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Thema: A movie for every year: Der Vintage-Thread

Hybrid-Darstellung

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  1. #1
    Als ob ein (im wahrsten Sinne des Wortes) lebensmüder Uniprofessor in der Midlife-Crisis nicht die perfekte Identifikationsfigur wäre .

  2. #2
    Zitat Zitat von Liferipper Beitrag anzeigen
    Als ob ein (im wahrsten Sinne des Wortes) lebensmüder Uniprofessor in der Midlife-Crisis nicht die perfekte Identifikationsfigur wäre .
    Kommt drauf an, dafür musste man die Figur wahrscheinlich deutlich modernisieren und umschreiben für ein breiteres Publikum. Der zweifelnde Intellektuelle ist vermutlich für einen Film, der sich eher an ein breites Publikum richtet, dann doch zu sperrig. Müsste eher jemand sein, der sein Leben für dieses oder jenes geopfert hat und feststellt, dass alles andere an ihm vorbei gezogen ist. Ein Work-a-holic bspw. Zur Midlife-Crisis wo Familie, Beruf und alltag irgendwann die Ideen, Ideale und Lebenspläne aufgefressen haben, gibt es ja durchaus erfolgreiche Filme, passen aber nicht unbedingt zur Faust-Figur von Göthe, der ja wirklich vielmehr sein intellektuelles Lebenswerk völlig relativiert sieht.

  3. #3
    Ich galube aber weniger, dass das ein Fehler des Buches ist, als einer Hollywoods. Der übliche Zuschauer will wohl einen Helden, der gut ist, oder, am anderen Ende des Spektrums, ein klar amoralisches Arschloch (obwohl solche Charaktere äußerst rar gesät sind, zumindest als Protagonisten).
    Faust ist dafür eigentlich zu zwiespältig. Er ist zwar ein Egoist, dem es nur um sich selbst geht (bzw. das, wonach er sich sehnt), aber kein schlechter Mensch. Gerade dadurch funktioniert ja auch die Wette zwischen Mephistopheles und Gott.

    Wenn Faust jetzt (um wieder zum aktuellen Fall zurückzukommen) ohnehin ein sich selbst aufopfernder Altruist ist, dem es um das Wohl der Menschheit geht, sehe ich nicht, wieso Mephistipheles sich auf das Spiel überhaupt einlassen sollte. Gut, in Enkidus Review klingt es, als wäre der Ansatzpunkt hier die Verzweiflung, aber das hat dann mit Faust (zumindest Goethes Version, gibt ja auch andere Interpretationen) nicht mehr viel zu tun.

  4. #4
    Jap das wäre eher einer dieser intellektuellen europäischen Filme, die auf irgendwelchen Festspielen laufen und dann in der Schublade verschwinden. Aber eine aufwendige Hollywood-Produktion wird man mit so einer Figur halt nicht stemmen, weil sie vermutlich nicht die für die Breitenwirkung erforderliche Identifikation bietet bzw. zu wenig schwarz-weiß sonst in ihr drin stecken würde. So wie Enkidu die Ausstattung des films beschreibt, ist das alles sehr beachtlich, ich glaube da konnte man sich eben keine sich am original orientierende Figur in der Form leisten.

    Wobei ich glaube das einem amerikanischen Publikum, vielleicht der Teufelspakt an sich, egal aus welchen Motiven, wohl eher im Fokus stehen dürfte, als die eigentliche Rahmenhandlung der Wette Gottes mit dem Teufel und die darin angelegte Zwiespältigkeit der Figur Faust. Sondern wohl eher das Motiv des Mannes, der um Gutes tut, sich mit dem Bösen einlässt, dann auch diese Frage wohl vor allem umwälzt, ob der noch ein guter Mensch sein kann.

    @ Enkidu
    Im Übrigen wenn dir der Stoff gefallen hat, kann ich eineFilmaufbereitung einer Theater-Inszenierung des Faust mti dem großartigen Gustaf Gründgens als Mephisto empfehlen. Sind keine opulenten Sets oder Kostüme freilich, ist halt ein Theater-Set aber das Spiel an sich ist hervorragend.


  5. #5
    Hab jetzt übrigens Der Gehetzte der Sierra Madre und Gruft der Vampire gekauft, das heißt nochmal zwei Jahre, die ich endlich abhaken kann Yay!


