Zitat Zitat von Kelven Beitrag anzeigen
1. Attribute - Braucht man sie und wenn ja welche?
2. Ressourcenmanagement bei der Magie - Wie viel macht Sinn?
3. Wie nützlich sind Zauberer mit wirkungslosen Nahkampfattacken, die den ersten Platz im Kampfmenü belegen und dem Haushalten geschuldet sind?
4. Tradition - Ist das, was vor 20 Jahren gut war, auch noch heute gut?
Einzeln über diese Punkte zu reden, ist so, als würde man versuchen, die Masern zu heilen, indem man den Ausschlag mit Kosmetika übermalt. Im Grunde sind das alles Symptomfragen, die aber mit dem selben Problemkern zusammen hängen:

Der Typische Maker-Autor bastelt sein Spiel komplett ohne Plan. Sicher, die meisten denken schon irgendwie nach, aber der typische Entwicklungsprozess besteht doch darin, eine Story zu entwerfen und dann darum herum das Gameplay aufzubauen, indem man aus 30 verschiedenen Spielen Gameplayelemente klaut, weil man selber sie cool fand (subjektive Präferenz), weil man glaubt, die Spieler erwarten das so (traditionelle Präferenz) oder weil man entweder keine Idee oder nicht die Fähigkeit dazu hat, es anders zu machen, als man es tut.
Die einzelnen gameplay-Elemente werden dann miteinader verquirrlt, ohne sich Gedanken zu machen "Warum ist das so?" und "Wie harmoniert das?". Das der typische Magier einen nutzlos Attack-Skill hat, statt eines kostenlosen Heilzaubers, wie z.B. Beten aus FF10, ist nur EIN Symptom. Ein Symptom, das sich auf den Makern ab em XP zudem schnell und leicht korrigieren lässt. Es zeigt halt nur, das bei den meisten Maker-Entwicklern, ebend nicht viel "Geistige Substanz" im Gameplay steckt. Spiele sind oft auf viel billigen Schaden ausgerichtet und Charaktere die das nicht können, geraten in einen Massiven Nachteil. Insbesondere wenn das aus "Balancing Gründen" die Zauber der Magier nicht einmal mehr Schaden, als die physischen Angriffe der Krieger.

Das Ressourcenmanagement ist auch so ein nettes Thema. Das Standartsystem zwingt den Spieler dazu, oft ganze Dunkeons mit kleinem Manahaushalt zu durchleben. Mülligstes System diesbezüglich war z.B. FF9 in dem man nicht einmal Manatränke kaufen konnte sondern mit den paar auskommen musste, die man im Spiel finden konnte. Ist es aber nicht der Sinn von Spezialaktionen, das der Spieler sie auch benutzt? Worin liegt der Nutzen, ihn von der Benutzung abzuhalten? Es gibt 1.001 mögliche alternative zum Mana-Blödsinn. Regenerative Primärressourcen, eine Art Wut-Konzept, Items als Munition, Cooldowns, Aktionspunkte, Tagesmäßig begrenzte Aufladungen wie in D&D oder Pokemon ...
Trotzdem nutzt jedes zweite Maker-RPG das klassische Mana-System das den Spieler zum Angriff-Hämmern zwingt, weil er ja mit seinen Ressourcen Haushalten muss. Das MUSS ich in jedem Spiel. Aber die kommerziellen haben längst erkannt, dass "Ressourcenhalt" viel interessanter ist, wenn ich auf der "Kluger Einsatz" schiene fahre, statt auf der "Setzt nix ein!" Schiene. Wenn ich Diablo3 Spiele, kann ich auch nicht ohne Ende Meteor Spammen. Das heißt ich muss auch in Diablo3 Mit meinen Ressourcen haushalten. Nur bedeutet dieses haushalten ebend trotzdem nicht, das ich mit dem Knüppel hauen muss, sondern dass ich eine zeitlang andere Skills benutze.
Au ja. Diablo 3, tolles Beispiel. Der Magier in D3 kann übrigens gar nicht mit dem Knüppel zuschlagen. Sein "Primärangriff" ist tatsächlich ein Zauberspruch, der Schaden verursacht UND Mana wiederherstellt. DAS ist ein Skill der nützlich ist, und trotzdem zum Haushalten dient.

Ich meine, oft würde es ja schon reichen, sich sein eigenes Spielerverhalten Anzusehen. Warum spielen so viele Leute FF10 mit einer Party aus Tidus, Wakka und Auron, aber niemand benutzt die Kombination Yuna, Lulu und Rikku? Gleiches mit FF9. Während Tidus, Steiner, Mahagon und Freia super als Gruppe Spielbar ist, ist die Kombi Lili, Eiko, Vivi und Quina absolut nutzlos. Macht es wirklich Spaß, einen Charakter zum Angriff zu schicken, der 13 Schaden macht, während alle anderen 300 machen? Warum benutzt niemand einen Todeszauber, der sein Ziel zu 80% nicht trifft? Warum benutzen Spieler lieber schwache Skills, deren Ausgang sie vorhersehen können, als starke, bei denen vollkommen unabsehbar ist, was passiert? Warum setzt niemand einen Giftzauber gegen einen Gegner ein, der nach zwei standartschlägen tot ist?

