Square-Enix-Challenge #11: Final Fantasy VII Rebirth
Hab’s im März und April mit Lynx gespielt – eigentlich waren wir vom Remake beide ernüchtert gewesen, aber wie sagt man so schön? Geteiltes Leid ist halbes Leid!
Und Leid gab es genug. Aber auch Freude. Rebirth war ein wahre Wechselbad der Gefühle – wie halt auch schon das Remake.
Grob gesagt fand ich den Anfang eher schwach, den Mittelteil (Junon bis Cosmo Canyon) echt stark, das letzte Drittel (Gold-Saucer-Date bis Finale) dann wieder eher enttäuschend.
Das Spiel macht es einem wirklich nicht einfach, denn es gibt so richtig geniale Ideen, die sich dann aber mit absolut unerklärlichen Hirnfürzen mischen.
Ich will hier keine 5000 Wörter schreiben, deshalb einfach ein paar ungeordnete Gedanken:
1) Das Kampfsystem ist immer noch nicht meins. Nach der Hälfte habe ich auf Leicht umgeschaltet, da ich die Bosse arg spongy fand. Bin ich sehr froh drum, denn zum Ende hin wurde es durchaus herausfordernder – auf Normal hätte ich da viel Frust gehabt. Ich muss aber auch zugeben, dass ich mich nietiefer reingefuchst habe. Gerne gespielt habe ich aber mit allen außer Aerith, meist aber mit Cloud.
2) Die Open World ist wirklich hübsch, wirklich groß und (inhaltlich) wirklich … leer. Das Spiel hat quantitativ gesehen durchaus mehr als genug Content, doch der reicht nicht, um die Welt abseits der Städte lebendig zu gestalten. Sogar Gegner fühlen sich rar an in der Welt – einzig Trashloot gibt es zu Hauf.
3) Traversal ist ein Graus. Es ist total unintuitiv, wo man runterspringen kann, das Klettern läuft im Schneckentempo und es fühlt sich viel zu oft viel zu behäbig an. Die Idee mit den Chocobos ist cool, aber gleichzeitig ist es auch schade, dass man die Hälfte der Gebiete nur so erkunden kann. Und was sollen diese ganzen gezwungen langsamen Einlagen wie mit diesen Mako-Staubsaugern oder dem Kriechen mit den Schultertasten im Nibelheim-Flashback >__>
4) Man fühlt die Progression nicht wirklich. Level Ups machen sich kaum bemerkbar, Waffen sind alle "gleichwertig", sprich, man wird durch eine neue Waffe nicht stärker, nur vielseitiger. Level Ups von Materia merkt man zwar durchaus, aber das Waffen-Skillsystem wiederum erhöht die Werte immer nur marginal.
Es ist nicht so schlimm wie bei FF16 und vielleicht auch marginal besser als im Remake, aber es ist immer noch viel zu wenig. In einem RPG will ich merklich stärker werden – und nach 20h in ein altes Gebiet zurückkehren können, um die Gegner zu oneshotten.
In Rebirth kann man 10h Sidequests erledigen und spürt trotzdem kaum Veränderung.
5) Viele coole Sidequests! Sowohl spielerisch abwechslungsreich als auch oft schön mit der Story verknüpft. Wir haben nur eine Handvoll gemacht, aber die meisten davon waren lohnenswert.
Ein Highlight war z.B. die Frosch-Quest.
6) Die Charaktere sind toll und fast alle besser als im Original. Die einzigen Enttäuschungen sind Yuffie, die arg eindimensional ist und oft in wichtigen Momenten die Atmosphäre zerstört, und Cloud, der hier extrem passiv ist. Viel mehr als im Remake. In vielen langen Dialogen spricht er kaum, was schon fast eine gewisse Komik hat.
Größtes Upgrade sind Cait Sith und Cid, die im Original beide imo schwache Figuren waren, aber auch Tifa, Aerith, Red XIII und Barret kommen toll zur Geltung.
Sehr löblich: In den optionalen Gesprächen werden oft Themen angesprochen, die im Original definitiv gefehlt haben, z.B. wie Charaktere berechtigte Zweifel hegen oder Dinge hinterfragen.
