Kunst ist absolut subjektiv. Jeder Aspekt den wir kritisieren kann für dich völlig unlegitim sein. Handwerk ist jedoch etwas völlig anderes.
Spieleentwicklung ist eine Kombination aus beiden. Es enthält Aspekte der Kunst (Story, Gameplay etc.) und des Handwerks (Scripting, Design etc.). Hierbei muss man anmerken, dass manche Aspekte sowohl als Kunst als auch als Handwerk gesehen werden können. Eine Designentscheidung kann Kunst sein, genauso wie man eine Story auf handwerklicher Ebene bewerten kann.
Diese Bewertung entspricht natürlich auch subjektiven Eindrücken, welche aber als allgemeingültig gelten. Zum Beispiel Nutzung von bestimmten Mitteln um bestimmte Reaktionen bei dem Spieler hervorzurufen. Das tut man nicht aus (kreativen) künstlerischen Gründen, sondern aus handwerklichen Gründen.
Der Effekt wird nicht bei jedem Menschen gleich sein, so soll aber der Großteil oder auch die Zielgruppe angesprochen werden.
Nun stellt sich die Frage, welche Zielgruppe du hattest/was für eine Intention du mit dem Spiel hast. Viele Künstler sind tatsächlich etwas kritikresistent. Wenn man etwas anmerkt haben sie natürlich all das Recht zu sagen "Nein, das sehe ich nicht so!", aber wo bleibt dann die Zielgruppe? Viele finden soviel Abstoßung bei ihren Projekten, dass sie ihre Zielgruppe praktisch an die Menschen richtet, denen es gefällt. "Gefällt es dir nicht? Dann gehörst du nicht zur Zielgruppe."
Diese Denkweise ist sehr populär und bei einem Hobbyprojekt auch nicht verwerflich. Das Kunstwerk wird also nicht erschaffen um eine bestimmte Zielgruppe zu treffen, sondern um eine Zielgruppe zu finden.
Nun, Kelven, du scheinst mir eher einer der Sorte, die eine möglichst große Zielgruppe finden möchte. Warum ich davon ausgehe? Schlichtweg, weil du Sozialkritik als Ankerpunkt in deinem Spiel besitzt. Wenn man etwas krisiert, wäre es sinnlos wenn niemand es mitbekommen würde. Vielleicht liege ich absolut falsch und du makerst nur für dich selbst, völlig ok.
Wenn man ein Spiel für andere erstellt, um z.B. eine größtmögliche Kundschaft/ Publikum zu haben, dann sollte man sich mit dem Handwerk bekannt machen, welches für die Darstellung der eigenen Idee (z.B. der Sozialkritik) von nöten ist. Manche (sehr wenige) Menschen haben schlichtweg Glück und müssen sich kaum mit dem Handwerk beschäftigen, weil sie ein eigenes Gespür dafür haben, was gut wirkt und was nicht. Man weiss wie man etwas darstellen soll, weil es einem so gefällt, aber auch weil man merkt wie es wirkt. Andere haben nunmal andere Sichtweisen und tun es aus "Natur" anders. Es bedeutet nicht unbedingt, dass es schlecht ist, aber eben anders und ggf. nicht für ein breites Publikum geeignet.
Auch ist es nicht einfach, die eigene Vorstellung von etwas so auszuführen, wie sie im Kopf existiert. Du hast einen bestimmten Bezug zu deinen Charakteren. Du weisst mehr über sie als wir es wissen. Nun musst du uns diese Gefühle vermitteln. Das Problem welches viele (alle) Künstler haben ist, dass sie eben ihre eigenen Gefühle nicht von dem tatsächlich dargestellten trennen können. Du hast eine ganz bestimmte Vorstellung deiner Welt und deiner Charaktere, welche wir niemals besitzen werden. Die Stimmenlage des Hauptcharakters, die detaillierten Reaktion während des Gesprächs. All diese Dinge existieren in deinem Kopf, aber eben nicht auf dem "Papier"/in dem Spiel.
