Ich möchte dieses für mich immer noch sehr interessante Thema in einem neuen Thread fortführen, da der alte Thread von Lil_Lucy auf Wunsch von Lil_Lucy selbst endlich seinen wohlverdienten Frieden finden soll.

Horror ist heute - anders als zu seinen Anfängen - ein weitgefasster Begriff. Mitunter reicht es schon, dass Figuren auftauchen, die mit dem Genre in Verbindung gebracht werden, um von Horror zu sprechen und so überrascht es nicht, dass auch bei Spielen die Bandbreite recht groß ist. Sie reicht von Action-Horrorspielen (Extrem: Shooter) bis zu Horror-Adventures (Extrem: interactive fiction). Die Makerhorrorspiele haben sich früh von Actionspielen (mit wenigen Ausnahmen) entfernt, vermutlich wegen der technischen Unzulänglichkeiten der Maker, aber vielleicht auch deswegen, weil bei Actionspielen die Handlung selten eine große Rolle spielt. Und das soll sie ja in den Makerhorrorspielen.

Oder kommt mir das nur so vor? Auffällig ist jedenfalls, dass sich die Makerhorrorspiele in der Hinsicht von den Horror-Adventures, die ich in letzter Zeit gespielt hab, deutlich unterscheiden. Die Spiele hatten weder ausgearbeitete Charaktere noch eine dichte Handlung. Übrigens auch so gut wie keine Jump Scares, die Spiele haben sich alle durch ihre Atmosphäre definiert. Warum unterscheiden sich Makerhorrorspiele und Horrorspiele von außerhalb? Liegt es an der Engine oder daran, dass Makerentwickler oft Rollenspielfans sind und deren Erzählweise auch auf andere Spielgenres übertragen? Wie wirkt sich der Umfang der Handlung auf das Gameplay aus? Das sind alles interessante Fragen, die ich erst mal unbeantwortet lasse.

Es liegt nahe, dass Makerhorrorspiele genauso wie die meisten anderen Makerspiele aufgebaut sind - gleiche Perspektive und gleiche Mechanik - denn als Makerentwickler möchte man natürlich am liebsten Makerspiele machen. Auffällig ist aber, dass man diese Darstellung wirklich nur auf den Makern oder ähnlichen Engines findet oder kennt jemand Horrorspiele, die sich bewusst für so eine Darstellung entschieden haben, obwohl sie es eigentlich nicht müssten? Die Horror-Adventures, die ich kenne, sind entweder First-Person-Point'n'Click oder Third-Person-Point'n'Click mit "flacher" Perspektive wie man sie von z. B. Maniac Mansion kennt.

Mal ein Vergleich der Systeme (wichtig: es geht nur um 2D-Spiele).

Bewegung der Spielfigur
Maker: Man steuert mit Tastatur, Gamepad, selten auch mit Maus und muss die Figur manuell zur nächsten Map oder zum interaktiven Objekt bewegen.
First-Person: Man wechselt per Mausklick unmittelbar den Raum und muss die Figur sonst nicht bewegen.
Third-Person: Man bewegt die Figur (oft automatisch) per Mausklick zum nächsten Raum oder zum interaktiven Objekt.
Ergebnis: Das First-Person-Adventure hat wegen der unmittelbaren Bewegung die Nase vorn.

Interaktion
Maker: Die Spielfigur muss vor den interaktive Objekten stehen, also zu ihnen gesteuert werden.
First-Person: Alle interaktiven Objekte können unmittelbar mit der Maus ausgewählt werden.
Third-Person: Die Spielfigur muss meistens vor den interaktiven Objekten stehen, also zu ihnen gesteuert werden.
Ergebnis: Auch hier ist das First-Person-Adventure im Vorteil.

Action
Maker: Der Maker mag für Action nicht die erste Wahl sein, trotzdem ist es möglich, Gegner einzubauen. Im Grunde geht alles, was man von 3D-Spielen kennt: kämpfen, sich verstecken oder flüchten.
First-Person: Höchstens wildes Mausklicken.
Third-Person: Im Vergleich zum Maker hat man oft weniger Platz zum Bewegen, deswegen eignet sich die Engine für Action eher weniger.
Ergebnis: Klassische Adventure-Engines eignen sich nicht für Action. Diesmal ist der Maker im Vorteil.

Animation, Inszenierung
Maker: Keine Einschränkungen.
First-Person: Man sieht die Spielfigur nicht und aufgrund des meistens großen Maßstabs sind Animationen sehr aufwändig.
Third-Person: Keine größeren Einschränkungen. Nur eine Bewegung im Raum sieht wegen der flachen Perspektive manchmal etwas seltsam aus.
Ergebnis: Hier ist das First-Person-Adventure im Nachteil. Für tolle Animationen und hollywood-reife Inszenierungen bietet es sich nicht an.

Zusammengefasst lässt sich also sagen, dass die Maker-Engine für Adventures nicht die erste Wahl ist. Sie hat aber wiederum den Vorteil, dass sie auch Gameplay zulässt, das mit einer Adventure-Engine kaum umsetzbar wäre.

Geht es den Makerentwicklern also gerade um dieses Gameplay und woher stammt es eigentlich? Die Makerhorrorspiele orientieren sich mMn mehrheitlich an 3D-Horrorspielen (ganz besonders an der Silent-Hill-Reihe). Das Gameplay wurde an die Maker-Engine angepasst und ziemlich vereinfacht, war aber ansonsten den Vorbildern zunächst sehr ähnlich, bis dann irgendwann die Kämpfe ganz wegfielen. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Das Horror-Adventure, bei dem man entweder höchstens fliehen kann oder gar keine Gegner vorgesetzt bekommt, ist am populärsten - und das offenbar nicht nur in der deutschen Community.

Man könnte denken, dass diese Spielmechanik ausgereift ist, besser würde es auf dem Maker gar nicht gehen, aber ist das wirklich so? Die Antwort hängt wohl ein Stück weit davon ab, was man mit dem Spiel erreichen möchte, doch zumindest eines ist klar: Den wenigsten Entwicklern geht es um ein Adventure mit einer höchstens rudimentären Handlung. Handlung und Charaktere sollen also schon eine Rolle spielen, vielleicht sogar eine größere, als es bei kommerziellen Horrorspielen üblich ist.

Dann wäre es ja denkbar, das Spiel anders aufzuziehen. Könnte ein Makerhorrorspiel auf einsetzbare Gegenstände und Rätsel und Gegner (egal wie man mit ihnen umgeht) verzichten? Es gibt immer jemanden, der diese Frage mit Ja beantwortet, aber ganz so einfach ist es ja nicht. Entscheidend ist nicht das Ob, sondern das Wie. Lil_Lucy hat in seinem alten Thread ein paar Vorschläge gemacht, ich hab auch schon darüber nachgedacht. Dabei stoße ich immer wieder auf ein Problem, das mich schon seit vielen Jahren beschäftigt. Ich frag mich, ob ein Makerspiel, das eher in Richtung interactive fiction geht, überhaupt jemanden Spaß machen würde. To the Moon sagt Ja, doch vielleicht ist das Spiel nur eine Ausnahme oder das Konzept funktioniert mit Horrorspielen nicht. Trotzdem finde ich den Gedanken interessant, ein Horrorspiel ohne die klassische Mechanik wäre auf dem Maker halt wirklich Neuland.