Hier wird nicht geterrort
Zitat von Kelven
@Sabaku
Ein Bekannter hat das Spiel auch gelobt. Ob das nicht doch der bessere Weg ist, wenn einem die Geschichte besonders am Herzen liegt? Vielleicht sollte man das Gameplay bewusst reduzieren, um mehr Zeit für die Handlung zu haben.
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Ich denke was das Problem an Gone Home war, war die Erwartungshaltung. Irgendwie kamen eine Menge Leute bei Veröffentlichung auf den Trichter, dass es sich um ein Horrorspiel handeln müsse. Egoperspektive, Amnesiamäßiges Schubladen durchwühlen, Exploration ohne Waffen in einem verlassenen Haus, die ein oder andere sehr conveniente Raumbeleuchtung mit Lichtflackern und ein verlassener Dachboden...scheint offensichtlich gereicht zu haben . In Steam ist es aber einzig als Adventure ausgeschrieben und in der dazugehörigen Beschreibung wird nichts in der Hinsicht erwähnt. Ein wenig vorher kam auch Five Nights at Freddys auf Steam heraus und die SCP-Spiele und Slender waren zu der Zeit schon als DIE maßgebliche Horrorexperience bekannt. Man hat wohl irgendwie erwartet, dass es sich um einen Seitentrieb dieses Trends handeln müsse, hat den Fokus auf den Horrorfaktor gelegt - also der Spieler - und die Geschichte der Familie, um die es eigentlich geht wahrscheinlich als Build Up zu irgendetwas Horrormäßigen erwartet, was dann halt leider nicht so der Fall war.
Um zu deinem Gameplay-Handlungs-Gedanken zu kommen: Ich glaube zwar dass es schon möglich ist, viel Gameplay und "viel" Story/Atmosphäre unter einem Hut zu bringen, aber ich glaube auch dass sich vor allem im Horrorgenre diese beiden Ideale ein Bein stellen. Wo der Spieler zuviel mit dem Gameplay beschäftigt ist oder sich sogar darüber ärgert, weil es schlecht umgesetzt oder schlecht gebalanced ist, bleibt viel von dem was Horror ausmacht auf der Strecke.
Ich stelle einfach mal die These auf, dass der Entwickler dem Spieler ein gewissen Grad an Freiheit und Möglichkeiten abnehmen muss, um sicher zu stellen, dass der Spieler auch in Situationen rutscht, in denen er tatsächlich "Horror" erlebt.
Dass deckt sich mit der Aussage von einigen, dass wehrlos und hilflos zu sein eine Art sein kann um Angst oder Horror zu erzeugen, also schmeißen wir schonmal sämtliche Kampfsysteme aus unserem Spielkonzept heraus, die Clock Tower Serie wäre dafür ein Beispiel, genau so wie Haunting Ground. Neuerer Vertreter dieser Richtung auch das vielgefeierte Alien:Isolations. Du kannst dem Gegner ein Bein stellen, ja, aber los wirst du ihn nicht.
Dann wäre es ziemlich ärgerlich, wenn der Spieler dauernd genau den Weg einschlägt, wo er die die wirklich gut getimten Schreckmomente gar nicht mitbekommen würde, also sind so Sachen wie Open World schonmal raus, oder zumindest ein sehr utopischer Gedanke. Ein ähnliches Problem hatte zum Beispiel Daylight nicht das Makerspiel, ein Horrospiel in dem man sich über weite strecken in einem prozedural generiertem Irrenhaus aufhält, bis auf einige Kernsequenzen. Wärend der eine Spieler dauernd irgendwelche Horrortanten ins Gesicht geworfen bekam, ist bei manchen nur die Inneneinrichtung durch die Gegend geglitcht. Zumindest dachten sie das, in Wirklichkeit waren das nur nicht erkannte "Poltergeist-Horroreffekte".
