Seite 1 von 2 12 LetzteLetzte
Ergebnis 1 bis 20 von 29

Thema: Vergewaltigungen in der Fiktion

Hybrid-Darstellung

Vorheriger Beitrag Vorheriger Beitrag   Nächster Beitrag Nächster Beitrag
  1. #1

    Vergewaltigungen in der Fiktion

    Game of Thrones hat die Debatte mal wieder entfacht, aber sie ist nicht neu, gerade im amerikanischen Raum: Vergewaltigungsszenen in Medien, ja oder nein? Und falls ja, wie und wie nicht (explizit oder nur impliziert)? Würdet ihr sowas selbst schreiben - und unter welchen Umständen?

    Was dieser Thread NICHT ist:
    • ein allgemeiner Thread für generelle Geschlechterdiskussionen oder (anti-)feministische Verallgemeinerungen; man gehe dafür bitte ins Politikforum oder in die entsprechenden Threads!
    • ein Game of Thrones Thread; war nur ein Beispiel!

    Ich finde das Thema übrigens sehr interessant, weil es als eines der wenigen sexuellen auf einem allgemein anerkannten Grundsatz aufbaut: Sex ist gut/wichtig und damit anziehend. Vergewaltigung ist schlecht/verachtenswert und damit abstoßend. Also eine ganz andere Baustelle als bspw. Sexszenen allgemein oder sogar Sado-Maso-Szenen, wo die moralischen Ansichten weiter auseinandergehen. Und dadurch finde ich es persönlich unglaublich schwierig. Das einzige Thema, das eine ähnliche Wirkung haben könnte, wären wohl die Pädophilie, nur dass da eben niemand auf die Idee kommen würde, explizit zu werden.
    Oder andere Vergleiche: Folterszenen. Mordszenen. Gewalt an Kindern. Genau so schlimm? Andere Baustelle? Etc.

    Kurz, ich würde gern mal erkunden, wie der Hintergrund dieser Fragestellung aussieht, und warum das so eine große Kontroverse ist - aber vorzugsweise über "Trauma!" hinausgehend.

  2. #2
    Schwieriges Thema. Im Grunde aber bringt es Kelven mit seinem ersten Satz sehr gut auf den Punkt. - Genauso wie es geschmacklos wäre eine Gaskammerszene zu beschreiben um sich in revenge Western ähnlicher Gewaltverherrlichung dran aufzugeilen, gilt das sicher auch für Vergewaltigungen. Zudem ist die Frage relevant warum es - auch wenn der Plot eine Vergewaltigung "benötigt" - dazu eine explizite Vergewaltigungsdarstellung braucht, und vor allem wie diese dargestellt werden soll.

    Blickt der Leser quasi emotionslos von außen darauf, hätte man sich die Szene auch sparen können, find ich, und mit Andeutungen arbeiten. Wird hingegen eine Identifikation mit Opfer oder Täter erreicht, besteht die Gefahr jemanden mit ... Vorerfahrung zu triggern, was bitte tunlichst zu vermeiden ist. Selbst mit viel, viel Bedeutsamkeit wie Seilspringen im Minenfeld.

    Zumal mir selber kaum gute Beispiele für solche Darstellungen einfallen. Selbst bei den "Säulen der Erde" war mir die Darstellung zumindest punktuell zu sexualisiert (insbesondere in der Fortsetzung), und auch in Filmen faellt mir nicht viel gutes ein. Die einzigen halbwegs positiven Beispiele (von der Wirkung her), die ich grade im Kopf habe, wären ein Kapitel am Ende des ersten Drittels von Sally Baumanns "Das Liebesgeheimnis" (und da ist sogar ein Kind betroffen!), und die Vergewaltigungsszene aus "The Flowers of War", weil beide trotz einer gewissen graphischen Wirkung Plot statt Handlungsorientiert sind und mit einer gewissen Behutsamkeit umgesetzt. Dennoch ist grade bei letzterer Fraglich, ob man das noch explizit nennen kann.

    Kurz: Explizite Darstellung finde ich bei dem Thema reichlich problematisch.

    Zitat Zitat von La Cipolla Beitrag anzeigen
    (...) Das einzige Thema, das eine ähnliche Wirkung haben könnte, wären wohl die Pädophilie, nur dass da eben niemand auf die Idee kommen würde, explizit zu werden.
    (...)
    Sag das den Machern von "A Serbian Film".

