Als Spielentwickler macht man sich, zumindest wenn man selbstgemachte Systeme benutzt, natürlich eine Menge Gedanken über Charaktere, Ausrüstung, Kampfsystem usw. Ich hab mir gedacht, dass ich euch mal von meinen Ideen und Überlegungen erzähle. Obwohl man einiges davon vielleicht auch auf die Standard-Systeme übertragen kann, geht's mir in erster Linie doch um Custom-Systeme. Natürlich ist alles was ich schreibe kein Muss, selbst für mich nicht, sondern nur eine Möglichkeit. Einige Punkte, über die in letzter Zeit schon häufiger diskutiert wurde, z. B. Zustände, lasse ich mal weg.
1. Charaktere 1.1. Attribute
Das klassische System sieht ungefähr so aus, dass es mal vier, mal mehr Attribute gibt, die einen gewissen Einfluss auf Schaden, Treffen oder Abwehr haben ... das muss ich denke ich nicht im Detail beschreiben. Ich halte nicht mehr viel von diesem System, weil es mir zu undurchsichtig ist. Der Spieler sieht nur ständig steigende Werte (die später auch unnötig hoch sind) und weiß nicht, wie sie sich direkt auswirken.
Besser ist entweder ganz auf Attribute zu verzichten (dadurch wird das Aufleveln aber ein wenig unspektakulär) oder anstelle der Attribute auf direkte Boni zu setzen. Damit meine ich z. B. einen Wert namens "Schaden +", der vielleicht jedes Mal beim Training steigt oder nur ab und zu. "Schaden +" klingt natürlich technischer als "Stärke", aber so weiß der Spieler jederzeit was ihm der Wert bringt.
Wenn es Attribute gibt, dann stellt sich die Frage, welche man braucht. Ein Bonus für Angriff und Abwehr ist gut, Geschick für die Trefferchance ist es nicht. Ich würde ganz auf sie verzichten, denn jeder Schlag der daneben geht, sorgt für Frust. Bei meinen Spielen wirkt sich Geschick oder ja besser "Tempo +" auf die Geschwindigkeit der Figuren aus. Boni für den magischen Angriff oder die magische Abwehr halte ich für verzichtbar, weil ich beides auf eine andere Weise steuere (s. unten). Denkbar wäre noch ein prozentualer Wert für die Zustandsimmunität der Spieler. Ich sehe das zwar so wie Corti, dass man die Gegner nicht mit Zufallszuständen angreifen sollte, aber umgekehrt geht das schon, obwohl es auch möglich ist, bei den Spielfiguren das gleiche System ohne Zufälle zu benutzen.
Die Trefferpunkte zähle ich mal zu den Attributen dazu. Wie hoch setzt man das Maximum an? Auf jeden Fall nicht zu hoch. Der 2K liegt mit 999 schon goldrichtig, obwohl ich es sogar vorziehe, dass die TP im Laufe des Spiels gar nicht so stark ansteigen. Mal angenommen man beginnt mit 200 TP, dann macht es nichts, wenn der Spieler am Ende nur 400 hat.
1.2. Talente
Talente können eine gute Ergänzung zu den Attributen oder sogar ein vollwertiger Ersatz sein. Das Thema ist aber so komplex, dass man damit einen eigenen Thread füllen könnte, deswegen beschränke ich mich mal auf das Minimum. Talente sind gut, wenn sich ihr "Kauf" lohnt und wenn das Spiel nicht zu abhängig von ihnen ist. Sonst ärgern sich die Spieler über das "Verskillen". Neben offensiven und defensiven Talenten könnte man auch welche nehmen, die beim Erkunden nützlich sind - ein Beispiel wäre die Sternenkind-Saga. Bei solchen Talenten muss man aufpassen, dass dem Spieler nicht zu viel entgeht, wenn er die Talente nicht lernt.
