Hier im Forum gab es ja einen Thread dazu woher der Horror in Spielen eigentlich kommt. Ich glaube der war sogar von dir. Ich hab da leider nicht viel reingelesen, aber ich denke damit kann man sich der Frage danach annähern, ob sowas wie interactive fiction im Maker-Gewand funktionieren kann, zumindest als Horrorspiel.

Vielleicht mache ich es mir zu einfach, aber als eine grundlegende Regel beim Design eines Horrorspiels kann die Aussage gelten: Umso größer die Distanz zum Avatar, umso geringer fällt das persönliche Horrorerleben aus. Demnach erzeugen Spiele die uns ohne Außenwahrnehmung unseres Körpers in die 1st-person schmeißen den größten potenziellen Horror. Warum? Unser Sichtfeld entspricht somit mehr oder weniger unserem realen wir kriechen also wirklich in den Avatar hinein. Gleichzeitig schrumpft damit unsere Distanz zur Spielwelt und auch unsere Wahrnehmung davon. Wir sehen nicht mehr was hinter uns oder an den Seiten im Dunkeln lauert. Bemerken es womöglich erst wenn es zu spät ist. Wir müssen uns ggf. durch kleine Gänge bewegen und unser Blick ist stur nach geradeaus gerichtet. Ein großer Raum mit vielen Ebenen, den wir dann betreten wirkt furchteinflößend insbesondere mit dem Gefühl latenter Bedrohung um uns herum. Wir suchen dann erstmal einen fixen Punkt, um uns weiter vorzutasten usw. Wir sind da hochgradig involviert und aktiviert.

Mit zunehmender Distanz begreifen wir uns weniger als Teil der Spielwelt und wir nehmen auch mehr von dem Geschehen um den Avatar war. Wir sind dann eher der Schutzengel auf den Schultern unseres Charakters, der mit ihm durch die Gänge geht und ihn voran lotst. Wir können potenziell mehr sehen, als er eigentlich kann. Die Atmosphäre wirkt aber dennoch auf uns.

Ganz verloren geht das dann, wenn wir noch weiter heraustreten und den Charakter in einem klassischen Horror-Point-and-Klick wie Black Mirror als eine Art Marionette an Fäden durch ein statisches Bild lenken. Allein schon die Spielsituation: Wir spielen hier ein PaC und es wird nichts passieren, was ich nicht auslöse, nimmt das Bedrohungspotenzial an sich raus. Selbst wenn das Spiel mit Gegnern bestückt ist, habe ich eher das Gefühl ein Stratege am Kartentisch zu sein, der jetzt seine Züge plant, entsprechend der Distanz.

Umso größer die Distanz wird, umso mehr tritt der tatsächlich existenziell auf einen einwirkende lebensbedrohliche Horror (das Gefühl kennt man, wenn man Nachts mal durch den Wald geht im Dunkeln und es überall knackt und knistert) zurück. Umso mehr muss das Spiel in die Generierung der richtigen Atmosphäre investieren, um ein latentes Horrorgefühl aufrecht zu erhalten. Das ist kein Potenzial fiktiv-realer Bedrohung mehr, wo uns beim Spielen mal der Schweiß ausbricht, aber wenn es gut ist bleibt dennoch eine geheimnisvoll-gespenstische Atmosphäre erhalten. Grafikstil, Stimmung, interaktive Elemente, Musik und vor allem Lore-Happen (wie Briefe oÄ) müssen dafür eingesetzt werden. Subtilität ist hier ein wichtiger Punkt. Manche Elemente wie Scarejumps wirken bei geringer Distanz besser als bei großer Distanz, wo diese Dinge eher lächerlich wirken können. Diese Atmosphäre ist es dann, die das Spiel trotz kaum wahrnehmbaren tatsächlichen Schreckens als Horrorspiel rechtfertigt.

Kommen wir zum Spielzuschnitt:

Es muss nicht unbedingt ein Trend des vom Monster verfolgt und sich nicht wehren könnens sein. Ich finde das hat sich mit mittlerweile xten Kopie dieses Spielkonzepts langsam von selbst erledigt. Meist lassen diese Kopien auch noch Rahmenhandlung und Atmosphäre vermissen, sodass du eigentlich nur einen Hunting-Simulator aus der Beute-Rolle spielst. Das was die Leute da empfinden ist die Angst des Beutetiers auf der Flucht. Damit wird praktisch DIE Urangst in uns überhaupt angesprochen. Das Konzept stumpft aber ohne das richtige restliche Design schnelll ab und wird dann eher zu einem Versteckspiel-Simulator. Gute Beispiele für solcherart Spiele sind Penumbra, Amnesia oder Outlast. Die ergänzen diesen Grundprinzip mit einer dichten Story, ergänzen es um Puzzle und Rätselelemente und setzen das Grundkonzept in verschiedenen Variationen ein dazu kommt eine unglaublich gut gebaute Atmosphäre.
Aber ich denke diese Spiele können wir für den Maker ausschließen. Sowohl Distanz als auch Grafik lassen einen Grad der Immersion, das ein solches Spiel braucht eher schlecht zu.

