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Square-Enix-Challenge #9: Stranger of Paradise: Final Fantasy Origin

Ist es echt schon zwei Jahre her, dass das Spiel erschienen ist?
Ich weiß noch, dass ich den Reveal-Trailer damals furchtbar kringelig fand. Nach der verhalten positiven Rezeption zum Release, die vor allem das an Nioh angelehnte Gameplay gelobt hat, dachte ich mir aber: Ach, ist bestimmt ein okayes Spiel für zwischendurch.
Und das … war es auch.
Vorweg: Stranger of Paradise spielt in der Welt von Final Fantasy I und interpretiert die Geschehnisse quasi neu. Viele der Schauplätze kommen vor und die NPCs aus dem Spiel sind hier teils relativ wichtige Figuren.
Die Hauptfiguren mit ihren modernen Outfits wirken in der mittelalterlichen Fantasywelt direkt fehl am Platz. Das wird zwar im Rahmen der Geschichte durchaus erklärt, aber Stranger of Paradise ist stellenweise doch wirklich zum Fremdschämen edgy und hardboiled.
Das fängt beim unterkühlten Protagonisten Jack an, der nicht nur aussieht, wie ein typischer amerikanischer Actionfilmprotagonist, sondern auch genauso spricht, dumme Sprüche inklusive. Ich vermute mal, dass Square Enix hier eine Zielgruppe ins Boot holen wollte, denen Final Fantasy bislang zu „japanisch“ war.
Diese stumpfen und bisweilen grenzdebilen Dialoge ziehen sich durchs ganze Spiel, aber auch die Präsentation tut ihren Teil. Am Anfang des Spiels gibt es eine Szene, in der Jack bei Sonnenuntergang durch ein Feld mit Gräsern geht, während Frank Sinatras „My Way“ spielt – und das Spiel nimmt sich dabei bierernst
Noch schlimmer (besser?) ist es, dass die Szene absolut aus dem Nichts kommt und kein bisschen zur Story beiträgt. Wirkt eher wie eine AMV, die irgendein 14-Jähriger für YouTube erstellt hat 
Herzstück des Spiels ist natürlich das Gameplay, und gerade im Mittelteil gibt es auch kaum Story. Man zieht als die neuen vier Krieger des Lichts durch die Gegend und sucht – mit Unterstützung des Dunkelelfen Astos – die vier Kristalle auf und besiegt Bosse.
Zwischendurch gibt’s immer wieder Storyschnipsel, die andeuten, wer Jack wirklich ist. Seltsamerweise findet man die oft in Dungeons als Wall of Text, bevor sie in der Hauptstory enthüllt werden. Das wirkt schon arg schlecht gemacht. Es wirkt glatt so, als hätte das Spiel mehr Lore, als man dem Durchschnittsspieler zutrauen wollte, und hat sie deshalb in die denkbar langweiligste Präsentationsform ausgelagert.

Ich habe nie ein 3D-Soulslike gespielt, deshalb fand ich den Anfang tatsächlich ziemlich fordernd. Im ersten Dungeon bin ich öfter gegen normale Gegner gestorben und am ersten Boss habe ich mir eine ganze Weile die Zähne ausgebissen.
Mein Problem ist – und war es bis zum Ende –, dass ich mich nicht so wirklich ans Blocken gewöhnen konnte und lieber ausgewichen bin, wie auch in anderen Spielen. Dabei ist das Blocken eigentlich die Kernmechanik, um die Patterns der Gegner zu lernen. Habe ich auch gelegentlich genutzt, aber seltener, als man es sollte.
Meine Taktik war es stattdessen, mehr auf Fernkampf zu gehen, und zwar mit dem Lancer. Das Kampfsystem ist aber daraus ausgelegt, dass man normal Angreifen oder gezielt abwehren muss, um MP zu erhalten, die man wiederum für Skills braucht (alle Fernangriffe sind Skills).
In den meisten Bosskämpfen und fast allen normalen Kämpfen hat es aber ganz gut geklappt, die im Fernkampf so weit wie möglich zu schwächen und den Abschluss dann im Nahkampf zu machen.