1.3. Aufleveln
JRPGs haben oft eine Menge Level und die EP-Werte gehen später in die Millionen. Einen besonderen Nutzen sehe ich dabei nicht. Der Spieler freut sich vielleicht, weil er sich ziemlich oft auflevelt, aber jede neue Stufe bringt so gut wie keine Veränderung mit sich. Ich finde es besser, wenn man sich nur relativ selten auflevelt. Dann fühlt sich jede neue Stufe bedeutender an. Außerdem halte ich die EP-Werte niedrig. Bei meinen aktuellen Spielen gibt es nur noch alle n Stufen einen Zuwachs an EP-Kosten, sprich für die ersten drei Stufen braucht man z. B. 1000 EP, für die nächsten drei 1500 usw. Zusätzlich dazu könnte man noch zu einem skalierenden System greifen: Die erhaltenen Erfahrungspunkte sind relativ zum Kräfteunterschied zwischen Gegnern und Gruppe.
2. Ausrüstung 2.1. Waffen
Beim Entwurf der Waffen muss sich der Entwickler gleich mit mehreren Fragen auseinandersetzen:
Haben die Charaktere feste Waffen, feste Waffenklassen oder können sie unterschiedliche Waffen benutzen?
Sollen die Waffen Zustandseffekte oder Elementwirkungen haben und wie sind die beiden mit den Waffen verbunden?
Sollen die Waffen noch zusätzliche Attribute bekommen, wie z. B. Reichweite oder Geschwindigkeit?
Die Antworten hängen natürlich auch vom System ab, aber das lasse ich im Moment mal außer acht.
Feste Waffen sind die einfachste Variante. Jeder Charakter hat eine Waffe und kann sie bei einem Schmied stärker schmieden lassen. Das könnte man mit Rohstoffen verbinden, der Spieler muss also erst n Erze finden, bevor die Waffe verbessert werden kann. Dieses System hat schon mal den Vorteil, dass der Spieler nicht mit langen Waffenlisten hantieren muss, allerdings können die Waffen selbst keine Zustände oder Elementwirkungen haben. Man müsste also zu Runen oder Verzauberungen greifen, die jederzeit wieder entfernt werden können.
Die festen Waffenklassen kennt man ja aus den JRPGs. Jeder Charakter hat eine Lieblingsklasse und man findet tonnenweise dazu passende Waffen.
Die westlichen RPGs setzen lieber auf kämpferische Universalgenies, die praktisch jede Waffe einsetzen können - manchmal aber mit Einschränkungen durch Talente oder ähnliches.
Denkbar wären auch ganz komplexe Systeme wie: Freie Waffenwahl, Waffen können stärker geschmiedet werden, Waffen können n Runen haben. Das Wort "komplex" zeigt aber schon wo der Haken ist, solche Systeme wachsen den Spielern irgendwann über den Kopf und der Entwickler muss einige Mühe reinstecken, um sie transparent zu halten. Trotzdem können solche komplexen Systeme schon toll sein, Dark Souls benutzt z. B. so eines, doch dort spielt man nur einen Charakter. Ich gehe jetzt aber mal von einem typischen RPG mit Gruppe aus und dort sollte man es mit der Komplexität nicht übertreiben.
Schauen wir uns das mal im Detail an. Welchen Nutzen hat die freie Waffenwahl in einem statischen rundenbasierten KS? Die einen Gegner sind vielleicht gegen Schwerter anfälliger als gegen Hämmer. Mal abgesehen davon, dass es nervt, wenn man ständig die Waffen wechseln muss, sind die Boni meistens relativ klein. Ich sehe keinen großen spielerischen Nutzen. Der kommt erst dann ins Spiel, wenn Waffen unterschiedliche Geschwindigkeiten, Reichweiten und Move Sets haben. Daraus folgt: In einem statischen rundenbasierten KS geht's bei der freien Waffenwahl vor allem um die Optik. Der eine Spieler mag lieber Schwerter, der andere lieber Hämmer. Meiner Meinung nach ist das den Aufwand nicht wert.
