Da man es als Entwickler mit Spielern unterschiedlicher Vorerfahrungen und teils gänzlich anderer Erwartungen und Vorlieben zu tun haben kann, ergibt sich erfreulicherweise für fast jede Bosskampfgestaltung ein Publikum. Ich baue meist Schwierigkeitsgrade, für deren Bewältigung man nur selten 5 Züge oder mehr vorausplanen muss, die fehlertolerant sind und einem erkundungsfreudigen Spieler vor dem Bosskontakt immer ein paar Portionen Hilfsmittel zusätzlich ins Inventar spülen. Mit so einer Zielrichtung kann ich ein paar Lösungen entwickeln.
Die erste Schwierigkeit ist bereits der Bosskampf als Phänomen. Soll er sich gezielt vom sonstigen Kampf-Usus abheben und eine begrüßenswerte Abwechslung und Herausforderung darstellen, stelle ich mich der Frage: Wie weit darf der Regler in Richtung Änderung geschoben werden, bis ein unliebsamer Umschwung in der Spielmechanik eintritt, der den Bosskampf dem bisherigen Spielablauf entfremdet? Wann ist anders zuviel? Sofern ich nicht einfach Feature-Listen zusammenbastele, sondern mein Projekt auf einen konzipierten Spielzuschnitt ausrichte, kann ich jederzeit die neuen Einbauten auf ihre Verträglichkeit mit dem avisierten Spielcharakter überprüfen. Das Bewusstsein um dieses Problem ist meiner Erfahrung nach bereits die halbe Miete.
Eine Struktur des Bosses ist für meinen skizzierten Schwierigkeitsgrad unerlässlich. Ich finde es in Ordnung, den Spieler den Boss zunächst lernen zu lassen. Es darf ruhig aufs Maul geben, soll es in meinem Verständnis eines Bosses sogar ausdrücklich. Aber selbst, wenn es beim ersten Anlauf direkt "Game over" heißt, bin ich bestrebt, den Spieler mit einem gewachsenen Verständnis der erlebten Wirkungszusammenhänge scheitern zu lassen. Dann weiß er, was sich besser machen ließe. Der Lerneffekt ist ein Ansporn eigener Kraft. Eine dargebotene Zufälligkeit in den Bossaktionen, deren tatsächliche Mechanismen sich erst nach zwei oder weitaus mehr Anläufen allmählich erschließen, ist meinen Absichten kontraproduktiv.
Um hässliche Bündelungen starker Attacken des Bosses zu vermeiden, weise ich sie gern einzelnen Kampfphasen zu. Da ich den Phaseneintritt an konkrete Bedingungen knüpfe, erhalte ich mir auch die Kontrolle über die maximale Gegnerwucht in den verschiedenen Kampfzeiträumen. Zudem steigt der taktische Anspruch, weil es nicht nur eines einzigen Schemas bedarf, um einen Gegner zu besiegen, der sein Verhaltensmuster wechselt.