Eigentlich wollte ich Charon 2 erst dann wieder spielen, wenn die Vollversion draußen ist, weil ich Maker-Spiele nicht so gerne mehrmals von vorne anfange. Nun hab ich die neuste Demo aber doch angefangen. Ich hab nämlich TrueMGs Review auf seinem Blog gelesen und wollte schauen, ob das Spiel wirklich so schlecht ist, wie er sagt. Ich bin noch nicht so weit (4 Stunden, gerade im Strand-Dungeon angekommen), aber ich möchte trotzdem schon mal was zum Spiel sagen. Als erstes ist mir aufgefallen, dass ich mich noch recht gut an den Spielverlauf erinnern kann, obwohl es schon Ewigkeiten her ist, seit ich die erste Demo gespielt hab. Eigentlich hat sich gar nicht so viel verändert oder irre ich mich (ich hab die Demo runtergeladen, die im ersten Posting verlinkt wurde)? Aber nun zum Spiel.

Gameplay
Der Spielzuschnitt ist in Ordnung, lieber ganz linear als Pseudo-Open-World. Das ist halt der beste Weg, wenn man viel Wert auf die Handlung legen möchte. Die Kämpfe sind mir aber zu zäh. Maras Standardangriffe sind absolut nutzlos (ich frag mich, ob ich ihr überhaupt noch Waffen kaufen soll) und als sparsamer Spieler möchte ich mit ihr auch nicht ständig zaubern. Also muss Sai die ganze Arbeit machen und die ist bei den meisten Kämpfen ziemlich eintönig: erst Kreuzzug, dann Monsterjäger. Vielleicht sorgt Zit ja noch für etwas mehr Abwechslung. Leider respawnen viele der Gegner bei Map-Wechsel, sonst könnte man sie wenigstens endgültig aus dem Weg räumen. Dann gibt es noch die Debuffs. Eigentlich bringen die Heilgegenstände so gut wie gar nichts, denn die Gegner zaubern die Debuffs erstens zufällig und zweitens praktisch immer. Warum sollte ich mich heilen und einen Zug verschwenden, wenn ich den Zustand in der nächsten Runde schon wieder hab?

Rätsel und Geschicklichkeitsspiele in den Dungeons baue ich ja auch gerne in meine Spiele ein. Müssen sie sein? Man kann darüber streiten. Auf die Geschicklichkeitsspiele verzichte ich neuerdings, weil sie mMn nicht zu einem klassischen RPG passen, aber die von Charon 2 haben mich bisher zumindest nicht gestört. Über die (noch sehr einfachen) Rätsel kann ich mich auch nicht beklagen.

Ich stimme TrueMG zu, dass die Nebenaufgaben nicht zu lange aufgeschoben werden sollten. Ohne das Questlog würde man die meisten wohl vergessen. Es sollte dem Spieler zumindest gesagt werden, dass er nun Aufgabe xyz machen kann, weil er den passenden Gegenstand gefunden hat oder ähnliches. Apropos Nebenaufgabe, den Stachelhandschuh, den man für die Aufgabe mit dem Monster im ersten Dungeon bekommt, kann gar keiner anziehen oder ist der für den 4. Charakter? Das Monster war mit den 3 eigentlich ziemlich einfach. Mir kam das so vor, als ob ich sogar schon zu spät dagegen gekämpft hab.

Handlung
Gleich Vorweg, ein Trauerspiel ist sie für mich nicht. TrueMG stellt das mMn etwas zu drastisch dar, obwohl ich einigen seiner Kritikpunkte schon zustimme. Aber gut, ich kenne im Moment nur 20% der Demo, mal sehen, was noch kommt. Der Hauptkonflikt trifft jedenfalls meinen Geschmack. Ich mag solche High-Fantasy-Geschichten mit apokalyptischer Bedrohung und der Einstieg ist auch recht interessant. Nun ist es aber so, dass sorata sich an seinen eigenen Ansprüchen messen lassen muss. Er stellt an Handlung und Charaktere ja sehr recht hohe Ansprüche. Wenn man die berücksichtigt, bietet das Spiel im Moment noch zu wenig und zeigt ähnliche Schwächen, die auch andere Maker-Spiele haben.

Ich reite normalerweise nicht so sehr auf der Glaubwürdigkeit herum, unterschiedliche Genres stellen unterschiedliche Ansprüche, manche wollen gar nicht besonders glaubwürdig sein und letztendlich kann man sowieso herrlich darüber streiten, was plausibel ist und was nicht. Charon 2 soll aber keine idealisierte Abenteuergeschichte mit dem typischen JRPG-Helden im Teenager-Alter sein. Von daher könnten einige Stellen schon besser ausgearbeitet sein. Die Motivation von Sai ist natürlich nachvollziehbar, aber ich kann schon verstehen, warum TrueMG fragt, weshalb Mara bei ihm bleibt. Mir ist das auch nicht klar geworden. Vielleicht hat sie sich auf den ersten Blick in ihn verliebt, das würde mir sogar gefallen, weil die menschliche Seite bisher nur eine untergeordnete Rolle spielt.

Dabei ist Sympathie für mich das Wichtigste. Die Figuren geben mir zwar keinen Grund, sie unsympathisch zu finden, aber auch keinen, sie sympathisch zu finden. Dafür kommt zu wenig von ihnen rüber. Ich glaube, es wäre ganz gut, wenn sie etwas überzeichneter wären und deutlichere Eigenarten hätten, sonst erscheinen sie wie lauter graue Mäuse. Der Eindruck wird durch die Dialoge noch verstärkt, die zwar ihren Zweck erfüllen, mir aber schon zu bieder sind. Als würden alle mit angezogener Handbremse reden. Ein paar Spannungen zwischen den Gruppenmitgliedern wären auch nicht schlecht.

Präsentation
Hier gibt es nicht so viel zu sagen. Die Musik ist gut und die Grafik ist zwar Standard, aber bei der stelle ich keine großen Ansprüche.

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Insgesamt gesehen finde ich das Spiel bisher solide, so war glaube ich auch damals bei der ersten Demo mein Eindruck. Als weit fortgeschrittene Version sticht das Spiel natürlich aus der Masse heraus, spielerisch aber weniger und inhaltlich hab ich eigentlich etwas mehr erwartet. Mal weiterschauen, nach TrueMG sollen die wirklich "schlimmen" Stellen ja sogar erst noch kommen.