Zitat Zitat von Enkidu
Genau so etwas kann ich aber gar nicht leiden. Kinder, die sich in der Gegenwart der anderen selbst aufspielen, als wären sie erwachsen, obwohl sie in mindestens jeder zweiten Szene eindrucksvoll unter Beweis stellen, dass sie es nicht sind. Dieses Neunmalkluge. Kann sein, dass da manchmal durchschien, dass sie weiß, dass sie ein Kind ist, aber das kam die meiste Zeit nicht so rüber. Gerade dieser Kontrast passte für mich nicht. Wenn sie noch innerhalb des Spiels eine deutlichere Entwicklung durchgemacht hätte, wäre es halb so nervig gewesen. Aber wie du schon sagtest, war das erst ganz am Ende der Fall. Das hat mir dann auch gefallen, mit der Adoption und so, aber so wie man sie kennengelernt und lange erlebt hat, hätte ich das kaum für möglich gehalten.
So etwas finde ich gerade nicht gut. Eiko ist hier ein bisschen eine Ausnahme, weil in ihren Gesprächen mit den Mogrys und ihren Monologen doch ziemlich viel Charaktertiefe steckt, dass mich sehr viel Mitgefühl für sie hat empfinden lassen. Zu diesem Gefühl war ich bei meinem ersten Spieldurchgang nicht imstande, weil ich sie eher nervig fand. In meinem dritten oder vierten Durchgang haben sich diese Gefühle aber eher in Verständnis und einen natürlichen Beschützerinstinkt verwandelt.

Was mich an den meisten sehr jungen Charakteren in RPGs stört, ist, dass sie meist eben nicht realistisch umgesetzt sind. Sie wirken zu selbstständig, zu charakterstark und ihre Kindlichkeit wird auf hyperaktives Handeln oder Nervigkeit reduziert. Ich hätte viel lieber ein Kind in der Gruppe, das auch mal ängstlich ist, das eine Mentor-Figur sucht. Ein Kind, das vielleicht versucht, stark und erwachsen zu sein, im Kern aber doch jemand haben will, der für es da ist. Daraus könnte man doch eine tolle Vater-Kind- oder Mutter-Kind-Beziehung machen. Das passiert aber meistens nicht. In japanischen RPGs sind Kinder zurmeist quirlige Mädchen, die größtenteils keine Sorgen zu haben scheinen und kaum etwas von normalen kindlichen Gefühlen wie Angst, Unsicherheit, einem Bindungsdrang und solchen Sachen in sich haben.

Bei alten Menschen ist das Problem nicht so gegeben, die finde ich auch meist gut umgesetzt. Aber wie wäre es mal mit einem alten Menschen, der unter körperlichen Problemen leidet? Der merkt, dass er nicht mehr mit den jungen Menschen mithalten kann, aber mit aller Kraft versucht, das nicht zu zeigen? Bei den meisten alten Leuten in RPG-Partys ist eher das Gegenteil der Fall: Sie sind extrem stark. Aber dass mal ein alter Mensch nach einer Verschnaufpause bittet oder nachts mit Rückenschmerzen wach im Bett liegt, so etwas gibt es afaik gar nicht.

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Was Amarant unter anderem für mich besser macht: Er spricht. [...] Ansonsten erwähnte ich ja schon, dass ich es extrem billig finde, wenn eine Figur stumm ist, aber dazu keinen vernünftigen Grund hat. Kimahri hatte für meine Begriffe keinen vernünftigen Grund. Weil er beschämt war durch das, was mit den anderen seiner Art gelaufen ist? Come on!
Ich finde, du bewertest das Sprechen ein bisschen über. Man kann auch einem Charakter vernünftig Persönlichkeit verleihen, ohne dass er viel spricht. Und Kimahri ist eben einer von der ruhigen Art. Wenn er nun ständig sprechen würde, fände ich das eher out of character. Mir fällt jetzt keine Szene im Spiel ein, in der ich gedacht hätte "Hey, Kimahri sollte jetzt mal was sagen". Warum auch? Er hat doch seine Position immer klar gemacht, und das schafft er auch, ohne viel zu sagen. Auch aus dem echten Leben kenne ich Leute, die sich meist eher bedeckt und im Hintergrund halten, aber wenn es drauf ankommt, dann doch voll dabei sind. Kimahris Grund, nicht viel zu sprechen, ist einfach seine Persönlichkeit – mehr muss ich da gar nicht wissen.

