-
Mirokurator
Life is Strange 2
Sooo, geschafft, und ohne Ferien hätte ich sicher noch etwas länger gebraucht. Wir machen zwei Teile draus: Ganz kurz, warum es ein wirklich gutes Spiel und ein wirklich gutes Life is Strange ist, und dann etwas ausführlicher, warum es für mich trotz allem nicht so wirklich funktioniert hat. Ich bleibe spoilerfrei, was die Story selbst angeht, werde aber auf die Konzepte und Ideen eingehen, die wahrscheinlich dahinterstanden.
#1
Also ja, Life is Strange 2 ist richtig gut gemacht, funktioniert größtenteils in dieser nebligen Zwischenwelt aus Walking Simulator und Adventure, die die Reihe schon immer für sich eingenommen hat, weiß über 20 Stunden ohne große Unterbrechungen zu unterhalten und hat vor allem auch die sympathischen Haupt- und Nebencharaktere, die schon die Vorgänger so beliebt gemacht haben. Ich finde zwar, dass Sean und Daniel nie so 100% an die Facetten einer Max oder Chloe oder Rachel herankommen, aber dafür liegt hier ein stärkerer, tieferer Fokus auf ihrem Zusammenspiel, ihrer Entwicklung und den Verbindungen zu ihrer Umgebung, so dass auch dieser Teil seinen eigenen Reiz entwickeln kann. Und das tut er generell: Es fühlt sich weiterhin wie Life is Strange an, durch die Optik und die Musik, durch die ruhige Grundstimmung, durch den Teenager-Bullshit, durch das Writing, das irgendwo zwischen subtil und anstrengend on-the-nose pendelt – imho etwas gelungener als in den Vorgängern! –, und natürlich durch die Americana-Ästhetik, diesmal mit Wildnis statt Kleinstadt, eben als Road Trip. Es hat aber durch Daniels Telekinese und den Fakt, dass man weder Daniel noch diese Telekinese direkt kontrolliert, eine ganz neue Herangehensweise an das Lösen von Problemen. Es hat durch die Entscheidungen, die hier weniger persönlich und mehr "erzieherisch" wirken, und durch die Storystruktur, in der man immer mehr Abstand von der Gesellschaft nimmt, so viele eigene Ideen, dass es keinesfalls wie ein billiges Cash-In wirkt.

Und bei diesen eigenen Ideen liegen auch die Entscheidungen, die LiS2 für mich zu einem deutlich schwächeren Spiel machen.
#2
Ich muss aber zuerst sagen, dass ich voreingenommen bin. Ich habe hier schon mal ausführlich ausgeführt, dass mich die Vorgänger so richtig hart erwischt haben, und zwei Posts darunter auch noch mal ergründet, warum ich LiS1, Before the Storm und die Bonus-Episode für so ein rundes, beeindruckendes Gesamtbild halte. Kurz zusammengefasst: Diese Spiele erkunden die Frage, inwiefern man beim Aufwachsen die Träume der Kindheit und die "erwachsene" Realität in Einklang bringen kann, was es zu akzeptieren gilt und wann man stur bei den eigenen, egoistischen Wünschen bleiben muss. Und ALLES in diesen Spielen passt dazu – die Arcs der Charaktere, der Aufbau der Stories, die Superpower, die Endings ... ein Gesamtpaket eben.
