Nachdem Steve und ich nun auch mit dem Spiel durch sind (privat, das LP wird noch ein wenig Zeit in Anspruch nehmen :P) möchte ich auch mal meinen Eindruck vom Spiel wiedergeben.Persönlich stand ich dem Spiel anfangs recht aufgeschlossen gegenüber, unter anderem wegen des unüblichen grafischen Stils. Mein anfänglicher Enthusiasmus wurde allerdings recht schnell gebremst. In einigen Punkten gebe ich Shiznat durchaus recht, bzw. werde ich mal versuchen meine Perspektive zu erläutern.
Fangen wir mit dem Kampftutorial an, bei dem kritisiert wird, dass es zu viel vorweg nimmt. Problem ist meiner Meinung nach gar nicht das Foreshadowing, sondern das man mit einem elend langen Text zugespammt wird. Der für den ersten Kampf wichtige Inhalt wäre mit zwei Sätzen gesagt, alles Weitere ist einfach nur Ballast. Ich möchte das Spiel spielen, keine Tutorials lesen. Und wenn ich es doch möchte, dann kann ich es per Knopfdruck im Menü. Eine kurze Erklärung und ein kurzer Vermerk auf weiterführenden Text wären völlig ausreichend gewesen.
Weiterhin die Dialoge, die zurecht als unfreiwillig komisch kritisiert werden. Das liegt aber vor allem an unserem Protagonisten, Steve. Vielleicht war es ja Deine Absicht, Steve nicht als typischen Helden, sondern im Gegenteil, eher als Unterschichten-Hartz IV-Empfänger darzustellen, der auch noch eine Menge Neurosen besitzt. Ja, vielleicht. Wirklich für den Spieler erkenntlich etabliert wirkt es nicht, falls es so gedacht sein sollte. Stattdessen muss man immer wieder herzhaft lachen. Ernsthaft, ich hatte in Calm Falls R so gute Lacher wie es sonst nur in einer Allreise oder ähnlichem möglich ist. Allerdings war es kein mit dem Spiel lachen, sondern über das Spiel lachen. Die Dialoge mit Bill, in denen das Kind als überlegener Part rüberkommt, sind noch das Geringste. Schlimmer wird es, wenn Steve über seine schlechten Erfahrungen mit Ärzten spricht, oder den Plan hegt sich solange mit Amy unter einem Tisch zu verstecken, bis Hilfe kommt. Als Spieler weiß man nie, ob man lachen oder weinen soll, weil der Protagonist andauernd so lächerlich wirkt.
Im Übrigen halte ich deine These für falsch, dass Figuren in Geschichten anders reden als echte Menschen. Höchstens sind Figuren in Geschichten viel überzeichneter, aber auch im echten Leben redet jeder anders; Tonalität, Wortwahl, Tempo… wenn sich Jugendliche in ihrem Jargon unterhalten, klingt das nicht anders als Dialoge in Makerspielen.
Die Kämpfe… habe ich zum großen Teil selbst verkackt. Beim LPen bin ich aber natürlich auch etwas weniger stark auf das Spiel konzentriert, wodurch man oft vergisst zu heilen usw. Auf dem normalen Schwierigkeitsgrad war es mir zu schwer, aber auf leicht konnte ich problemlos weiterspielen. Eigentlich hätte ich an den Kämpfen auch gar nicht so viel zu bemängeln, wenn es nicht einfach so extrem viele gewesen wären. Ich weiß, der Fokus des Spiels sollte darin bestehen, aber es wurde einfach komplett übertrieben. Dazu kommt, dass viele Kämpfe nicht gut designed sind – manchmal teilen alle drei Gegner dieselbe Schwäche, aber in wieder anderen Kämpfen muss man andauernd die Waffe wechseln, was einfach nicht elegant ist (zumindest nicht ohne eine Schnellknopffunktion). Abgesehen davon, dass drei Gegner auf den kleinen Maps auch oft zu viel ist, weil man beim Ausweichen versehentlich in den nächsten Screen läuft. Auch das Design der Bosse leidet etwas – es gibt ein paar richtig gut gemachte Bossgegner im Spiel, aber insgesamt sind es einfach zu viele. Dann doch lieber weniger, die dafür länger und packender.