Tatsächlich ist das Kampfsystem des Spiels relativ komplex. Es gibt 27 verschiedene Job, die sich auch wirklich verschieden spielen. Fast schon zu viel, würde ich sagen, denn man muss die Angriffsmuster jedes Jobs erst neu lernen. Klar, die Standardangriffe funktionieren immer gleich. Aber jeder Job hat spezifische Eigenheiten, für die man z.B. beim Angreifen noch Richtungstasten drücken muss.
Es werden zwar Tutorials angeboten, aber ehrlich gesagt hatte ich gar keine Lust, mich da groß reinzufuchsen. Entsprechend bin ich primär bei einem Job geblieben. Geht auch problemlos. Die normalen Kämpfe sind eh nicht sehr fordernd.
Neben den Jobs beschränken sich die RPG-Elemente auf die Ausrüstung. Es gibt keine Level Ups und effektiv auch keine Items (außer Potions), stattdessen droppen die Gegner Equipment – UND. ZWAR. IN. MASSEN.
Nioh-Veteranen werden es sicher kennen. Es ist keine Seltenheit, dass man eine Mission mit 200-300 neuen Ausrüstungsteilen abschließt. Logischerweise ist das meiste davon natürlich Trash, den man sogleich wegwirft (bzw. "zerlegt").
Es gibt auch ein Crafting-System, bei dem man Ausrüstung (marginal) verbessern kann. Das ist aber wiederum ziemlich sinnlos, da man die gleiche Ausrüstung eh nie lange behält. Im Grunde sammelt man in jeder Storymission ein komplett neues Set an Ausrüstung, das eine halbe Stunde später schon wieder komplett obsolet ist. Entsprechend rüstet man auch nicht manuell aus, sondern geht alle drei Minuten ins Menü und klickt "Optimal".
Das macht den ganzen Gameplay-Loop schon sehr stumpf und es ist schade, dass es nicht mehr RPG-Elemente gibt. Die Dungeons sind visuell hübsch und haben sogar kleinere interaktive Elemente. Die Erkundung aber lohnt sich nicht, da alle Schatztruhen zufallsgeneriertes Trashloot sind. Im Grunde läuft man also immer nur von A nach B, killt auf dem Weg die Gegner und stellt sich am Ende dem Boss.

Vielleicht muss man das System auf höheren Schwierigkeitsgraden besser für sich nutzen. Aber die Art, wie Ausrüstung hier behandelt wird, ist für mich schon inhärent broken und wurde ja auch schon bei Nioh viel kritisiert. Ich verstehe auch ehrlich gesagt nicht, was der Reiz dabei sein soll, mit Loot überflutet zu werden, von denen 90%+ überhaupt keinen Nutzen hat.
Na ja, und abseits davon gibt es kein Gameplay. Missionen wählt man auf der Weltkarte aus, Sidequests sind Aneinanderreihungen von Kämpfen in Dungeons, die man schon kennt. Und Städte gibt es keine, außer Cornelia, wo es abseits der Story nichts zu erkunden gibt.
Was ich aber sagen muss: Das Ende ist tatsächlich eine sehr coole Überleitung zu Final Fantasy I. Die Lore aus den Urspiel wird gut verarbeitet und erweitert – und das war für mich auch ein großer Reiz. Gerade die Idee, dass das Spiel die Villain Origin Story von Garland erzählt und Chaos eigentlich gar nicht die größte Bedrohung, sondern eine Notwendigkeit ist, um die Welt aus den Klauen ihrer Schöpfer zu befreien, ist ziemlich cool.
Das rettet die Story – und vor allem die Charaktere – natürlich nicht. Aber diesen Teil fand ich cool.

tl;dr: Stranger of Paradise ist eine interessante Neuinterpretation des ersten Final Fantasy mit interessanter Lore, aber furchtbaren Dialogen und Charakteren. Als mäßig anspruchsvolles Soulslike macht es auch durchaus Spaß, wird aber mit der Zeit – vor allem durch das stumpfe Ausrüstungssystem und den Mangel an RPG-Elementen – monoton und ist vielleicht auch etwas komplexer, als nötig ist.
Spielzeit: 14:00
Wertung: 6/10
Challenge-Status: 9/12
Berechtigungen
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