Zitat Zitat von Kelven Beitrag anzeigen
"Gut geschrieben" ist vielleicht zu vage, wie wäre es stattdessen mit Glaubwürdigkeit? Eine Figur kann glaubwürdig sein, obwohl man sie unsympathisch und damit schlecht findet. Man kann aber verstehen, dass andere die Figur wegen der Glaubwürdigkeit gut finden. Die beiden Ansichten können nebeneinander existieren, ohne dass man sich etwas wegnehmen muss.
Ich finde, das geht schon in eine andere Richtung. Eine Figur kann glaubwürdig und unsympathisch sein, aber nicht gut geschrieben und unympathisch.
Ein Beispiel, um dieses "gut geschrieben" etwas deutlicher zu machen:
Wenn etwa ein Charakter ständig einen Satz sagt wie "Ist doch klar, man!" als Catchphrase, würde vielleicht der Autor meinen, dass das einfach zu diesem Charakter gehört. Womöglich kennt er sogar aus seinem Bekanntenkreis jemanden, der das auch dauernd sagt. Die Figur könnte mit so einer Macke glaubwürdig sein, eine konsistente Persönlichkeit besitzen, aber ich fände es dennoch nervig. Wenn man diesen Charakter ernst nehmen soll, etwa weil er die "Mentor-Rolle" einnimmt, und später in einer dramatischen Szene das Leben verliert mit trauriger Musik und allem, ich mich aber über dessen Tod innerlich freue, weil er mich eh immer genervt hat, oder nicht weiter schlimm finde, weil er im Spiel so gut wie gar nicht vorkam, dann hat der Autor hat in meinen Augen was falsch gemacht. Wenn der Autor den Tod dieses Charakters bedauert und traurig vermittelt, ich diese Trauer aber nicht teilen kann, weil eine blöde Catchphrase oder eine halbe Minute Screentime, die ich mit diesem Charakter verbracht habe, bei mir einfach nicht viel Trauer auslösen, dann passt da was nicht zusammen.
Ein Autor kann ja auch versuchen, Sympathie zu erzeugen, aber auf mich als Leser oder Spieler könnte es krampfhaft und zu sehr nach Schema wirken, und dann würde ich mir vor so viel überschwenglicher Freundlichkeit dieses Charkters wünschen, er wäre ein bisschen weniger kinderbuchtauglich. Dann würde ich aber auch in Betracht ziehen, ob es ein Kinderbuch ist oder nicht. Wenn ich mal Kingdom Hearts als Beispiel anführen darf: Sora war mir immer viel zu lieb. An sich könnte man sagen, dass das in Zusammenspiel mit Disney-Figuren doch angemessen ist, aber wenn ich mir anschaue, wie verbissen das Spiel düster und schaurig sein will, kommt es mir wieder unpassend vor, dass ich mit nem Vorzeigecharakter rumlaufe, der keinen Wunsch hat, außer immer allen zu helfen.
Also, "gut geschrieben" bezieht sich letztlich wohl auch auf die gesamte Geschichte, und wie ein Charakter da reinpasst, aber ich glaube, es ist erkennbar, was ich meine.

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An erster Stelle steht bei jeder Meinungsäußerung aber doch die Selbstdarstellung und manchmal reicht es einem schon, dass man nur seine Meinung sagt, ohne Interesse an einer Reaktion zu haben.
Na, das ist aber auch kaum den Aufwand wert, oder? ^^
Also, ich ziehe ernsthaftes, gewissenhaftes, umsichtiges kritisieren vor. Und dabei erwarte ich, dass jemand, der sich dem verschreibt, auch darauf achtet, Punkte anzuführen, die sauber und nachvollziehbar dargestellt sind, dass das also auch nur die Leute machen, die was davon verstehen oder sich wenigstens darüber ein paar Gedanken machen. Weder will ich da sehen, wie jemand seine Kritik selbst nicht ernst nimmt, also nur in allgemeingehaltenen, schwammigen Sätzen vor sich hinplätschert, noch will ich sehen, wie jemand nicht auf den Punkt kommt und Schwächen nicht so zu aufzeigen kann, dass sich die Schwäche offenbart. Wenn etwa jemand sagt, dass das Kampfsystem einfach nur scheiße ist, dann würde ich gerne wissen, obs an der Steuerung liegt, oder an der Geschwindigkeit, oder ob die AI der Gegner zu simpel ist, oder ob die Hälfte des Menüs nicht angezeigt wird oder was auch immer, und nicht nur, dass der Kritiker nach ner halben Stunde keinen Bock mehr auf das Spiel hatte.