    Zitat Zitat von KingPaddy
    Was auch verboten wäre, weil das dann unter die Verbreitung kinderpornographischer Schriften fallen würde, zumindest in Deutschland.
    Sag das der Bundesprüfstelle/ Rechtssprechung. A Serbian Film ist in Deutschland trotzt der New Born Porn Szene legal erwerbbar. ...

  3. #3
    @Itaju
    Ich kenne weder Buch noch Film, wie detailliert/explizit wird das dort denn beschrieben? Ein Buch hat natürlich den Vorteil, dass es wenig zeigen muss, um viel zu zeigen, weil der Leser sich alles in seiner Phantasie vorstellt. Um zu vergleichen, sollten wir aber von dem ausgehen, was beschrieben wird.

    Wenn ein Werk wirklich darauf angewiesen wäre, Vergewaltigungen explizit und ausführlich zu beschreiben, weil die Menschen sonst gar nichts empfinden würden, dann würde das auf uns ein sehr schlechtes Licht werfen. Als positiv denkender Mensch glaube ich, dass kein Werk auf solche Darstellungen angewiesen ist.

  4. #4
    Zitat Zitat von Kelven Beitrag anzeigen
    @Itaju
    Ich kenne weder Buch noch Film, wie detailliert/explizit wird das dort denn beschrieben? Ein Buch hat natürlich den Vorteil, dass es wenig zeigen muss, um viel zu zeigen, weil der Leser sich alles in seiner Phantasie vorstellt. Um zu vergleichen, sollten wir aber von dem ausgehen, was beschrieben wird.

    Wenn ein Werk wirklich darauf angewiesen wäre, Vergewaltigungen explizit und ausführlich zu beschreiben, weil die Menschen sonst gar nichts empfinden würden, dann würde das auf uns ein sehr schlechtes Licht werfen. Als positiv denkender Mensch glaube ich, dass kein Werk auf solche Darstellungen angewiesen ist.
    Ja, es ist wirklich sehr explizit. Es wird nichts ausgespart. Und in der Literatur gilt sehr oft der Leitsatz "Show Don't Tell". Eine Andeutung, eine Verharmlosung, eine Aussparung hätte dem Buch nicht dieselbe Wirkung gegeben. Das ganze wird auch gleich (SPOILER ) im ersten Kapitel abgewickelt und legt so quasi den Ton des gesamten Werks fest.

  5. #5
    Das Problem ist jetzt nur, dass keiner von uns beiden weiß, was wir unter explizit verstehen. Es ist eben so: Beschreibt man eine Vergewaltigung so, wie man sie auch in einem Gewaltporno beschreiben würde (pornographisch nicht wortwörtlich nehmen), dann bedient man damit automatisch auch die, denen dabei ein Zelt in der Hose aufgeht. Das ist meistens nicht die Intention der Autoren, aber eine Wirkung, die sich kaum vermeiden lässt. Das sieht man ja auch bei Gewalt allgemein. Ich kenne keinen einzigen Film, der Gewalt kritisieren will und sie deswegen drastisch darstellt, bei dem die Darstellung wirklich verstörend wirkt. Die Gewalt wird eher als geil empfunden. Eine Ausnahme ist vielleicht Funny Games, aber der stellt die Gewalt auch nicht sonderlich deutlich dar.

  6. #6
    Deswegen würde ich sagen ist es Entscheidung des Autors, wie er es macht. Das Risiko wirst du immer hin. Kann sein das sich Gewaltfetischisten Anregung bei Clockwork Orange für ihre Exzesse geholt haben. Es ist ja auch der Vorwurf im Raum das Medienkonsum (heute wird das eher auf Computerspiele übertragen aber beim Film gibt es die Debatte immer noch und beim Buch gab es sie mal) eben solche Verhaltensweisen auslöst oder unterstützt. Aber damit hantieren wir dann in einem Bereich der zwischen der Selbstzensur des Autors, der Erwartung an die Selbstzensur des Autors, der Erwartung an Fremdzensur und Fremdzensur pendelt. Wie ich bereits zu sagen versucht haben, weil wir unterschiedlicher Auffassung darüber sind, was explizit ist und was anstößig ist oder sogar schädlich ist oder für jeden in irgendeiner seelischen Gemütslage alles mögliche ein Trigger sein kann, halte ich es da nicht für sinnvoll da fremdbestimmt einzugreifen. Der Autor muss selbst entscheiden, wie explizit er das haben will oder nicht und ob er die paar 1000 Leute, die sich auf Gewalt einen runterholen in Kauf nimmt, wenn er beim "normalen" Publikum damit die Abscheu und den Schrecken erzeugt, auf die er eigentlich abzielt. Oder ob er es das nicht tut.