Das ist vielleicht auch der Grund dafür, warum das typische Horrorspiel nur auf begrenztem Raum stattfindet und eher linear aufgebaut ist. Silent Hill macht das ja auch ,es gibt zwar Möglichkeiten Storytechnisch am Ende zu drehen, aber die Umgebung und der Spielverlauf bleibt stets dasselbe. Silent Hill-Spiele wiederum haben aber auch ein Kampfsystem - bis auf Shattered Memories.Was das angeht würde ich einwerfen, dass die Serie insofern eine Gradwanderung beschreitet. Spielt man Silent Hill auf einem höheren Schwierigkeitsgrad, ist es definitiv für den Spieler lohnenswerter und erfolgreicher, Monstern wo es geht einfach nur auszuweichen, wegen beschränkten Ressourcen und zu hoher Wahrscheinlichkeit im Nahkampf niedergemäht zu werden, also eine eher zweifelhafte Sicherheit. In Downpour gibt es eine zusätzliche Komponente, die das Ende beeinflusst, je nachdem wie aggresiv man spielt. Viele haben SH:Homecoming dafür kritisiert, dass es genau diesen Spagat nicht schafft - angeblich zuviel Fokus auf Kämpfen und zu wenig subtiler Horror, was ja sonst eigentlich die Stärke der Silent Hill Serie ist.
Das Paradebeispiel für "Zuviel von allem" in Gameplay-Hinsicht ist und wird immer bleiben: Deadly Premonition. Das Spiel hat eine wirklich sehr clevere Story, viele, viele Charaktere mit ausgearbeiteten Hintergrundgeschichten und hat einige Elemente von Twin Peaks geliehen, die das Spiel wahrhaftig symphatisch machen. Es versucht im Kern eine Mischung aus Krimi und Horror zu sein und schafft das mit ein wenig blinzeln auch Stellenweise ziemlich gut. Auf der anderen Seite hat das Spiel ein ultramissglücktes Resident-Evil-Esques Kampfsystem mit Schusswaffen und Katanas, Sammelkarten,etliche SammelNebenquests, Kistenschiebeminispiele,Angelminispiele, Versteck-dich-im-Schrank-Sequenzen Rennfahrminispiele, ein paar Wannabe-Rätseleinlagen, eine Hungerleiste, ein begrenztes Inventar, viel freischaltbaren Quatsch, viele Fahrsequenzen, unnötige Quicktimesequenzen und den Zeitfaktor, der dir vorgibt wann gewisse Sequenzen stattfinden müssen, zb:"Um so und so viel Uhr findet eine Versammlung im Rathaus statt". Wenn man zu solchen Zeiten nicht vor Ort ist,verpasst man eventuell Storysequenzen oder muss es am nächsten Tag wieder versuchen. Auch wunderbar und überhaupt nicht Atmosphärefördernd sind Speicherpunkte in Zombieverseuchten Dungeons, an denen du dich rasieren, deinen Anzug wechseln oder schlafen kannst, alles markiert durch das hässlichste und unsubtilste Interface dass man in ein Horrospiel einbauen kann. Hier kann man wirklich behaupten, hätte das Spiel nur halb soviel Gameplaycontent würde wohl tatsächlich sowas wie Horror aufkommen, aber als Spieler möchte man ja häufig alles mitnehmen was man so mitnehmen kann und da stellt sich diese Fülle an Möglichkeiten wirklich als Hinderniss für alles andere dar. Gut ist das Spiel übrigens trotzdem, aber nicht wirklich als Horrorspiel X}
Es gibt noch etliche andere Beispiele mit eher zweifelhaften Gameplayentscheidungen: Ich frage mich zum Beispiel, ob es tatsächlich gut war aus Amnesia
machine for Pigs das ganze Inventar herauszuarbeiten. Gut, es gab kein Lampenöl mehr, keine Heiltränke und die Wahnsinnskomponente ist auch komplett weggefallen. Dadurch sind aber auch Rätselmöglichkeiten weggefallen, bzw wurde kein guter Workaround damit gefunden, jedes Item per Hand von A nach B zu tragen. Übriggeblieben ist nur noch das davon schleichen von Gegnern und das Zettel einsammeln + das magere "Warte bis der Gegenstand in deiner Hand irgendwo an einem sinnvollen Ort einrastet". Dafür hat mir aber auch die Story und die Atmohsphäre in dem Spiel weitaus besser gefallen. Zufall? Eiskalte Kalkulation? Keine Ahnung, aber es unterstreicht meine These
Geändert von Sabaku (26.08.2015 um 18:34 Uhr)