Die zweite Kategorie wären Spiele die auf dem Prinzip entweder von Silent Hill oder ResEv basieren und durchaus kampflastig sind. Im Maker werden die hier aus der Vogelperspektive erstellt aber das funktionierte bei einem GTA 2 auch problemlos. Diese Spiele haben aber immer den Nachteil gehabt auch im 3rd-Person Original, dass sie zw. Kämpfen und Handlung die Aufmerksamkeit aufteilen. ResEv hat seine Einstufung als Survival-HORROR mEn insbesondere den ersten Teilen zu verdanken, die mit ihrem Setting (Zombies indizieren nicht zwingend ein Horrorgefühl) in alten Herrenhäusern, abgefuckten Laboren und irrsinnigen Experimenten diese Atmosphäre gut schufen. Das einem dieses Gefühl bei den letzten Teilen immer mehr abhanden gekommen ist, ist das der Kampfaspekt, der im Spiel immer recht ausgeprägt war, stärker ausgebaut wurde. Die Rahmenhandlung wird damit zu einem willkommenen Anlass, um Mutanten wegzuschießen. Auch das Survival-Gefühl (knappe Munition, knappe Heilmöglichkeiten usw. ) hat darunter dann auch gelitten.
Silent Hill hat das eigentlich immer besser gemacht. Es verbindet das Gefühl des Gejagtwerdens durch Monster mit einer Verknappung der Waffen, Munition und Heilmöglichkeiten lässt aber den Kampfaspekt hinter die eigentliche Horrorerfahrung zurücktreten, die auch eine stark atmosphärische hat. Die Welt ist psychologisch basiert, labyrinthartig arbeitet mit geilem Sound-Design, bietet Lore und Handlung und stellt die umgebene Welt immer wieder selbst in Frage.
Ich denke beide Typen können von Makergames geleistet werden, aber dafür muss wirklich sehr viel Arbeit in die Grafik und die Atmosphäre gesteckt und auch enorm gescriptet werden, um ein tiefgreifendes Horrorgefühl zu erzeugen, statt nur einen Zombie-Shooter zu generieren. Man muss sich dabei bewusst sein, dass die Monster und der Kampf gegen sie nicht der Hauptinhalt des Spiels ist, sondern sie ein Teil der lebensfeindlichen und bedrohlichen Umwelt sind.

Was die eigentliche Frage nach einem gruselbasierten Erzählspiel angeht:
Als Vorbild muss nicht unbedingt nur To-The-Moon herhalten. Wenn wir da zu den nicht-makerbasierten Spielen rüberschielen kann man mal einen Blick auf Gone Home werfen. In den Rezensionen wird immer gerne von einer interaktiven Geschichte gesprochen, die man sich nach und nach zusammensucht in dem man in einem großen, alten Haus spazieren geht. Was dabei etwas untergeht, auch weil es für die schlussendliche Story dann nicht mehr so wichtig ist, ist das es über eine lange Zeit hinweg ein latentes Gruselgefühl gibt. Es ist Nacht, das Haus ist leer, das Wetter tut sein übriges, das Haus ist auch erstmal dunkel und es gibt Hinweise auf Geheimgänge und Geisterbeschwörungen, wenn jetzt noch eine Birne durchbrennt oder plötzlich eine Tür zufällt (ohne das es wirklicher Spuk ist) erhält man dennoch ein dichtes Horrorgefühl oder Misterygefühl. Etwas das so auch der erste Teil von Blackmirror damals bei mir geschafft hat. Der Clou an der Sache es muss nicht wirklich etwas Übernatürliches dafür verantwortlich sein. Die Erwartung des Spielers und die richtigen subtilen Zutaten reichen aus, um aus irgendeinem alten Kasten in der Landschaft plötzlich ein vermeintliches Geisterhaus zu machen und darin eine Geschichte zu inszenieren.

Das sind auch die Zutaten mit denen To the Moon mAn arbeitet. Ein alter Mann, ein Leuchtturm, ein geheimnisvoller Keller, seltsame Erinnerungslücken und dazu eine Musik, die die Stimmung noch unterstreicht.