Zitat
Was ist ein Spiel?
Wenn wir dabei sind, Gameplay in unser Spiel zu geben, ist die Frage: "Was macht mein Spiel aus?" vielleicht angebracht.
Aber zuerst sollten wir uns bewusst werden, was kein Spiel macht:
- Coole Features
- Viele hübsche Grafiken
- eine Kette von Puzzles
- ein interessantes Setting und eine gute Story
Coole Features
Features sind OK, sie sind sogar sehr wichtig, aber Features allein machen kein Spiel. Die vielen Animationsphasen der Spielfiguren in den Warhammer-Spielen sind ein Feature, aber mit dem Spiel haben sie nichts zu tun. Die Dawn of War-Spiele liefen schlussendlich so gut, weil sie zu diesen Features ein recht elegantes Gamplay besaßen.
Hübsche Grafik
Man braucht natürlich eine halbwegs ansprechende Optik, sonst spielt keine Sau ein Spiel. Aber das Spiel selbst sollte auch in jeder anderen Optik gut funktionieren.
Puzzles
Alle Spiele haben Puzzles. Angefangen damit herauszufinden, wo man seinen Bauhof am besten platziert bis zu der Frage, wie man die nächste Angriffswelle am besten abfängt kann jedes Spiel als eine Kette von verbundenen Puzzles beschrieben werden.
Wie auch immer, Puzzles sind nicht der Kern des spiels, sondern spezifische Probleme zu einem spezifischen Zeitpunkt innerhalb des Spieles. Der Sinn der ganzen Arbeit hier ist, ein System zu erzeugen, dass aus sich selbst heraus Probleme und Lösungsmöglichkeiten erzeugt.
Setting und Story
Ein ansprechendes Setting und eine interessante Story sind natürlich bedeutend, damit der Spieler am Ball bleibt. Aber wenn die Mechanik darunter Schwach ist, wird er das Spiel bald wieder zur Seite legen. Bücher lesen kann man schließlich auch analog.
Ein Spiel ist gleich Gameplay
Angenommen, dass ihr nicht vorhabt, ein vollkommen neues Genre zu erfinden, wird euer Ziel wohl sein, ein gutes Spiel zu machen.
Ein gutes Spiel ist eines, dass man gewinnen kann indem man etwas unerwartetes richtig tut. Das ist annähernd eine Definition von Gameplay. Wir werden uns im nächsten Kapitel noch andere Definitionen ansehen, aber für's erste benutzen wir einmal die Obrige.
Anders ausgedrückt sollte Gameplay den Spieler dazu bringen, strategisch vorzugehen. Das bedeutet nicht, dass alle Spiele irgendwo verkappte Strategiespiele sind, es sollte nur klar machen, dass jedes gut durchdachte Spiel, sei das Tetris oder Quake, Strategien erfordert um effektiv durchgespielt zu werden.
Zurück zur ursprünglichen Frage: Was ist nun ein Spiel denn? Wenn ihr euch existente Spiele anseht, werdet ihr bemerken, dass ihr Ziel stets die Erfüllung eines oder mehrere dieser Ziele ist:
- Etwas Sammeln
- Gelände Gewinnen
- Zuerst ein Ziel erreichen
- Dinge Entdecken
- die anderen Spieler ausschalten
Renn- und Eroberungsspiele besitzen sichtbare Ziele. Man kann an jedem Punkt des Spiels sehen, wie gut man steht. Sammelspiele verfügen oft nicht über sichtbare Ziele. Deswegen bauen die Programmierer andere Arten von in-game-Belohnungen ein, welche dem Spieler seinen fortschritt anzeigen. Z.B.:
-In den meisten RPGs kann man mit gesammelten Erfahrungspunkten Fähigkeiten, Zauber und Attribute ausbauen
- In Strategiespielen setzt man gesammelte Resourcen in neue Einheiten um
- In Adventures sammelt man Objekte, die man später zur Lösung von Puzzles verwendet.
Erinnert euch, dass Spiele oft mehr als eines dieser Ziele haben. Ages of empires z.B. hat Elemente eines Rennens um knappe Ressourcen und man kann das Spiel als Rennen um die Errichtung eines Weltwunders spielen. Es hat auch eine Sammel-Dimension, offensichtlich bei den Ressourcen und weniger offensichtlich bei den Siegespunkten, die im Hintergrund abgerechnet werden. Natürlich bleibt zuletzt auch immer die Option, einfach alle Gegnerischen Städte niederzubrennen und Flur zu machen, wo einst Felder waren.
