Ich hab mir die neuste Demo nochmal angeschaut und schreib meine Eindrück einfach mal hintereinander auf.

Erste Szene Dass die Königin mit einem Land, das sie nur aus alten Aufzeichnungen kennt, gleich Handelsbeziehungen aufnehmen möchte, finde ich etwas voreilig. Niemand kann sagen, ob die Aufzeichnungen die Wahrheit sagen. Würde man nicht stattdessen erst mal schauen, ob es das fremde Land überhaupt gibt? Außerdem würde man keine Botschafter schicken, denn die tauscht man erst dann aus, wenn schon Kontakt zwischen den Ländern besteht. Ich könnte mir vorstellen, dass in Fantasy-Welten Abenteurer den ersten Kontakt machen (das würde in diesem Fall ja passen) und danach einigen sich beide Seiten auf ein Treffen mit offiziellen Gesandten.

Die Gruppe spricht immer von einem "Auftrag", aber das klingt mir zu sehr nach Gameplay. Das sprach ich glaube ich schon bei der ersten Demo oder bei der Beta an. Sie könnten sich doch auf ein Abenteuer freuen und Gerard ist aufgeregt, weil er das erste Mal auf Reisen geht.

Szene: Magische Fackeln werden erklärt Eigentlich muss doch gar nicht erklärt werden, wie die magischen Fackeln funktionieren. Zum einen sind das Gameplay-Elemente und zum anderen funktioniert Magie auch ohne Erklärung. Die Szene wirkt mit Erklärung komischer als ohne.

Szene: Allan ist wieder fit und spricht mit Inia Der Themawechsel von "tote Matrosen" zu "Bedeutung der Reise" kommt etwas plötzlich. Dadurch hab ich das Gefühl, dass die toten Matrosen den beiden doch nicht so nahe gehen. Als Allan über die Nützlichkeit der Reise sinniert, wird dieser Eindruck nur noch verstärkt. Er wirkt gefühlskalt, obwohl er das eigentlich gar nicht sein soll. Später sagt er, dass er es immer noch für einen Witz hält, dass nicht bekannt ist, warum damals der Kontakt zum unbekannten Kontinent abbrach. Hat er das vorher überhaupt mal angesprochen? Der Abschluss des Dialogs klingt auch etwas holprig: Allan sagt, wenn sie nach Osten ziehen, werden sie die beiden (Alex und Gerard) sowieso treffen. Da ist er aber schon sehr optimistisch, woher weiß er, dass sie im Osten sind? Als Helen dann dazu kommt, beschwert sich Inia darüber, dass sie nicht als Diplomaten anerkannt werden. Alex würde ich das abkaufen, aber im Gegensatz zum ihm hat sich Inia vorher nicht so einfältig verhalten. Es ist offensichtlich (s. o.), dass Diplomaten erst dann anerkannt werden, wenn die beiden Länder schon in Kontakt stehen.

Szene: Gruppe betritt die Felder der Diebe Helen sagt ganz ungeniert "wenn Gerard noch lebt", ist das nicht etwas taktlos? Daraufhin analysiert Allan nüchtern, warum die Chancen recht gut stehen. Ich finde es zwar gut, dass sich die Figuren damit auseinandersetzen, aber so nüchtern-rational wirkt es eher unmenschlich. Zweifel können sie ja haben, aber sollten sie nicht erst mal voller Hoffnung sein?

Szene: Gleicher Dungeon, die Gruppe rastet Allan fällt etwas plötzlich ein, sich doch Sorgen zu machen. So lange liegt der andere Dialog noch nicht zurück, der Stimmungswechsel kommt ziemlich überraschend.

Szene: Gespräch mit dem Bürgermeister in Cheeney Allan spricht gleich davon, dass Inia sich um die Kranken kümmern kann. Die Kranken wurden vorher aber noch gar nicht richtig angesprochen.

Szene: Allan am Strand Im Vergleich zu seinem Verhalten vorher ist Allan hier schon theatralisch emotional. Du könntest es natürlich so darstellen, dass die Hoffnung langsam der Sorge weichen muss, doch dafür liegen die Szenen zu nahe beeinander und dann müsste es auch einen Grund geben, dass sich Allans Sorgen vergrößern.

Szene: Rast in Harven Allan fragt die Wirtin automatisch nach Gerard und die sagt, dass er schon längere Zeit weg ist. Man hat aber vorher noch gar nichts davon gehört, dass er überhaupt im Dorf war. Der Dialog klingt so, als ob er auf Wissen aufbaut, das man noch gar nicht hat.

Szene: Nach der Flucht aus dem Anwesen in Mandia Die Gruppe spricht über Gerard und dass er wohl nicht vom bösen Buhmann erwischt wurde. Einen ähnlichen Dialog gab es schon im Kerker.

Szene: Gruppe wird aus dem Orklager teleporiert Ich kann zwar verstehen, dass die drei keine Zeit haben, um über die überraschende Rettung nachzudenken, aber so wie sie das ausdrücken, klingt es, als ob man ständig von Unbekannten aus höchster Not wegteleportiert wird.

