Ich habe das Spiel gerade bis zum Ende des ersten Turmes in einer kleineren Konfi gespielt und wir - inklusive Stiftung Warentest - sind uns einig, dass "Leaving Heaven" AWESOME ist und definitiv mehr Aufmerksamkeit verdienen sollte, als es derzeit erhält. Nachdem wir uns des Abends durch mehrere wirklich öde Spiele kämpften, hätten wir auch hier ein Spiel in der Richtung erwartet; halt mit der üblichen Heldengeschichte, einer nicht nachvollziehbaren unlogischen Handlung, mangelndes Vorhandensein von Gameplay oder Welches das Spaß macht, unsympathische flache Charaktere... Aber nichts davon trifft zu. Leaving Heaven macht alles richtig. Und ich erkläre auch gerne weshalb:
[1] Die Charaktere
Sie sind Engel und haben eine Mission zu erfüllen. Was es für eine ist erfahren wir nicht direkt, sondern offenbart sich erst nach einer kleineren Reihe von Gesprächen. Dadurch baust du die Spannung gut auf, zumal sich die Dialoge hervorragend lesen lassen, ihr Umgang untereinander natürlich wirkt und jeder Protagonist interessant ist. Vor allen Dingen Shawn. Oh was haben wir gelacht(sein intelligenter wortgewandter Sarkasmus ist Gottgleich °-o). Ihre Argumentationen sind nachvollziehbar, in sich schlüssig und sie handeln auch entsprechend - so fand ich es toll, dass anfangs zwei von ihnen bei der Himmelstreppe blieben, für den Fall sie würde sich wieder öffnen.
Abgesehen von ihrer Charakterisierung, sind sie auch im Kampf sehr unterschiedlich und müssen entsprechend behandelt werden. Super!
Die Dialoge mit ihnen sind auch nicht elendig lang, sondern kommen früher oder später auf den Punkt, der sie zum Aufbruch zwingt - klar, sie sind ja auch nicht so dämlich, wie einige andere Protagonisten. Sie können denken! Sie hinterfragen aktuelle Geschehnisse und diskutieren darüber! Sie nehmen sich gegenseitig auf den Arm! Ich will hier sagen: Diese Engel verhalten sich menschlicher, als es viele Menschen tunGanz großes Kino.
PS: Shawn ist der beste Charakter ever.
[2] Die Story
Ein gutes Spiel braucht keine komplexe Geschichte - das Wenige muss einfach nur spannend erzählt werden. Und das macht Leaving Heaven sehr gut. Dass Auftauchen neuer Informationen oder tatsächlich nicht vorhersehbarer Geschehnisse, hält die Spannung aufrecht. Dass die zweite Treppe auch nicht erscheinen wird, war von Anfang an ziemlich klar - doch die nachvollziehbare Begründung warum das so sein könnte (und es war die Begründung, die nicht vorherzusehen war), lässt uns jetzt im Ungewissen, wie sich der zweite Turm verhalten wird. Und vor allen Dingen was uns dort bezüglich des Gameplays erwartet. Die Spannungskurve reißt noch nicht ab, auch dank der sympathischen Charaktere, die uns tatsächlich interessieren und die wir mögen.
[3] Items, Ausrüstung, Loot
Dass speziell so etwas Lob verdient ist ungewöhnlich, aber es muss. Ich habe mich schon lange nicht mehr so intensiv mit den Objekten beim Händler auseinandergesetzt, da das Angebot doch mehr zu bieten hat, als gewohnt. Hier kauft man nicht einfach das gerade stärkste Rüstungsteil, sondern darf selber abschätzen wie die Attribute verteilt werden (Rüstungen mit Negativen Faktoren? Awesome!). Auch kann nicht einfach jeder das Gleiche erhalten, da jeder Charakter im Kampf gänzlich anders gepolt ist und sie unterschiedliche Stärken und Schwächen besitzen. Auch die Preise der Objekte, in Relation zum Gewinn, ist gut gelungen. Besonders, dass die Wiederbelebungsfeder sehr teuer ist, zwingt den Spieler dazu besser auf seine Charaktere zu achten.
Ausgesprochen gut haben mir auch die "geheimen" Belohnungen aus den Kisten gefallen, die in Extraräumen aufbewahrt oder von Bossen gedroppt wurden. DAS sind doch richtige Belohnungen, bei denen man sich als Spieler nicht verarscht vorkommt. Ebenfalls gefallen mir die auffindbaren Items aus dem Crawler-Dungeon (später mehr dazu), worunter sich hin und wieder auch richtig gute Items befinden (Salben) und den Spieler so ermuntern die Ebene zu erkunden.