Wenn ihr vorhabt, mehrere Ziele einzubauen, macht sicher, dass sie alle miteinander interagieren und zur Lösung beitragen. Sonst schreibt ihr zwei verschiedene, paralelle Spiele in einem.
Eine detailierter Analyse dieses Komplexes wird später folgen. Im Moment versuchen wir nur, unsere Vision konkret zu machen. Um dorthin zu kommen stellt und beantwortet für euch folgende Fragen:
- Was sind die Ziele des Spiels?
- Wie wird der Spieler diese erreichen?
- Wie wird sich das Spiel spielen?
- Welche Regeln bestimmen das Gameplay?
Die Spezifikationen des Spiels
Das letzte mal haben wir darüber gesprochen, wie man ein Spiel konzipiert. Dabei ging es ausschließlich darum, dass man einmal die groben Umrisse eines Konzeptes skizziert und herausstreicht, was das eigene Spiel von anderen unterscheiden soll. Konsequent konzentriert man sich dabei auf die Einmahligkeiten und streift die ganzen Details maximal kurz.
Das geht jetzt nicht mehr. Jetzt geht es darum, festzulegen, wie das Spiel funktionieren soll und unter welchen Regeln dies erreicht werden sollte. Um dies zu erreichen gibt es einige Punkte, zu denen du Antworten finden solltest und Fünf davon sind recht wichtig:
- Features
- Gameplay
- Interface
- Regeln
- Level Design
Features
Features sind, was dein Spiel von anderen unterscheiden sollte, und das macht sie zu einem guten Ausgangspunkt für diesen Schritt. Weiters werden die Features durch den ganzen Entwicklungsprozess konstant bleiben während du die Regeln, mit denen die Features arbeiten unter Umständen mehrfach erneut überdenken müssen wirst.
Dies ist der Fall, weil Features sich teilweise emergent zu den Regeln verhalten. D.h., dass die Interaktion von zwei Regeln innerhalb des Spieles unter Umständen einen Effekt haben kann, der nicht beabsichtigt ist.
Ein Beispiel dafür wären die Priester in Populus: ihr Feature war, dass sie Krieger bekehren können. Die Regel dafür war, dass der Krieger in ihren Wirkungsradius laufen muss und dort ungestöhrt für einige Zeit zu verbleiben hat.
Eine weitere Regel war, dass Priester kämpfende Krieger nicht bekehren können.
Das bedeutete, dass man Priester um seine Basis herum aufstellen konnte, die Angriffe durch Bekehrung stoppten. Wenn nun aber die zweite Welle kam, traf diese zuerst auf den Angriffsradius der bekehrten Krieger der ersten Welle. Ein Kampf bricht unweigerlich aus und der Priester kann nicht mehr bekehren.
Das Feature, dass sich daraus hervorhob war, dass man seine Verteidigung von Zeit zu Zeit überprüfen musste.
3 Arten Features
Ganz grob unterteilt gibt es drei Arten von Features, die ersten beiden sind wertvoll während das dritte Entwicklungszeit frisst und dafür nur sehr wenig zum Spiel hinzu fügt:
- Einige Features sind entscheidend, um das Spiel vernünftig spielbar zu machen. In Warrior kings z.b. sind es die Truppenformationen, da das Gameplay davon kommt, im rechten Augenblick die richtige Formation zu wählen. Ohne die Formationen geht ein Universum an Wahlmöglichkeiten für den Spieler verloren. sie sind ein integrales Feature.
- Einige Features verbessern das Spielerlebnis, haben aber keinen entscheidenden Einfluss auf die Mechanik. Diese Features vermitteln den Stil des spiels und ziehen den Spieler in die Story. Ein Beispiel wären die individualisierten Benutzeroberflächen für die drei Rassen bei Starcraft. Solche essentiellen Nebensächlichkeiten nennt man "Chrome".
-Manche Features sind ein Ersatz für Gameplay. Sie geben einem eine zusätzliche idente Entscheidungsmöglichkeit - was überhaupt keine Entscheidungsmöglichkeit darstellt. Ein Beispiel wären Rollenspiele, bei denen Käse, Brot oder ähnliches an verschiedenen Orten unterschiedlich viel kostet, obwohl sie für den Spieler denselben Wert haben und dieselbe Funktion erfüllen.