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Bei Amarant steckte für meinen Geschmack außerdem mehr hinter seiner Motivation. Da hab ich die Entwicklung bewusst mitbekommen, wenn er sagt, dass er Zidane schätzt, nachdem das vorher so problematisch gewesen ist. Kimahri misstraut Tidus? Meinetwegen. Dargestellt wird das dort aber weitgehend indirekt und höchstens in ein paar Nebensätzen, sodass man hier schon fast zwischen den Zeilen lesen oder mehr Wert auf die Videosequenzen legen muss. Kimahri will Yuna beschützen, das haben sie deutlich genug und immer wieder gezeigt. Aber als Motivation ist das imho verdammt mager. Denn auch wenn es bei Wakka und Lulu nicht ganz genauso deutlich wird, gilt das für die anderen ebenfalls. Wie kommt man von der Schande bei den Ronsos, die Kimahri erlebte, zu Yunas Leibwächterrolle? Wie haben die sich überhaupt alle kennengelernt? Darauf geht das Spiel nicht näher ein, und wenn doch wenigstens im Ansatz irgendwas dazu gesagt wird, kommt es bestimmt nicht aus Kimahris Mund, obwohl ich es von ihm mit Abstand am liebsten gehört und er es am nötigsten gehabt hätte, um angemessen neben den anderen zu bestehen.
Es kommt aus Yunas und aus Aurons Mund und ist in meinen Augen mehr als genug Erklärung für seine Motivation. Von Yuna erfährt man, dass Kimahri plötzlich bei ihr war, nachdem sie erfahren hat, dass ihr Vater gestorben ist. Alle Menschen feierten den Anfang der Stillen Zeit, aber Yuna war natürlich traurig. Doch plötzlich war Kimahri da, der nicht viel sprach, aber für sie da war.
Später erfährt man von Auron (vielleicht sogar in einer optionalen Szene?), dass er, nachdem Jekkt zur hohen Beschwörung geworden ist, aus einer Verzweiflung heraus Yunalesca angegriffen hat und dabei schwer verletzt wurde. Mit letzte Kraft schleppte er sich zurück zum Berg Gargazet. Dort traf er Kimahri, und kurz vor seinem Tod vertraute er ihm seinen letzten Wunsch an: Kimahri sollte nach Bevelle gehen, sich um Yuna kümmern und um sie vor den vielen Menschen zu beschützen, die unabdingbar Interesse an ihr haben würden, sie nach Besaid bringen, damit sie in Ruhe aufwachsen kann.

Diese Motivation finde ich eigentlich ziemlich gut erklärt. Mahagon hat natürlich sein Rivalitätsmotiv. Fand ich auch okay. Aber viel Tiefe steckt da nicht hinter. Natürlich ist auch Kimahri nicht der beste Charakter, aber ich würde ihn trotzdem keinesfalls als schwachen Charakter bezeichnen.


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Insofern ist Red, sein Vater und die Geschichte des Cosmo Canyon sogar ein wunderbares Beispiel dafür. Das Spiel legt hier sogar mit der Rahmenhandlung eine kleine Pause ein, um sich einzig und alleine auf Reds Geschichte zu konzentrieren. Es findet auch nicht alles bloß in ein paar Dialogen statt, wie es in FFX meistens ist, sondern man durchläuft einen Dungeon und sieht am Ende den versteinerten Vater und erfährt die Wahrheit. Richtig emotional, als Red erkennt, dass er all die Jahre falsch lag und all seine Wut unbegründet war, und da sagt das Bild (von dem es auch dieses tolle Wallpaper gibt, weil es eine so wichtige Schlüsselszene war) einfach mehr als tausend Worte. [...] Es geht um Mittelbarkeit und Perspektivierung des Erzählten. Mit ner Analepse kann man viel machen, aber auch andere Stilmittel sind gerne gesehen, um für Abwechslung zu sorgen. Ich liebe es, wenn Dinge früh angedeutet aber erst viel später aufgelöst werden und einen Sinn ergeben.
Ich stimme dir hier grundsätzlich zu. Aber ich sehe hier sogar einige Parallelen zu Wakkas Sache mit seinem Bruder. Auch die wird am Anfang kurz angerissen. Wakka sieht seinen Bruder Chap ja in Tidus und hofft sogar insgeheim darauf, dass Tidus dieser Bruder ist (weil Tidus ja so tun muss, als erinnere er sich nicht an seine Vergangenheit und er zudem laut Wakka große Ähnlichkeiten mit Chap hat). Das macht Lulu, die ja Chaps Geliebte war, im Übrigen ziemlich wütend, aber Wakka kann diese Vorstellung nicht so schnell loslassen.

