@Mordechaj:
Das, was du zu Volksmärchen schreibst, liest sich alles sehr plausibel. Aber auf Kunstmärchen lässt sich das nicht übertragen, oder? Sicher stehen auch die in einem historischen Kontext, doch greifen sie weniger volksspezifische Moral auf, als die ihren Autoren eigene. Insofern finde ich Gut und Böse interessant: Als Abbildung der spezifischen Moral eines Autors. Etwas, das sich aus einer Volksmoral entwickelt hat, jedoch nicht mit ihr identisch ist oder aber ziemlich fundiert.
Dank dir insgesamt für deine Ausführungen.
@Mordechaj:
Das, was du zu Volksmärchen schreibst, liest sich alles sehr plausibel. Aber auf Kunstmärchen lässt sich das nicht übertragen, oder? Sicher stehen auch die in einem historischen Kontext, doch greifen sie weniger volksspezifische Moral auf, als die ihren Autoren eigene.
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Ich denke, da triffst du so ziemlich genau den Punkt: Kunstmärchen sind mit einem empirischen Autor ausgestattet; das ist meiner Meinung nach auch die einzig stichhaltige Unterscheidung zum Volksmärchen. Dass weniger volksspezifische Wertevorstellungen (sagen wir es lieber so, moralisch erbaulich sind Märchen zumindest für mein bescheidenes Empfinden nur sehr selten; wenn sie nicht gerade christlichen Einflussnahmen entspringen) in Kunstmärchen zu finden sind, würde ich allerdings fast verneinen. Das trifft mit absoluter Sicherheit für eine Vielzahl von Kunstmärchen zu, ohne Zweifel, nur gibt es tatsächlich einige Beispiele, wo der geneigte und uninformierte Leser niemals zu einem Urteil kommen könnte. Der gestiefelte Kater beispielsweise gehört meiner Erfahrung nach dazu. Es gibt wenig echte Unterscheidungsmerkmale.
Dazu kommt, dass die Volksmärchen, die uns überliefert sind, heutzutage ja zu sehr großen Teilen die der Grimms sind; und von denen sind eben nur Einzelversionen überliefert oder Fragmenterzählungen zusammengeflickt -- im engsten Sinne würde man hier ebenfalls von Kunstmärchen sprechen können. Diese "erstarrten" Märchen unterscheiden sich von den Kunstmärchen nur noch durch ihre kollektive Urheberschaft, die Erzähltraditionen sind beinahe konkruent, nur ist es einem Autor viel einfacher möglich, seine Intention zu festigen, während der Volksmund durch seine zahlreichen Variationen des "Originals" dankenswerter Weise jede Klarheit erstmal ausgemerzt hat.
Ich finde es schwierig, vom Werk auf den Autor schließen zu wollen. Bin allerdings auch sehr tief in der These vom Tod des Autors drin, und die ist definitiv alles andere als unanfechtbar. Gerade in einfachen Erzählungen und bewusst nachempfundenen Volksmundtraditionen ist es schwierig, die Wertevorstellungen des Autors herauszulesen, schon der soziale Kontext wird schwierig, dort wo mühelos getäuscht wird. Außerdem sind Gut-Böse-Geschichten gern (ob nun bewusst oder unbewusst) auf große Projektionsflächen ausgelegt, weshalb die Motive oftmals sehr simpel gehalten sind: Hier ist der Rezipient angehalten, ganz im Sinne der Katharsis seinen eigenen Konflikt reinzulegen. Deshalb sind die meisten Gut-Böse-Geschichten, meiner Einschätzung nach, überhaupt nicht mit Moral, sogar sehr selten mit Wertekomplexität, ausgestattet; man liest eben hinein, was einem so rumsteht -- bewusst oder unbewusst oder gar beides.
Anders verhält sich das natürlich im Fall von "Gut und Böse mit Feindbild", da werden sowohl Moral als auch Wertevorstellungen forciert und stark abgegrenzt.
Das wohlgemerkt alles im europäischen Kontext. Märchen und allgemein Literatur anderer Völker sehen völlig anders aus.
Zitat von real Troll
( [...] auch wenn der Monotheismus - streng genommen - auch das Böse für Gott vereinnahmt.)
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Das halte ich für einen sehr spannenden Gedanken -- könntest du ihn ausführen? Ich meine in etwa zu wissen, in welche Richtung er strebt, aber ganz sicher bin ich mir nicht. Es wäre spannend zu ergründen, ob diese Vereinnahmung von außerhalb oder von innerhalb so wahrgenommen wird.