    Ansonsten glaube ich auch nicht, wenn wir auf eine ästhetische Diskussion zurückkommen, dass wir uns da adäquat auf ein künstlerisch-normatives Konzept einigen können, wann und in welcher Dosis die Gewaltdarstellung (und welche) dem Werk Nutzen bringt oder nicht. Da wären wir dann auch in Kategorien wie früher z.B. zu sagen, so muss ein gutes Drama aussehen, ansonsten ist es kein oder ein schlechtes Drama usw.
    Aristoteles war da selbst pragmatischer und schreibt eher davon, welche Bühnenstücke beim Publikum gut ankamen und welche nicht. Und so würde ich das hier auch sehen. Wenn die Gewalt/ die Vergewaltigung in das Werk organisch hinein passt und es aufwertet, dann wird das Publikum das honorieren. Wirkt es hingegen wie eine aufgesetzte Snuff-Szene für den billigen Thrill, dann wird das Publikum in der Regel das auch wahrnehmen. So wie man ja auch in Computerspielen sehr genau merkt, wenn ein Stelle nur eingebaut wurde, um mal eben schnell noch das Spiel zu strecken.

    EDIT: Wenn ich mich recht erinnere bezieht "In meinem Himmel" ja seine Kraft gerade aus dem Kontrast zw. dieser sehr früh stattfindenden, brutalst möglichen Ermordung des jungen Mädchens aber ihre nach dem Tod andauernde, fast unschuldige Lebensfreude eben da oben.

  7. #7
    Zitat Zitat von Kelven Beitrag anzeigen
    Ich kenne keinen einzigen Film, der Gewalt kritisieren will und sie deswegen drastisch darstellt, bei dem die Darstellung wirklich verstörend wirkt. Die Gewalt wird eher als geil empfunden. Eine Ausnahme ist vielleicht Funny Games, aber der stellt die Gewalt auch nicht sonderlich deutlich dar.
    Schau dir mal "Irreversibel" an. Das dürfte man wohl unter "verstörend" einstufen.

    Um mal Wikipedia zu zitieren:
    Zitat Zitat
    Reaktion des Publikums
    Bereits die Rache-Szene zu Beginn des Films enthielt vielen Kinobesuchern zu viel explizit gezeigte Gewalt. Bei der Premiere in Cannes verließen einige Kritiker bereits nach kurzer Zeit den Kinosaal.[4] Außerdem rief die „Kameraachterbahnfahrt“ in der Nachtclub-Szene bei einigen Zuschauern Übelkeit hervor. Auf die extrem lange und realistisch anmutende Sequenz, in der Alex brutal vergewaltigt und bis zur Bewusstlosigkeit misshandelt wird, reagierte das bei der Premiere unvorbereitete Publikum mit fassungsloser Empörung oder Abscheu. Von 2.400 Zuschauern verließen rund 200 das Kino vorzeitig, andere protestierten durch laute Zwischenrufe.[5] Das US-amerikanische Magazin Newsweek verlieh Irreversibel den Titel “most walked-out-of movie of the year”. Anhänger des Films halten entgegen, die Gewaltdarstellung sei elementar für die Geschichte und gebe dem Film erst seine Glaubwürdigkeit.

    Geändert von Whiz-zarD (28.05.2015 um 08:24 Uhr)

  8. #8
    Zitat Zitat von Whiz-zarD Beitrag anzeigen
    Schau dir mal "Irreversibel" an. Das dürfte man wohl unter "verstörend" einstufen.
    Zusätzlich dazu: Die Frau mit der 45er Magnum, Death Sentence, The Brave One/Die Fremde in dir, Collateral, Waltz with Bakshir, Jin-Roh: The Wolf Brigade,... es gibt Dutzende Filme die sich mit Gewalt auf eine Art und Weise auseinandersetzen die sich jenseits von Torture Porn und "Dutzende Stuntmen fallen furchtlos auf den Boden" abspielt.

    Zum Thema: ich habe ein einziges Mal so eine Szene geschrieben. Ich hab mich deshalb so hundeelend gefühlt dass ich bis vor Kurzem eine fiese Schreibblockade hatte und mir schwor, nie wieder sowas zu texten. Explizite Sexszenen hingegen habe ich schon öfter geschrieben (teilweise fast schon pornografischer Natur), aber mir persönlich fällt es immer schwer sowas in den Kontext der Geschichte zu integrieren.

