Ergebnis 1 bis 20 von 67

Thema: Charaktere mit Behinderung

Hybrid-Darstellung

Vorheriger Beitrag Vorheriger Beitrag   Nächster Beitrag Nächster Beitrag
  1. #1
    Ich finde Behinderte wegen ihrer demographische Repräsentanz als Figuren nicht sonderlich naheliegend und würde ohne äußere Anstöße noch seltener an sie denken (daher: Danke, Thread.). Darüberhinaus halte ich sie für riskant; gar nicht mal wegen meines möglichen Missgriffs oder der zu erwartenden PC-Anwürfe, sondern deswegen: Bei einem Behinderten müsste ich schon von Anfang an wissen, wohin ich mit ihm später will, weil einem Blinden, einem Rollstuhlfahrer, einem geistig Zurückgebliebenen manche Betätigungen verschlossen bleiben. Bin ich mir sicher, dass Späher, Kletterer oder Mathe-Ass im späteren Spielverlauf auf gar keinen Fall eine Rolle spielen, wird das Gegenargument gehaltlos. Halte ich meine Entwicklungsplanung hingegen für spätere kreative Anflüge offen, ist die Behinderung des Protagonisten ein konzeptionelles Risiko.

    Und dann gibt es Personengruppen, deren Profil eine anständige Behinderung regelrecht verlangt, wie mir ein Blick auf diejenigen Behinderten zeigt, die ich in meinen Spielen eingebaut habe. Ich rede natürlich von Piraten.

    Long John Silver:
    Behinderung: Holzbein
    Auswirkung: vorhanden. Er ist langsamer, ist kein Kämpfer, ist kein idealisierter Behinderter, dessen körperliche Einschränkung mit einsichtsvollen Wundergaben kompensiert würde, wie es beispielsweise schamanistische Interpretationen (Odin gibt sein Auge für die Runenkunde) oder traditionelle Fluchtwelten für Sonderlinge (X-Men) propagieren.
    Rolle: NPC; direkt aus einem Roman entnommen

    Käpt'n Kuddel:
    Behinderung: Enterrrhaken am Arrrmstumpf
    Auswirkung: keine wirkliche. Die Behinderung ist ein Accessoire.
    Rolle: Hauptheld

  2. #2

    Hier wird nicht geterrort
    stars5
    Zitat Zitat
    Bei einem Behinderten müsste ich schon von Anfang an wissen, wohin ich mit ihm später will, weil einem Blinden, einem Rollstuhlfahrer, einem geistig Zurückgebliebenen manche Betätigungen verschlossen bleiben.
    Blöde Frage, aber muss man das bei einem Nicht-Behinderten Charakter nicht auch? Sowas fällt bei mir unter Planung und Konzept und steht in einem Designdokument.

  3. #3
    @ Sabaku
    Die Frage ist natürlich nicht blöd und Planung hat viele Vorteile. Mir selbst ist es hingegen zu fad, nur einmalig im großen Stil kreativ sein zu dürfen und den Rest der Entwicklung die ehemaligen Ideen lediglich abzuarbeiten. Spätere Spezialfertigkeiten der Helden stehen bei mir beispielsweise nicht von Anfang an unumstößlich fest; bei einem Behinderten gelangte ich mit meiner Arbeitsweise dann womöglich an Einschränkungen, die ich mit einem gängigen Helden nicht hätte.

  4. #4

    Hier wird nicht geterrort
    stars5
    @real Troll Mein Post klingt natürlich etwas sehr streng. Ich schreib mir auch nicht alles auf und Plane jede Biegung. Am meisten Spaß hat man natürlich wenn man sich zwischendurch immer wieder kreativ forder kann und sich ein paar Freiheiten lässt. Was ich mehr sagen wollte, ist vielleicht eher dass es bei allen Charakteren Grenzen gibt, die man irgendwo wahren möchte und muss, aber es einem bei Behinderten Charakteren vielleicht...eher ins Auge springt?
    Eigentlich ist das HindernisTM und die Überwindung dessen ja erstmal das, was ein Spiel interessant macht. Ein "normaler" Charakter überwindet einen Abgrund mt einem Seil oder einem beherzten Sprung. Und ein behinderter Charakter im Rollstuhl? Das ist doch genau der richtige Moment um kreativ zu sein! Von einem Geheimen Mechanismus der eine Brücke offenbart bis zu einem JetPack am Rollstuhl ist ja alles drin.

