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Thema: Der Lebende

  1. #1

    Der Lebende

    So, nach langer Zeit storytechnischer Abwesenheit, präsentiere ich euch wiedermal etwas von mir. Es ist schon etwas älter, 3/4 davon schrieb ich vor ca. einem halben Jahr, vor kurzem habe ich dann noch den Schluss hinzugefügt. Zugegeben, es ist ziemlich schräg. Ich hoffe trotzdem, dass es gefällt. Viel Spass beim Lesen und Kritiken sind wie immer durchaus erwünscht.


    Das Leben ist der Leuchtturm, und der Leuchtturm ist sein Leben.
    Ein Mann, so einsam wie eine vergessene und nie an ihrem Ziel angekommene Flaschenpost, steht jeden Abend dort ganz oben in seinem Auge und betrachtet gedankenverloren die blauen Fluten, die mit der hereinbrechenden Nacht dunkel und bedrohlich an sein Fundament klatschen. Die Gischt, hoch spritzend, fast bis zu ihm herauf, riecht nach Salz und Freiheit. Er hat sein Dasein aufgegeben, nur für ihn, für nichts anderes lohnt es sich, nur für ihn. Wie viele Schiffe zerschmetterten an den scharfen Riffen, weil er das Licht erlöschen ließ? Wie viele Menschen ertranken, weil er Gott spielen wollte? Nur der Teufel wird es wissen, und nur der Teufel wird ihn dort oben gefangen halten können.

    Noch nie hatten Möwen den Turm umkreist, noch nie hatte ein anderer als er den Turm betreten, der Turm, der so ehrfürchtig und mächtig auf den Felsen thront, an einer Küste, die den Leuten kein Begriff mehr ist. Eine Küste, die gar keine darstellt, bestehend nur aus Fels und Gestein, auf dessen jahrtausende altem Rücken sich das schwarze Gemäuer erhebt, bis hoch hinauf, wo nur die Nacht sich aufhält. Das Auge schweift ruhelos und hektisch über die Wellen, erhellt den Weg für niemanden. Nur für Verirrte, für Schiffbrüchige und leichtsinnige Durchreisende, die es in Erwägung ziehen, eine solch gottlose Route zu wählen. Auch er ist einmal einer von ihnen gewesen, vor langer Zeit, als die Menschen ihre Schlachtkreuzer noch Galeeren nannten.

    Seine Augen sind verklärt und trübe, können nicht mehr sehen, nur der Schein des Turmes weist ihnen den Weg. Wenn der Turm erst zeigt, was er in seinen Tiefen birgt, werden Menschen willenlos, ausradiert, darben ohne Hirn und Sinne. Nur er hat es gesehen, sieht es immer noch, und es ist schön. Es gibt Macht, Stolz und den Impuls zu dem Gedanken, über allen Lebenden zu stehen. Jede Nacht steigt er die engen Stufen hinab. Hinab, immer tiefer, rundherum, beinahe stundenlang. Schon auf halbem Wege hört er sie, das lüsterne Flüstern und lustvolle Stöhnen, mit dem sie den schwarzen Turm erfüllen, dringt durch Fleisch und Stein, aber nicht nach draußen.

    Die Füße sind wund vom harten Fels, ein Zeichen, das selbst Totgeglaubtes verletzen kann. Wie soll er sich selbst gegenüber verantworten, dagegen nichts zu unternehmen? Es war schon immer so, seit dem großen Urknall. Hinab. Er geht. Er rennt. Es muss schnell gehen, denn auch die Zeit geht einmal vorbei. Je näher er seinem sehnsüchtig erwarteten Ziel kommt, desto heftiger dringen die Laute des Vergnügens an sein Ohr, er saugt sie auf, genießt sie wie die süßeste Frucht, die selbst an den gesündesten Bäumen nicht zu gedeihen vermag.