Leider muss ich auch sagen, dass die Umsetzung der Kämpfe sehr schlampig war. Du hast zwar bereits Begründungen (oder Ausreden) gebracht, warum es so ist, aber das kann ich einfach nicht akzeptieren. Ein Spiel darf nicht unfair sein – und das wird es eben, wenn man als Spieler im Menü beschäftigt ist, aber noch von einem Geschoss des Gegners getroffen wird. Am besten in dem Moment, in dem gerade heilen wollte, getroffen wird, den Trank trinkt und sofort tot umfällt.
Das Frauenmonster… von meinem Mitspieler wurden solche „Kreaturen“ als ähnlich negativ aufgefasst. Ich kann dazu nicht viel sagen, da ich die morbide Erotik eines Silent Hill nicht kenne und von daher nicht zuordnen kann, ob du richtig liegst oder nicht. Für mich als Spieler fehlt auf jeden Fall der Kontext – du verweist auf eine Story, aber wo soll die sein? Im Spiel selbst wird nichts erklärt, man kann sich höchstens Dinge zusammenreimen. Was ein nacktes, weibliches Monster mit Steves Krankheit oder seinem Verhältnis zu Frauen zu tun haben soll, wird aber vom reinen spielen nicht klar – deswegen stoßen sich wohl einige den Kopf an sowas.
Die Perspektivwechsel im Spiel finde ich ganz schrecklich. Calm Falls wäre immer noch verwirrend genug aufgebaut, wenn man nicht durch mehrere Häuser laufen müsste, nur, um in einen anderen Stadtteil zu kommen. Oder durch eine Kanalisation… ich weiß, es soll ein Silent Hill oder ein Dreamland darstellen, aber das erklärt trotzdem nicht diese komischen Perspektivwechsel.
Touchpads waren am Anfang ja noch witzig, aber die letzten drei oder so waren wirklich total krass. Ansonsten hat mir ein wenig die Diversität bei den Rätseln gefehlt.
Diverse Logikfehler wurden von anderen bereits angesprochen. Mein persönlicher Favorit: Amys Anruf aus der Kanalisation. Wieso gibt es in der Kanalisation ein Telefon? Woher hat sie die Telefonnummer der Apotheke? Wie war es möglich, Steve genau im richtigen Moment zu erwischen? Sorry, aber das war echt ein billiger Plotdevice… aber humortechnisch ein Höhepunkt. In einem Horrorspiel… oder wie genau würdest Du das Genre nennen? Thriller?
Tjo, tl;dr oder so. Vielleicht war die Betatestphase nicht ausreichend lang, oder es gab einfach an den wichtigen Stellen keine entsprechende Kritik. Ich sehe hier auf jeden ein Spiel vor mir, das gar nicht so schlecht sein könnte. Dafür muss allerdings die Balance zwischen kämpfen, erkunden und rätseln stimmen. Die Dialoge könnten auch Überarbeitung vertragen. Ein Spiel muss Spaß machen – wenn die trashigen Dialoge das Beste am Spiel sind, ist einiges schiefgelaufen. Frust entsteht einfach zu schnell durch zu viele Kämpfe und durch die verwirrende Welt. Und gegen Ende sind die Rätsel einfach zu schwer für normale Gamer. Ich möchte aber zumindest noch positiv anmerken, dass der Spielfluss des Spiels soweit stimmt (abgesehen von Waffenwechsel im Kampf und den Rätseln gegen Ende) und der Soundtrack sehr stimmig und passend ist. Also passend zu dem, was das Spiel beabsichtigt zu sein, zu den Dialogen passt sie nicht so wirklich![]()