  9. #9
    Dazu gehört auch noch die Tatsache, dass die Autorin damit ihr eigenes Trauma verarbeitet hat, denn auch sie wurde vergewaltigt, hat aber überlebt.

    Es ist also (davon gehe ich zumindest SEHR stark aus) nicht geschrieben, um Gewalt-Porno-Fetischisten zu bedienen.

    Und für die sexuellen Fantasien eines Publikums kann kein Autor etwas. Es gibt sicher auch Pädophile, die zu kindlichen Astrid-Lindgren-Beschreibungen onanieren oder Vore-Leute, denen einer abgeht, wenn er liest, wie ein Drache einen Menschen auffrisst. Das ist alles Sache des Rezipienten. Selbst wenn Dinge nur angedeutet werden, können damit bei den richtigen Menschen Fantasien angeregt werden. Das sollte aber nie auf den Autor zurückzuführen sein.

  10. #10
    So allgemein hab ich das aber nicht gemeint. Die Darstellung muss schon reißerisch genug oder fadenscheinig motiviert sein, damit ich sie kritisiere. Ich hab nun mal einen Auszug vom Anfang des Buchs gelesen. Ich finde es harmlos, was jetzt gefühlskälter klingt als es gemeint ist, aber das Internet hat mich echt abstumpfen lassen. Wenn du wüsstest, wie sie so was in Japan darstellen würden. Wie dem auch sei, das ist für mich keine explizite Darstellung, denn der Sex selbst wird ja gar nicht geschildert. Diese Art der Darstellung meinte ich also nicht.

    @Surface Dweller
    Ja, wie gesagt, ich bin wohl schon zu sehr abgestumpft.

    @KingPaddy
    Ich denke auch, dass die Autoren selbst entscheiden sollten, solange sie keine Gesetze brechen (einiges ist bei uns ja verboten). Ich nehme mir dann aber auch das Recht heraus, ihre Entscheidung zu kritisieren. Der Thread dreht sich ja weniger um Verbote als um die Frage, was man noch für annehmbar hält. Einen Konsens werden wir vermutlich nicht finden, aber das macht nichts.

    Zitat Zitat
    Wirkt es hingegen wie eine aufgesetzte Snuff-Szene für den billigen Thrill, dann wird das Publikum in der Regel das auch wahrnehmen.
    Und sich daran nicht unbedingt stören, sonst wären die ganzen Torture-Porn-Filme ja nicht erfolgreich. Gerade wenn man sich die Entwicklung des Horrorfilms anschaut (weg vom Grusel, hin zur Gewalt), dann zeigt das für mich, dass das Publikum so was eben auch sehen möchte.

    Ich finde es jedenfalls wichtig, dass man solchen Szenen wie die aus GoT mindestens diskutiert, wenn nicht sogar anprangert, damit nicht irgendwann das zur Selbstverständlichkeit wird, was wir heute noch ablehnen. Gerade z. B. bei Videospielen könnte ich mir vorstellen, dass ein "Präzedenzfall" ausreichen würde, um Spiele denkbar zu machen, in denen sexuelle Gewalt zum Gameplay gehört (in Japan gibt es das schon).

  11. #11
    Zitat Zitat
    Und für die sexuellen Fantasien eines Publikums kann kein Autor etwas. Es gibt sicher auch Pädophile, die zu kindlichen Astrid-Lindgren-Beschreibungen onanieren oder Vore-Leute, denen einer abgeht, wenn er liest, wie ein Drache einen Menschen auffrisst. Das ist alles Sache des Rezipienten. Selbst wenn Dinge nur angedeutet werden, können damit bei den richtigen Menschen Fantasien angeregt werden. Das sollte aber nie auf den Autor zurückzuführen sein.
    Der sollte es aber vor Augen haben. Sonst entsteht sowas.



    Ernsthaft, klar kann man nie alles verhindern, aber man darf schon mal drüber nachdenken, was man so heraufbeschwört. Wer da auf seinem Autorenthron sitzt und alles mit "KHUNSD" abwinkt, ist imho sehr unverantwortlich. Oder anders gesagt: Die Intention ist gegenüber der tatsächlichen Rezeption einen Scheißdreck wert. (Edit: Falls das gerade schnippisch rüberkommt, ist nicht so gemeint. Den besprochenen Film/Buch kenne ich nicht mal. ^^)

    Siehe Batman. Ich hoffe jetzt einfach mal, das war nicht die Intention.

  12. #12
    Generell voll coole Diskussion hier. ^__^

    Aber noch mal spezifisch an die Content Creator hier (egal welche Medien), die prinzipiell nichts dagegen haben: Würdet ihr sowas auch selbst in euren Medien formulieren/darstellen, wenn es inhaltlich passt? Und wieso (nicht)?

