Antwort spät nachgelegt, eine Reise nach Strassburg ist jenseits von Gut und Böse!
Zitat von real Troll
Wäre so ein äußerliches Böses nicht lediglich eine bloße Zustandsbeschreibung?
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Ich würde nicht unbedingt und von vornherein von einer Zuschreibung sprechen. Das Konzept "Böse", das der Mensch hat, ist relativ universell (Jung würde womöglich von einem dunklen Archetypen sprechen); es ist das andere, bedrohliche Etwas. Ethisch böse ist ja auch nur das, das die uns konstruierte Ethik gefährdet -- wie böse ist einer, der ganze Volksstämme zum Sklavendienst unterjocht? Nach unserer modernen Auffassung womöglich ziemlich. Dann wiederum steht unsere Gesellschaft auf der Basis von Gesellschaften, die genau das über Jahrhunderte hinweg getan haben, kollektiv und ohne viele Skrupel.
Was heißt das für diesen Fall hier? Das "Böse" ist ein füllbares Konzept, aber es ist ein beständiges. Egal wo man es jetzt herleitet, sei es aus den Urinstinkten, aus der kulturellen Genese oder aus einer Prägung, die jeder von uns erfahren hat: Das Böse ist als Vorstellungsobjekt irgendwie da und vielseitig mit Konnotationen belegbar. In unserer Gesellschaft ist das beispielsweise das Verbrechen gegen die Menschlichkeit, einst gehörte dazu auch das Verbrechen gegen göttliches Gebot (der Pakt mit dem Teufel hat noch heute so einen Anklang von Urbösem).
Ach ja, das Urböse (oder auch Archetypus des Bösen). Hier steckt meiner bescheidenen Einschätzung nach die Quelle jeder Vorstellung des Bösen, gerade eben weil das Böse in der Regel keine Motivation und Erfahrbarkeit haben kann. In der Instinkt-These würde man hier wohl mit dem Bedrohlichen der Natur argumentieren, mit den natürlichen Feinden der frühen Menschen. Die Kultur-These würde eher vom Eigenen (das Gute) und dem Anderen (das Böse, potentiell Gefährliche) ausgehen, individuell sähe man darin womöglich nicht-hinterfragte Grenzerfahrungen. So oder so führt offengelegte Motivation zu Vertrautheit, Vertrautheit zu Abschwächung und letztendlich zu Verlust des "Böse"-Charakters -- das Böse würde quasi domestiziert. Dabei ist doch aber Auslöschung das Ziel. Die Domestikation ist eher eine Zwangsvorstellung vor allem moderner Gesellschaften, deren Moralkodex Auslöschungsgedanken unterdrücken macht.
Versteh mich dabei nicht falsch, ich persönlich finde wie erwähnt die Erfahrbarmachung des Bösewichts ebenfalls unheimlich spannend. In diesem Moment löst sich allerdings die Gut-Böse-Dichotomie beinahe auf (meiner Meinung nach auch Intention der Perspektivierung bzw. Domestikation). Wir sprechen dann meiner Meinung nach über ein anderes Erzählschema. Beide sind inhärent spannend, was ja auch der Grund ist, warum beide sich noch immer halten und teilweise miteinander spielen. Heutzutage spielt auf beiden Ebenen die ethische Komponente eine große Rolle, was im Gut-Böse-Schema zu erwähnten etwas lächerlichen Situationen führt, wo die Handlungsmotivation händeringend überkleistert werden muss.
Darüber hinaus habe ich mich auch stellenweise etwas unklar ausgedrückt: Es geht nicht ausschließlich um komplett unmotivierte Bösewichte, allerdings kommt es eben, je mehr Perspektive man vom Bösen erhält, zum Domestikationsphänomen. Will man die Dichotomie der Bedrohlichkeit aufrecht erhalten, müssen diese Ausdrücke ausbleiben, oder aber die Andersartigkeit und Gefahr bestätigen: Der Nazi-Offizier, der für Frau und Kinder (Maxime des Verantwortungsbewusstseins) sorgen muss und nur Befehle ausführt, um für sie am Leben zu bleiben (Maxime der Notwehr), ist eine vollkommen andere Figur als der sadistische Schlächter, der völlig ohne Grund (Maxime der Rationalität) und ohne Skrupel (Maxime des Bewusstseins von Grenzen) foltert und tötet. Die Grusel-Faszination beispielsweise des Geisteskranken geht vor allem von dessen Unberechenbarkeit und Unmotiviertheit aus -- es gibt keine abschätzbaren Gründe für sein Handeln, deshalb steht er sehr nah am Urbösen, das uns auch ohne erkennbaren Grund Leid zufügt.
Zitat
Ein Schlenker: Ich finde nicht jedes böse Motiv spielerisch befriedigend, vor allem, wenn es zu grau wird. Der böse König beschließt, tausend Menschen umbringen zu lassen. Unser Held stemmt sich dagegen, metzelt die Schergen des Königs dahin, steht endlich im Thronsaal und erfährt, der König habe nur den Großteil seiner Untertanen retten wollen, weil eine fürchterliche Krankheit drohe und nicht gegenügend Arzneien für alle Menschen vorhanden seien. Bevor alle unterversorgt sind, rettet der König lieber die Mehrheit auf Kosten der Wenigen. Bäh, was soll das denn? Schlimmer noch: Weil wir auf unserem Abenteuer an die tausend Schergen getötet haben, haben wir dem König die eklig schwere Aufgabe bereits abgenommen.
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Genau SO (in etwa) motiviert Wolfgang Holbein seine Geschichten. ^^
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از جمادی مُردم و نامی شدم — وز نما مُردم بهحیوان سرزدم / مُردم از حیوانی و آدم شدم — پس چه ترسم؟ کی ز مردن کم شدم؟
حمله دیگر بمیرم از بشر — تا برآرم از ملائک بال و پر / وز ملک هم بایدم جستن ز جو — کل شیء هالک الا وجهه
بار دیگر از ملک پران شوم — آنچه اندر وهم ناید آن شوم / پس عدم گردم عدم چو ارغنون — گویدم کانا الیه راجعون