@ Mordechaj
Wäre so ein äußerliches Böses nicht lediglich eine bloße Zustandsbeschreibung? Falls böse sei, was die Ordnung angreift, reduzierte sich die interessante ethische Figur in meinen Augen zu sehr auf ein Synomym für Konflikt. Klar, den braucht es, damit die Geschichte in Schwung kommt, damit es überhaupt eine Geschichte abseits des Einerlei gibt. Aber selbst Seifenopern gehen einen Schritt weiter, indem sie nicht nur eine äußere Beschreibung des Bösewichts und seines Tuns abgeben, sondern auch den Blick umkehren - nun von innen nach außen, mit den Augen des Bösen auf die Welt, weil sie Motive ins Spiel bringen. Das Böse wird individuell, der Held ist mehr als ein Klempner, der nicht etwa nur einen Wasserrohrbruch oder eine andere Art Unfall repariert, der Held stemmt sich gegen Absichten. Die Innensicht wirft immer die Frage nach Schuld auf. Ist der Schurke verrückt oder skrupellos oder ist sein ethisches System schlicht inkompatibel oder macht er aus seiner Warte gar nichts per se Schlechtes oder entzieht er sich am Ende gar modernen Relativierungen, weil er tatsächlich böse ist? Schuld und Persönlichkeit weiten nicht nur die erzählerischen Möglichkeiten. Erzählerisch wie spielmechanisch ist der Bösewicht das Gravitationszentrum (dazu muss ihn die Kamera nicht einmal fortwährend zeigen). Wäre er ein Zustand, lenkten wir keinen Schwertkämpfer, eher verfolgten wir die Abenteuer eines Sozialarchitekten bei seinem Schreibtischkampf gegen die Verhältnisse. Schuld gibt ein einfaches Ziel. Der Böse pflanzt Sinn in den Helden. Auf der Heldenreise macht sich unsere Spielfigur den Bösen erfahrbar.
Ein Schlenker: Ich finde nicht jedes böse Motiv spielerisch befriedigend, vor allem, wenn es zu grau wird. Der böse König beschließt, tausend Menschen umbringen zu lassen. Unser Held stemmt sich dagegen, metzelt die Schergen des Königs dahin, steht endlich im Thronsaal und erfährt, der König habe nur den Großteil seiner Untertanen retten wollen, weil eine fürchterliche Krankheit drohe und nicht gegenügend Arzneien für alle Menschen vorhanden seien. Bevor alle unterversorgt sind, rettet der König lieber die Mehrheit auf Kosten der Wenigen. Bäh, was soll das denn? Schlimmer noch: Weil wir auf unserem Abenteuer an die tausend Schergen getötet haben, haben wir dem König die eklig schwere Aufgabe bereits abgenommen.