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Thema: Sinnhaftigkeit von freien Entscheidungen

Hybrid-Darstellung

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  1. #1
    Bei meinem derzeitigen Projekt stehe ich oft vor diesem Problem. Mein Protagonist ist freundlich und schüchtern, aber ich möchte ihm zum Beispiel möglichst viele Dialogoptionen geben, die sich darauf auswirken wie er bei den anderen Partymitgliedern ankommt und mit wem er später zusammenkommt. Die Problematik hierbei ist, dass viele mögliche Entscheidungen einfach nicht zu seiner Persönlichkeit passen. Man muss sich bei diesem Thema also zwangsläufig zwischen Story und Gameplay entscheiden - storymäßig wäre es tatsächlich sehr inkonsistent dem Spieler viele Entscheidungsmöglichkeiten zu geben, wenn diese zu Unstimmigkeiten oder sogar Logikfehlern führen (das angesprochene Beispiel mit dem ermordeten Dorfältesten und den trotzdem freundlichen Dorfbewohnern...) aber was das Gameplay angeht, ist es für viele Spiele bereichernd, wenn dem Spieler viele Möglichkeiten mit verschiedenen Auswirkungen gegeben werden, ganz abgesehen davon, dass es den Wiederspielwert meiner Meinung nach enorm steigert. Stellt die Hauptfigur im Game sowieso nur den Avatar des Spielers da und hat keine festgelegte Persönlichkeit, muss man sich darüber eigentlich sowieso keine Gedanken gemachen, aber bei einer gut durchdachten Storyline, in die der Protagonist als Mensch stark eingebunden ist, dafür umso mehr. Aber auch in diesem Fall sollte es meiner Meinung nach zumindest ein paar freie Entscheidungen geben, die sich in einem logischen, nachvollziehbaren Rahmen halten. Es ist ja immer noch ein Spiel und wenn ich selbst überhaupt nichts beeinflussen kann, nicht mal ein paar Antwortmöglichkeiten in einem Dialog, kann ich genausogut auch ein Buch lesen oder einen Film gucken (es sei denn die anderen Gameplay-Elemente sind einfach zu fesselnd)

  2. #2
    Kommt doch immer stark auf die Art des Spiels an.

    Bei mir wird es kaum Entscheidungsmöglichkeiten geben WAS man tut, nur WANN man etwas tut.
    Die Frage ist z.B. nicht welches Land man erobert/nicht erobert sondern nur wann man das tut.
    Selbiges gilt für Nebenaufgaben, sie sind optional, bieten aber keine x möglichen Wege an.

    Umso mehr Freiheiten man dem Spieler lässt, umso schwieriger wird Geschichte und Charakterentwicklung. Natürlich nur vorausgesetzt die Entscheidungen haben alle individuelle Auswirkungen und führen nicht alle zum selben Endergebnis, oder werden auf eine Gut/Böse Karma Mechanik reduziert.

  3. #3
    Also mir fällt im deutschsprachigen RPG-Maker-Bereich genau ein Spiel ein, das die richtige Balance zwischen Entscheidungsfreiheit und erzählerischer Dichte auf perfekte Weise findet: Unterwegs in Düsterburg. Die Handlung verläuft zwar prinzipiell linear und an einem Strang, aber wie sich gewisse Dinge innerhalb dieses Rahmens entwickeln, hängt von den Entscheidungen des Spielers ab. Grandy hat prinzipiell die perfekte Balance zwischen erzählerischer Dichte und Handlungsfreiheit gefunden, was auch daran liegt, dass die Entscheidungen bei UiD zum ersten keine plumpen Gut-Böse-Entscheidungen sind, sondern eher die Entscheidungen zwischen verschiedenen Vorgehensweisen, und zweitens einen unmittelbar spürbaren Einfluss auf die Handlung haben. Letztlich hat man in jedem Fall das Ziel, Wahnfried zu besiegen, aber wie man zu diesem Ziel gelangt, ist einem bis zu einem gewissen Punkt freigestellt, mit den jeweiligen Konsequenzen natürlich.

    Gerade dieser unmittelbare Einfluss ist wichtig, finde ich. Was bringen mir Entscheidungen, wenn sie lediglich dazu führen, dass ich irgendwelche Gut-oder-Böse-Punkte sammel, die dann bestimmen, welche marginalen Details sich beim Ende ändern? Gar nichts! Im Endeffekt gaukelt man dem Spieler so nur Entscheidungsfreiheit vor, lenkt ihn aber dennoch auf festen Bahnen, und gefährdet am Ende sogar die Integrität der Handlung.