Ebenfalls ein Highlight: die Beziehung zwischen Tifa und Aerith. Für mich persönlich narrativ vielleicht der beste Aspekt des Spiels.
7) Der Humor ist Hit or Miss
Generell mag ich den Charme und die albernen Momente – die haben dem Remake etwas gefehlt. Sachen wie Barret (und Red XIII) im Matrosenanzug und die Sidequests, bei der sich alle in Frösche verwandeln – genau das sind Dinge, die ich z.B. Final Fantasy XVI sehr vermisst habe. Es steht Final Fantasy einfach nicht, durchgehend bierernst zu sein.
Aber auch nicht alles hat bei mir gezündet. Wie schon im Remake mochte ich beispielsweise die Gesangs- und Tanzeinlagen im Gold Saucer nicht, weil es einfach komplett out of character war.
Unterm Strich überwiegen aber die tollen Momente. Nie werde ich meine treuen Soldaten in Junon vergessen – oder das Fußballspiel mit Red XIII gegen den Chocobo und die Monster.
8) Die Dramatik ist auch Hit or Miss
Wo wir bei Gesang sind: Auch Aeriths Lied hat mir missfallen, weil es (im Englischen) von einer ganz anderen Stimme gesungen wurde und viiiel zu professionell klang – das sollte eine rührende Szene sein, aber für mich war es ein arger Immersionsbrecher. Es war einfach nicht Aerith.
Und es gibt einfach sehr viele Momente, wo das Spiel deutlich zu dick für meinen Geschmack aufträgt. Generell kommt Sephiroth wieder mal viel zu oft vor.
Auch Aeriths Rede in Cosmo Canyon kam aus dem Nichts. Das Laternenfest war eine sehr schöne Idee, die aber auch irgendwie völlig kontextlos kam und ging. Wo hingegen war die Lagerfeuerszene, wo Barret über die Ursprünge von Avalanche redet?
Auch hatte Cosmo Canyon hier ziemliche Sekten-Vibes und Tifas „Gruppensitzung“ hat sich schon arg unangenehm angefühlt. Das hat auch gar nicht zu dem behaglichen Ort gepasst, als den ich Cosmo Canyon in Erinnerung hatte.
Und warum muss Hojo ÜBERALL auftauchen? Warum kommt Scarlet so oft vor? Wer hat Don Corneo zurückgeholt? Ausgerechnet all die schlimmsten Charaktere >__>
Auf der positiven Seite gab es echt viele tolle Momente mit Barret (eigentlich seine ganze Geschichte). Gongaga und den Besuch bei Zacks Eltern mochte ich sehr. Die ganze Weltuntergangsstimmung in Zacks Welt hatte auch viel Atmosphäre. Zumeist waren es eher die kleinen, zwischenmenschlichen Momente, die mich überzeugen konnten – weniger die Melodramatik.
9) Minispiele, yay! (meistens)
Es ist wirklich cool, wie viele verschiedene Minispiele Rebirth hat – und davon einige recht komplexe. Highlight ist natürlich Queen’s Blood, aber ich mochte auch andere wie die Rufus-Zeremonie, das Fußballspiel mit Red XIII oder das Mogryhaus.
Bei Weitem nicht alle sind gut und einige können gehörig nerven (Chocobo-Fangen war jetzt keine Gaudi), aber insgesamt ist die Auflockerung sehr willkommen. Dabei haben wir vermutlich bei Weitem nicht alle gemacht.
10) Die Musik ist großartig – es gibt wirklich viele wirklich tolle Arrangements der Originalmusik. Es ist auch toll, wie oft die Leitmotive mal mehr, mal weniger subtil verarbeitet werden und wie viele Versionen es beispielsweise vom Main Theme gibt. Leider geht das auch manchmal etwas zu weit, sodass beispielsweise jeder storyrelevante Bosskampf gefühlt ein eigenes Arrangement/Medley ist – dabei profitiert die Musik in Videospielen ja gerade davon, dass man sie öfter hört. Die Idee fand ich cool, aber es kam mir etwas verschwendet und manchmal auch kontraproduktiv vor, wenn man die Stücke gar nicht alle wirklich wertschätzen kann.