Zitat
Ordo mildert ab, indem er begreiflich macht oder zumindest Interpretationsanknüpfungspunkte für vertraute Sinnsysteme schafft. Das Böse wird durch Rechtfertigung dem eigenen Weltbild angeeignet. In gewisser Weise nimmt man einen gedanklichen Exorzismus des Fremdartigen aus der Welt vor. Die Spielmechanik tickt ähnlich. Der Held entfernt den Schurken samt Schergen, indem er sich per Erfahrungspunkten vertraut macht. Auf Stufe 1 unterläge er dem Endboss hoffnungslos, der spielmechanische Aneignungsprozess lässt ihn wachsen und schließlich gewachsen sein. Liest man die Funktionsweise eines Rollenspiels auf diese Weise sinnbildlich, passt ein Böser mit einem Motiv sehr gut ins spielerische System eines der eigenen Ohnmacht vorbeugenden Logos. Das lässt sich ebenso ins Erzählerische übertragen. Einziger Nachteil in meinen Augen: Der Verzicht auf ein pures Böses triebe Mystik und Exotik aus dem Spiel, wenn nicht anderweitig vorgebeugt würde.
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Ich würde ordo um ehrlich zu sein eher teleologisch sehen. Es handelt sich um einen zugrundeliegenden Ruhezustand, wie er etwa in idealistischen und utopistischen Vorstellungsräumen quasi die Hauptrolle spielt. Ordo ist quasi alles Rechtmäßige und in seiner Funktionsweise klar geordnete.
Ordo liegt dem Rezipienten bzw. Spieler eigentlich immer vor Augen: Held mit Prinzessin = ordo ; Held ohne Prinzessin = defizitärer Zustand, den es zu beheben gilt. Telos muss die Wiederherstellung der Ordnung sein -- so werden die meisten herkömmlichen Spiele übrigens zu "Lustspielen" im literarischen Sinne, sie brechen kurz die Welt auf, lassen etwas erleben, dann wird der "Riss in der Welt" wieder geschlossen. Denke da jetzt beispielsweise an Super Mario, hier ist der ordo-Bruch konsequenzlos -- aber immer noch ist die Wiederherstellung der Ordnung unabdingbar telos. Dem gegenüber steht die Sorte, die dem Entwicklungsroman ganz gut angleicht (der Bruch der Ordnung führt zur sogenannte Liminalität, also einer Zeit der Grenzerfahrung ohne die herkömmlich geordneten Regeln, in der der Held wichtige Erfahrungen sammelt, etwas über sich selbst erfährt und alte Konflikte bewältigt -- der ordo-Bruch ist hier meist schon weit vor der eigentlichen Erzählung abzusehen). Prince of Persia läuft meiner Meinung nach ein solches Schema ab.
Der entthronte König (Legitimitätsbruch), die geraubte Jungfer (Bruch der sozialen Anbindung), Tote, die aus den Gräber auferstehen (Bruch der natürlichen Trennung der Sphären) -- jedem Helden wie auch jedem Rezipienten und Spieler ist sehr schnell klar, was nicht in Ordnung ist, und vor allem, dass die Ordnung wieder hergestellt werden muss. (Robin Hood zeigt sehr schön, dass auch Interims-Ordnung ihren Reiz hat.) Das Böse ist dann eben immer das, was die Ordnung gefährdet. Für den Spieler gibt es kaum bessere Motivationen und Anreize, als einen fiesigen Störenfried, der dann womöglich auch noch auf alles spuckt was rechtens ist. (Einer der Gründe, warum Bösewichter so überaus häufig als geistesgestört dargestellt werden.)
Die Erfahrungspunkte und den Levelanstieg würde ich dabei um ehrlich zu sein nich als MIttel der Vertrautmachung sehen, denn die geschieht in der Regel im Fortverlauf der Handlung; diese beiden Größen unterstützen diesen Fortverlauf zwar erheblich, sind letzten Endes aber nur Steigerungsressourcen, die die Überwältigung des Störenfrieds ermöglichen. Darüber hinaus stellen sie das charakterliche Wachstum des Helden dar (Liminalität geht immer mit Zugewinn an Fähigkeiten, Erfahrung und Wissen einher) -- in vielen Fällen wird dieser Zuwachs ja erst durch den ordo-Bruch, es wurde Magie freigesetzt oder es existierte eine Prophezeihung, die den Helden im Fall der Fälle auserkohr -- zumeist ist der Held ja sogar so eng mit Liminalität und ordo-Bruch verbunden; Harry Potter ist praktisch Konsequenz aus seinem eigenen ordo-Bruch, ähnlich ist das für Superhelden der Fall. Sinnvoller finde ich dann schon das "Gewachsensein", das Fremde/Böse/Störende bleibt zwar fremd/böse/störend, wird aber eben überwältigbar.