    Zum Beispiel im Eröffnungspost will ich jetzt mal ein theoretisches Szenario ausarbeiten, wie sich Entscheidungsfreiheit umsetzen lässt, ohne dass die Integrität leidet. Wir fangen dabei an dem Punkt an, an dem man den Dungeon betritt, um ihn von Feinden zu säubern. Hans könnte ja jetzt z.B. in diesem Dungeon Hinweise darauf finden (sofern man an den richtigen Stellen genauer aufpasst), dass der Schamane auch etwas im Schilde führt, und dann stellt sich die Entscheidung, ob man den Schamanen damit konfrontiert, daraufhin im Kampf besiegt, und man so an das Heilmittel kommt, oder ob man dem Auftrag gemäß handelt, den Dungeon säubert, und dafür vom Schamanen belohnt wird. Jetzt stellt sich heraus, dass das Heilmittel immer noch nicht wirkt, und sofern Hans den Schamanen schon besiegt hat, findet er in der Behausung des Schamanen zumindest das Rezept für das zweite Heilmittel und muss nun die Zutaten dafür suchen, und einen anderen Schamanen, der es für ihn daraus herstellen kann. Sofern der Schamane hingegen noch lebt, will er den Trank nur herstellen, wenn man ihm einen Gegenstand des anderen Schamanen bringt. Nun kann man entweder den anderen Schamanen töten und ihm den Gegenstand entwenden, und muss dann noch die Zutaten suchen, um das Heilmittel herzustellen, oder man tötet stattdessen den Schamanen, der im Besitz dieses Rezeptes ist. Nun muss man mit diesem zum anderen Schamanen und der stellt nun, nachdem man die Zutaten beisammen hat, das Heilmittel her.

    Natürlich ist so ein variabler Questverlauf komplizierter umzusetzen, als ein linearer, aber er wahrt eben die Integrität der Handlung, da er für jede Entscheidung genügend Argumente liefert, und er liefert dem Spieler trotzdem das Gefühl, freie Entscheidungen treffen zu können.

  4. #4
    Ich kenne ehrlichgesagt kein Spiel, in dem der Spieler wirklich frei in seinen Entscheidungen ist. Meistens orientieren sich die potentiellen Lösungswege nämlich an den Fähigkeiten des Charakters. Ich kann in 99% der Fälle eine Questaufgabe nicht als "Taschendieb" lösen, wenn ich zuvor keine Skillpunkte in Taschendiebstahl investiert habe. Die Tatsache alleine, das ich Skillpunkte in taschendiebstahl investiere, zeigt aber schon auf, das dieser Charakter eben durchaus bereit ist, auch mal lange Finger zu machen (sonst hätte er die Fähigkeit dazu nicht).
    Sehr gut umgesetzt finde ich das in den beiden letzten Ablegern der Fallout Reihe ... also Fallout3 und Fallout: New Vegas. Dort kommt man als "guter" Spieler nämlich oftmals in Situationen, in denen eine "Nette" lösung bestimmte Fähigkeiten (Sprache, Wissenschaft etc.) vorraussetzt. Hat man diese Fähigkeiten nicht, muss man sich überlegen, ob man seinem guten Weg konsequent folgt und dafür in kauf nimmt, in der vorliegenden Situation zu scheitern ... oder ob man seine Moral dann eben doch über den Haufen wirft und zur Waffe greift. Ein Umstand, der Grade in Fallout: New Vegas dank des Ruf-Systems nicht ohne Konsequenzen bleibt. Denn einen Quest durch Gewalt zu lösen, wird die Freunde des Opfers gegen den Spieler aufbringen.
    Gewalt ist somit zwar ein Lösungsweg, der immer zur Verfügung steht, aber es ist gleichzeitig auch "Die dunkle Seite der Macht", denn wenn man einmal damit anfängt, wird es um so schwerer, auf den Pfad der Tugend zurück zu kehren. Ist man erst einmal verhasst, dann bleibt das in der Regel auch so.

    Bei MassEffekt ist das übrigens auch so ähnlich. Durch das Ausführen von Handlungen der Marke Paragon oder Renegade gewinne ich entsprechende Punkte. Varriere ich beständig zwischen beiden extremen und bin mal böse und mal lieb, dann komme ich irgendwann an den Punkt, an dem mir oft nur der neutrale weg als Ausweg bleibt, weil ich nicht lieb genug für den lieben weg, und nicht böse genug für den Bösen Weg bin.

    Und genau das ist die Crux an solchen Systemen mit freier Entscheidung:

    Ich darf dem Spieler niemals wirkliche Freiheit lassen. Die Freiheit der Entscheidungen, die ein Spieler hat, muss sich ab einem bestimmten Punkt mit ansteigender Häufigkeit nach den Entscheidungen richten, die der Spieler zuvor bereits getroffen hat. So weit, bis der Spieler eben nur noch dann in der lage dazu ist, den Weg des Diebes einzuschlagen, wenn er auch bis zu diesem Punkt als Dieb gespielt worden ist.

  5. #5
    Ich sehe es nicht als Notwendigkeit. Es gibt Rollenspiele, die sind interessant dadurch, dass man möglichst viele Entscheidungen treffen kann und andere in denen man die Rolle von jemand spielt, der eben Entscheidungen entsprechend seines Charakters führt. Verschiedene Pfade sind sowieso nur merkbar wenn man das Spiel mehrfach spielt. Das Gefühl, die eigenen Taten und die eigenen Entscheidungen machen den Unterschied bedarf keiner Nonlinearität, dazu reicht es dieses anzudeuten, die Illusion zu schaffen.

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