Ich arbeite das mal Stück für Stück ab:
Ich würde hier weniger von Kontext als von Zielsetzung und Genre sprechen. Enzyklopädien und deren Artikel als solche sind kein Kontext, sondern Konstituenten eines Genres. Der Kontext geht weit darüber hinaus. Vor allem aber ist Wikipedia als solches ein wackliges Beispiel, da viele der expliziten Bilder im Hintergrund scharf diskutiert werden. Der mediale Kontext bzw. das Genre schieben nicht das Bild ins rechte Licht, das Bild muss zum Genre passen.
Du umschiffst das eigentliche Problem: Du schreibst pornografischem Material (wenn auch implizit) pauschal alle Möglichen Eigenschaften zu, die es keineswegs per definitionem hat. Es gibt pornografisches Material, das keineswegs realitätsverzerrend ist oder Gruppierungen in ein schlechtes Licht rückt, seien es jetzt Frauen, Männer, oder die ganze LGBTQ-Kiste, allen voran, wenn es in einen größeren Kontext wie ein Buch, Spiel, etc. eingebettet ist. Das heißt aber trotzdem noch nicht, dass diese Sachen kindgerecht sind.
Bezüglich deines Fernseharguments: Wann genau hast du zuletzt denn bitte grafisch expliziten Sex im deutschen Fernsehn gesehen, so ganz ohne Zensur oder "günstige" Kameraeinstellungen? Soweit ich mich erinnere, ist selbst der Trash-Porn der nachts um 3 läuft bemüht (angehalten?), gewisse Grenzen zu wahren. Es ist doch schon jedes mal ein riesen Thema in der Regebogenpresse, wenn ein etwas größerer Film einen nackten Mann von vorn zeigt und da sind wir noch lange nicht bei einem sexuell erregten Mann.
Entschuldige, das war tatsächlich missverständlich ausgedrückt: Selbstverständlich ist es keine "einfache" Sache, darüber zu Urteilen, ob es etwas Schaden bei der persönlichen Entwicklung anrichtet. Das "einfach" war hier komplett (und nicht abwertend gemeint, auch wenn es vielleicht so ankam) auf deine Darstellung dessen bezogen: Dass es möglich und üblich sei, jedes einzelne Spiel, jeden Film, jedes etwas in der Gesamtheit seines Kontexts hinsichtlich seines Schadenspotentials zu beurteilen. Das klappt so einfach nicht. "Kontext" ist in der Hinsicht ein grauenhaftes Konstrukt, da es eben nicht klar eingrenzbar ist und alles sein kann. Um genau das auf der einen Seite zu umschiffen, andererseits um willkür zu vermeiden und vergleichbarkeit zu wahren, brauchst du als aller erstes Vergleichskriterien (Stichwort tertium comparationis), die du eben losgelöst vom Einzelfall allein aufstellst - tust du das nicht, ist der Sinn dieser Siegel und eines Ratings (eben pauschale Vergleichbarkeit und Abschätzbarkeit zu gewährleisten) dahin. Und genau diese Liste an Kriterien habe ich gemeint, als ich salopp von der Abhakliste sprach (und wohlgemerkt nirgends den Gutachtern die Kompetenz in Abrede gestellt habe, wohlgemerkt. Wären Listen ein Indikator für mangelende Kompetenz, könnten wir so ziemlich jeden brauchbaren wissenschaftlichen Text und jede Forschungsmethode aus dem Fenster werfen).
Und genau mit solchen Listen argumentierst du ja selbst gerade, wenn auch unbewusst vielleicht, bspw.:
Tadaa, wir haben ein pauschales, vom Kontext losgelöstes Kriterium, welches wir heranziehen können, um zu beurteilen, ob etwas jugendfrei ist oder nicht. (Ich stimme dem Kriterium zwar persönlich absolut nicht zu, aber das ist eine andere Baustelle.)
Was ich sagen wollte in kurzform: Der Threadersteller kann sich natürlich die Frage stellen, was seine Schöpfung so für potenzielle Auswirkungen auf heranwachsende hat. Das ist aber ein riesiges Minenfeld, über das sich sowohl Laien als auch Fachleute gerne die Kopfe einschlagen und das jemand, der nicht vom Fach ist, kaum in brauchbarem Maße überblicken kann. Zu schauen "Was ziehen denn etablierte Prüfstellen so für Kriterien heran?" ist dagegen deutlich händelbarer und sinnvoller.
Ich sehe zwar nicht, wo ich da "einen Bock geschossen" habe, aber sei's drum. Der Threadersteller hat nach Infos zum Rating gefragt, ungeachtet ihrer genauen gesetzlichen Position sind sowohl FSK als auch PEGI beides etablierte Prüfstellen. Dass die PEGI ein Klassifizierungssystem verwendet macht sie sogar noch geeigneter, da sie damit transparenter und für dritte nutzbarer wird. Selbst wenn man meinen Post nur als Antwort auf deinen sieht, ergibt sich mir das Problem nicht: Du selbst hast von "Alterseinstufung" gesprochen, da geht nicht hervor, von welchem System du konkret sprichst.
Ginge es hier nebenbei um legale Verbindlichkeit, sollten wir vermutlich alle ganz still sein, da hier keiner von uns wirklich Ahnung vom relevanten, juristischen Fachwissen hat. Wenn doch, gäbe es die Diskussion gerade wohl kaum.
(Von alledem (und Liferippers sonstigen eventuellen Posts) mal ab: Liferipper bringt ziemlich genau das zum Ausdruck, wo ich das Problem sehe. Es gibt einfach viel zu viele Schlupflöcher. Zumal ich die Aussage, Sex an sich sei ohne Kontext automatisch eine herabwürdigung des Menschen (oder Herabwürdigung wessen auch immer, das konnte ich bei dir nicht ganz herauslesen) auch etwas bedenklich finde, zumindest auf Erwachsenenlevel fernab von der Jugendschutzsache. Wobei ich auch da fraglich finde, ob die Einstellung zu vermitteln so gesund ist. Aber wie oben schon gesagt, andere Baustelle, ich wollte es allerdings trotzdem festhalten.)