    Dann endlich betritt er den Ort, der vor ihm noch keiner betreten, kommt zurück von seiner Wache, der Wache darüber, ob die Reife der Zeit gekommen sei. Doch er weiß genau, dass sie das auch heute nicht ist. Zeitlos ist er geworden, sein Körper ein Wrack, dem Zerfall ausgeliefert, vergessen, im Turm gefangen. Nichts geht spurlos an einem vorüber, selbst an Gott. Unter dem fest verankerten Fundament des schwarzen Leuchtturmes wächst und gedeiht etwas Wundervolles, etwas, das ihn braucht, um zu seiner ganzen Größe und Herrlichkeit aufzublühen. Er braucht es, und es braucht ihn, so will es der Turm. Leidlos bringt er sein Opfer dar, jeden Tag, jede Nacht.

    Dort unten ist es warm, beinahe körperlich. Und genau das ist es auch, was ihn dort festhält. Es lebt. Es lebt und hat Hunger und braucht Geduld, auch Zuneigung. Er ist bereit wie kein anderer dies zu geben. Auch heute Nacht. Verklebt mit Samen sind die Wände, spenden Leben für die Kreaturen, denen jede Hoffnung auf ein normales Leben verwehrt bleibt. Aber das Leben, ist es überhaupt normal? Kann dieses eine Wort etwas solch Großes und Mächtiges umschreiben? Er denkt nicht daran. Stattdessen lacht er, vergnügt, als er endlich anlangt.

    Die pulsierende Halle des Lebens umgibt ihn nun, alles ist geschäftig, alles arbeitet und werkt, aber doch ist alles tot. Das Kreischen und Stöhnen erfüllt die stickige Luft, es trieft und tropft und wächst. Hier unten ist sein Reich, hier unten ist sein Heim. Zwitterwesen ohne Augen und Hirne, ausgestattet nur mit dem Trieb sich zu paaren, wandeln ehrfürchtig an ihm vorbei, sie sind seine Diener und Sklaven. Und sie bedienen die Maschine des Lebens, die dort inmitten des kuppelartigen Raumes thront, umgeben von Kabeln und Drähten und pumpenden Leitungen. Viele sind nötig um alles zu kontrollieren, viele sind nötig um alles zu sehen, aber nur einer kann es vollenden.

    In den mechanischen Rüssel führt er ein sein Glied, nun hart ob der Freude des Lebensgefühles, es erfüllt ihn mit zuckenden Wärmeeruptionen, schöner als ein menschlicher Orgasmus jemals war. Er kann es nicht beschreiben, seine Augen rollen in den Höhlen, er verliert die Kontrolle über sich selbst und alles um ihn herum. Spritzt seine Samenflüssigkeit in die Maschine, dankbar verschlingt sie seine ungeborenen Kinder, es braucht sie, um zu wachsen. Macht etwas Schreckliches daraus, was Menschen niemals auch nur mit ihrem Verstand erfassen könnten. Die schwarzen Kreaturen geifern und reiben sich ihre entstellten Körper, sie wollen auch, sind gierig. Aber er lässt sie nicht. Niemals.

    Die Maschine ist ein Heiligtum, ein Objekt der Begierde, zärtlich und grazil. Spricht nicht und bewegt sich nicht, doch erfüllt dir Wünsche. Irgendwann wird sie explodieren, in einem grauenhaften Inferno, das die Welt an ihre Anfänge zurückversetzt, damit etwas Schöneres und Besseres aus ihr entstehen kann. Er glaubt daran.

    Und er träumt. Von dieser Sehnsucht nach Leben, die den ganzen Ort erfüllt.

  2. #2
    So habs mal gelesen. Bevor ich aber irgendetwas darüber sage, will ich zur erst mal klarstellen, dass ich kein guter Kritiker bin, also nicht alles ernst nehmen, was ich schreib^^
    Also die Geschichte ist, wie du schon sagst, schräg. Ziemlich schräg meiner Meinung nach. Ich habs jetzt zweimal gelesen und bin immernoch nicht ganz dahinter gekommen, worum es geht^^
    Also so wie ich das verstanden habe, ist da ein Leuchtturm in dem eine Maschine steht, die Leben produziert. Dafür braucht sie aber das Sperma eines Menschen. Im Gegenzug dafür gibt sie dem Menschen Unsterblichkeit. Die Maschine schein auch irgendwie der Ursprung des Lebens zu sein.
    Ist das so ungefähr richtig?
    Ich finde, es ist auch sehr anstrengend zu lesen wegen den langen Sätzen und manchmal wusste ich nicht ob du den Leuchtturm meinst, der z.B. Gott spielt, oder den Mann.
    Trotzdem fand ich es auch interessant zu lesen, weil man etwas nachdenken musste.

    mfg Turgon

  3. #3
    Oô Pervers.