Wenn du also etwas für gut erachtest, kann es sehr gut möglich sein, dass es nur in deinem Kopf sehr gut aussieht, aber sogar dir selbst nicht gefallen würde, wenn du die Vorstellung der Welt nicht besitzen würdest. Die Kunst der Kunst ist also, die eigene Vorstellung so umzusetzen, dass ein Spieler/Leser/Zuschauer diese Vorstellung auch erkennt/wahrnimmt.
Und wie man das lernt? Zeit, Übung und vorallem viel, viel Kritik. Kritik ist das A und O zum Erfolg. Ohne diese ist es reines Glück bestimmte Fähigkeiten zu erlangen, wie z.B. ein möglichst großes Publikum zu erreichen (mit Bild/Musik/Film...). Spiel deine alten Spiele nochmal, nachdem du deine Vorstellung vergessen hast. (also einige Jahre nach dem erstellen, wenn du von der Welt distanziert bist)
Die "Fehler", welche du gemacht hast, werden die sehr schnell auffallen.
In dieser Hinsicht ist also deine aktuelle subjektive Ansicht nicht unbedingt übereinstimmend mit der welche du in 10 Jahren haben wirst. (und nicht nur, weil du neues dazulernst)
Nun komm ich mal zur Kritik. Ich muss ehrlich sein, ich habe dein Spiel nicht gespielt. Die Kritik die ich höre spricht aber für sich, ebenso das was du schreibst. "Jeder Autor will seine Ansichten vermitteln."
Exakt, aber was ist nun die Kunst bei der ganzen Sache? Das was so schwer ist und wofür beinahe alle Autoren Jahre bis Jahrzehnte brauchen um es zu beherrschen, ist diese Ansicht so in die Geschichte zu verpacken, dass sie ein Teil der Geschichte wird und die Geschichte nicht lediglich Mittel zum Zweck ist. Ja, die Geschichte ist fast immer nur Mittel zum Zweck, aber das darf dem Leser nicht auffallen.
Wenn er merkt "Gut, hier wollte der Autor XYZ kritisieren" ist es ein Bruch in der Immersion. Der Leser muss sich der Kritik durch das Lesen bewusst werden. Er muss praktisch selbst auf die Kritik kommen. Keine einfache Aufgabe für einen Autoren, aber exakt dass ist es was ein gutes (gemeint ist beliebt) und erfolgreiches Werk ausmacht.
Siehe hier: "Die Geschichte handelt davon, sich mit den eigenen Schwächen auseinanderzusetzen."
Nein, die Geschichte handelt von Menschen in einer bestimmten Situation. Das ist ledigliche etwas, was du mit der Geschichte vermitteln willst. Es scheint mir, als würdest du deine Ansicht höher stellen als die Geschichte. Wie ich schon sagte, man merkt, dass die Geschichte einfach nur existiert damit du etwas kritisieren kannst. Du schreibst die Geschichte um deine Ansicht herum, was nicht schlimm ist. Aber man merkt es einfach, vielleicht nicht jeder, aber eben genug um zu realisieren, dass man vielleicht nicht alles richtig gemacht hat in sachen Darstellung/Konzeption.
Also nochmal, damit man es auch nicht überliest:
Man merkt deiner Geschichte an, dass sie existiert um etwas zu kritisieren. Vielleicht gefällt dir diese Weise der Darstellung, was wie gesagt völlig ok ist. Aber aus Erfahrung kann ich dir sagen, dass der größere Teil unserer heutigen Gesellschaft nicht auf diese Art von Erzählung abfährt. Falls du also ein größtmögliches Publikum finden willst, solltest du dich deiner "Fehler" (subjektiv, in diesem Fall handwerklich) bewusst werden. Jedoch weiss ich nicht, wie die Makerszene (deine Hauptzielgruppe) so drauf ist, du solltest also selbst bewerten, ob du genug Befürworter für dein Werk gefunden hast und ob es nicht weniger gewesen wären, wenn du es anders tun würdest. Das meiner Meinung nach wichtigere ist aber, zu lernen, ob einem das eigene Spiel tatsächlich gefallen würde, wenn man keinerlei Entwickler-Bezug zu diesem hätte.
Ich hoffe ich konnte dir helfen. Im Bestfall hast du etwas gelernt im schlimmsten eben nicht.