Wakka hat zwar keinen eigenen Dungeon, aber als er später im Abyssum Chap trifft, gab es durchaus auch eine emotionale Szene. IDie Handlung ist natürlich nicht so konzentriert auf ihn in diesem Zeitpunkt und ich finde Red XIIIs Vergangenheit auch noch besser dargestellt. Aber trotzdem haben die Charaktere in Final Fantasy X, wenn man genau hinsieht, meiner Meinung nach doch mehr Tiefe als ihnen oft nachgesagt wird. Im Fall von Wakka ist es ja sogar so, dass dieses Problem nicht isoliert von den anderen Charakteren existiert, sondern auch Tidus und Lulu miteinbezieht. So etwas mag ich persönlich sehr, weil es zugleich auch die Beziehung zwischen den Charakteren stärker deutlich macht.

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Ich sehe die Spiele relativ nah beieinander, was das angeht, würde aber VI hier den Vorzug geben, weil mich die World of Ruin wirklich stark beeindruckt hat ^^ Gerade wo du von "Persönliche Konfilkte, individuelle Probleme, zentrale Leitmotive" und von "kleineren und größeren Botschaften" sprichst, denn die hatte das Spiel ebenfalls in Hülle und Fülle (erinnert sich noch jemand an Cyans Briefwechsel? Oder Terras Refugium? Oder Setzer und Darill? Oder Edgar und Sabin? Oder die Wahrheit über Shadows Vergangenheit? Oder Locke und Rachel? Fuck, fast alle bis auf die optionalen hatten da so viel zu bieten!).
Ja, das stimmt schon. Ich müsste die beiden Teile auch nochmal spielen, um das genau zu vergleichen. Jedoch hat mir bei Final Fantasy IX sehr gut gefallen, wie schön diese Probleme in die Handlung integriert waren. Das war bei Final Fantasy VI nicht so ganz der Fall, zumindest nicht bei allen Charakteren. Da lernt man halt in der World of Ruin – auch auf sehr schöne Weise – mehr über sie. Aber es ist halt ein Unterschied ob die Probleme jeder Person beleuchtet werden, bevor man sie (wieder) einsammelt, oder ob sich so etwas direkt in die Handlung integriert ist und sich ggf. sogar erst mit der Zeit entwickelt. Vivi zum Beispiel kämpft ja über einen sehr langen Zeitraum mit Persönlichkeitsproblemen. Freias traurige Beziehung zu Fratley wird auch in mehreren Etappen aufgelöst. Das ist hier eigentlich bei allen Charakteren der Fall. Final Fantasy VI hat sich im Rahmen der Handlung aber primär und die Entwicklung von Terra und Celes gekümmert, die meisten anderen Charaktere hatten kurz ihre Momente, waren dann aber eher schubweise in der WoR im Rampenlicht. Das wirkt nicht unnatürlich, weil es ja durchaus gut begründet ist, aber es wirkt von der Entwicklung im Zusammenhang mit der Handlung nicht so schön verbunden wie in Final Fantasy IX. Was mir auch den Eindruck gegeben hat, dass die Charaktere in IX generell mehr Präsenz haben als viele der Charaktere in VI, weil sie für sich und in ihrer Beziehung zueinander besser verknüpft sind.

Allerdings habe ich Final Fantasy VI auch nur zweimal durchgespielt und Final Fantasy IX fünfmal. Habe aber ohnehin so richtig Lust, die Teile von 6-9 nochmal durchzuspielen und das werde ich sicherlich auch bald mal machen.