  13. #13

    Hier wird nicht geterrort
    stars5
    Ich würde es machen. Hab es auch schon gemacht, in schriftlicher Form und hab diesen Text aber lieber für mich behalten. Vielleicht schneide ich das Thema irgendwann mal bei einem bestimmten Projekt an, aber explizit wird es nicht werden. Dafür hat das Thema an sich zu viel Macht, als das ich verantworten könnte, jemanden damit vor den Kopf zu stoßen. Da halte ich mich nicht für kompetent genug.

  14. #14
    Zitat Zitat von La Cipolla Beitrag anzeigen
    Generell voll coole Diskussion hier. ^__^
    Find ich auch.
    Zitat Zitat
    Aber noch mal spezifisch an die Content Creator hier (egal welche Medien), die prinzipiell nichts dagegen haben: Würdet ihr sowas auch selbst in euren Medien formulieren/darstellen, wenn es inhaltlich passt? Und wieso (nicht)?
    In der Theorie ja, wenn es denn inhaltlich wirklich passt, handlungsrelevant und nicht nur ein einmaliges Effekt-Ereignis ist, sondern zum Beispiel auch auf spätere Folgen noch eingegangen wird (der Charakter dadurch geprägt wurde -> fürs Verständnis wichtig). Tatsächlich jedoch nein, weil ich mir überhaupt gar nicht das nötige Fingerspitzengefühl zutraue, um so ein sensibles Thema angemessen anzugehen. Höchstens andeutungsweise, aber niemals explizit. Ist halt immer eine Gratwanderung, auch aus den im Thread bereits erwähnten Gründen. Hab ich ebenfalls noch nie versucht, ansonsten geht es mir damit genauso wie Sabaku. Generell denke ich kann so etwas unter entsprechenden Umständen ein legitimes Element des Storytellings sein, es kommt nur sehr auf das Wie an. Pauschal tabuisiert werden sollte das Thema aber nicht, nur weil es schwierig ist und bisweilen polarisiert. Jedenfalls ist es nichts, was für meinen Stil und die Dinge, die ich erzählen möchte, normalerweise sonderlich gut geeignet wäre.

  15. #15
    Es kommt für mich darauf an, was der Autor mit dieser oder jener Szene erreichen will. Soll es irgendwas untermalen/hervorheben? Irgendeinen wichtigen Zug an den Charakteren verändern? Etwas kritisch beleuchten?
    Kommt auf die Art der Geschichte an und ob es reinpasst. Einfach plimp schocken (ohne eine Massage dahinter) kann man machen, besitzt aber keinen Wert für mich und ist im Prinz das gleiche wie Klick-Bait.

    Letztenendes bin ich der Meinung, dass Kunst Grenzen überschreiten darf und muss. Ob das Puplikum darauf anspringt ist etwas anderes. Wer sich unbedingt an Rape-Geschichten aufgeilen will, bitte. Gibt ja sogar entsprechende Sex-Szenarien für Pärchen, die nachgespielt werden um etwas Kick in die Beziehung zu bekommen. Mögen muss ich es nicht. Lesen ja auch nicht. Ein Verbot halte ich nicht für wirklich sinnvoll. Solche Literatur und Comics gibt es ja seit Jahren und soweit ich weiß gibt es keine wirkliche Studie, die untersucht, was für negative Auswirkungen auf die Gesellschaft hatten.

  16. #16
    Zitat Zitat
    Kommt auf die Art der Geschichte an und ob es reinpasst. Einfach plimp schocken (ohne eine Massage dahinter) kann man machen, besitzt aber keinen Wert für mich und ist im Prinz das gleiche wie Klick-Bait.
    Sehr interessante Sache in dem Kontext: Der eine oder andere hat vielleicht die Serie Jessica Jones auf Netflix gesehen. Ist ein tolles Ding, und eine ziemlich offensichtliche Metapher für Vergewaltigung und "negative" Beziehungen im Allgemeinen. Zu der Serie gab es hier und dort die Kritik, dass man die Gedankenkontrollkräfte des Antagonisten zu spektakulär oder cineastisch dargestellt hätte, dass der Zuschauer also ordentlich Nervenkitzel aus Missbrauchsmetaphern mitnimmt. Man hätte sozusagen den Autounfall-Effekt ausgenutzt.
    Fand ich sehr interessant. Ich kann die Kritik nachvollziehen und bin mir selbst nicht ganz sicher in der Angelegenheit, tendiere aber zu der Meinung, dass eben diese Herangehensweise die Metapher wunderbar unterstützt. Vielleicht triggert es Betroffene dadurch härter (keine Ahnung), aber als jemand, der bisher so ziemlich gar keine Berührung mit dem Thema hatte, hat mir das Spektakel ernsthaft geholfen, die widersprüchlichen Gefühle und die Hilflosigkeit nachvollziehen zu können, die gerade den Betroffenen von brutalen Beziehungen durch den Kopf gehen müssen. Es hat sich durch die langgezogenen Darstellungen halt wirklich so angefühlt, als gäbe es keine einfachen Optionen, als hätte die Protagonistin keine Alternativen. Das ist dann also ein Perspektivwechsel im besten didaktischen Sinne. Wär natürlich kacke, wenn es Leute in der Realität ganz anders wahrnehmen, aber hey, die Kritik hab ich zumindest von niemandem gehört. ^^