    Ich hab gerade noch ein wenig nachgedacht und bin darüber gestolpert, dass es eigentlich ziemlich interessant ist, was Charaktere in Videospielen können und was sie nicht können, also Gameplaytechnisch. Der Typ aus Five Nights at Freddys muss gameplaytechnisch nur Knöpfe drücken und auf einem Stuhl sitzen, er könnte genau so gut ein Typ im Rollstuhl sein, oder ein einarmiger, oder Stumm sein oder Farbenblind. "Everybodys gone to the Rapture" , ein neudeutscher "Walkingsimulator" hat einen Charakter, der keine Zäune oder Hüfthohe hindernisse überwinden kann, nicht spricht und auch sonst eigentlich körperlich wenig aufwand betreibt außer zu laufen. Außer Kopf und Beine muss an der Figur nichts dran sein. Auch interessant bei vielen Jump n Runs: Die Interaktionen von Figuren beschränken sich häufig auf das Coregameplay, nämlich das Springen und Laufen. Neuere Jump n Runs Fügen mittlerweile das nehmen und werfen von Gegenständen hinzu, aber im Herzen funktionieren die Figuren ohne Arme immer noch wunderbar, auch weil sie sich meistens nicht an Kanten festhalten und Gegner durch Springen besiegen. Kuckt euch mal Link in diversen 2D Teilen an: Er spricht nicht, ohne Greifenfeder springt er nicht, ohne Kraftarmband hebt er fast nichts, ohne Schwimmflossen schwimmt er nicht, ohne Pegasusstiefel kann er auch nicht rennen, und ohne Kerzen sieht er im dunkeln nicht, weil sich seine Augen offensichtlich nicht an die Dunkelheit gewöhnen können: Er braucht magische Gegenstände, um körperliche Defizite auszugleichen. Und kuckt euch "Thomas was alone" an. Die Charaktere sind Blöcke. Und mehr müssen sie auch nicht sein.
    Nur zur erinnerung, das sind nur beobachtungen passend zum Thema. Die Figuren der oben genannten Spiele sind alle okay wie sie designed sind. Denke ich.

  5. #5
    Mein kurzgefasster Tipp an jeden Schöpfer von irgendwie oder durch irgendwas behinderten Charakteren:
    - Mach was draus, sonst interessiert mich das Vorhandensein der Behinderung nicht und verzichte auf Widersprüche oder Dinge,
    die sie wieder komplett überflüssig machen.

    Ein halbgares Beispiel: Dass der Hauptcharakter von [Das Heim] nicht sprechen kann, war eine Eigenschaft, die ich einfach mal
    hingenommen habe und nix weiter, denn seine Kommunikation war aus der Inszenierung im Spiel heraus dadurch kein Bisschen
    eingeschränkt, er kann (ziemlich schnell) per Hand alles aufschreiben, was gesagt werden will und das landet genau wie alles
    Gesagte der anderen in einer Textbox (Pssst!: Nein, das ließe sich nicht dadurch beheben, dass es anders angezeigt wird).


    Mein noch viel kürzer kurzgefasster Tipp an jeden Schöpfer von körperlich behinderten Charakteren für das Gameplay:
    - Geh den Spielern damit nicht auf die Nerven, dass sie jemand Eingeschränktes herumbewegen sollen.

  6. #6
    HEY!
    Um mal die Diskussion um eine Facette zu erweitern:
    Ich habe ein Video gefunden über das Einbinden behinderter Gamer in die Szene.


    Wieder ein Aspekt in Videospielen, über den man zu selten spricht.

