Ergebnis 1 bis 20 von 63

Thema: Gut und Böse

Hybrid-Darstellung

Vorheriger Beitrag Vorheriger Beitrag   Nächster Beitrag Nächster Beitrag
  1. #1
    Zitat Zitat von real Troll Beitrag anzeigen
    Ein Schlenker: Ich finde nicht jedes böse Motiv spielerisch befriedigend, vor allem, wenn es zu grau wird. Der böse König beschließt, tausend Menschen umbringen zu lassen. Unser Held stemmt sich dagegen, metzelt die Schergen des Königs dahin, steht endlich im Thronsaal und erfährt, der König habe nur den Großteil seiner Untertanen retten wollen, weil eine fürchterliche Krankheit drohe und nicht gegenügend Arzneien für alle Menschen vorhanden seien. Bevor alle unterversorgt sind, rettet der König lieber die Mehrheit auf Kosten der Wenigen. Bäh, was soll
    Wobei ... wenn das schön inszeniert wird, und einen gar emotional bewegt kann das auch ein "tolles" Ende sein...

    Ich könnte mir zum Beispiel gut eine Revolutionsgeschichte vorstellen, bei der sobald das Regime - unter Hilfe des Heldens - gestürzt ist, der Held herausfindet, dass eigentlich auch die vermeintlich Guten eigentlich nur machtgeil waren, und nun ein eventuell sogar schlimmeres Regime errichten als zuvor.
    Funktioniert in der Realität ja auch. (NLA / FSA).

  2. #2
    Hm. Ich finde, es kann ein guter TWIST am Ende sein, aber aufhören sollte man dort lieber nicht. Dann fühlt sich wie erwähnt die gesamte Spielzeit etwas verschwendet an. Sage ich aus Erfahrung. Wenn man noch auf die Ergebnisse eingehen kann, ist es aber schon wieder etwas gänzlich anderes.

    Es sei denn natürlich, man will echt einen auf total-artsy machen und auf die Motivationen der meisten Spieler scheißen.

    Zitat Zitat
    Funktioniert in der Realität ja auch. (NLA / FSA).
    Das ist aber ein echt schlechtes Argument. ^^'' In einem Rollenspiel hast du die ROLLE des Helden -- das heißt, du darfst es nicht mit einem realen Ereignis vergleichen, das du von irgendwo hörst (das mag durchaus eine schöne Geschichte sein!), sondern mit einer Erfahrung, die du selbst machst. Und glaub mir, das ist für die entsprechenden realen Menschen genau so deprimierend wie für den Spieler. Zumindest, wenn es an der Stelle aufhört.

  3. #3
    Ja naja. Von der Realität abgesehen (die aber halt gut ist, um das ganze "Realistisch" zu machen, bzw. eine auf die Realität anwendbare Botschaft zu vermitteln), funktioniert das ganze doch auch in Romanen recht gut.
    Es gibt so viele Romane in denen der Hauptcharakter sich am Ende umbringt, getötet wird, scheitert, oder sonstwas. Und teilweise sind das gefeierte Bücher, die gerade deswegen so toll sind.

    EDIT: Gilt freilich auch ab und an für Filme, zumindest solche die in Richtung Drama gehen. "Z" zum Beispiel würde selbst wenn das ganze nicht in echt passiert wäre, ohne den "Magenschlag" ganz am Ende einfach nicht funktionieren ...

    Geändert von Jerome Denis Andre (30.08.2012 um 12:46 Uhr)

  4. #4
    Ich denke, dass das (Rollen)Spiel von allen Medien am stärksten auf eine positive Identifikationsfigur angewiesen ist. Man empfindet ja nicht nur nach, sondern man steuert die Figur auch. Romane mit einem tragischen Ende wollen wohl meistens mit dem Scheitern des Helden etwas aussagen, ich weiß nicht ob Spiele, also vor allem Rollenspiele, in denen man sich wegen dem Grinden und Erkunden nie ganz auf die Geschichte konzentriert und der Spielspaß auch nicht nur durch sie entsteht, dafür so geeignet sind. Und Tragik, die nur dazu da ist, damit am Ende alle schön schluchzen, ist nichts besonders Erstrebenswertes. Die wäre dann auf dem Niveau der Telenovellas und Seifenopern.

  5. #5
    Wie gesagt, in einem ROLLENspiel übernimmt man eine oder mehrere ROLLEN. Das ist schon der entscheidende Unterschied zu Büchern, Filmen etc. Das heißt nicht mal, dass ein Spiel nicht tragisch sein darf, aber es darf nicht alles, was der Spieler geschafft hat, Null und nichtig machen.