  17. #17
    Ausnahmslos fragwürdig finde ich die Darstellung(!) von Vergewaltigungen dann, wenn sie deswegen eingebaut werden, damit sich der Zuschauer an ihnen ergötzt. Ne, eigentlich ist das zu beschönigend ausgedrückt. Ich meine: damit sich der Zuschauer dazu einen hobelt. Gerade in japanischen Medien ist das nicht unüblich, auch wenn es sich gar nicht um Gewaltpornographie handelt. Ich kenne genug Beispiele, die angeblich "gesellschaftskritisch" sein wollen, Vergewaltigungen aber trotzdem so inszenieren, als wäre es ein Gewaltporno.

    Etwas weniger fragwürdig, aber mMn immer noch zu fragwürdig, ist es, nur deswegen Vergewaltigungen einzubauen, damit der Böse noch böser erscheint oder damit der strahlende Protagonist das Opfer rächen oder trösten kann.

    Geht es aber darum, sich mit dem Thema wirklich auseinander zu setzen, z. B. mit den Folgen für das Opfer oder mit gesellschaftskritischen Fragen, dann kann man auch Vergewaltigungen darstellen. Solange man sich mit der Darstellung aus oben genannten Gründen zurückhält.

    An dieser Stelle wird dann meistens gefragt, ob das Gleiche nicht auch für Gewalt gelten müsste. Ich sage nein. Natürlich wird Gewalt aus ähnlichen Gründen eingebaut, meistens soll man sich an ihr ergötzen, aber die Wirkung ist eine andere. Vielleicht, weil wir gegenüber Gewalt schon abgestumpft sind, das weiß ich nicht, aber subjektiv gesehen halte ich Vergewaltigungen für weitaus schlimmer. Selbst schlimmer als Mord, obwohl das realistisch betrachtet absurd ist. Wobei man hier auch wieder zwischen Gewalt mit Folgen und folgenloser Gewalt unterscheiden muss. Auf Folterszenen kann ich nämlich auch verzichten.

    Zitat Zitat
    oder sogar Sado-Maso-Szenen, wo die moralischen Ansichten weiter auseinandergehen.
    Sind die wirklich umstritten, wenn es sich um BDSM handelt, also ein Rollenspiel, nicht um halben sexuellen Missbrauch? Einige (hallo, Japan!) stellen das ja leider gerne so dar.

  18. #18
    Ich schließe mich meinen Vorrednern im Großen und Ganzen an: Man kann's einbauen, wenn man gewisse Dinge (Alter des Publikums, 'Grund'...) beachtet.

    Was mir in diesem Zusammenhang auch noch einfällt und was mir extrem aufstößt, ist der Fakt, dass Vergewaltigungen so manches Mal Hand in Hand mit dem Stockholm-Syndrom gehen: Da wird einem Menschen (egal ob jetzt Mann oder Frau) so ziemlich das Schlimmste angetan, was man sich vorstellen kann und dann empfindet er oder sie für den Täter Liebe?! Bedaure, wie man sich sowas aus den Fingern saugen kann, werde ich wohl nie verstehen.

  19. #19
    Zitat Zitat
    Thema, das eine ähnliche Wirkung haben könnte, wären wohl die Pädophilie, nur dass da eben niemand auf die Idee kommen würde, explizit zu werden.
    Was auch verboten wäre, weil das dann unter die Verbreitung kinderpornographischer Schriften fallen würde, zumindest in Deutschland. Erotikheftchen mit Pädoporn wird es also nicht geben, zumindest hierzulande.

