Ich bin sogar davon ausgegangen, dass ich mehr in Sandra interpretiere, als du dir letztendlich bewusst für sie ausgedacht hattest. Ich meine aber, dass diese Charakteristika, die ich aufgezählt hab, sich von ganz allein entwickelt haben, vielleicht ohne, dass du das gemerkt hast, denn sie sind da und sie sind stimmig. Auch wenn du dir nicht viele Gedanken um ihre Persönlichkeit gemacht hast, hast du dir doch sicher ein paar Gedanken zu ihrer Plausibilität gemacht, oder? Dass sie angemessen reagiert, dass sie sich nicht verhält wie ein 50-jähriger Kriegsveteran und alles gedanken -u. gefühllos wegballert. Vielleicht reichte das schon, um sie letztendlich doch zu einem glaubwürdigen Charakter zu machen, der letztendlich Eigenschaften hat, die du so gar nicht direkt eingeplant hast, die man aber deutlich herauslesen kann.
Ich meine, vielleicht hast du dir in UN zu viel Gedanken um die Persönlichkeiten gemacht und dich dann so darauf fixiert, Individuen zu gestalten, die alle andere Eigenschaften haben, dass es letztendlich steril und unglaubwürdig wirkt? Weil die Charaktere keine natürliche Entwicklung hinter sich haben, sondern ihnen einfach eine Bürde verschiedener Eigenschaften aufgedrückt wurde? Ich denke, ein Charakterkonzept wächst auch mit der Welt, in den man den Charakter schickt, ein Wechselspiel zwischen Umgebung, Erfahrung und Reaktionen. Vielleicht erschafft man den besten Charakter dadurch, indem man ihn ... reifen lässt. Mit der Geschichte entwickelt. Das ist jetzt vielleicht wirklich zu viel verlangt für ein vierstündiges Horrorspiel, aber... wie gesagt, ich hab das Gefühl, dass Sandra glaubwürdiger ist, weil du dich nicht darauf versteift hast, sie zu einem ganz speziellen Charakter zu machen, sondern sie sich in den Fluss der Geschichte einfügt.
Ich muss gestehen, dass ich nicht soviel Erfahrung damit habe, was andere Menschen glaubwürdig finden und was nicht, deswegen kann ich an der Stelle nur mutmaßen. Ich denke, dass man nicht pauschal sagen kann, worauf zuerst geachtet wird, auf die Mängel oder die Uninteressantheit einer Figur, aber ich denke nach wie vor, das Glaubwürdigkeit in einem Konzept von Sympathie und Antipathie nichts zu suchen hat und es sich nach wie vor lediglich um die Unfähigkeit handelt, sich in einen Charakter hineinzuversetzen, dessen Handlungen und Motive man verachtet oder den man eben schlichtweg nicht mag. Insofern hat Sympathie vielleicht wirklich einen Einfluss auf die Wahrnehmung der Glaubhaftigkeit, so gesehen, aber wie gesagt, ich meine, dass die fehlende Glaubhaftigkeit dann mit fehlendem Empathievermögen zu tun hat. Und dafür kann der Entwickler/Autor dann nichts.
Ich persönlich denke, dass ich durch die Mängel der Charakterdarstellung eine Figur uninteressant finde und nicht umgekehrt. Aber ich glaube auch nicht, dass man Sympathie unbedingt mit Interessantheit gleichsetzen kann. Es gibt Personen in Spielen oder Serien oder Filmen, die ich unsympathisch und dennoch interessant finde. Gut, du hast recht, bei Personen, die bewusst unsympathisch sind, ist das wieder etwas anderes. Aber ich denke, interessant wird ein Charakter dadurch, dass es Dinge gibt, die man von ihm nicht weiß, aber wissen will; oder man nicht weiß, ob man ihn hier und da richtig einschätzt. Dazu muss er mir nicht unbedingt sympathisch sein. Vielleicht ist es auch hier wieder wichtig, inwieweit Story und Charaktere miteinander verwoben sind.
Und vielleicht haben wir beide auch wieder etwas abweichende Vorstellungen von den Begrifflichkeiten, die wir in unserem Gespräch verwenden.
Naja, eine stärkere Verbindung zwischen Handlung und Gameplay hast du meiner Meinung nach in DN geschaffen. Das hab ich schon im UN-Thread geschrieben, aber ich fände es wichtig, mehr Freiheit zu haben und nicht modular so eingeschränkt zu sein, sodass ich als Spieler auch ein Gefühl dafür bekomme, wo ich mich befinde und wie weit mein Radius reicht, auch. wenn dieser Radius nicht der endgültige Radius ist. Zumindest in einem solchen Spielkonzept finde ich das wichtig. Eine Verbindung von Gameplay und Story könnte dann hierbei sein, dass man genau weiß, wo man hinwill, weil man weiß oder vermutet, dort etwas zu finden, was einem weiterhilft. In einem Ort ist irgendeine Institution verschlossen, aber ich weiß, dass ich dort hinein muss, deswegen suche ich dort, wo ich denke, dass ich etwas finde, um hineinzukommen, finde dort aber wieder Verweise auf etwas anderes in diesem Ort etc. Also eben, dass jeder Gang durch die Gedanken des Protagonisten gerechtfertigt ist, weil es eine logische Kette ergibt, was man tun sollte und wohin man gehen sollte. Das schließt es zum Beispiel aus, einen Schlüsselbund zu finden und dann random in bestimmte Häuser zu kommen, wo ich dann wieder random irgendetwas anderes finde, was mir weiterhilft.
Dadurch wird das Spiel sehr linear, aber der Effekt ist definitiv der, dass Gameplay und Story mehr miteinander verschmelzen. Man könnte das wirklich darauf hinunterbrechen, nirgendwo zufällig hinzugehen, sondern nur Hinweisen zu folgen, und nur Dinge zu finden, nach denen wir gesucht haben, dort, wo es sinnvoll ist, dass sich diese Dinge befinden. (Und vielleicht das ein oder andere, was uns nützlich erscheint, aus einem bestimmten Grund... und irgendwann können wir diese Dinge für etwas anderes verwenden). Ein ganz typisches Adventure wäre das dann vielleicht nicht mehr, aber andererseits denke ich, dass das bestimmt irgendwie realisierbar wäre, ohne völlig vom Adventuregedanken abzukommen. Irgendwie sicher.