LiS2 versucht das auch, und zwar mit der Frage, inwiefern man sich als Aufwachsender zwischen der Gesellschaft und den eigenen Wünschen positionieren kann. Was eine gute Idee ist! Schließlich haben wir diesmal Charaktere mit mixed race Eltern, die in den USA also schon von Anfang an zwischen den Stühlen stehen, wir haben eine Superpower, die dem einen Bruder eine gewisse Macht gibt, sich persönlich über die Regeln der Gesellschaft hinwegzusetzen, und wir haben einen Road Trip, der mit jeder einzelnen Station der Reise fragt, ob man sich einordnet oder widersetzt. Und auch am Ende entscheidet sich dann, ob man – und vor allem, ob Daniel! – den "Weg der Gesellschaft" geht oder eben nicht. Das Problem ist nur, dass ich all das intellektuell sehe und erklären kann ... es beim Spielen aber nur selten GEFÜHLT habe. Und das ist definitiv kein persönliches Problem, denn die Frage geht mir mindestens genauso nah wie die Frage aus Teil 1. Die beiden gehören ja auch untrennbar zusammen, wenn wir ehrlich sind. Life is Strange 2 schafft es für mich aber nur sehr bedingt, diese Allegorie a) wirklich einzubinden und b) sie konsequent zu erkunden. Ein Beispiel: Das Spiel hat ja definitiv eine Menge Gesellschaftskritik – tatsächlich ist es beeindruckend, wie aktuell es sich oft anfühlt! –, aber irgendwie ist es sich sehr unsicher, wie es die positiven und negativen Seiten der Gesellschaft zusammenbringen oder erklären soll. Und dasselbe gilt für die verschiedenen Seiten der persönlichen Wünsche! Wir lernen viele coole Außenseiter kennen, aber auch Arschloch-Hillbillys, wir leiden unter dem Egoismus der Mutter, aber profitieren von unseren Diebstählen. Und wenn Daniel "aus Spaß" mit einem Skorpion herumspielt, ist das schon ziemlich stumpf. Aber irgendwie weiß ich nicht, was mir das Spiel damit sagen will. "Die Gesellschaft hat gute und schlechte Seiten? Egoismus auch? Und alles hat Konsequenzen?" Okay. Das ist schwammig as fuck, und ehrlich gesagt kann ich nichts daraus mitnehmen. Ein Jugendlicher wahrscheinlich auch nicht. Teil 1 und BtS waren da direkter: "Dinge zu akzeptieren, ist einfacher, aber du könntest auch sehr unzufrieden enden. Deinen Wünschen zu folgen, kann allerdings dir und anderen weh tun. Mal ist das eine nötig, mal das andere." Das ist eine ziemlich klare Analyse, und zwar OHNE zu sagen, dass eine Option besser ist. Teil 2 dagegen analysiert nicht, er beobachtet nur. Das merkt man vor allem an den Endings: Ich mochte mein Ending und habe mir auch die anderen angeguckt, aber keins fühlt sich für mich so folgerichtig wie die beiden Endings in Life is Strange 1 an. Die Gesellschaft wirkt hier wie ein unbeweglicher Punching Bag, mit dem man irgendwie klarkommen muss oder von dem man sich abwenden muss, nicht wie ein komplexes Gebilde, das sich an allen Ecken und Enden beeinflussen lässt.
Ich merke beim Schreiben, dass ich meinen Finger nicht wirklich auf mein Problem mit LiS2 legen kann. Vielleicht geht es wirklich darum, dass das Spiel irgendwie sehr ... Status Quo ist. Selbst mit Superkräften kannst du nur "dazugehören" oder "nicht dazugehören", aber du kannst nichts verändern. Vielleicht ist das auch eine sehr privilegierte Sichtweise, und wahrscheinlich ist es gerade für Latinos und andere marginalisierte Gruppen deutlich schwieriger, etwas zu "verändern" ... Dann soll das Spiel das aber bitte auch explizit machen, es zum Thema erklären! Trump Wall BAD, ist schon klar, und der Polizeirassismus am Anfang setzt auch ein starkes Zeichen, aber all das wird halt nicht explizit genug mit der Handlung verbunden, mit den Entscheidungen, die die Brüder treffen. Und ich wiederhole noch mal, weil der Post vielleicht etwas "kopflastig" wirkt: Das ist kein Problem, das ich mir aus dem Kopf gezogen habe. Ich hatte beim Spielen einfach viele Gefühle, und andere Gefühle, die ich gerne gehabt hätte, hatte ich leider nicht. Und jetzt will ich das verstehen, denn man kann es definitiv nicht einfach darauf schieben, dass das Spiel irgendwie schlecht gemacht wäre.
Alleinstehend als Spiel würde ich es definitiv empfehlen, aber der Vergleich mit den anderen Teilen bleibt halt nicht aus, und da bin ich dann eher enttäuscht.
Neues Achievement! |
less life, still strange |
Berechtigungen
- Neue Themen erstellen: Nein
- Themen beantworten: Nein
- Anhänge hochladen: Nein
- Beiträge bearbeiten: Nein
-
Foren-Regeln