Sorry, dass ich jetzt zurück-aufgebauscht habe, so viel ist aber für mein Empfinden sehr wichtig: Der Spieler wie auch jeder andere Rezipient muss sich mit ordo genauso zurechtfinden, wie mit der Tatsache, dass er da nur ein paar Tasten drückt und das, was er sieht, nicht wirklich geschieht. Sie macht nur bedingt begreiflich, in erster Instanz ist sie telos des Spielgeschehens -- genauso, wie ein Urzustand (Naturzustand, Urchristentum, Urkommunismus) telos jeder Utopie ist. Und das ist es dann eigentlich, das uns quasi archetypisch mit ordo vertraut macht: Sie gehorcht ähnlichen Regeln wie die Ordnung, die wir uns idealisieren, weil wir uns im ständigen Zustand der Unordnung befinden und gegen ihn ankämpfen. Im Spiel und in der Erzählung erfolgt die Katharsis (oder, wie du es treffend ausdrückst, der Exorzismus). Das ordo-System ist deshalb so erfolgreich und deshalb so zugänglich, weil wir uns damit den eigenen Bruch in der Ordnung vor Augen halten und in eine Welt eintauchen, in der es möglich ist, der Absurdität unseres Daseins mit Legitimität und Geordnetheit beizukommen.
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از جمادی مُردم و نامی شدم — وز نما مُردم بهحیوان سرزدم / مُردم از حیوانی و آدم شدم — پس چه ترسم؟ کی ز مردن کم شدم؟
حمله دیگر بمیرم از بشر — تا برآرم از ملائک بال و پر / وز ملک هم بایدم جستن ز جو — کل شیء هالک الا وجهه
بار دیگر از ملک پران شوم — آنچه اندر وهم ناید آن شوم / پس عدم گردم عدم چو ارغنون — گویدم کانا الیه راجعون
@ Mordechaj
Wäre so ein äußerliches Böses nicht lediglich eine bloße Zustandsbeschreibung? Falls böse sei, was die Ordnung angreift, reduzierte sich die interessante ethische Figur in meinen Augen zu sehr auf ein Synomym für Konflikt. Klar, den braucht es, damit die Geschichte in Schwung kommt, damit es überhaupt eine Geschichte abseits des Einerlei gibt. Aber selbst Seifenopern gehen einen Schritt weiter, indem sie nicht nur eine äußere Beschreibung des Bösewichts und seines Tuns abgeben, sondern auch den Blick umkehren - nun von innen nach außen, mit den Augen des Bösen auf die Welt, weil sie Motive ins Spiel bringen. Das Böse wird individuell, der Held ist mehr als ein Klempner, der nicht etwa nur einen Wasserrohrbruch oder eine andere Art Unfall repariert, der Held stemmt sich gegen Absichten. Die Innensicht wirft immer die Frage nach Schuld auf. Ist der Schurke verrückt oder skrupellos oder ist sein ethisches System schlicht inkompatibel oder macht er aus seiner Warte gar nichts per se Schlechtes oder entzieht er sich am Ende gar modernen Relativierungen, weil er tatsächlich böse ist? Schuld und Persönlichkeit weiten nicht nur die erzählerischen Möglichkeiten. Erzählerisch wie spielmechanisch ist der Bösewicht das Gravitationszentrum (dazu muss ihn die Kamera nicht einmal fortwährend zeigen). Wäre er ein Zustand, lenkten wir keinen Schwertkämpfer, eher verfolgten wir die Abenteuer eines Sozialarchitekten bei seinem Schreibtischkampf gegen die Verhältnisse. Schuld gibt ein einfaches Ziel. Der Böse pflanzt Sinn in den Helden. Auf der Heldenreise macht sich unsere Spielfigur den Bösen erfahrbar.
