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Ritter
Ich war wirklich geneigt, die Frage einfach nur mit "nein" zu beantworten.
Ich denke mal, diese Frage kann man nicht mit "ja" oder "nein" beantworten. Sie bedarf immer einer Erörterung. Ich sehe mich selbst als "guter" Mensch, was aber wahrscheinlich jeder irgendwie tut, da sich die persönliche Wahrnehmung nie mit der Realität deckt.
Wenn man von meiner Einstellung ausgeht, dass ich jeden Menschen akzeptiere und niemanden etwas Schlechtes will (also etwas was ihn unglücklich macht), dann ist das wohl eine gute Eigenschaft. Allerdings rein hypothetisch.
Gleichzeitig schaffe ich es gerade nicht, gute Taten für die Gemeinschaft zuvollbrigen. Ich "ruhe" mich gerade in meiner Situation "aus" und bringe beruflich (noch) nichts vorwärts und helfe in gewisser Weise momentan niemanden, sondern lebe quasi einfach in den Tag. Gut, ich schreibe Bewerbungen und suche Aufträge, aber ich zahle im Moment nicht mal Steuern (dafür verdiene ich zu wenig), liege der Krankenkasse mit einer Psychotherapie auf der Tasche, die wahrscheinlich das Vierfache meiner gezahlten Beiträge kostet... Ich habe ein teueres Studium (mit Einzelunterricht) mit Bafög-Förderung absolviert, aber der Gesellschaft noch nichts zurückgegeben. Also eher kein "guter" Mensch.
Aber wahrscheinlich ein "Gutmensch". Jemand, der am liebsten das Instrument der Abschiebung abschaffen würde, gleichzeitig aber auch versuchen möchte, auf diplomatischen Wege zu bewirken, dass ganz Europa sich eine Lösung ausdenkt und die Geflüchteten gleichmäßig verteilt... Das ist auch so krass, wie man politisch beurteilt wird. In Bayern werde ich als politisch LINKS eingestuft, in NRW als Mitte-Rechts, weil ich mal gesagt habe, dass Deutschland alleine nicht alle aufnehmen kann. Als ich dann aber in dem Kreis gesagt habe, dass ich gegen Abschiebungen bin, ist meine politische Repetition leicht nach links rüber gewandert.
Ich versuche immer alles differenziert zu sehen und neutral zu analysieren. Ganz rational, dabei moralisch aber in festen Bahnen:
1. Jeder Mensch hat die Freiheit, glücklich zu sein.
2. Dabei darf nur nicht diese Freiheit anderer eingeschränkt werden.
Das funktioniert leider nicht so, wie es soll. Bestes Beispiel: Ich. Ich suche einen Job, möchte aber keinen anderen geeigneten Bewerber wegdrängen. In einem Assessment-Center würde ich daher auch keinen Ellbogen auspacken, sondern freiwillig verlieren. Weil ich genau weiß, wie es ist, wenn man verzweifelt sucht... Leider stecke ich dann zurück. Und bin vielleicht irgendwann darauf angewiesen, dass die Gemeinschaft für mich mitarbeitet, was ihnen dann in der Form von Sozialversicherung und Steuer vom Gehalt abgezogen wird... Was vielleicht gerade hart arbeitenden Leuten schwer aufstößt, weil ich nach wie vor mir einen faulen Lenz machen kann, während die anderen hart arbeiten. Dass ich absolut nicht zufrieden bin mit der Situation, ändert ja nichts an der Lage...
Daher wegen der Frage, ob ich ein guter Mensch bin?
Ich würde die Frage so beantworten, dass ich von meinen Prinzipien und Gedanken her wahrscheinlich das Kriterium erfülle. Von meinen Taten her, bin ich weder ein guter, noch ein schlechter Mensch. Also als Antwort auf die Frage: Ich möchte ein guter Mensch sein. Ich bin auch zuversichtlich, dass ich es schaffen werde.
Ich denke auf jeden Fall, dass ich ein sehr einfühlsamer Mensch bin. Übrigens: Meine Wortwahl fällt manchmal sehr hart aus. Ich neige zu einem gewissen Sarkasmus (das meine ich an dieser Stelle ernst) mit der Grenze zum Zynismus. Meine Freunde schätzen mich nämlich auch wegen meines "sehr ausgeprägten" schwarzen Humors, aber eben auch, dass ich eine "ganz liebe" Person sei, wenn man mich näher kennt. Ich äußere mich teilweise politisch überhaupt nicht korrekt. Das mag einige Menschen vor den Kopf stoßen - allerdings finde ich Political Correctness um jeden Preis auch nicht zielführend. Und genau deswegen, weil ich mich teilweise etwas krasser und selten sogar ein wenig böse äußere, bin ich jemand, mit dem die meisten Personen besser zurecht kommen. Politische Korrektheit hat etwas Ambivalentes, teilweise etwas Unehrliches. Australien gibt sich bspw. auf seiner Homepage zur Einbürgerung als weltoffenes Land, wo KEINER diskriminiert werden darf. Als absolute Demokratie aufgebaut auf Toleranz und Akzeptanz... Aber wer die No Way-Politik verfolgt hat, für den klingt das politisch-korrekte Umwerben wie Hohn.
Aber so hat jeder seine Schwächen und Stärken, seine guten und schlechten Seiten. Auf die Frage, ob es überhaupt gute Menschen gibt, würde ich daher mit einem klaren "Jein" antworten. Jeder Mensch ist sowohl gut als auch schlecht - in veränderlichen Anteilen. Aber ob jetzt ein Einzelner überwiegend gut oder überwiegend schlecht ist, das wage ich nicht zu beurteilen. Ich versuche jeden Menschen neutral zu sehen. Ich gibt Menschen, die mag ich lieber und welche, die mag ich weniger lieb. Ich würde aber nie einen Menschen verurteilen. Selbst bei politischen Ansichten, vertrete ich - im Gegensatz zu den Meisten - das Prinzip der "zivilisierten Verachtung": Ich unterstütze seine Meinung nicht, ich verachte sie vielleicht auch. Aber es würde mir nie einfallen, diesen Menschen wegen eines Diskurses zu hassen.
Übrigens sehr tolles Buch von Carlo Strenger:
https://www.suhrkamp.de/buecher/zivi...nger_7441.html
Kann ich wirklich wärmstens ans Herz legen. Hat mir persönlich in vielerlei Hinsicht die Augen geöffnet und hilft auch in der Einstellung anderen Menschen bzw. der Gesellschaft gegenüber.
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