    Letztendlich kann ich mir aber sogar vorstellen, dass das klappt. Dann darf nur keine allzu starke Identifikation mit dem Helden sein, die Story muss weit wichtiger sein als ein individuelles Spielgefühl und wahrscheinlich wäre es sogar vorteilhaft, wenn das Ganze möglichst wenig "Spiel" ist.

  6. #6
    Zitat Zitat
    Es gibt so viele Romane in denen der Hauptcharakter sich am Ende umbringt, getötet wird, scheitert, oder sonstwas. Und teilweise sind das gefeierte Bücher, die gerade deswegen so toll sind.
    Naja, es ist aber ein Unterschied, ob ein Held am Ende "einfach nur" stirbt, oder ob man ein "Übrigens, alles, was passiert ist, war völlig sinnlos" ins Gesicht geklatsch bekommt.

    Einfaches Beispiel:
    Jungfrau soll bösem Drachen geopfert werden.
    Gut: Vater von Jungfrau kämpft gegen Drachen, erschlägt ihn, wird aber schwer verwundet. Er stirbt in dem Wissen, dass er seine Tochter gerettet hat.
    Schlecht: Vater von Jungfrau kämpft gegen Drachen, erschlägt ihn, wird aber schwer verwundet. Er stirbt in dem Wissen, dass er seine Tochter gerettet hat. Eine Woche später kommt ein neuer Drache und verspachtelt die Jungfrau doch noch.

  7. #7
    Die Sache ist doch ganz einfach:

    Was eine Geschichte vermitteln soll, ist am Ende das gefühl, das der Spieler durch seine Handlungen etwas BEWEGT hat. Das muss aber nicht immer das klassische Happy-End sein. Natürlich darf die Welt, nachdem der Held sie gerettet hat, in trümmern liegen. Aber das wichtige ist, dass der Spieler das Gefühl bekommt, es ist sein Verdienst, das die Welt überhaupt noch existiert.
    Wenn den Leuten im Spiel am Ende nichts anderes bleibt, als Tod, Zerstörung, Elend ... und ein winzig kleiner Schimmer Hoffnung, auf eine bessere Zukunft, dann ist das ein tolles, tragisches Ende, finde ich. Aber wenn dieser Schimmer Hoffnung einfach weggewischt wird, und der Spieler da da sitzt und sich fragt "Und wozu nun alles?" Dann ist das Ende Mist.

  8. #8
    Antwort spät nachgelegt, eine Reise nach Strassburg ist jenseits von Gut und Böse!

    Zitat Zitat von real Troll Beitrag anzeigen
    Wäre so ein äußerliches Böses nicht lediglich eine bloße Zustandsbeschreibung?
    Ich würde nicht unbedingt und von vornherein von einer Zuschreibung sprechen. Das Konzept "Böse", das der Mensch hat, ist relativ universell (Jung würde womöglich von einem dunklen Archetypen sprechen); es ist das andere, bedrohliche Etwas. Ethisch böse ist ja auch nur das, das die uns konstruierte Ethik gefährdet -- wie böse ist einer, der ganze Volksstämme zum Sklavendienst unterjocht? Nach unserer modernen Auffassung womöglich ziemlich. Dann wiederum steht unsere Gesellschaft auf der Basis von Gesellschaften, die genau das über Jahrhunderte hinweg getan haben, kollektiv und ohne viele Skrupel.
    Was heißt das für diesen Fall hier? Das "Böse" ist ein füllbares Konzept, aber es ist ein beständiges. Egal wo man es jetzt herleitet, sei es aus den Urinstinkten, aus der kulturellen Genese oder aus einer Prägung, die jeder von uns erfahren hat: Das Böse ist als Vorstellungsobjekt irgendwie da und vielseitig mit Konnotationen belegbar. In unserer Gesellschaft ist das beispielsweise das Verbrechen gegen die Menschlichkeit, einst gehörte dazu auch das Verbrechen gegen göttliches Gebot (der Pakt mit dem Teufel hat noch heute so einen Anklang von Urbösem).