    Geändert von Pinguin mit Brille (03.10.2015 um 18:36 Uhr)

  7. #7
    @ Sabaku
    Spielmechanische Abstraktion deklariert ja nicht automatisch einen Defekt der Spielfigur - ob das nun die Helden eines Action- oder die Städte eines Strategiespiels betrifft. Andernfalls zählte jedes Spiel, das keine vollständige Weltnachahmung anstrebt, zum Kunstgenre des "Behindertensimulators". Oder möchtest du darauf hinaus, dass Spielhelden in ihren Interaktionsmöglichkeiten ohnehin nie vollständig sind, weil man als Spieler, der sein Alltagswissen an die Spielsituation anlegt, immer mehr Optionen zur Verfügung hätte, als die Spielmechanik ermöglicht und daher der Behinderte gerade wegen seiner Einschränkungen der plausiblere Spielheld wäre?

    Für die Freunde streng simulativer Spielabläufe, die abstrahierte Abkürzungen nicht verzeihen mögen, wäre das dann eine durchaus interessante Interpretation. Es gibt gerade in Rollenspielforen eine ebenso kleine wie laute Gruppe, die bereits erbost ist, weil man die Spielfigur auf ihren Abenteuern nicht ständig füttern und tränken muss. Diesen Klagen schafft auch der behinderte Held noch keine Abhilfe, aber er wäre schon mal ein möglicher Schritt auf die Simulationisten zu. Für mich ist die Überlegung allerdings nur ein ansprechendes Gedankenspiel ohne nachhängende Absichten.

  8. #8

    Hier wird nicht geterrort
    stars5
    @realtroll Was anderes als ein Gedankenspiel verlange ich auch von niemandem, das ist schon okay

    ------------

    Wer sich vielleicht noch ein wenig für Weiterbildungsmaterial wie das Video von Brillenpinguin jeiks interessiert, dem empfehle ich noch den Channel von "The Blind Spot", ein Gamer mit Sehschwäche. Er beschäftigt sich da intensiver mit dem Thema, vor allem in Bezug auf Technik und dementsprechen auch mit Videospielen.


  9. #9
    @Pinguin mit Brille
    Ich glaube auch, dass die kommerziellen Entwickler (bzw. die Publisher) in der Hinsicht vorsichtig sind, ob das berechtigt ist oder nicht, lässt sich nicht so leicht beantworten. Vermutlich kommt es auch auf die Art der Behinderung an. Der Verlust eines Sinnesorgans ist ja wieder etwas anderes als z. B. körperliche Fehlbildungen oder eine geistige Behinderung.

    Dass es so viele Spiele wie Call of Duty gibt, du meinst wohl allgemein diese Militär-Ego-Shooter, liegt vor allem daran, dass die Spiele erfolgreich sind. Selbst die Indie-Entwickler stürzen sich oft auf erfolgreiche (Indie)Spiele, auch in der Szene wird gerne mal geklont. Das finde ich nicht so schlimm.

    Ich weiß nicht, scheitert es wirklich am eigenen Tellerrand? Kennen tut man Behinderte ja schon, auch wenn die meisten wohl keinen direkten Kontakt mit ihnen haben. Aber jemanden mit schwarzer Hautfarbe sieht man wohl täglich, trotzdem bauen die wenigsten schwarze Figuren in ihr Spiel ein, geschweige denn als Hauptfigur. Da spielt sicher auch der eigene Kulturkreis mit rein, aber das ist noch etwas anderes als nicht kennen.

    Zitat Zitat
    Ich finde, als guter Gamedesigner sollte man sich nicht nur auf das reduzieren, was man kennt, sondern auch andere Dinge ausprobieren.
    Auch dann steht am Anfang das Interesse, besonders bei Indie-Entwicklern, die ja nicht auf die Wirtschaftlichkeit achten müssen und tun können, was sie interessiert. Ich sehe hier (als Spieler) keinen Unterschied im "Wert", ob Mainstream oder Arthouse, egal, Hauptsache es macht Spaß.

Berechtigungen

  • Neue Themen erstellen: Nein
  • Themen beantworten: Nein
  • Anhänge hochladen: Nein
  • Beiträge bearbeiten: Nein
  •