    Ansonsten bin ich da leidenschaftslos, was Vergewaltigungsdarstellung angeht. Erstmal müssen wir unterscheiden ob explizit gleichzusetzen ist mit sexualisiert. Eine sexualisierte Darstellung würde ich unter Hardcore-Erotik verbuchen, entsprechendes sollte man daher in entsprechenden Abteilungen finden, es sei denn die Sexualisierung erfüllt hierbei einen literarischen Zweck bzw. ist Gegenstand der in Textform stattfindenden Betrachtung. Allerdings würde so etwas ohne allzu große Explikation auskommen können und entsprechend für eine Wichsvorlage zu wenig hergeben.

    Ansonsten würde ich mich aber auch an der Explikation nicht stören, wenn der Effekt nicht auf sexuelle Erregung abzielt, weil wenn es das tut ist es Pornographie und als solche entsprechend ohnehin da wo sich solches tummelt. Das sich da Leute vielleicht trotzdem dran erregen können, sei mal dahingestellt. Es gibt ja durchaus anerkannte Literatur auch über Inzest oder Beziehungen zw. jungen und alten. AUch wenn es vom Autor nicht vorrangig beabsichtigt ist, springt da bei manchen eben das sexuelle Kopfkino an. Das lässt sich nicht vermeiden und ist daher aus meiner SIcht kein Grund, dass sonderlich negativ zu sehen.

    Ansonsten kann der Autor meinetwegen so explizit sein, wie er möchte, sofern die Darstellung an sich nicht eine Positive ist bzw. wenn es in Tätersicht geschrieben wird, nicht durch die Rahmenhandlung oder andere Betrachtungsweisen eingehegt wird. An der Stelle könnte das Ganze wegen Gewaltverherrlichung ohnehin auf dem Index landen. Wenn der gleiche Effekt allerdings auch mit weniger zu erreichen ist, kann man vielleicht von schlechtem Stil reden. In Kleists Marquise von O. wird die Erwartungshaltung beim Leser geweckt aber kleist lässt die Szene bewusst mit ein paar wenigen Pünktchen aus. Vielmehr füllt der Leser selbst die Lehrstelle mit seiner ganzen Fantasie (was vielleicht nicht unbedingt besser ist) aber ebenso ohne auch nur mit der Andeutung den gleichen Effekt erzeugt. Ich übrigens genieße literarisch gesehen Darstellungen aus der Beobacher-Perspektive, die solch schrecklichen Dinge mit enormer Präzision aber einem geradezu mechanischem Duktus beschreiben. Das Ganze wird einerseits entzaubert gewinnt aber eine ganz eigene kalte Leichenhaus-Ästhetik. Gute Thriller vermitteln mir dieses Gefühl. Es erinnert mich an ein Gedicht dessen Titel und Autor mir leider entfallen sind, das mit Kälte dem toten menschlichen Körper widmet. Oomph verarbeiten Anleihen an das Gedicht in "Geborn zu sterben", vielleicht kennt das ja noch jemand von euch. Ich komme einfach nicht drauf. Auf jeden Fall hat es eine morbide Ästhetik. Aber die muss der Autor mit kühlster Präzision rüberzubringen verstehen, ansonsten erstirbt der Effekt.

    Ansonsten wenn der Autor eine Vergewaltigung für die Story braucht, dann sei sie ihm gegönnt. Wie explizit die sein muss, entscheidet schlussendlich darüber wie stilsicher er sie einzusetzen versteht. Bei den Säulen der Erde kann ich das zum Beispiel völlig unterschreiben. Der Mann an sich ist ja schon eine abartige Persönlichkeit aber gleichwohl die Vergewaltigung erst den entscheidenden Anlass für die später storybestimmende Fehde zwischen der vermeintlichen Hexe und ihm ist. Für eine Geschichte, an der ich gerade noch arbeite, spielt eine versuchte Vergewaltigung eine Rolle bezüglich des Handlungsfortlaufs, weil sie als erklärendes Motiv dazu dient, warum einer bestimmten Person Vertrauen entgegengebracht wird, weil sie eben jene verhindert hat.

    Also kurz um. Ich habe keine Probleme damit das sie dargestellt wird und auch nicht mehr derer expliziten Darstellung. Davon zu unterscheiden sind dann schlechter Stil und oder wenn der gewählte Stil nicht meinen persönlichen Geschmack trifft.