    Stilistisch nimmt der Text nach den ersten drei Abschnitten stark ab. Er wiederholt sich, verliert sich in blumigen Beschreibungen (die im Gegensatz zu denen davor nur nerven) und kommt allgemein weder so atmosphärisch noch so düster rüber wie davor. Hab die ersten Absätze verschlungen, danach nur noch quer gelesen. Natürlich, inhaltlich wird er nur perverser, aber das Schreiben an sich ist irgendwie etwas abgeflacht.


    Und was zur Hölle ist "darben"?

  4. #4
    Aha, der Meister lässt uns einmal mehr einen Blick in seine absurde Gedankenwelt werfen.
    Mir gehts ähnlich wie Cipo, nur dass die "Müdigkeit" (mag sein, dass es schon spät ist und ich nicht mehr in einer allzu konzentrierter Verfassung bin) schon früher eingesetzt hat. Eigentlich hatte ich schon nach den ersten Sätzen eine Vorahnung auf was es rauslafen würde. Ich hoffe ausserdem, dass der Text jetzt nicht allzu viele subtile Spoiler in Bezug auf die Dunkle Turm Saga enthält, die ich mal weiterlesen sollte.

    Aber zum Text:
    Du erschlägst den Leser mit Metaphern, die imho einen reinen Selbstzweck darstellen und deren Intentionen wahrscheinlich nicht mal auf Interpretationen aus sind. Nicht dass, das schlecht wäre, ich kenne das Gefühl ja auch. Man schreibt was, dass man vielleicht nicht mal selbst ganz erfassen kann. Es ist schwer das zu erklären, aber man weiss, da könnte man viel reinlesen, aber der eigene Intellekt kann es nicht, oder jedenfalls nicht sofort. Aber man muss es niederschreiben oder sonstwie umsetzen. Man muss nicht alles platt ausformulieren, sicher nicht, aber der Text ist so mehrdeutig, dass ich einfach die Essenz (abgesehen von einer oberflächlichen Interpretation) nicht erkennen kann oder vielleicht auch nicht will. Oft setzt du Wiederholungen als Stilmittel ein, daran habe ich mich gewöhnt und ich finde das auch nicht schlecht, aber es ist fast ein wenig zu viel des Guten. Ich will es gleich vorwegnehmen, der Text ist nicht schlecht, die Idee auch nicht (von wem auch immer du inspieriert wurdest), aber irgendetwas stört mich. Ausserdem fehlt ein fetziges Ende, auf sowas hätte ich dann doch spekuliert. Dass diese merkwürdige Symbiose zerstört, irgendwas ambivalentes oder parodistisches.

    Andererseits lässt mich das Teil jetzt nach zweimaligen Lesen auch nicht wirklich los und ich würde sagen, wir unterhalten uns über den Text einfach mal, wenn ich wieder nach Biel komme und wir unsere Körper mit genug bewusstseinserweiternden Substanzen vollgedröhnt haben um darin einen tieferen Sinn zu erkennen.

  5. #5
    Lovecraft meets Porn?

    Zitat Zitat
    Und was zur Hölle ist "darben"?
    Wozu gibts den Duden:
    hungern, Entbehrungen/Hunger leiden, in Armut leben, Mangel leiden, nichts zu brechen und zu ...