Gameplay
Das Konzept beschrieb die Features, dieser nächste Schritt in der Spezifikation hier beschreibt nun, wie diese Features Gameplay erzeugen sollen. unter diesem Punkt ist Klarzustellen:
- Wie das Spiel zu funktionieren hat
- Welche Features essentiell und welche nur Chrome sind.
Ich ziehe Warrior Kings erneut als Beispiel heran. Ich wollte die Notwendigkeit von Nachschub mit irgend einer Regel einführen, da die Abwesenheit von Nachschub in Strategiespielen dem spieler einige Optionen nimmt, die IRL recht oft verwendet wurden.
Schlussendlich entschied ich mich aber dafür, dies alles nicht zu simulieren, sondern dem Spieler einfach etwas zu geben, dass er schnell benutzen kann und nicht vom Kern des Spieles ablenkt. IRL konnte man den Nachschub nicht ignorieren, aber wenn ich dies simulieren würde, würde der Spieler gezwungen sein, mehr Zeit und Schweiß auf Transportangelegenheiten als auf den eigentlichen Kern des Spieles verbraten.
Dementsprechend führte ich eine Regel ein, die es dem Spieler erlaubt, den Nachschub zu ignorieren ohne ihn zu bestrafen, wenn er es nicht tut.
Die Lösung war, einen halbautomatischen Nachschubkarren einzuführen. Der folgte der Armee automatisch bis er entweder leer war oder neue Befehle erhielt. Der Effekt des Wagens war, dass er die Energieleiste der ihm zugewiesenen Einheiten automatisch wieder auflud während er sie mit Nahrung versorgte.
Damit hatte ich effektiv eine weitere Wahlmöglichkeit geschaffen. Wenn der Spieler der Meinung war, mit seinen Truppen auf einen Schlag durchbrechen zu können, würde er keinen Nachschubkarren bauen. Glaubte er allerdings, dass seine Truppen länger im Feld stehen würden, könnte er sie mit dem Karren versorgen.
Dem Gegner wurde damit ebenfalls eine Wahl gegeben. Da er als Angegriffener den Karren nicht benötigte, hatte er die Wahl, den Nachschub des Angreifers zu unterbrechen und seine Truppen mit Nadelstichen über einen längeren Zeitraum zu erledigen.
Interface
Behaltet stets im Kopf, warum man überhaupt einen Interface macht. Er ist nicht da, um hübsch auszusehen oder tausende von Optionen zu bieten. Er muss dem Spieler helfen.
Gutes Interface Design beantwortet die Frage: "Wie sorge ich dafür, dass der spieler nicht gegen die Grenzen des Systems kämpfen muss?" und sehr gutes Interface-Design beschäftigt sich damit, wie man den Spieler vergessen macht, dass er durch die Steuerung und das System eigentlich eingeschränkt wird.
Der Interface von Dungeon Keeper war ein Beispiel für einen guten Interface.
Regeln
Die Features sagen klar, auf was du abzielst, aber welche Regeln genau diese Features erfüllen werden, kann man zu diesem Zeitpunkt kaum sagen. Wenn du mit einem eigenen Regelsystem arbeitest, wirst du dich damit herumärgern müssen, dass die Interaktion der Regeln massenhaft ungewollte Effekte haben wird.
Ein Beispiel dafür wären Player Killers in Online-RPGs: Die Regel, der sie folgen ist, dass man durch das besiegen von Gegnern stärker wird. Wenn dir dies überhaupt nicht passt, musst du eine Regel einführen, die Boni für Kooperation vergibt. Und der Boni muss so groß und so beschaffen sein, dass Kooperation mächtiger wird als solitäres PK'ing. Läuft natürlich darauf hinaus, dass sich PK'er-Gruppen bilden werden, aber man hat's versucht.
Bei Einspieler-Spielen ist der Fall natürlich anders gelagert, da man sich nicht mit sozialer Interaktion auseinander setzen muss.
Wir nehmen wieder das Strategiespiel Warrior Kings als Beispiel:
Formationen machen den Kernpunkt des Spieles aus und arbeiten dem Spieler auf mehreren Wegen zu. Ersten sind sie ein Ausdruck von Verhaltensprotokollen und noch wirksamen Befehlen and den AI. Einheiten in einer Keilformation greifen an, Einheiten in einer Kreisformation verteidigen usw.