    Ach ja, das Urböse (oder auch Archetypus des Bösen). Hier steckt meiner bescheidenen Einschätzung nach die Quelle jeder Vorstellung des Bösen, gerade eben weil das Böse in der Regel keine Motivation und Erfahrbarkeit haben kann. In der Instinkt-These würde man hier wohl mit dem Bedrohlichen der Natur argumentieren, mit den natürlichen Feinden der frühen Menschen. Die Kultur-These würde eher vom Eigenen (das Gute) und dem Anderen (das Böse, potentiell Gefährliche) ausgehen, individuell sähe man darin womöglich nicht-hinterfragte Grenzerfahrungen. So oder so führt offengelegte Motivation zu Vertrautheit, Vertrautheit zu Abschwächung und letztendlich zu Verlust des "Böse"-Charakters -- das Böse würde quasi domestiziert. Dabei ist doch aber Auslöschung das Ziel. Die Domestikation ist eher eine Zwangsvorstellung vor allem moderner Gesellschaften, deren Moralkodex Auslöschungsgedanken unterdrücken macht.

    Versteh mich dabei nicht falsch, ich persönlich finde wie erwähnt die Erfahrbarmachung des Bösewichts ebenfalls unheimlich spannend. In diesem Moment löst sich allerdings die Gut-Böse-Dichotomie beinahe auf (meiner Meinung nach auch Intention der Perspektivierung bzw. Domestikation). Wir sprechen dann meiner Meinung nach über ein anderes Erzählschema. Beide sind inhärent spannend, was ja auch der Grund ist, warum beide sich noch immer halten und teilweise miteinander spielen. Heutzutage spielt auf beiden Ebenen die ethische Komponente eine große Rolle, was im Gut-Böse-Schema zu erwähnten etwas lächerlichen Situationen führt, wo die Handlungsmotivation händeringend überkleistert werden muss.

    Darüber hinaus habe ich mich auch stellenweise etwas unklar ausgedrückt: Es geht nicht ausschließlich um komplett unmotivierte Bösewichte, allerdings kommt es eben, je mehr Perspektive man vom Bösen erhält, zum Domestikationsphänomen. Will man die Dichotomie der Bedrohlichkeit aufrecht erhalten, müssen diese Ausdrücke ausbleiben, oder aber die Andersartigkeit und Gefahr bestätigen: Der Nazi-Offizier, der für Frau und Kinder (Maxime des Verantwortungsbewusstseins) sorgen muss und nur Befehle ausführt, um für sie am Leben zu bleiben (Maxime der Notwehr), ist eine vollkommen andere Figur als der sadistische Schlächter, der völlig ohne Grund (Maxime der Rationalität) und ohne Skrupel (Maxime des Bewusstseins von Grenzen) foltert und tötet. Die Grusel-Faszination beispielsweise des Geisteskranken geht vor allem von dessen Unberechenbarkeit und Unmotiviertheit aus -- es gibt keine abschätzbaren Gründe für sein Handeln, deshalb steht er sehr nah am Urbösen, das uns auch ohne erkennbaren Grund Leid zufügt.


    Zitat Zitat
    Ein Schlenker: Ich finde nicht jedes böse Motiv spielerisch befriedigend, vor allem, wenn es zu grau wird. Der böse König beschließt, tausend Menschen umbringen zu lassen. Unser Held stemmt sich dagegen, metzelt die Schergen des Königs dahin, steht endlich im Thronsaal und erfährt, der König habe nur den Großteil seiner Untertanen retten wollen, weil eine fürchterliche Krankheit drohe und nicht gegenügend Arzneien für alle Menschen vorhanden seien. Bevor alle unterversorgt sind, rettet der König lieber die Mehrheit auf Kosten der Wenigen. Bäh, was soll das denn? Schlimmer noch: Weil wir auf unserem Abenteuer an die tausend Schergen getötet haben, haben wir dem König die eklig schwere Aufgabe bereits abgenommen.
    Genau SO (in etwa) motiviert Wolfgang Holbein seine Geschichten. ^^

    Zitat Zitat

  9. #9
    Zitat Zitat
    Genau SO (in etwa) motiviert Wolfgang Holbein seine Geschichten. ^^
    Oh mein Gott, das stimmt.
    Jetzt weiß ich auch, warum die ein, zwei Bücher, die ich gelesen habe, kurz nach dem Lesen immer extrem deprimierend schlecht waren, mir mit etwas Abstand dann aber (zumindest in dieser Hinsicht) ganz gut gefallen haben. xD

  10. #10
    Beim Stichwort Hohlbein fällt mir noch ein Beispiel für "So nicht!" ein: Die Insel der Sternenbestie, ein Spielbuch auf Enwor.