Ein Schlenker: Ich finde nicht jedes böse Motiv spielerisch befriedigend, vor allem, wenn es zu grau wird. Der böse König beschließt, tausend Menschen umbringen zu lassen. Unser Held stemmt sich dagegen, metzelt die Schergen des Königs dahin, steht endlich im Thronsaal und erfährt, der König habe nur den Großteil seiner Untertanen retten wollen, weil eine fürchterliche Krankheit drohe und nicht gegenügend Arzneien für alle Menschen vorhanden seien. Bevor alle unterversorgt sind, rettet der König lieber die Mehrheit auf Kosten der Wenigen. Bäh, was soll das denn? Schlimmer noch: Weil wir auf unserem Abenteuer an die tausend Schergen getötet haben, haben wir dem König die eklig schwere Aufgabe bereits abgenommen.
Ein Schlenker: Ich finde nicht jedes böse Motiv spielerisch befriedigend, vor allem, wenn es zu grau wird. Der böse König beschließt, tausend Menschen umbringen zu lassen. Unser Held stemmt sich dagegen, metzelt die Schergen des Königs dahin, steht endlich im Thronsaal und erfährt, der König habe nur den Großteil seiner Untertanen retten wollen, weil eine fürchterliche Krankheit drohe und nicht gegenügend Arzneien für alle Menschen vorhanden seien. Bevor alle unterversorgt sind, rettet der König lieber die Mehrheit auf Kosten der Wenigen. Bäh, was soll das denn? Schlimmer noch: Weil wir auf unserem Abenteuer an die tausend Schergen getötet haben, haben wir dem König die eklig schwere Aufgabe bereits abgenommen.
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Das Problem kenne ich, hatte ich früher gern mal beim P&P-Spielleitern. Gab dann gern mal sehr enttäuschte oder wütende Spieler, so cool die Story auch war. Ich glaube, die Essenz ist: Man hat sich angestrengt, man hat investiert, also will man auch etwas erreichen. Ich denke aber, dass das an sich nicht zwangsweise etwas mit gut und böse zu tun hat -- das ist bloß eine Baustelle, an der es sehr schnell relevant werden kann, weil es sozusagen "im Trend" liegt, alles zu relativieren. ^^
@caesa_andy:
Zitat
Ich würde die neueren teilen von FF und auch Nolans Batman tatsächlich nicht unbedingt dem Pulp-Genre zuordnen.
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Ich weiß absolut, was du meinst. Aber ich kann die Sachen trotzdem nicht völlig ernst nehmen, und das ist für mich das treibende Kriterium,.
Wobei FFVI echt noch seeehr quirky war, teilweise. Nach kurzer Überlegung: FFXII nehme ich bisher noch gerade so ernst (bin aber noch am Spielen), die anderen Teile sind mir da auch zu viel gewesen. Was natürlich nichts Schlechtes ist, Teil IX wäre als glaubwürdiges Medium wesentlich schlechter gewesen, Teil VII hätte nicht mal funktioniert. Bei Teil VIII merkt man ein bisschen den seltsamen Effekt, der entsteht, wenn sich die Autoren nicht ganz sicher sind, welches Genre sie machen wollen ...
Ich meinte mit "Schurke" auch nicht unbedingt, dass jemand unglaublich böse ist, sondern erst mal nur, dass er die moralisch zweifelhafte Antagonistenrolle einnimmt. Das ist wahrscheinlich eine sehr breite Definition, sollte aber schon mal einiges an Verwirrung auflösen. ^^ Wobei deine Definition (von wegen berechenbar und so) dann wiederum ziemlich spezifisch ist. Man denke an Trickster-Figuren u.ä., die eignen sich auch hervorragend als Schurken, obwohl sie nur selten als böse wahrgenommen werden.
Long story short: Definitionsblaaa. Ist bei dem Thema aber auch echt ein Fallstrick.
Zitat
Es gab immer schon Schurken, deren Motive letztlich einfach verheimlicht wurden. Auch ein liebender familienvater kann ein grausamer Bösewicht sein, wenn das medium ihn ausschließlich in seiner rolle als skrupellosen Wirtschaftsboss zeigt, und den anderen Aspekt seiner persönlichkeit einfach verschweigt. Es zwingt den Autoren ja niemand dazu, alle Aspekte eines Charakters zu beleuchten, wenn er das selber nicht will.