11) Die englische Lokalisierung und Vertonung ist erstklassig. Wirklich toll, wie jeder Charakter eine eigene Stimme hat. Cait Sith mit seinem Dialekt z.B. ist ein Highlight, auch Barret ist sehr gut getroffen. Die Dialoge sind flüssig und natürlich, die Texte kreativ und voller Charme. Wirklich ein Musterbeispiel für eine gelungene Lokalisierung, bei der keine Kosten und Mühen gescheut wurden.
12) Die Locations sind allgemein sehr gut getroffen worden, z.B. Junon, Gold Saucer, Cosmo Canyon, Costa del Sol, Gongaga. Die waren schon im Original grötenteils visuell ein Highlight und fühlen sich hier ebenso besonders und abwechslungsreich an. Nur manchmal sind sie vielleicht zu groß (Stichwort Kalm).
13) Die Dungeons hingegen schwanken zwischen zweckmäßig und furchtbar. Es ist ja schön, dass es Rätsel- und Interaktionseinlagen gibt, aber die sind quasi nie gut. Zudem wurde aus gefühlt jedem Dungeon eine Fabrik gemacht – geht da nicht mehr Variation? >__> Und dann gibt es komplett unnötige Streck-Dungeons wie unten in der Shinra-Villa, die weder Spaß machen noch das Spiel sonst irgendwie bereichern. Ja, Rebirth fühlt sich weit weniger gestreckt an als das Remake, aber man hätte definitiv an einigen Stellen kürzen können. Der Tempel des Alten Volks, den ich zuerst mochte, war definitiv auch viel zu lang.
(Waruuuuum? >___>)
14) Der ganze esoterische Überbau mit den Whispers und Zeit-/Weltlinien hat mich nicht mehr so stark wie im Remake gestört, stellenweise fand ich es sogar halbwegs interessant, aber gerade am Ende ist es dann imo nicht gut zusammengeführt worden. Das ganze Finale war wieder mal viel zu aufgebauscht mit dummen Bosskämpfen, die einfach nur da waren, weil das Spiel ein episches Finale brauchte. Und (End-Spoiler) Aeriths Tod wird halt auch hart dadurch entwertet, dass sie danach noch ungefähr 108-mal auftaucht und auf Cloud einredet.
Und diese... tonalen Inkonsistenzen oder Ideen, die sich miteinander beißen, gab es sehr oft. In den dramatischen Momenten hatte ich selten das Gefühl, dass alles gut miteinander harmoniert – irgendetwas hat mich fast immer gestört.
tl;dr: Unterm Strich würde ich Rebirth schon als spielenswert ansehen. Es ist definitiv besser als das Remake und über längere Strecken ist es richtig gut. Es hat sehr viel Charme, tolle Charaktere, Abwechslung, Minispiele, beeindruckende Panoramen, erstklassige Musik und haufenweise coole Ideen. Es ist auch sehr beachtlich, welche Umfang es hat – auch wenn die große Welt die Achillesferse des Spiels ist. Die Kämpfe konnten mich – wie beim Remake – leider nicht abholen, die RPG-Elemente sind zu hintergründig und die Erkundung ist leider sehr formelhaft. Dazu dann halt auch viele tonale Inkonsistenzen und unerklärliche Designentscheidungen (wie die Mako-Staubsauger oder das lahme Klettern), die doch jedem Tester hätten auffallen müssen.
Rebirth macht es mir echt nicht leicht. Ich würde es gern so viel lieber mögen, aber zu vieles zieht die Erfahrung herunter. Zumindest das hat es mit dem Remake gemeinsam.
Den dritten Teil werde ich definitiv auch spielen – auch wenn ich da eher pessismistisch bin, da das „gute“ Pulver größtenteils verschossen ist und die Story, die jetzt noch kommt, mich nicht sehr reizt. Ich bin nach dem Ende auch echt nicht mehr sonderlich investiert und auf einen Krieg mit Wutai habe ich auch wenig Lust. Ich bin trotzdem gespannt, wie z.B. die Erkundung der Welt per Flugschiff ist und wie alles ausgeht.