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Deus
Ein paar weiterführende Gedanken zum Thema Charaktere
Oft wird in Diskussionen oder Kritiken die Glaubwürdigkeit der Figuren angesprochen und für so manchen Leser erscheint es so, als gäbe es eine universelle Glaubwürdigkeit, die unabhängig von Mensch und Werk erreicht werden muss. Ein Charakter müsse glaubwürdig sein - das sei ein wichtiges Gebot für jeden Autor.
Ich frage mich nun, ob die Glaubwürdigkeit wirklich so etwas Einheitliches ist, wie man beim Lesen der Diskussionen und Kritiken vielleicht denken könnte. Wahrscheinlich eher nicht. In der Bezeichnung selbst steckt ja schon die Einschränkung, dass es immer einen bewertenden Betrachter gibt. Ein Mensch entscheidet, ob etwas würdig ist, geglaubt zu werden. Erfahrungsschatz und Verständnis spielen also eine große Rolle. Außerdem stellt nicht jedes Werk den gleichen Anspruch an die Glaubwürdigkeit und das führt mich zum eigentlichen Kern des Problems, nämlich zur Annahme, ein glaubwürdiger Charakter wäre ein realitätsnaher Charakter. Ich hab zumindest den Eindruck gewonnen, dass viele diese beiden Begriffe gleichsetzen.
Viele Autoren wollen aber gar keine realitätsnahen Charaktere erschaffen. Selbst in der Weltliteratur findet man Figuren, die nicht realitätsnah sind - vielleicht weil sie idealisiert, vereinfacht oder überzeichnet wurden. Letztendlich haben ja alle Figuren einen Zweck und der ist oft wichtiger als Realitätsnähe.
Es ist also kein grundsätzlicher Fehler, wenn sich die Figur nicht wie ein echter Mensch verhält. Mal angenommen, der Entwickler entscheidet sich für einen idealisierten Helden, der ein freundliches Wesen hat und allen in der Not hilft. Das finden einige langweilig und das ist auch in Ordnung. Der Entwickler hat den Charakter aber nicht aus Unwissenheit oder kindlicher Naivität so geschrieben. Das sollte man ihm nicht zu voreilig vorwerfen.
Ich finde, wir sollten lieber über Konsistenz sprechen. Das Verhalten der Figuren muss konsistent sein, es sei denn das abweichende Verhalten wird vorher legitimiert - sonst hätten wir die "wahre" Unglaubwürdigkeit. Außerdem müssen die Charaktere gegenüber dem Genre/Setting/Thema (oder wie man es auch nennen mag) der Geschichte konsistent sein. Eine ernste Milieu-Studie funktioniert nicht mit verkindlichten Anime-Figuren. Die Ansprüche an eine High-Fantasy-Heldengeschichten sind aber sicher weitaus geringer, vermutlich würde man auch dort einen Stilbruch spüren, wenn die Charaktere in einer positiven idealisierten Handlung realitätsnah wären.
Man sollte also, wenn man über Charaktere allgemein oder die aus einem bestimmten Spiel spricht, im Hinterkopf behalten, dass der Autor immer irgendeine Vorstellung hatte, die Figuren sind ja kein Zufallsprodukt. Natürlich kann man trotzdem meinen, dass sie nicht gut umgesetzt wurden oder man findet sie unsympathisch, das ist vollkommen in Ordnung. Wichtig ist nur nicht auszublenden, dass der Autor die Figuren schon bewusst "einfach" oder "klischeehaft" gehalten haben kann.
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