Das ist ein Totschlagargument, mit dem ich nicht im Geringsten einverstanden bin. Ich kann jede Gegenperspektive für Wertlos erklären, indem ich mich hinstelle und die Hälfte der Argumente einfach nicht akzeptiere. Guter Stil ist das aber nicht.
Fakt ist, das Konstrukt multipler Handlungsstränge existiert heute. Das eine fiktive Geschichte mehrere Protagonisten hat, ist nicht ungewöhnlich. Besonders gut sieht man das an Büchern. Sobald du in einem Buch, das aus der personalen Perspektive geschrieben ist, die reflektor-Figur wechselst, hast du genau genommen einen neuen Protagonisten. Welche bedeutung dieser für die Handlung letztlich hat, darüber kann zu dem Zeitpunkt jedoch noch nicht geurteilt werden.
Das gilt sowohl in Spielen, als auch Filmen und Büchern. Und ganz egal, ob du nun unbedingt RPG's genannt haben willst, in denen es so war, oder nicht, ändert das nichts an der Tatsache, das moderne Medien anders funktionieren, als Hoomers Elias (und selbst da gab es schon verschiedene, simultan verlaufende handlungsstränge!).
Sich auf das RPG-Genere zu beschränken ist in diesem Fall absolut nutzlos, weil wir längst an einem Punkt sind, an dem das Storytelling-Monopol der RPG's gefallen ist. Andere Generes erzählen ebendso gute, teilweise bessere, Geschichten als RPG's. Und der einzige Grund dafür, dass man verschiedene handlungsstränge im RPG-Genre seltener Antrifft, liegt darin begründet, dass dem Spieler nicht abverlangt werden soll, doppelt zu leveln.
Lange rede, kurzer Sinn: Wenn der Autor seine Weibliche hauptfigur als "Hauptfigur" bezeichnet, dann kannst du diese Bezeichnung getrost für sein Werk übernehmen. Wer innerhalb einer fiktiven geschichte Protagonist, Antagonist, Hauptfigur und Nebenfigur ist, legt schließlich immer noch der Autor des Werkes fest. Und keine Fachliteratur in deren Augen moderne Belltristik immer noch so zu funktionieren hat, wie griechische Dramen.
Ich werfe als Gegenbeispiel einfach mal das letzte Tomb-Raider in den Raum, das mit einem sehr hohen Anteil an schweren Persönlichkeitsmomenten aufwartet ohne dabei nervig zu werden. So müssten Horrorspiele eigentlich aussehen ... und dabei ist TR nicht mal ein Horrorspiel ...Zitat
Mann stelle einfach nur die genrekonkurenz TombRaider und Uncharted nebeneinander. In uncharted klettert und kämpft nathan in einer Sequemnz mit einer tiefen Bauchschusswunde, so, als wäre nix gewesen. In einer Ähnlichen Sequenz in TombRaider kann die schwer verletzte Lara nicht einmal Springen, ohne dass man als Spieler durch einen Schmerzenslaut, einem verschwommen Bildschirm und HP-Verlust daran erinnert wird, das man grade jede Menge Blut verliert.
Mit einem Männlichen hauptcharakter wäre die erzählung so wie sie in TR ist, nur schwer umsetzbar gewesen, weil sich kaum jemand getraut hätte, das "nach außen Tragen" des erlittenen Leids in der im Spiel gezeigten Form, mit einem männlichen Charakter zu versuchen. Die Gefahr, das der Charakter auf zumindest einen Teil der Zuschauer als "zu weinerlich" gewirkt hätte, wäre zu groß gewesen.