    Hier zu:
    Zitat Zitat
    Das kann Betroffene verletzen (andere Baustelle aber ich erwähne es trotzdem: bei der Premiere von "Saving Private Ryan" sind Kriegsveteranen wegen der besonders realistischen Darstellung aufgestanden und gegangen) oder Kinder, die nicht wissen wie sie das verstehen sollen treffen.
    Halte ich für zu vernachlässigen. Die Leute sollten dann halt solche Medien nicht konsumieren und Eltern ein Auge darauf haben, was sich ihre Kinder reinziehen.

    Ansonsten hat Gewalt in der Literatur, auch in expliziter Form, genauso ihren Platz wie alles andere auch. Ich erinnere an Kleists Erdbeben in Chili wo schlussendlich ein Säugling von einem wütenden Mob an einer Kirchenwand zerschmettert wird und genau diese explizite sehr brutale Darstellung ist es, die der Szene oder besser dem dortigen Kontrast die Schärfe und besondere Würze gibt. Diese Tötung von etwas Unschuldigem durch den brutalen Mob erst kontrastiert gut die Seligkeit der vorangegangenen Szenen heraus in der sich eigentlich wahrlich göttlicher Frieden offenbart gegenüber dem wütenden Mob, der sich selbst als das eigentlich gottesfürchtige Christenvolk versteht und in ihrem Furor in Barbarei verfällt. Es sind genau diese Schockmomente an denen wir uns ergötzen, die aber genau die Bewegung in uns auslösen, die uns besonders stark in die Geschichte entweder hineinzieht oder uns innehalten und nachdenken lässt.

    Und gerade da wir - wenn man das dann glauben will - abgestumpfter geworden sind gegen Gewalt, sind es Momente übersteigerter Gewalt, die uns da noch wirklich anrühren. Ich denke da sollten wir keine Scheu haben.

    Und was das Publikum angeht:
    Wenn man nicht gerade Jugend- oder Kinderbücher schreibt, weis man nie so genau wem das eigene Buch in die Finger fällt. Das halte ich daher für kein Argument. Und ich denke selbst manches, was von den unwissenden Buchhändlern in solche Abteilungen gestellt wird, ist nicht unbedingt für dieses Publikum geschrieben worden.

    Allerdings halte ich auch nichts von so absurden Anwandlungen Warnhinweise oder Altersprüfungen etc. einzuführen. Das fände ich an Lächerlichkeit nicht zu überbieten. Die Hälfte des Kanons der Schulliteratur müsste entsprechend über Bord geworfen werden, weil die Texte in irgendeiner Form bedenklich sind. Wir haben - dank einer anständigen Deutschlehrerin - in der achten Klasse noch mittelhochdeutsche Texte behandelt. Die Nibelungen und da tropfen Gewalt und Brutalität aus ziemlich vielen Versen oder der angesprochene Kleist. Mein Lateinlehrer hat es im Übrigen auch immer bedauert, dass er in seiner Zeit vor dem zweiten Bildungsweg im Lateinunterricht nie die ars amatoria von Ovid machen konnte, weil die Schule das als anstößig empfunden hat. Das hätte man nur mit volljährigen Schülern machen dürfen.

    Wenn wir hier in diese Kategorien hineingehen was wir anstößig finden und was nicht, dann landen wir eben schnell bei solchen Diskussionen bei denen schlussendlich irgendwie nichts mehr zumutbar ist oder bei der sich dann im Endeffekt herauskristallisiert Literatur dürfe alles irgendwie nicht mehr, was Anstoß erregen könnte. Da sind wir dann in Dimensionen wie in der N*ger-Debatte um Pipi Langstrumpf, weil man glaubt den Leuten gar nichts mehr zumuten zu können, denn jeder empfindet irgendetwas anderes als anstößig oder nicht vermittelbar. Also von Einschränkungen halte ich da gar nichts.

  20. #20
    Ich fand die Schilderung der Vergewaltigung und Ermordung in "In meinem Himmel" bzw. "The Lovely Bones" (die Bücher, NICHT der Scheißfilm von Peter Jackson, der das Allerwichtigste einfach nicht verarbeitet), weil hier die letzten Minuten im Leben einer dieser vielen Jungs und Mädchen geschildert werden, die plötzlich verschwinden und später wieder als Leiche gefunden werden.

    Ohne diese Grausamkeit funktioniert der Rest des Buchs nicht und weil das im Film mit Samthandschuhen angefasst wurde, ist dieser auch lange nicht so wirkungsvoll.

Berechtigungen

  • Neue Themen erstellen: Nein
  • Themen beantworten: Nein
  • Anhänge hochladen: Nein
  • Beiträge bearbeiten: Nein
  •