Bei einem Schmiedesystem ist es Vor- und Nachteil zugleich, dass der Spieler Rohstoffe suchen muss (obwohl man die Rohstoffsuche auch weglassen könnte). Den Sammler freut es, alle anderen könnte es frustrieren. Sinnvoll ist ein Schmiedesystem auch nur dann, wenn der Schadenszuwachs signifikant ist. Beispiel: Eine Waffe macht 40 Schaden und kann 5 mal zu jeweils +1 Schaden stärker geschmiedet werden. Nicht wirklich beeindruckend, oder? Die Alternative kennt jeder von den JRPGs: Der Spieler findet und kauft fertige Waffen. Das System ist narrensicher, aber nicht ohne Tücken. Die entscheidende Frage ist nämlich, wie viele Waffen der Spieler erhalten kann. Ist es sinnvoll, wenn man in jeder Stadt - und es gibt viele davon - eine neue Waffe kaufen kann, die um ca. 5% mehr Schaden macht? Ich finde nicht. Die Waffenliste wird unnötig aufgebläht und die Befriedigung des Sammeltriebs hält sich in Grenzen. Auch hier gilt wieder: Wenige Waffen mit großen Schadenssprüngen. Selbst dieses System hat einen Haken, nämlich dann wenn der Spieler das Geld für die neuen Waffen nicht aufbringen kann. Die nächsten Gegner sind natürlich an die Waffen angepasst und dementsprechend viel schwieriger, wenn man noch nicht die besseren hat.
Zustände und Elementwirkungen muss man nicht zwangsläufig auf die Waffen legen, aber es wird gerne getan - wegen Tradition und Taktik. Es gibt prinzipiell zwei Möglichkeiten: Entweder das giftige Drachenschwert des Feuersturms oder auswechselbare Verzauberungen. Feste Waffenzustände und -elemente sind einfacher zu handhaben, haben aber den Nachteil, dass man dadurch wieder mehr Waffen mit sich schleppt. Ein System mit Verzauberungen ist flexibler, erfordert aber ein aufwändigeres Mikro-Management. Ich tendiere im Moment eher dazu, die Zustands- und Elementwirkungen von den Waffen zu entkoppeln, also durch Runen, Verzauberungen und ähnliches. Waffen, die Zustände verursachen, sind sehr mächtig, weil der Zustandseffekt nichts kostet. Es sei denn man gibt den Zuständen eine geringe Erfolgschance, aber dann kann man sich den Zustand auch gleich sparen.
2.2. Rüstzeug
Ich könnte hier viel von den Waffen wiederholen, aber ich konzentriere mich mal auf die Unterschiede. Anatomische Beschränkungen sorgen dafür, dass ein Charakter nur maximal zwei Waffen gleichzeitig tragen kann und viele Spiele lassen sogar nur eine einzige zu. Beim Rüstzeug ist die Spannweite größer. In vielen JRPGs gibt es nur eine Rüstung, im Maker kommen schon Schild und Helm dazu, während westliche RPGs die Palette auch schon mal um Stiefel und Handschuhe erweitern. Die große Auswahl hat aber selten einen spielerischen Nutzen (es sei denn alle Rüstgegenstände können einzeln verzaubert werden), sondern dient auch wieder nur der Optik. Diesen Punkt kann man bei unseren Spielen also denke ich vernachlässigen.
Im Normalfall reicht die Rüstung, man muss sich nur überlegen, ob jeder Charakter jede Rüstung tragen können soll oder ob man sie in unterschiedliche Klassen aufteilt. Eine Klasse pro Charakter wäre ein wenig übertrieben, deswegen reichen leichte und schwere Rüstungen.
2.3. Zusätzliche Ausrüstung
Der Standard ist, dass die Charaktere ein Accessoire anlegen können, das vielleicht den Schaden erhöht, vor bestimmten Zuständen schützt oder andere Wirkungen hat. Das kann man so machen, dagegen spricht nichts, aber falls die Waffen und Rüstungen Runen oder Verzauberungen haben können, wäre das ein wenig redundant. Es reicht also eines von beidem. Ich halte das so, dass der Spieler noch zusätzlich seltene Accessoires finden kann, die eine besonders mächtige Wirkung haben, aber verdient werden müssen.
2.4. Die Schadensformel
Es gibt viele unterschiedliche Ansätze, wie man Angriff und Abwehr miteinander verrechnet. Ein paar Beispiele:
Besonders einfach und transparent ist die absolute Methode: Schaden = Angriff - Abwehr. Dieses System hab ich schon häufig benutzt, bin aber in letzter Zeit immer mehr davon abgerückt, weil man der Abwehr zu viel Macht gibt. Es kann sehr schnell passieren, dass der Schaden auf 0 reduziert wird.
