es gibt auch welche, die sie brauchen, die nur so funktionieren und Spaß machen. Diese Stories sind vor allem beliebt, viele Menschen mögen klare Verhältnisse. Dann gibt es die Glaubwürdigkeit, über die haben wir auch ausgiebig diskutiert. Ich kann mich noch gut an Spielvorstellungs-Kommentatoren erinnern, die (mindestens!) jeden Satz auf Glaubwürdigkeit geprüft haben, natürlich ganz losgelöst vom Rest und von jedem Verständnis. Das hat Folgen gehabt. Viele Entwickler sehen sich in der Pflicht alles im Spiel zu erklären und zwar so, als würden sich die Figuren direkt zum Spieler drehen (ich sprach das Thema ja schon mal vor kurzem in einem anderen Thread an). Dabei sollten sich die Entwickler eigentlich um ganz andere Problemfelder kümmern.
- Die Figuren sind oft nicht klar genug ausgearbeitet. Bevor über Glaubwürdigkeit und Tiefgründigkeit nachgedacht wird, sollte man über Sympathie nachdenken. Eine Figur ohne ausgeprägte Persönlichkeit tut sich in dem Bereich immer schwer. Im Zweifelsfall würde ich eher überzeichnen und eindimensional darstellen, als eine graue Maus oder eierlegende Wollmilchsau zu erschaffen.
- Die Inszenierung einer Geschichte ist mindestens so wichtig wie ihr Inhalt. Eine "fehlerlose", aber fade Story unterhält denke ich weniger als eine nicht besonders glaubwürdige, aber dafür packende Geschichte. Natürlich stehen uns auf dem RPG Maker nur begrenzte Mittel zur Verfügung, aber ich glaube trotzdem, dass man in dem Bereich noch viel mehr herausholen könnte.
Dann gibt es noch das Gameplay. Ich frage mich häufig, welcher Spielzuschnitt die beste Wahl ist. Ist es zum Beispiel besser, die Dungeons bzw. die ganze Spielwelt als Schlauch aufzubauen, wenn die Geschiche im Mittelpunkt stehen soll? Welche Vor- und Nachteile bringt mein eigener Spielzuschnitt (der übrigens gar nicht so eng mit mir verbunden ist wie manch einer glaubt)? Ich ziehe es ja vor, dass man in den Dungeons Rätsel und andere Aufgaben lösen muss, sie besitzen also eine gewisse Nicht-Linearität, die über Abstecher zu Seitenarmen mit Truhen hinausgeht. Die Spielwelt selbst ist dann wieder relativ linear. Im krassen Gegensatz dazu steht der Spielaufbau der Open-World-RPGs. Die bieten sich aber bekanntermaßen für eine "Filmstory" nicht so gut an, weil der Spieler zu leicht abgelenkt wird, mal ganz abgesehen vom Aufwand. Also schiebe ich die Open-World-RPGs mal beiseite. Die entscheidende Frage ist für mich nicht mal, wie offen ein Spiel sein sollte, sondern wie wichtig Abwechslung wirklich ist. Reicht es dem Spieler, sich durch Monsterarmeen zu kloppen? Bisher hab ich auf die Frage, welchen Spielzuschnitt die Community insgesamt bevorzugt, noch keine Antwort gefunden. In dem Bereich wurden die Entwickler aber zumindest nicht negativ beeinflusst, die Diskussionen hatten mMn sogar eine positive Wirkung. Zufallsgegner wurden weitestgehend aus den Spielen verbannt und man kann immer öfters jederzeit abspeichern. Der Kampf ist natürlich noch lange nicht zu Ende, es gibt noch andere Gräuel wie Trefferwahrscheinlichkeiten, ATB und doofe Zustandseffekte. ;)
Abschließend noch etwas zum Einfluss bzw. zu den Ansprüchen der Community, über die ja auch sehr gerne diskutiert wird. Ich glaube nicht, dass man hier wirklich von Ansprüchen der Community sprechen kann, sondern es sind die Ansprüche der Entwickler, die sich außerdem verselbstständig haben. Damit meine ich, dass die Entwickler sich ein Stück weit nur einreden, dass es die Ansprüche gibt. Nun könnte jemand sagen, dass es doch Spiele gibt, die wirklich links liegen gelassen werden. Das hat aber denke ich nie einen einzigen Grund. Es sind viele Faktoren, die zusammenfließen: Zeit, Lust, das Marketing, der Abnutzungseffekt bestimmter Grafiken, der Ruf, die Meinungen anderer Leute usw. Außerdem ist die Abwesenheit von Kommentaren noch kein Zeichen dafür, dass niemand das Spiel spielt, denn es sind auch wieder eher die Entwickler, die kommentieren.
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Das übliche Makerspiel hat keine Menü-Anzeigen in der Hauptansicht. Keine Lebenspunkte, keine Heldenporträts, kein Munitionsbestand. Wer das sehen möchte, kann doch das Spielmenü aufrufen. Warum eigentlich? Ich habe mich meiner eigenen Abhakliste unterworfen, um zu erfahren, warum ich selbst (meistens) so verfahre.
1. Gewohnheit: Ja
Ich kenne es aus Computerrollenspielen zwar anders, aber der Maker folgt dem anzeigeelementebefreiten SNES-Konsolenstandard und ich habe mich angepasst und eingelebt.
Anhang 20320 Anhang 20321
In "Might and Magic III" haben selbst die kleinen Kreaturen am Ansichtsfensterrand nicht nur Ziercharakter, sondern konkrete spielmechanische Anzeigezwecke. In "Final Fantasy VI" hingegen wird nicht eine Pixelecke von Menügrafiken verstellt.