Weiters aber war man der Meinung, dass Einheiten in Formation robuster als Einheiten im Schwarm sein sollten. Dafür waren sie langsamer und weniger beweglich und somit wieder balanciert.
Der erste Versuch war die Regel, dass Schaden durch die formation geteilt wird. D.h. wenn eine Einheit Schaden nimmt, wird dieser auf alle Einheiten aufgeteilt. Das sah aber etwas komisch aus, da an einer Ecke jemand auf eine Figur einschlug und alle Figuren dadurch Energie verloren. Die Lösung war schlussendlich, dass jede einzelne Figur dadurch, dass sie in Formation steht, robuster wird. Konkret hieß das, dass sie durch Angriffe weniger Schaden nimmt, solange sie in Formation steht. Das führte allerdings dazu, dass Formationen äußerst Mächtig wurden und andere Parameter im Sinne der Spielbalance verändert werden mussten.
Dieses Thema wird im Kapitel über Spielbalance noch einmal genauer abgehandelt werden.
Level Design
Level Design beeinflusst das Spiel, es ist nicht blos die Handarbeit nach der Kunst. Level Design bestimmt in weiten Stücken Stil, Hintergrund, Atmosphäre und Storyline des Spieles. Noch wichtiger: Wie die Level aufgebaut sind kann das Spielerlebnis verbessern oder ausbremsen, oder gar davon ablenken.
Level Design sollte nicht darin bestehen, dass man dem Spieler irgendwelche Entscheidungsmöglichkeiten nimmt, z.B. das man sagt: "In diesem Level können keine Feuersprüche verwendet werden" oder das Spruch X in Level Y immer die beste Wahl ist und alle anderen nicht benötigt werden. Man kann auch zusätzliche Regeln einführen, welche die Benutzung beschränken, ohne sie zu total zu unterbinden. Das sollte allerdings nur der Fall sein, wenn man gleichzeitig damit eine neue, sonst selten verwendete Strategie attraktiver macht.
Das Spiel begreifen
Die Art, wie die Level das Kerndesign abrunden sollte hierin ebenfalls beschrieben werden. Nimm dir die Zeit, und beschreibe für dich selbst, wie das Spiel Funktioniert und wo seine Regeln von den Common-Sense Regeln des Alltages abweichen.
Als Beispiel nehmen wir Age of Empires: Die Karte besteht aus zwei Ebenen mit jeweils einer Startstadt und einem Pass dazwischen. Man denkt sich: "Der Pass wird wichtig sein!", weil meine Armeen da durch müssen. Aber AoE funktioniert nicht so. sofern ich einen einzigen Arbeiter durch den Pass bringe, kann ich da drüben eine Stadt bauen und habe auch in dieser Stadt vollen Zugriff auf meine Ressourcen von der anderen Seite. Den Pass muss ich nicht bewachen, weil die Versorgung meiner Städte untereinander im Spiel vollkommen unabhängig von irgendwelchen Marschrouten ist.
Nichtlineares Leveldesign.
Es sollte ein Ziel sein, Level möglichst nicht linear zu gestalten. Lineares Design erfordert es vom Spieler, dass er zuerst Problem A löst und danach Problem B vorgesetzt bekommt und so weiter. Die einzelnen Lösungswege mögen interessant sein, aber die lineare Struktur verhindert, dass man ein Problem strategisch angeht, womit die Reihenfolge in denen man die Probleme löst selbst zu einer interessanten Herausforderung werden würde.
Ein gutes Spiel sollte sowohl taktische (kurzzeitige, wie z.b. welche Waffe man wählt) als auch strategische (langzeitige, z.b. welchen Weg man wählt - die Abkürzung durch die Berge oder durch die Ebenen?) Entscheidungen beinhalten. Und die beiden sollten inneinander greifen. So wäre es z.b möglich, dass in den Bergen ein Gewehr die bessere Wahl ist, als in den Ebenen, in denen man sich durch dicht bebautes und Bewachsenes Gelände schlagen muss.
Der Theorie folgend, dass ein gutes Leveldesign alle Stärken des Spielsystemes aktiviert anstelle den Spieler von Handlungsmöglichkeiten abzuschneiden ist nichtlineares Leveldesign die bessere Wahl.
Einfach ist dies natürlich nicht.
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