  11. #11
    @ Mordechaj
    Wenn man das Böse einem generellen Relativismus anheim stellt, kann das erzählerisch zum Spannungsabbruch führen. Das sehe ich ganz ähnlich, denn das vollständig Erklärte (beim Bösen: vollständig schuldentlastet) wird schnell reizlos und gewöhnlich. Belässt man im Schurken bei aller Motivsuche eine Portion "Urböses", erhält man sich das feindliche Fremde als unnahbaren, schillernden Reiz. In den schattigen Fugen hockt noch Mythos.
    Wird das Spiel dadurch platt? Im Ausdruck "Märchen für Erwachsene" liegt Herablassung; zwar habe sich der Autor bemüht und sei dem ganz Simplen entronnen, aber die triviale Herkunft, die Genre-Verwandtschaft hafte unlösbar am Werk. Wer auf grimmigen Grau-Realismus pocht, wird dem Satz, das Böse sei nur das jeweils zeitgemäße Konstrukt einer bestimmten Gesellschaft (Soziologie) oder der Willensfreiheit des jeweiligen Einzelnen (Existenzialismus), folgen wollen, denn dieser verspricht die Aura höheren Verständnisses. Ich halte die Ängste, man verlöre seinen Anspruch, wenn man angeblich unreflektiert vom Wesen "des Bösen" spricht, für übertrieben. Erstens ist alles in einer Geschichte gut aufgehoben, wenn es dramaturgisch funktioniert. Wahrheitsfindung und Erkenntnisvermögen muss man nicht unbedingt aus einem Makerspiel ziehen wollen müssen. Neben dem allgemeinen Argument habe ich noch ein spezifisches. Denn zweitens halte ich die behauptete Konstruiertheit des Bösen in dieser absoluten Aussage für falsch, sehe zumindest hier nicht einmal einen prinzipiellen Widerspruch zum ersten Satz.
    Mord, Diebstahl, Vertrags- oder Vertrauensbruch sind bei allen Wandeln bleibende Verurteilungsgründe. Der Relativismus deutet auf die Grenzen dieser Aussage, setzt dabei allerdings bei einer allgemeinen Menschenmoral an, stochert hier aber im Leeren und demonstriert nur, dass es sie nicht gibt. Er setzt sich ein überdehntes Zugehörigkeitsempfinden als Basis. Fragt man hingegen nicht nach allen Menschen, sondern nur nach den Zugehörigen einer Gruppe (ja, deren Grenzen sind nicht schicksalsgegeben), gewinnt das Böse klarere Kontur. Es ist der Gruppenschädling, der Spalter - schlimmstenfalls ein solcher, der das Vermögen der anderen, überhaupt einen Sozialverband bilden zu können, unterminiert. Bei allem Bemühen, das Böse immer nur als von den den sich ändernden Umständen bedingt ansehen zu wollen, ist der genannte Punkt ein ziemlich stabiler Angelpunkt der ethischen Wertung. Schlage ich nach, lese ich, dass sich der Teufel in der Sprache des Neuen Testaments von "entzweien" ableitet, dass schon Platon von der ursprünglichen Ungeteiltheit der noch nicht für ihr Vergehen gestrafter Menschen sprach und fühle mich total bestätigt.
    Für die Makerpraxis: Das Böse ist urtümlich böser in einer Bürgerkriegsgeschichte als in einer Erzählung über zwei verfeindete Königgreiche.

  12. #12
    @Mordechaj: Ich denke, geht man nach Jung, sind Gut und Böse Zustandsableitungen. Beides entspringt dem Bewusstsein, im Gegensatz zu den Archetypen, die uns nur bei ihrer inhärenten Interpretation bewusst werden können. Die Vorstellung gefällt mir, denn sie erklärt unser gültiges Rechtsverständnis: Wer unbewusst handelt, ist entweder vermindert schuldfähig, gar nicht, oder gehört für immer weggesperrt. Jung würde vielleicht sagen, böse ist, wer die Archetypen kennt, sich ihre Numinosität bewahrt hat und trotzdem wider besseren Wissens handelt. Vielleicht würde er so einen Menschen aber auch einfach als geisteskrank abtun. Menschen ohne Numinosität seien höchsten unmoralisch und das schließt besonders solche Beispiele ein:
    Zitat Zitat
    wie böse ist einer, der ganze Volksstämme zum Sklavendienst unterjocht? Nach unserer modernen Auffassung womöglich ziemlich. Dann wiederum steht unsere Gesellschaft auf der Basis von Gesellschaften, die genau das über Jahrhunderte hinweg getan haben, kollektiv und ohne viele Skrupel.

Berechtigungen

  • Neue Themen erstellen: Nein
  • Themen beantworten: Nein
  • Anhänge hochladen: Nein
  • Beiträge bearbeiten: Nein
  •