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Das spielt für mich überhaupt keine Rolle. Ich bewerte nur, was im Medium ist (dafür reicht es natürlich auch schon, wenn darauf angespielt wird, so subtil es auch sein mag!), alles andere ist Interpretation. Heißt, wenn eine Figur ausschließlich als "böse" dargestellt wird, ist sie für dieses Medium böse, in meinen Augen. Dass das in der Realität nix zu sagen hat, muss man denk ich nicht erwähnen.
Ich weiß absolut, was du meinst. Aber ich kann die Sachen trotzdem nicht völlig ernst nehmen, und das ist für mich das treibende Kriterium,.
Wobei FFVI echt noch seeehr quirky war, teilweise. Nach kurzer Überlegung: FFXII nehme ich bisher noch gerade so ernst (bin aber noch am Spielen), die anderen Teile sind mir da auch zu viel gewesen. Was natürlich nichts Schlechtes ist, Teil IX wäre als glaubwürdiges Medium wesentlich schlechter gewesen, Teil VII hätte nicht mal funktioniert. Bei Teil VIII merkt man ein bisschen den seltsamen Effekt, der entsteht, wenn sich die Autoren nicht ganz sicher sind, welches Genre sie machen wollen ...
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Schade, das du ausgerechnet das "Seriöseste" FF von allen ganz gekonnt unterschlägst FF10 ist Storymäßig und von der Symbolkraft her schlicht ein Meisterwerk der Popkultur und alles andere als überzeichnet
Zitat
Ich meinte mit "Schurke" auch nicht unbedingt, dass jemand unglaublich böse ist, sondern erst mal nur, dass er die moralisch zweifelhafte Antagonistenrolle einnimmt. Das ist wahrscheinlich eine sehr breite Definition, sollte aber schon mal einiges an Verwirrung auflösen. ^^ Wobei deine Definition (von wegen berechenbar und so) dann wiederum ziemlich spezifisch ist. Man denke an Trickster-Figuren u.ä., die eignen sich auch hervorragend als Schurken, obwohl sie nur selten als böse wahrgenommen werden.
Long story short: Definitionsblaaa. Ist bei dem Thema aber auch echt ein Fallstrick.
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Das ist mir schon klar, das es verdiedene Sorten von Schurken gibt. Ich blieb in diesem fall - gemäß dem Thema - einfach beim "Klassischen Bösen". Und Charaktere, die einfach als "das große Überböse" ohne graufärbung dargestellt werden, sind normalerweise eben sehr berechenbar, vor allem in der fantasy. Ich meine, wann haben den so Leute wie Blofeld, Palpatine, Sauron oder Ganon denn mal irgendwas getan, was vollkommen "unerwartet" gewesen ist? Und diese Charaktere symbolisieren nunmal das klassische, klischee-böse in Reinform.
Zitat
Das spielt für mich überhaupt keine Rolle. Ich bewerte nur, was im Medium ist (dafür reicht es natürlich auch schon, wenn darauf angespielt wird, so subtil es auch sein mag!), alles andere ist Interpretation. Heißt, wenn eine Figur ausschließlich als "böse" dargestellt wird, ist sie für dieses Medium böse, in meinen Augen. Dass das in der Realität nix zu sagen hat, muss man denk ich nicht erwähnen.
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Ich wollte lediglich darauf raus, das ein "nur böser" Charakter nicht zwingend unglaubwürdig sein muss. So lange man dem Konsumenten einfach nicht offen legt, was hinter der maske liegt, kann der konsument auch nicht wissen, ob der charakter wirklich so zweidimensional ist, wie er ihn sieht. In sofern bleibt beim "bösen" immer ein gewisser Spielraum.
Ein Schlenker: Ich finde nicht jedes böse Motiv spielerisch befriedigend, vor allem, wenn es zu grau wird. Der böse König beschließt, tausend Menschen umbringen zu lassen. Unser Held stemmt sich dagegen, metzelt die Schergen des Königs dahin, steht endlich im Thronsaal und erfährt, der König habe nur den Großteil seiner Untertanen retten wollen, weil eine fürchterliche Krankheit drohe und nicht gegenügend Arzneien für alle Menschen vorhanden seien. Bevor alle unterversorgt sind, rettet der König lieber die Mehrheit auf Kosten der Wenigen. Bäh, was soll
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Wobei ... wenn das schön inszeniert wird, und einen gar emotional bewegt kann das auch ein "tolles" Ende sein...
