Homer war auch nur ein Schreiberling - auch wenn seine Geschichten Jahrtausende überdauert haben. Das ändert nichts daran, dass die Heldenreise vor allem ein Gerüst darstellt, das heutzutage häufig viel zu wörtlich genommen wird. Ihr impact beruht darauf, dass Strukturen aufgegriffen werden, die die Charakterentwicklung im Laufe eines Menschenlebens auf einen meist kürzeren Zeitraum runterbricht. Joseph Campbell hat diesen Begriff definiert und durch George Lucas wurde er populär. Seitdem hat er sich zum Dogma entwickelt, was man an deiner Argumentation gut ablesen kann.
Der Fehler in der Denkweise liegt darin, dass es nicht zwangsläufig eine Charakterentwicklung sein muss, sondern auch eine Veränderung des Standpunktes möglich ist. Sieh dir Spellbound von Ben Hecht und Alfred Hitchcock an (ist jetzt einfach das erste Beispiel, das mir einfällt): Keiner der Protagonisten macht eine "Charakterentwicklung" durch, sie reagieren nur darauf, dass ihre Sichtweise verändert wird. Diese Geschichte weist Strukturen der Heldenreise auf, nimmt sie aber nicht wörtlich, so wie das heute häufig getan wird.
Überhaupt ist Hitchcock ein gutes Beispiel, nicht weil er der Übervater der guten Erzählstruktur ist, sondern weil er viele Geschichten verfilmt hat, die eine Reise per Definition zeigen, und in denen Otto-Normalbürger in eine Situation geworfen wird, der ihn aus ihrem normalen Leben herausreist (The 39 Steps, Saboteur, North by Northwest). Die machen trotzdem keine Charakterentwicklung durch, sondern reagieren im Rahmen ihrer Möglichkeiten auf die Dinge, die ihnen Ohren geworfen werden.
1. Ist es egal, ob man Amateur oder Profi ist. Ein Beispiel dafür sind viele Erstlingswerke, nach denen die Kreativen (die zu dem Zeitpunkt, an dem sie es geschaffen haben haben, meist noch Amateuere waren) nie wieder etwas vergleichbares abliefern konnten.Zitat
2. Profis sind entweder Leute, die es gelernt haben, oder die Geld damit verdienen. Ich habe beides getan. Beim offizellen Lernen (Edgar Reitz) wurde mir nur wenig beigebracht, was ich nicht davor schon wusste, und als ich später immer wieder als Drehbuchberater unterwegs war, habe ich vor allem zwei Dinge gelernt: Viele Autoren und Produzenten (alles Profis in dem was sie tun) haben zwar ihre Heldenreise im Kopf und halten auch zwanghaft daran fest, vergessen darüber jedoch Nachvollziehbarkeit der Handlungen und Ereignisse. Häufig wird so vorgegangen, dass man unbedingt den nächsten Plot-Point erreichen will und um das zu tun wird auf Innere Logik gepfiffen.
Ich habe einmal den Fehler gemacht, das Angebot anzunehmen, so eine Drehbuchruine zu retten, habe dann aber hingeschmissen, als ich nach dem ersten Treatment ein dreiseitiges Memo mit Änderungswünschen des Produzenten bekommen habe, die durch die Bank hirnrissig waren. Ein Beispiel: In der Geschichte landet ein Hubschrauber in einem Geröllfeld. Der Produzent in seinem Memo: "Ich hätte lieber ein Leichtflugzeug" (wortwörtlich - mehr stand da nicht.) Ein Leichtflugzeug. In einer Geröllwüste. (Wohlgemerkt an einem real existierenden Ort, den man auch nicht so einfach verändern kann und darf.)
Was ich damit sagen will: Es ist völlig Wurst ob du Profi bist, oder nicht. Wichtig ist, dass du gerade denken kannst und deine Hausaufgaben gemacht hast.
Alexander Borell hat (allerdings auf Fotografie bezogen) gerne den Begriff des "engagierten Amateurs" verwendet, der den Vorteil hat, nicht von seiner Kreativität leben zu müssen, und daher die Freiheit hat, freier an die Dinge hern zu gehen.