“Also, du stellst dich hier ins Pentagramm - genau so. Gut, nun sprichst du mir nach und wehe du verhedderst dich noch einmal!”
Als sie hätte sie letzteres überhört, warf Lenjia ihr angesenktes Haar so elegant wie möglich über die rußige Schulter. Nachdem der erste Versuch fehlgeschlagen war, hatte Glaurung die Kontrolle verloren und ihr zusätzlich zu der vorher verursachten Explosion einen schweren Haken verpasst. Nun war die rechte Wange gerötet und die linke geschwollen, kein schöner Anblick.
“Der nächste Versuch... Hoffen wir, dass es nicht unser letzter sein wird.”
Sie riss sich so gut es mit einem kleinen Flattermann im Kopf ging zusammen und konzentrierte sich auf die Formel. Dies war ein ganz anderes Level, als das, was sie bei Ziffer erreicht hatte. Während sie bei dem Alten noch mit Kräutern und Räucherstäbchen herumgefuchtelt hatte, musste sie hier ihre magischen Energien sammeln und auf einen Schlag freisetzen um an ihr Ziel zu kommen. Ihre Haltung schien zwar entspannt, das kam aber nur durch die Mithilfe des Drachens. Während sie sich darauf konzentrieren musste, auch wirklich alle Körperteile mitzunehmen und nicht zum Beispiel ein Bein zu vergessen - oder ein überlebenswichtiges Organ - kümmerte sich Glaurung um die inneren Werte. Es kam nicht selten vor, dass Magier bei so einer Aktion ihre Erinnerungen verloren.
Dass sie immer noch am Strand standen war außerdem nicht sehr hilfreich. Durch den magischen Schutzwall, den Glaurung um sie herum aufgebaut hatte, waren sie zwar einigermaßen vor dem Wasser geschützt, doch begann er langsam zu bröckeln und nicht nur das. Der Drache schien langsam die Kontrolle über Lenjia zu verlieren, was wohl auch durch den vorigen Vorfall herrührte. Der plötzliche Gemütswandel des Mädchens hatte ihn beeindruckt, um nicht zu sagen eingeschüchtert. Sein Mundwerk war zwar so lose wie zuvor, nur hütete er sich, auf die Erinnerungen von ihr zuzugreifen - was er natürlich mit Leichtigkeit hätte bewerkstelligen können. Nur hätte es dabei zum Gedankenaustausch kommen können und ihm war schon lange klar, dass Lenjia nicht auf seine kranken Phantasien scharf war.
Eben jene versuchte ihren Kopf wieder klar zu kriegen. Noch immer hatte sie die Bilder der Zerstörung nicht ganz aufgenommen, aber der echte Schock würde bald folgen, nur war sie gerade zu beschäftigt.
Zuerst machte sich ein leichtes Kribbeln in ihren Füßen bemerkbar, das rasch ihre Beine hoch, durch den Bauch und in den Rest ihres Körpers kroch. Eine angenehme Wärme machte sich in ihr breit und schien sie ein wenig zu benebeln. Langsam begann ihre Umgebung zu verschwimmen bis sie ein einziges Meer aus Farben war. Der Boden unter ihren Füßen zeriss plötzlich und hinterließ eine schwarze, gähnende Leere. Die wohlige Wärme war mit einem Schlag weg, stattdessen klammerte sich eine fürchterliche Kälte an sie. Für einen kurzen Moment schien es, als würde sie fallen, dann wurde sie so plötzlich hochgezogen, dass ihr Magen einen Purzelbaum zu machen schien. Dieses Gefühl währte nicht lange, als sie ihren Körper schon auf dem Boden aufschlagen hörte. Ein dumpfer Schlag, als hätte man einen Sack Kartoffeln aus dem Fenster geworfen. Zuerst spürte sie nichts, alles fühlte sich taub und nicht wirklich zu ihr gehörend an. Als erstes drang langsam der Schmerz zu ihr durch und es schmerzte wirklich alles! Sogar ihre Zehennägel kribbelten unangenehm. Dann setzten sich die wild herumspringenden Farbpunkte um sie herum zu einem Bild zusammen. Vor ihr erhob sich ein gigantischer Felsen - oder ein Berg? Noch war alles zu unscharf, um es erkennen zu können. Auch Glaurungs Stimme hörte sich merkwürdig dumpf und schrill an.
“Puh, wir haben’s geschafft... Himmel, Mädchen, wie viel wiegst du? Ein Dodongo ist ja nichts gegen dich!”
Die schmeichelnden Worte Glaurungs holten sie langsam aus ihrer Benommenheit zurück. Vorsichtig setzte sie sich auf. Ihre Arme zitterten unkontrolliert als sie sich abstützte. Lenjia ächzte.
“Das war ja furchtbar”, stöhnte sie. “Alles fühlt sich so schwer und ungewohnt an, als hätte ich Blei gegessen.”
“Das kommt davon, weil wir eine dir fremde Dimension durchschritten haben”, erklärte Glaurung. “Körper und Geist trennen sich für einen kurzen Moment und das kann nun mal zu unangenehmen Nebenwirkungen führen, aber du bist wohl noch am glimpflichsten davon gekommen. Bäh, immer dasselbe - als würden einem die Gedärme zum Hintern rausgezogen werden!”
“Na ja, wenigstens sind wir in Hyrule”, murmelte sie matt. “Wir sind doch in Hyrule, oder?“ Glaurung brummte leise.
“Ich habe bis jetzt zwar nur einen großen roten Stein gesehen, aber - ja, ich würde sagen, wir sind in Hyrule.”
Langsam stand Lenjia auf. Sterne glitzerten vor ihren Augen und sie taumelte. Benommen lehnte sie sich gegen einen großen grauen Felsen.
“Tief durchatmen”, murmelte sie. “Ganz ruhig, nur die Ruhe...”
Glaurung zischte ungeduldig. Lenjia war zwar ein Mensch, aber das hieß nicht, das solche Dimensionsreisen nicht weniger anstrengend für ihn seien, besonders mit einer wie ihr.