Ich könnte mir zum Beispiel gut eine Revolutionsgeschichte vorstellen, bei der sobald das Regime - unter Hilfe des Heldens - gestürzt ist, der Held herausfindet, dass eigentlich auch die vermeintlich Guten eigentlich nur machtgeil waren, und nun ein eventuell sogar schlimmeres Regime errichten als zuvor.
Funktioniert in der Realität ja auch. (NLA / FSA).
--
Das Licht
Wir sind in trauer wenn · uns minder günstig
Du dich zu andren · mehr beglückten: drehst
Wenn unser geist · nach anbetungen brünstig:
An abenden in deinem abglanz wes't.
Wir wären töricht · wollten wir dich hassen
Wenn oft dein strahl verderbendrohend sticht
Wir wären kinder · wollten wir dich fassen -
Da du für alle leuchtest · süsses Licht!
Hm. Ich finde, es kann ein guter TWIST am Ende sein, aber aufhören sollte man dort lieber nicht. Dann fühlt sich wie erwähnt die gesamte Spielzeit etwas verschwendet an. Sage ich aus Erfahrung. Wenn man noch auf die Ergebnisse eingehen kann, ist es aber schon wieder etwas gänzlich anderes.
Es sei denn natürlich, man will echt einen auf total-artsy machen und auf die Motivationen der meisten Spieler scheißen.
Zitat
Funktioniert in der Realität ja auch. (NLA / FSA).
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Das ist aber ein echt schlechtes Argument. ^^'' In einem Rollenspiel hast du die ROLLE des Helden -- das heißt, du darfst es nicht mit einem realen Ereignis vergleichen, das du von irgendwo hörst (das mag durchaus eine schöne Geschichte sein!), sondern mit einer Erfahrung, die du selbst machst. Und glaub mir, das ist für die entsprechenden realen Menschen genau so deprimierend wie für den Spieler. Zumindest, wenn es an der Stelle aufhört.
--
Ein klassisches Rollenspiel, reduziert auf den Zauber des alten Genres: Wortgewaltige Sprache. Fordernde Kämpfe. Drei, die einen Drachen töten – und was sie dazu führen mag ... Jetzt für 2€ auf Steam, werft mal einen Blick drauf! =D
Ja naja. Von der Realität abgesehen (die aber halt gut ist, um das ganze "Realistisch" zu machen, bzw. eine auf die Realität anwendbare Botschaft zu vermitteln), funktioniert das ganze doch auch in Romanen recht gut.
Es gibt so viele Romane in denen der Hauptcharakter sich am Ende umbringt, getötet wird, scheitert, oder sonstwas. Und teilweise sind das gefeierte Bücher, die gerade deswegen so toll sind.
EDIT: Gilt freilich auch ab und an für Filme, zumindest solche die in Richtung Drama gehen. "Z" zum Beispiel würde selbst wenn das ganze nicht in echt passiert wäre, ohne den "Magenschlag" ganz am Ende einfach nicht funktionieren ...
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Das Licht
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Stefan George
Geändert von Jerome Denis Andre (30.08.2012 um 12:46 Uhr)
Ich denke, dass das (Rollen)Spiel von allen Medien am stärksten auf eine positive Identifikationsfigur angewiesen ist. Man empfindet ja nicht nur nach, sondern man steuert die Figur auch. Romane mit einem tragischen Ende wollen wohl meistens mit dem Scheitern des Helden etwas aussagen, ich weiß nicht ob Spiele, also vor allem Rollenspiele, in denen man sich wegen dem Grinden und Erkunden nie ganz auf die Geschichte konzentriert und der Spielspaß auch nicht nur durch sie entsteht, dafür so geeignet sind. Und Tragik, die nur dazu da ist, damit am Ende alle schön schluchzen, ist nichts besonders Erstrebenswertes. Die wäre dann auf dem Niveau der Telenovellas und Seifenopern.
Wie gesagt, in einem ROLLENspiel übernimmt man eine oder mehrere ROLLEN. Das ist schon der entscheidende Unterschied zu Büchern, Filmen etc. Das heißt nicht mal, dass ein Spiel nicht tragisch sein darf, aber es darf nicht alles, was der Spieler geschafft hat, Null und nichtig machen.
Letztendlich kann ich mir aber sogar vorstellen, dass das klappt. Dann darf nur keine allzu starke Identifikation mit dem Helden sein, die Story muss weit wichtiger sein als ein individuelles Spielgefühl und wahrscheinlich wäre es sogar vorteilhaft, wenn das Ganze möglichst wenig "Spiel" ist.