Ich will niemanden persönlich angreifen, aber der Ursprungsthread dieses Themas hier ist ein tolles Beispiel für fehlende Planung. Ich hatte immer den Eindruck, Deep8 währe schon recht weit fortgeschritten. Das Hindert IndependentArt aber offenbar nicht daran, nochmal sein komplettes Attribut-System umzuwerfen und das ist Quatsch. Bei einem Spiel in einem Fortgeschrittenen Status nimmt man keine derart tiefgreifenden Änderungen mehr vor, weil man überhaupt nicht abschätzen kann, was für ein Rattenschwanz an Arbeit damit einher geht. Würde ich jetzt auf die Idee kommen, das Attributsystem von ThreeMoons nochmal zu verändern, müsste ich alle Ausrüstungsgegenstände, die Hälfte meiner Skills, alle Gegner und Encounter und dutzende von Common-Events nochmal überarbeiten, ganz zu schweigen davon, das ich das komplette Balancing nochmal ändern müsste - und das ist nur das, was mir auf Anhieb einfällt. Zum Debuggen ist das die absolute Hölle, weil Fehler nahezu vorprogrammiert sind.
Und das nur, um nacher vielleicht EINEN Attributwert weniger zu haben? Was soll denn der Blödsinn? Über so etwas denkt man VORHER nach. Man Testet das Gameplay BEVOR man Cutszenes und Trailer erstellt, und wirft nicht nochmal alles um, wenn das Spiel zu 80% fertig ist!

Corti und Mir wird hier aufgrund unserer Sichtweise oft vorgeworfen, wir würden andere Leute zu unserer Sicht - oder gar zu unserem Spielkonzept - der Dinge drängen wollen. Das ist aber nicht wahr. Es gibt keine "Ultimative" Lösung für alles. Für alle Probleme, die wir häufiger ansprechen haben auch Corti und ich absolut unterschiedliche Lösungsansätze gefunden. Und diese Unterschiedlichen Lösungen machen die Sache erst interessant. Ja, ich würde gerne sehen, wie andere Entwickler das JRPG für sich persönlich umdefinieren und lösungen für Probleme finden.
Der Punkt ist nur, während Corti und ich eben rechtzeitig darüber nachdenken, wo ein Problem entstehen könnte, BEVOR wir das halbe Spiel umbauen, fällt vielen der anderen Autoren hier nicht einmal auf, wo in ihrem System Probleme entstehen, wenn sie ihr Spiel selber spielen.

Ohne scheiß, mich interessiert WIRKLICH wie viele der Spieler, die so geil auf Trefferchancen sind und Zauber mit 30% Hit in ihr Spiel einbauen, diese Zaubersprüche dann im Testspiel auch tatsächlich selber benutzen. Wenn ich mein Spiel Teste, und feststelle, das ich eine bestimmte Fähigkeit nie benutze, weil sie blödsinn ist, dann mache ich sie nützlich oder werfe sie raus. Klassisches Beispiel, die Statuszauber. Kaum ein Mensch benutz in JRPG's Statuszauber. In ThreeMoons habe ich das Anfangs auch nicht.
Das hat mir zu denken gegeben. Ich habe überlegt, was kann man anders machen und ALLEN Statuseffekten den Sekundäreffekt verpasst, den vom Ziel erlittenen Schaden um 15% zu steigern. Knalle ich also in der ersten Runde des Kampfes Gift, Blind und Stumm auf den Gegner, profitiere ich nicht nur, von den ohnehin gegebenen Effekten, sondern mache mit jedem Angriff 45% mehr Schaden als normal. Inzwischen vergeht im Spiel kein Kampf, indem ich nicht mindestens einen Statuszauber einsetzen würde und sei es nur, um die 45% Bonusdamage bei kritischen Treffern zu bekommen. Problem erkannt, Problem gelöst. Warum machen sich sonst so wenig Leute derartige Gedanken und nehmen Systeme einfach hin, wie sie sind?
Warum können so viele andere Autoren das nicht und knallen das Skillmenü lieber mit einem Haufen an Fähigkeiten voll, die totaler Blödsinn sind?

Auch das leidige "Komplexitätsproblem" bei den Attributwerten anzubringen ist - sorry - Bullshit. Jemand der AD&D oder D&D3.5 kennt, der lacht nur über unsere ach so komplexen JRPG's. Sogar Diablo und WoW schlagen die Komplexität von JRPG's um Dimensionen. Keinen Spieler wird es überfordern, wenn es für Magie und Kampf unterschiedliche Attribute gibt.
Die einzige Frage, die zählt ist, ob das Spiel von einer Unterteilung profitiert, oder ob sie mehr Probleme als Nutzen schafft. Die Sache mit dem nutzlosen Primärangriff bei Magiern ist z.B. EIN Problem, das durch verschiedene Attributwerte erzeugt wird, aber auf jeden fall ein lösbares. Wenn ich z.B. ein Spielsystem habe, indem Hybrid-Charaktere ein hohes Gewicht haben, komme ich um getrennte Statuswerte vermutlich gar nicht drum herum. Wichtig ist nur, dann eben auch darüber nachzudenken, was für Konsequenzen das hat, und wie ich damit umgehe, statt einen nutzlosen Skill auf den ergonomisch besten Platz im Kampfmenü zu setzen und dann mit "Ressourcenhaushalt" zu begründen, dass ich mir schlicht keine Gedanken darüber gemacht habe, ob es nicht auch anders ginge.