Was das Subjektive angeht: Klar, es ist immer subjektiv. Kann es auch nur sein. Eigentlich hätte ich in dem Zusammenhang auch nicht von "objektiv" sprechen sollen, aber den Fehler kann ich mir irgendwie nur schwer abgewöhnen. ^^
Aber nur weil etwas subjektiv ist, heißt das ja nicht, dass es keine richtige, oder vielmehr überzeugendste Auffassung gibt. Ich will ja nicht in die Richtung gehen, dass einer recht hat, und alle anderen sagen Ja dazu. Was ich meine ist: Seinen Standpunkt muss man begründen können. Und auf Argumente kann man nur mit Gegenargumenten eingehen. Sicherlich können mehrere Positionen unvereinbar und dennoch gleichermaßen annehmbar scheinen, doch zumindest so weit sollte man, meine ich, gehen, dass man entweder seine Position für durchsetzbar gegenüber einer anderen hält und dies auch aufzuzeigen versucht, von seiner eigenen Position zugunsten einer anderen loslässt, oder darlegt, in welchen Punkten man aus welchen Gründen nicht überzeugt ist, dass es anders sein könnte. In manchen Dingen allerdings heißt das auch, dass man sich dazu bekennt, einer Auffassung zu sein, und darauf beharrt, dass andere diesen Weg erst noch gehen müssen, diese Auffassung selbst zu erkennen.

Eine vollständige, völlige Gültigkeit der Maßstäbe ist in den meisten Dingen wohl nicht zu erreichen, aber die Idee davon, denke ich, ist notwendig. Ohne die Überzeugung, die man ja für sich selbst hat davon, was gut und was schlecht, oder meinetwegen auch richtig und falsch ist, wäre man ja nicht inder Lage zu urteilen. Und ich denke, jeder der sich hingebungsvoll einer Sache widmet, entwickelt Ansprüche, oder auch ein Augenmaß, das er nicht relativiert sehen möchte, weil es seiner Überzeugung widerstrebt, davon abzuweichen. Insofern mag ich auch nicht so gerne von "Schnittmengen" sprechen. Das geht mir zu sehr in Richtung Minimalkonsens, auf dem man dann verharrt, und alles was irgendwie für jeden so halbwegs akzeptabel ist, ist auch in Ordnung, aber auf dieser Grundlage entwickelt sich ja auch nichts.
Insofern hielte ich es für sinnvoll, oder erstrebenswert, zu versuchen, für eine gedachte, eine imaginäre Allgemeinheit sprechen zu wollen, so lange man auch glaubt, dass das eigene Maß das allgemeine sein sollte, damit auch Bewegung hineinkommt in das, worauf sich vielleicht ein kleiner Kreis einigen könnte. Durch das gegenseitige Antreiben zu einleuchtenden und anspruchsvollen Standards geben sich die Leute mehr Mühe, das allzu Leichtfertige zu scheuen. Gerade im Bereich des Kritisierens bin ich da etwas strikter, aber ich bin ich auch fürs Leben geschädigt durch Nutzerkommentare, Reviews und dergleichen.

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die Erfahrung zeigt mir, dass Menschen oft ganz gegensätzlich wahrnehmen und ich bin skeptisch, ob man die Sicht des anderen als objektiv falsch bezeichnen sollte.
Naja, nicht "objektiv", also an der Sache falsch, aber eben falsch im Sinne von "nicht annehmbar" oder "nicht wünschenswert". Wenn mir jemand sagt, dass für Videospiele die Grafik immer das wichtigste ist, weil es ohne Grafik auch kein Videospiel wäre, ohne die Grafik man nichts sehen und mit nichts interagieren könnte, und die Qualität eines Spieles somit primär davon abhängt, wie gut oder schlecht das aussieht, was ich auf dem Bildschirm zu sehen bekomme, dann ist das keine falsche Wahrnehmung, aber ich hielte sie für so bedenklich, dass ich ihr entschieden widersprechen würde, indem ich etwa sage, dass die Grafik nur entscheidend für die Wahrnehmung des Spieles ist, die eigentliche Qualität sich aber im Gameplay zeigt, denn nur vermittelst dessen spiele ich es ja.
Das wäre nur der Anfang eines längeren Wortgefechtes, doch weil ich mich intensiv für Spiele interessiere, fände ich es wirklich schlimm, wenn der allgemeine Standard nun wäre, dass ein Spiel gut ist, so lange die Grafik stimmt. Dementsprechend energisch würde ich auch gegen eine solche Position vorgehen.