Kafka lesen und vor einer Klausur analysieren würde ich ja noch mit meinen Klassen machen. Allerdings würde ich definitiv keine Klausur darüber schreiben lassen, es sei denn das Curriculum würde mir das vorgeben. Begründung: Kafka ist verdammt vielschichtig in seinen Erzählungen und da ich im Vorhinein ja schon den Erwartungshorizont schreiben muss, finde ich es extrem schwer für Kafka eine Beurteilungsgrundlage dafür zu finden, die wirklich allen Schülern gerecht wird. Entweder würde das dann nämlich so aussehen, dass ich einen absoluten Minimumkatalog da liegen habe, den wirklich jeder sofort hinkriegt oder das genaue Gegenteil ist der Fall und der Erwartungshorizont ist bei Kafka so aufgebläht, dass kein Schüler wirklich dabei glänzen könnte. Wenn selbst die Professoren sich bei Kafka nicht einig sind, wie der zu lesen ist, finde ich es doch sehr schwer, dies von Schülern in einer Klausur zu machen.
Von daher: Kafka im Unterricht gerne, aber bitte nicht zur Leistungskontrolle.
Das ist schon der Grund, warum ich immer eine einheitliche Ausgabe vorgebe, die sich die Schüler anschaffen müssen. Ich lasse dann zwar abstimmen, welche Ausgabe es wird (zur Anschauung habe ich da durchschnittlich immer fünf bis sechs Ausgaben dabei), aber es muss eine einheitliche Fassung vorliegen. Ansonsten kann ich ja auch den Unterricht nicht vernünftig planen, wenn man immer die einzelnen Zeilenangaben im Unterricht "übersetzen" muss.Zitat
Also ich kann jetzt nur für den Deutschunterricht in NRW sprechen, aber wir haben hier die zentrale Vorgabe, dass wir vergleichend eine Übersetzung lesen müssen. Das tolle daran ist, dass das im Zentralabitur auch so ziemlich die einzige Lektüre ist, die ich oder die Schüler noch selber auswählen dürfen. Ich war damals schon froh, dass meine Schüler sich da ausgerechnet "Fight Club" rausgepickt hatten. Das war zwar eine Menge Arbeit für mich, da es da keinerlei Handreichungen für gibt, aber es hat sich definitiv gelohnt.
Es macht übrigens durchaus Sinn, solche Lektüren dann auch im Deutschunterricht zu lesen. Das Fach Deutsch soll ja auch zur Studierfähigkeit und insbesondere zur Studierfähigkeit in den Kultur-/ Literaturwissenschaften beitragen. Da es dort auch den Aspekt "Vergleichende Literaturwissenschaft" gibt, bei dem man auch unterschiedliche Texte aus unterschiedlichen Kulturen behandelt, muss man die Schüler eben auch darauf vorbereiten. Unterschiedliche Länder sind nämlich in der Literatur durchaus unterschiedliche Wege gegangen und wenn man die Schüler dann an der Uni ins kalte Wasser werfen würde, wäre das schon schlecht.
Nein, der Faust steht in NRW beispielsweise seit Einführung des Zentralabiturs gar nicht mehr auf der Liste der Lektüren. Ich führe hier mal als Beispiel nur mal die Anforderungen für das Zentralabitur 2014 an:
Inhaltsfeld "Umgang mit Texten":
Epochenumburch 18./ 19. Jahrhundert (unter besonderer Berücksichtigung des Dramas): Schiller "Kabale und Liebe"; Goethe "Iphigenie auf Tauris"
Epochenumbruch 19./ 20. Jahrhundert (unter besonderer Berücksichtigung epischer Texte): Roth "Hiob", Mann "Mario und der Zauberer" (GK)/ "Buddenbrooks" (LK), zusätzlich Texte von Kästner, Fallada, Keun und Fleißer
Gegenwartsliteratur: Koeppen "Tauben im Gras"
Lyrik: Liebeslyrik in der Romantik und Gegenwart (1980 - 2010) (GK), Liebesgedichte in Barock, Romantik (Heine) und der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts (LK)
Themenfeld "Reflexion über Sprache"
Spracherwerb und Sprachentwicklung: Herder "Ursprung der Sprache"; Aspekte des Sprachwandels in der Gegenwart (Neue Medien; Mehrsprachigkeit)
Sprachkritik (nur LK): Hofmannsthal "Chandos-Brief" mit Sach- und Erzähltexten zum Thema
Das ist übrigens nur das Pensum, was für die Q1 (früher 12) und Q2 (früher 13) anliegt.![]()