  6. #6
    Hi zusamm',
    ich nehm' mir einfach mal die Frechheit raus, diesen Thread nochmal zu pushen, um noch kurz auf eure Antworten einzugehen
    Zitat Zitat von Turgon Beitrag anzeigen
    Also so wie ich das verstanden habe, ist da ein Leuchtturm in dem eine Maschine steht, die Leben produziert. Dafür braucht sie aber das Sperma eines Menschen. Im Gegenzug dafür gibt sie dem Menschen Unsterblichkeit. Die Maschine schein auch irgendwie der Ursprung des Lebens zu sein.
    Ist das so ungefähr richtig?
    Nun ja, das ist alles ungefähr richtig, aber daran, dass die Maschine der Ursprung des Lebens ist, habe ich eigentlich gar nicht gedacht. Ich überlegte es mir vielmehr so, dass der Mann und die Kreaturen im Turm halt die Welt hassen und die Maschine mit Sperma vollpumpen, damit diese eines Tages einmal in einer grossen Explosion ... ähem ... explodieren kann und die Welt irgendwie ins Verderben reisst, damit eine neue, schönere Welt entstehen kann, wie sie sich der Mann und seine Kreaturen wünschen ... Was immer das auch heissen soll
    Zitat Zitat
    [...]manchmal wusste ich nicht ob du den Leuchtturm meinst, der z.B. Gott spielt, oder den Mann.
    Danke für den Hinweis!
    Zitat Zitat von La Cipolla Beitrag anzeigen
    Oô Pervers.
    Ist man sich von mir doch langsam gewöhnt, oder nicht?
    Zitat Zitat
    Stilistisch nimmt der Text nach den ersten drei Abschnitten stark ab. Er wiederholt sich, verliert sich in blumigen Beschreibungen (die im Gegensatz zu denen davor nur nerven) und kommt allgemein weder so atmosphärisch noch so düster rüber wie davor. Hab die ersten Absätze verschlungen, danach nur noch quer gelesen. Natürlich, inhaltlich wird er nur perverser, aber das Schreiben an sich ist irgendwie etwas abgeflacht.
    Ist leider so, ja Hab's nochmals gelesen und der Unterschied ist wirklich gut bemerkbar. Muss ich nächstes Mal dringend drauf achten. Danke.
    Zitat Zitat von qed Beitrag anzeigen
    Ich hoffe ausserdem, dass der Text jetzt nicht allzu viele subtile Spoiler in Bezug auf die Dunkle Turm Saga enthält, die ich mal weiterlesen sollte.
    Also eigentlich überhaupt nicht ...

    Danke noch für die restliche Kritik. Musste sie zwar zweimal und sehr gründlich lesen, um all die Fremdworte zu verstehen, aber im Endeffekt hab' ich's geschnallt
    Zitat Zitat
    Andererseits lässt mich das Teil jetzt nach zweimaligen Lesen auch nicht wirklich los und ich würde sagen, wir unterhalten uns über den Text einfach mal, wenn ich wieder nach Biel komme und wir unsere Körper mit genug bewusstseinserweiternden Substanzen vollgedröhnt haben um darin einen tieferen Sinn zu erkennen.
    Machen wir!
    Zitat Zitat von Liferipper Beitrag anzeigen
    Lovecraft meets Porn?
    Mh? Wirklich? Also ich ... sollte dann wohl weniger Lovecraft lesen, denn diese Geschichte ist nicht von ihm inspiriert und auch der Stil ist meiner Meinung nach nicht so sehr ähnlich mit dem seinen. Aber danke gleichfalls.

    Edit: Danke für deine Rückmeldung, HeiligeSandale.

    Geändert von deserted-monkey (16.10.2008 um 22:52 Uhr)

  7. #7

    DieHeiligeSandale Gast
    Gefällt mir gut. Ich finde allerdings auch, dass es etwas von lovecraft hat. Nicht stilistisch, sondern thematisch. Dein Stil ist anders (ich würde sogar sagen besser) als Lovecrafts. Bei dir findet sich zumindest keine inflationäre Nutzung des Wortes "zyklopisch"
    Aber eben etwas uraltes Böses, das in irgendwelchen unbekannten Tiefen schlummert und darauf wartet, die Welt ins Verderben zu reißen ... Das ist nicht tot, das ewig liegt, bis dass der Tod die Zeit besiegt ...

    Gefällt mir aber jedenfalls sehr gut, deine Geschichte. Nach dem dritten Absatz musste ich kurz ein wenig mit mir kämpfen, wirklich weiter zu lesen, war aber sehr schnell wieder drin im Lesefluss. Gute Sache.

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