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Ein klassisches Rollenspiel, reduziert auf den Zauber des alten Genres: Wortgewaltige Sprache. Fordernde Kämpfe. Drei, die einen Drachen töten – und was sie dazu führen mag ... Jetzt für 2€ auf Steam, werft mal einen Blick drauf! =D
Es gibt so viele Romane in denen der Hauptcharakter sich am Ende umbringt, getötet wird, scheitert, oder sonstwas. Und teilweise sind das gefeierte Bücher, die gerade deswegen so toll sind.
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Naja, es ist aber ein Unterschied, ob ein Held am Ende "einfach nur" stirbt, oder ob man ein "Übrigens, alles, was passiert ist, war völlig sinnlos" ins Gesicht geklatsch bekommt.
Einfaches Beispiel:
Jungfrau soll bösem Drachen geopfert werden.
Gut: Vater von Jungfrau kämpft gegen Drachen, erschlägt ihn, wird aber schwer verwundet. Er stirbt in dem Wissen, dass er seine Tochter gerettet hat.
Schlecht: Vater von Jungfrau kämpft gegen Drachen, erschlägt ihn, wird aber schwer verwundet. Er stirbt in dem Wissen, dass er seine Tochter gerettet hat. Eine Woche später kommt ein neuer Drache und verspachtelt die Jungfrau doch noch.
Was eine Geschichte vermitteln soll, ist am Ende das gefühl, das der Spieler durch seine Handlungen etwas BEWEGT hat. Das muss aber nicht immer das klassische Happy-End sein. Natürlich darf die Welt, nachdem der Held sie gerettet hat, in trümmern liegen. Aber das wichtige ist, dass der Spieler das Gefühl bekommt, es ist sein Verdienst, das die Welt überhaupt noch existiert.
Wenn den Leuten im Spiel am Ende nichts anderes bleibt, als Tod, Zerstörung, Elend ... und ein winzig kleiner Schimmer Hoffnung, auf eine bessere Zukunft, dann ist das ein tolles, tragisches Ende, finde ich. Aber wenn dieser Schimmer Hoffnung einfach weggewischt wird, und der Spieler da da sitzt und sich fragt "Und wozu nun alles?" Dann ist das Ende Mist.
Antwort spät nachgelegt, eine Reise nach Strassburg ist jenseits von Gut und Böse!
Zitat von real Troll
Wäre so ein äußerliches Böses nicht lediglich eine bloße Zustandsbeschreibung?
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Ich würde nicht unbedingt und von vornherein von einer Zuschreibung sprechen. Das Konzept "Böse", das der Mensch hat, ist relativ universell (Jung würde womöglich von einem dunklen Archetypen sprechen); es ist das andere, bedrohliche Etwas. Ethisch böse ist ja auch nur das, das die uns konstruierte Ethik gefährdet -- wie böse ist einer, der ganze Volksstämme zum Sklavendienst unterjocht? Nach unserer modernen Auffassung womöglich ziemlich. Dann wiederum steht unsere Gesellschaft auf der Basis von Gesellschaften, die genau das über Jahrhunderte hinweg getan haben, kollektiv und ohne viele Skrupel.
Was heißt das für diesen Fall hier? Das "Böse" ist ein füllbares Konzept, aber es ist ein beständiges. Egal wo man es jetzt herleitet, sei es aus den Urinstinkten, aus der kulturellen Genese oder aus einer Prägung, die jeder von uns erfahren hat: Das Böse ist als Vorstellungsobjekt irgendwie da und vielseitig mit Konnotationen belegbar. In unserer Gesellschaft ist das beispielsweise das Verbrechen gegen die Menschlichkeit, einst gehörte dazu auch das Verbrechen gegen göttliches Gebot (der Pakt mit dem Teufel hat noch heute so einen Anklang von Urbösem).
Ach ja, das Urböse (oder auch Archetypus des Bösen). Hier steckt meiner bescheidenen Einschätzung nach die Quelle jeder Vorstellung des Bösen, gerade eben weil das Böse in der Regel keine Motivation und Erfahrbarkeit haben kann. In der Instinkt-These würde man hier wohl mit dem Bedrohlichen der Natur argumentieren, mit den natürlichen Feinden der frühen Menschen. Die Kultur-These würde eher vom Eigenen (das Gute) und dem Anderen (das Böse, potentiell Gefährliche) ausgehen, individuell sähe man darin womöglich nicht-hinterfragte Grenzerfahrungen. So oder so führt offengelegte Motivation zu Vertrautheit, Vertrautheit zu Abschwächung und letztendlich zu Verlust des "Böse"-Charakters -- das Böse würde quasi domestiziert. Dabei ist doch aber Auslöschung das Ziel. Die Domestikation ist eher eine Zwangsvorstellung vor allem moderner Gesellschaften, deren Moralkodex Auslöschungsgedanken unterdrücken macht.