Szene: Gespräch mit dem Orkanführer nach dem Fehlschlag Es wird nicht so richtig klar, was den Anführer stört. Deswegen wirken Gerards Selbstvorwürfe später im Dorf ziemlich übertrieben. Mir ist zwar klar, worum es dir geht, Gerard soll einen folgenschweren Fehler machen, doch warum er das ist, verstehe ich nicht so recht. Außerdem finde ich es etwas krude, dass Gerard, nachdem man das Orkdorf verlassen hat, ganz sachlich vorschlägt, dass man doch noch Bericht erstattet. Das klingt wie: Abhaken, das Spiel geht weiter.

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Allgemein zum Gameplay
Grundsätzlich ist das Gameplay in Ordnung, aber mir fehlt die Abwechslung. Da könntest du dich vielleicht stärker an Charon 2 orientieren. Es ist gut, dass die Kämpfe recht flott von der Hand gehen, aber dafür sind sie auch monoton. Ein wenig mehr Taktik wäre schon nicht schlecht (im Gegenzug könntest du die Anzahl der Kämpfe verringern).

Allgemein zu Handlung und Charakteren
So richtig überzeugt hat mich die Handlung nicht, wobei der grobe Ablauf das Spiels an sich solide ist, nur bei der Umsetzung gibt es Schwächen. Ich hab den Eindruck, als ob die Handlungsszenen von zehn verschiedenen Personen geschrieben wurden. Es ist natürlich richtig, Kritik auch umzusetzen, aber darunter sollte nicht die Konsistenz leiden. Manche Dialoge wirken so, als ob dem Spieler etwas vorbeugend erklärt werden soll (solche Erklärdialoge machen schnell einen künstlichen Eindruck), andere Dialoge wirken wahllos (als ob sie im Nachhinein ergänzt wurden) und überhaupt wechseln die Figuren ziemlich schnell Thema und Meinung. Ganz wichtig: Du solltest dich für eines entscheiden, entweder spielt die Sorge um Gerard eine wichtige Rolle oder sie tut es nicht. Soll sie eine große Rolle spielen, dann muss sie sich langsam zuspitzen. Die erst optimistische Gruppe wird immer verzweifelter, weil es Anzeichen gibt, dass Gerard (und Alex) vielleicht etwas zugestoßen ist. Das Thema braucht aber gar nicht so im Vordergrund stehen, auch wenn das einige vielleicht kritisieren würden. Inia und Helen haben ja gesehen, dass Alex und Gerard mit den Beibooten entkommen sind, also ist die Gruppe optimistisch und nimmt an, dass es ihnen gut geht.

Die Dialoge sind zu hölzern und künstlich formuliert (lustigerweise sprechen die Orks am natürlichsten). Dadurch hatte ich öfters das Gefühl, als ob da gar keine Menschen miteinander reden. Außerdem könnten die wichtigen Themen ruhig ausführlicher behandelt werden. Auch hier (ich sprach das ja bei Charon 2 an) werden mir Gespräche manchmal zu schnell abgewürgt. Und ich würde auf Floskeln wie "Sehr schön" und ähnliches verzichten. Das klingt immer so, als ob die Charaktere keinen Bock auf den Dialog haben oder dass sie nur etwas sagen, um etwas zu sagen.

Die Persönlichkeiten der Charaktere könnten noch besser ausgearbeitet werden. Gerade Allan ist ziemlich inkonsistent - soll er nüchtern oder emotional sein - und Inia und Helen sind zu blass.

Da gibt es also schon Einiges, das du noch verbessern kannst.

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Noch ein paar Kleinigkeiten
  • Erste Szene mit der anderen Gruppe: Der Wechsel ist zu abrupt. Ein überleitender Satz wäre nicht schlecht.
  • Die Wirtin im Gasthof von Desendia kann man nicht von der Seite ansprechen. Tuki (im gleichen Raum) sieht genauso wie die Wirtin aus.
  • Figuren mit Nebenaufgaben würde ich extra markieren (s. Charon 2).
  • Es ist etwas inkonsistent, dass Allan bei manchen Möbelstücken explizit sagt, dass nichts zu finden ist, während er bei anderen nur den Kopf schüttelt.
  • Die Belohnung für das Wäschewaschen ist mMn zu hoch.
  • Die Kosten für Gegengift und Augentropfen sind im Verhältnis zu ihrem Nutzen viel zu hoch.
  • Dietriche werden auch verbraucht, wenn man die Truhe knackt. Dadurch gibt man manchmal mehr Geld aus, als der Inhalt der Truhe wert ist. 300 Neira für einen Dietrich sind sowieso etwas viel. Außerdem sollte man Dietriche überall kaufen können (in Harven gibt es sie z. B. nicht).
  • Es wäre gut, wenn man automatisch durch schon mal geschaffte Dungeons reisen könnte.
  • Wenn die Figuren Sätze wie "Interessant ..." sagen, klingt das wie Sarkasmus.
  • Der Feuermagier der Sekte ist etwas anstrengend - nicht schwer, aber man verbraucht viele Ressourcen, weil ein Charakter nach zwei Treffern tot ist.
  • Talsida schüttelt ihren Kopf nicht, wenn sie nichts findet.
  • In Mandia-Hafen wird die Rastmusik im Gasthof ständig wiederholt, wenn man geschlafen hat