2. Relevanzlosigkeit: Jein
Das gemächliche Gefährtenrollenspiel muss mich zwar nicht ständig mit Lebenspunkteangaben füttern, weil mir sonst wegen unzureichender Informationen spielmechanische Nachteile entständen (anders als in Actiontiteln), aber für zwingend halte ich die Auslagerung von Zahlen und sonstigen Informationswerten in ein separates Spielmenü nicht. Was mir auf einen Blick vor Augen geführt wird, erspart mir ganz praktisch Nachschlageklicks.
Je lohnenswerter beispielsweise Stufenaufstiege im Spielsystem sind, desto relevanter könnte eine dauerhafte Anzeige über den momentanen Fortschritt sein.
Gegenstandsrätsel könnten mit einer kontextabhängigen Anzeige weniger klicknervig sein. Oder genau deshalb zu porfan.
Der Gemütszustand oder die aktuelle körperliche Beschaffenheit der Helden könnte mittels permanent eingeblendeter, veränderlicher Porträts der Helden kräftiger akzentuiert werden und damit die Helden in ihrer Verschränkung als narrative wie spielmechanische Grundbausteine eines Erzählspiels noch stärker in den Fokus rücken. Sie wären schon optisch in jedem Spielmoment weniger egal.
Der Weg durch verstrahlte Lande, wasserlose Wüsten, sauerstoffarme Planetenoberflächen anstelle gemäßigter, mitteleuropäischer Mischwiesenkulturen machte die Anzeige einer kritischen Wanderressource natürlich schon deutlich empfehlenswerter.
Das waren nur ein paar Beispiele. Ich denke, unter anderem die Szenarioverhaftetheit enthebt mich bisher vor größeren Ideenschüben und erst die sorgten ja für die Relevanz weitergehender Anzeigen.
3. Gestaltungstheorie: Nein
Jedwede Anzeige zerstöre die Immersion! Kann sein, ist mir persönlich aber nicht wichtig. Ich nehme den sich womöglich einstellenden zusätzlichen Eintaucheffekt gerne mit, ziele aber nicht primär auf ihn ab. Spiele sind interaktiv und ich habe rein gar nichts dagegen, wenn das Programm hinreichend klare Angaben über die Folgen meiner Entscheidungen macht: Zahlen sind mir dabei keine Feinde, ich reagiere nicht enntäuscht, wenn sich mir das Spiel als Spiel zu erkennen gibt.
Folgt die Form der Funktion? Der kurze Abschnitt zur Relevanz/Relevanzlosigkeit geht unausgesprochen davon aus. Nicht nur im Industriedesign dreht man den Satz auch gerne mal um und erfreut sich am kreativen Treibstoff der Beschränkung. Die Funktion folge der Form, heißt es nun. (Ich besitze einen dieser Ansicht entsprungenen Feuerzeugversuch.) Erst wird die ästhetische Entschedung getroffen, die Praktikabilität hat sich mit dem dann noch übrig gebliebenen Möglichkeiten zu arrangieren. Bei mir folgt die anzeigelose Hauptansicht nicht dieser Intention, aber das muss ja nicht für andere Entwickler gelten, zumal der Makerstandard das Gegenteil durchaus befördert, wenn man sich solcher Ansichten erst einmal bewusst wird.
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Kelven
Ich glaube, dass das auch der Hauptgrund ist, mehr noch als "Menüanzeigen stören die Immersion" - man soll möglichst viel von der Spielwelt sehen.
Das ist bestimmt ein wesentlicher Grund. Unterstützend wirkt wohl auch der vielfach geradlinigere Spielzuschnitt mancher heutiger Rollenspiele, denn je optionsloser die Spielmechanik, desto weniger Anzeigen sind nötig. Das soll gar nicht verbittert klingen, oft genug greife ich ganz bewusst zu Programmen, die den Schauwert über die Spielfülle stellen. Nur lohnt es, mit dem RPG Maker dagegen konkurrieren zu wollen? Oder sollen wir uns mehr bei der Spielmechanik trauen? Die Anzeigedichte wäre ja bloß ein grober Indikator für die konzeptionelle Gewichtung.
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Corti
Könnte die Might and Magic III-Ansicht auch in der Performance ihren Ursprung haben?
Ganz sicher. Das Spiel läuft zwar nicht in Echtzeit (wie beispielsweise Dungeon Master oder der späte Nachfahre Skyrim), aber dafür wird eine komplett in Pseudo-3D-Sicht zu durchstreifende Ober-, Unter und Städtewelt erzeugt, die zumindest auf dem Emulator kaum merkliche Ladezeiten bei Gebietswechseln aufweist. Das fraß damals wohl ungeheure Rechenkräfte. Das "ganz sicher" bezieht sich aber nur auf dein "auch".
Im konkreten Beispiel wirken die Anzeigen zu wenig wie eine Notlösung, vielmehr sind sie bis zur Überladenheit mit Spielmechanik, Sinn und System vollgestopft. Das sieht schon eher nach Absicht denn nach Notbehelf aus.
Anhang 20331
Ich habe das Bild mal beschriftet, um zu demonstrieren, wie schwierig "Might and Magic 3" spielerisch nur noch funktionieren würde, falls man die Anzeigen einfach wegließe. "Final Fantasy VI" würde wie viele Makerspiele davon unbeschadet weiterlaufen und das ist der Stein, über den ich gestolpert bin.