Versteh mich dabei nicht falsch, ich persönlich finde wie erwähnt die Erfahrbarmachung des Bösewichts ebenfalls unheimlich spannend. In diesem Moment löst sich allerdings die Gut-Böse-Dichotomie beinahe auf (meiner Meinung nach auch Intention der Perspektivierung bzw. Domestikation). Wir sprechen dann meiner Meinung nach über ein anderes Erzählschema. Beide sind inhärent spannend, was ja auch der Grund ist, warum beide sich noch immer halten und teilweise miteinander spielen. Heutzutage spielt auf beiden Ebenen die ethische Komponente eine große Rolle, was im Gut-Böse-Schema zu erwähnten etwas lächerlichen Situationen führt, wo die Handlungsmotivation händeringend überkleistert werden muss.
Darüber hinaus habe ich mich auch stellenweise etwas unklar ausgedrückt: Es geht nicht ausschließlich um komplett unmotivierte Bösewichte, allerdings kommt es eben, je mehr Perspektive man vom Bösen erhält, zum Domestikationsphänomen. Will man die Dichotomie der Bedrohlichkeit aufrecht erhalten, müssen diese Ausdrücke ausbleiben, oder aber die Andersartigkeit und Gefahr bestätigen: Der Nazi-Offizier, der für Frau und Kinder (Maxime des Verantwortungsbewusstseins) sorgen muss und nur Befehle ausführt, um für sie am Leben zu bleiben (Maxime der Notwehr), ist eine vollkommen andere Figur als der sadistische Schlächter, der völlig ohne Grund (Maxime der Rationalität) und ohne Skrupel (Maxime des Bewusstseins von Grenzen) foltert und tötet. Die Grusel-Faszination beispielsweise des Geisteskranken geht vor allem von dessen Unberechenbarkeit und Unmotiviertheit aus -- es gibt keine abschätzbaren Gründe für sein Handeln, deshalb steht er sehr nah am Urbösen, das uns auch ohne erkennbaren Grund Leid zufügt.
Zitat
Ein Schlenker: Ich finde nicht jedes böse Motiv spielerisch befriedigend, vor allem, wenn es zu grau wird. Der böse König beschließt, tausend Menschen umbringen zu lassen. Unser Held stemmt sich dagegen, metzelt die Schergen des Königs dahin, steht endlich im Thronsaal und erfährt, der König habe nur den Großteil seiner Untertanen retten wollen, weil eine fürchterliche Krankheit drohe und nicht gegenügend Arzneien für alle Menschen vorhanden seien. Bevor alle unterversorgt sind, rettet der König lieber die Mehrheit auf Kosten der Wenigen. Bäh, was soll das denn? Schlimmer noch: Weil wir auf unserem Abenteuer an die tausend Schergen getötet haben, haben wir dem König die eklig schwere Aufgabe bereits abgenommen.
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Genau SO (in etwa) motiviert Wolfgang Holbein seine Geschichten. ^^
Zitat
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از جمادی مُردم و نامی شدم — وز نما مُردم بهحیوان سرزدم / مُردم از حیوانی و آدم شدم — پس چه ترسم؟ کی ز مردن کم شدم؟
حمله دیگر بمیرم از بشر — تا برآرم از ملائک بال و پر / وز ملک هم بایدم جستن ز جو — کل شیء هالک الا وجهه
بار دیگر از ملک پران شوم — آنچه اندر وهم ناید آن شوم / پس عدم گردم عدم چو ارغنون — گویدم کانا الیه راجعون
Genau SO (in etwa) motiviert Wolfgang Holbein seine Geschichten. ^^
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Oh mein Gott, das stimmt.
Jetzt weiß ich auch, warum die ein, zwei Bücher, die ich gelesen habe, kurz nach dem Lesen immer extrem deprimierend schlecht waren, mir mit etwas Abstand dann aber (zumindest in dieser Hinsicht) ganz gut gefallen haben. xD