Dann gibt es noch die absolut relative Methode: Schaden = Angriff - Abwehr%. Eine Rüstung mit 50% Schutz reduziert den Schaden also immer auf die Hälfte. Dieses System ist sehr leicht zu verstehen, doch ab einem gewissen Schutzwert wird jeder Gegner zum Kinderspiel. Ich weiß nicht, ob man so ein System in einem Rollenspiel überhaupt sinnvoll anwenden könnte.
Schließlich kann man Angriff und Abwehr zueinander ins Verhältnis setzen. Ich hab mir mal vor einigen Jahren ein ziemlich umständliches System überlegt, bei dem Waffen neben dem Grundschaden noch eine Angriffsstufe haben und Rüstungen eine Abwehrstufe. Der Vergleich zwischen den beiden Stufen führt dann zu einer Modifikation des Schadens. Beispiel:
40 Basisschaden, Angriffsstufe 5 vs. Abwehrstufe 3
Die Modifikation wäre dann vielleicht (Angriffsstufe-Abwehrstufe)% des Basisschadens. In diesem Fall also +8.
Ich hab aber nie ausprobiert, ob sich das System in der Praxis bewährt.
Heutzutage bevorzuge ich undurchsichtige Formeln, die vor allem den Zweck haben, die Mächtigkeit der Abwehr zu reduzieren. Aktuell sieht die Formel so aus:
Schaden = (1 - ((Abwehr/Angriff)/3) * Angriff
Wie man sieht (oder auch nicht xD), ist der Schaden erst dann 0, wenn gilt Abwehr >= Angriff * 3.
3. Magie
Wie man die Magie rationiert lasse ich mal aus, darüber haben wir vor kurzem schon in einem anderen Thread diskutiert.
3.1. Welche Zaubersprüche brauche ich?
Auf jeden Fall weniger als du hast. Nein, es ist denke ich klar, dass alle Zaubersprüche einen Nutzen haben sollten und nicht redundant sein dürfen. Sicherlich gibt es einige Spieler, die gerne möglichst viele Zaubersprüche sammeln oder sich an unterschiedlichen Effekten erfreuen, doch praktischer ist es schon, wenn man die Zaubersprüche auf ein Mindestmaß reduziert. Schadenssprüche haben ein Element und eine Zielmenge (oder Trefferfläche, falls man ein Strategie-KS benutzt), mehr als die Kombinationen daraus braucht man eigentlich nicht. Heilmagie und Zustandsmagie unterscheidet sich auch primär dadurch, was man auf wie viele einsetzt. Natürlich kann man sich noch Magie mit ganz ausgefallenen Effekten ausdenken, nur sollte das Spiel darauf zugeschnitten sein und kein anderer Spruch existieren, der einen ähnlichen Effekt (vielleicht viel günstiger) hervorruft. Ich bin jedenfalls der Meinung, dass viele Rollenspiele schon zu viele Zaubersprüche haben.
3.2. Wie berechnet man den Zauberschaden?
Hier möchte ich einen Gedanken von weiter oben wieder aufgreifen, nämlich wie man mit den Werten für den magischen Angriff und die magische Abwehr verfährt. Bei mir gibt es diese Werte nur noch implizit. Der Schaden eines Zauberspruchs bzw. allgemeiner der einer Technik ist immer dann magisch, wenn es sich um Elementarmagie handelt. Alle anderen Attacken sind physisch. Unabhängig davon wird wie bei normalen Angriffen zunächst der Waffen(!)Angriff mit der Abwehr verglichen. Das Ergebnis wird dann mit einem Multiplikator, der vom jeweiligen Spruch abhängt, verrechnet. Das heißt alle Techniken hängen vom Basisschaden der Spielfigur ab. Dadurch skaliert der Schaden automatisch und ich muss beim Balancing nur noch am Basisschaden bzw. an den Multiplikatoren arbeiten. Der Schaden von Elementarmagie wird dann noch vom Widerstand des Ziels beeinflusst.
***
Das war es soweit von mir. Vielleicht habt ihr ja noch andere Ideen oder seid ganz anderer Meinung, auf jeden Fall würde es mich freuen, wenn ihr etwas zu meinen Gedanken schreibt.
Diesen Text hab ich übrigens nicht am Stück geschrieben!