Ich bin wirklich begeistert, dass du dir auch über diese Aspekte Gedanken gemacht hast. Uns wurde wirklich warm ums Herz, ganz ungelogen
[4] Kämpfe
Nachdem wir die tolle Einleitung hatten, waren wir nur noch auf das Gameplay gespannt. Der erste Gegner hat schon einmal beeindruckt (Schwierigkeitsgrad: Normal), als es um mehr ging als bloßes Entergekloppe. Wir wurden direkt dazu "gezwungen" unsere Techniken und Magien auszupacken um zu überleben, was sich auch für den kommenden Dungeon und die Bosse so fortführte. Die Menge an AP (Mana) ist perfekt getroffen, wodurch der häufige und sinnvolle Einsatz der Techniken gewährleistet wird, gleichzeitig aber herausfordernde Kämpfe durch sehr gutes Balancing bestehen. Die anwendbaren Techniken sind sehr vielfältig, gut und passend auf die bestehenden Kampfrollen verteilt und dies auch noch so, dass taktisches Vorgehen zwingend notwendig ist (vor allen Dingen gegen die Bosse) - und das in einem Standardkampfsystem. Meine Mitspieler meinten, dass sie mich noch nie in einem Kampf so viel [laut] nachdenken hörten. Eigentlich bin ich niemand, der sich groß für Kämpfe in Makerspielen begeistern kann, aber hier macht es einfach Spaß.
Die Erfahrungskurve ist gut getroffen, jede neue Magie/Technik ist interessant und will ausprobiert werden; das taktische Arsenal steigert sich quasi bei jedem LevelUp. Nice.
[5] Crawler-Abschnitt
Wir waren ganz allgemein an vielen Stellen deines Spiels vom Geschehen begeistert (Argumentationen, Erklärungen, Verhalten der Figuren, der "Händler-Engel" quasi als externes fünftes Partymitglied,...) aber so richtige Begeisterung kam beim Crawler-Dungeon auf. Ein richtig echter Crawler-Dungeon mit zufälligen Ebenen. Ein richtig echter Crawler-Dungeon, der SPASS macht. Die Kämpfe an sich machen Spaß genug, die Situation des Abschnittes aber nicht weniger. Hier wäre es passend, wenn ich meine spontanen positiven Ausbrüche aufliste:
- Es gibt keinen regulären Ausgang (nämlich der Eingang), man muss sich also eine Engelsfeder besorgen. Die kostet Geld, entsprechend wird der Spieler "bestraft" wenn er sie benutzt, statt den Dungeon durchzuspielen. Ich hätte es übrigens besser gefunden, wenn die Feder etwas mehr kostet - aber vielleicht ändert sich ja noch das Balancing in den kommenden Türmen/Abschnitten.
- Die Ebenen sehen immer unterschiedlich aus und dennoch kann man sich dank der Minimap nicht verlaufen und so wirklich gezielt durchlaufen, bzw. seinen Weg planen
- Keine Random Encounter und Gegnern, denen relativ leicht auszuweichen ist. Dadurch kann ich selbst entscheiden ob ich die nächste Ebene wagen oder noch kämpfen will. Oder für den Fall ich wäre schlecht vorbereitet, mir vor dem nächsten Kampf ein Heilitem suche.
- Zufällige herumliegende Items, teilweise auch dauerhafte Boni. Das ist eine grandiose Lösung, um den Spieler zur Erkundung zu motivieren. Vernünftige Belohnungen halten den Spieler am Ball.
- Eine Zwischenstation nach 5 Ebenen, wo auch eingekauft werden kann und jeder Charakter nochmal seinen Senf ablassen kann. Sweet.
[6] Turm-Abschnitt
Also ab dort, wo der Boss des Dungeons besiegt ist und der Aufstieg, so wie die Rätselei beginnt. Die Rätsel sind bisweilen nicht all zu anspruchsvoll (kommt sicherlich noch, gehe ich jede Wette ein) und darüber hinaus auch abwechslungsreich. Und nach einem langen (aber spaßigen) Dungeon eine willkommene Abwechslung. Hin und wieder eine gute Belohnung zu finden, steigert auch nochmal die Motivation den Gehirnschmalzproduzierer anzuwerfen
[7] Sonstiges
Wir haben uns nicht großartig woanders umgesehen, aber wir bemerkten schon, dass die Orte durch Truhen markiert sind. Fanden wir entsprechenden "Schatz", verschwand das Symbol. Es mag eine Kleinigkeit sein, aber direkt zu wissen wo wir schon alle Belohnungen abgeräumt haben, verschafft ein wohliges Gefühl und lässt uns somit nicht in Unwissenheit.
Das Spiel macht Spaß, hat tolle Charaktere, es existiert ein ausgiebiges durchdachtes Gameplay, es wurde sich Gedanken über die Welt gemacht... was will man mehr? Habe ich schon erwähnt, dass es Spaß macht? Wichtigster aller Faktoren, daher gerne nochmal genannt. Im Großen und Ganzen hast du ein sehr gutes Händchen für Spieledesign und wir sind gespannt darauf, wie Leaving Heaven weitergehen wird. Wir haben es nur wegen der Uhrzeit unterbrechen müssen, sonst hätten wir es noch bis zum Ende gezockt. Insgesamt das bislang beste [deutsche] VX-Spiel das wir je gesehen haben. Fühl dich für weitere Projekte von uns motiviert
PS: Wir haben nicht aufs Mapping geachtet. Das spielte bei all dem Spaß aber auch keine Rolle.
[MG]