    Zitat Zitat von Liferipper Beitrag anzeigen
    Ich galube aber weniger, dass das ein Fehler des Buches ist, als einer Hollywoods.
    Zitat Zitat von KingPaddy Beitrag anzeigen
    Aber eine aufwendige Hollywood-Produktion wird man mit so einer Figur halt nicht stemmen, weil sie vermutlich nicht die für die Breitenwirkung erforderliche Identifikation bietet bzw. zu wenig schwarz-weiß sonst in ihr drin stecken würde. So wie Enkidu die Ausstattung des films beschreibt, ist das alles sehr beachtlich, ich glaube da konnte man sich eben keine sich am original orientierende Figur in der Form leisten.

    Wobei ich glaube das einem amerikanischen Publikum, vielleicht der Teufelspakt an sich, egal aus welchen Motiven, wohl eher im Fokus stehen dürfte, als die eigentliche Rahmenhandlung der Wette Gottes mit dem Teufel und die darin angelegte Zwiespältigkeit der Figur Faust.
    Es handelt sich um eine deutsche Produktion. Hatte hier ja schon geschrieben, wie viel bemerkenswerter und aufwändiger die heimischen Filme in den 20ern im Vergleich zu heute waren ^^ Faust richtet sich also erstmal auch an ein deutsches Publikum, wobei der natürlich dennoch ebenfalls in den USA und anderswo lief (gab sogar ein paar auf bestimmte Länder zugeschnittene, in einigen Details und Szenen abweichende Versionen). Ist nur eigentlich kein Hollywood, auf der Seite des Atlantiks sah man bis zu jener Zeit solche opulenten Effekte und Kulissen nur äußerst selten. Da war Europa visuell um einiges einfallsreicher, innovativer, atmosphärischer und stilvoller (vor allem im Zusammenhang mit Expressionismus).

    Ansonsten ja, ich meine mich zu erinnern, irgendwo gelesen zu haben, dass sich manche zeitgenössischen Kritiken hierzulande ein wenig darüber beschwerten, wie weit der Film von Goethes Fassung abweicht. Einerseits denke ich mir, na gut, Goethe hat Faust nicht erfunden, der Stoff ist wesentlich älter, da konnten Murnau und andere Beteiligte mit arbeiten wie sie es für richtig hielten und mit entsprechenden Änderungen eine eigene Interpretation schaffen; andererseits taucht der Name Goethe in Werbematerialien auf (siehe Poster) und auch sonst ist die Verbindung ziemlich offensichtlich.


    Auf Wikipedia findet sich dazu Folgendes:
    Bei seiner Veröffentlichung in Deutschland erhielt der Film nur mittelmäßige Kritiken und oftmals warfen deutsche Filmkritiker Murnau ein mangelndes Verständnis von Goethes Faust und dessen philosophischer Tiefe vor. Dabei ist Murnaus Werk allerdings nicht als Verfilmung des Goethe-Werkes zu verstehen, sondern ist vielmehr ein „eigenständiges, suggestives Werk“. Mittlerweile wird der Film auch in Deutschland überwiegend positiv bewertet, etwa im Lexikon des internationalen Films: „Murnaus Faust-Version, eine Mischung aus der alten Volkssage und Goethes und Marlowes Variationen, läßt den metaphysischen Kampf zwischen Gut und Böse an der Zeitenwende vom Mittelalter und Irreligiosität erscheinen und deutet Faust als den ersten modernen Menschen mit freier Willensentscheidung und einem Bekenntnis zur Allmacht der Liebe. In seiner letzten Arbeit für die UFA, bevor er nach Hollywood ging, gestaltete Murnau (1888-1931) den klassischen Stoff als Licht- und Schattenspiel, das die Perfektion des deutschen Stummfilmkinos noch einmal suggestiv auskostete: Ein Film voll spielerischer Freude am Phantastischen.“

    International erhielt Murnaus Film dagegen schon seit seiner Veröffentlichung hervorragende Kritiken, bei Rotten Tomatoes besitzt er eine positive Wertung von 94 %. Roger Ebert gab dem Film vier von vier Sternen und schrieb zu Faust in seiner Kolumne Great Movies: „F.W. Murnau (1888-1931) machte zwei der größten Filme der Übernatürlichkeit, "Nosferatu" (1922) und "Faust" (1926) (...)“ Ebert lobt insbesondere Murnaus „verwegene visuelle Imagination“ und seine eindrucksvollen Kameraarbeiten und Bildkompositionen.



    Zitat Zitat von Liferipper Beitrag anzeigen
    Der übliche Zuschauer will wohl einen Helden, der gut ist, oder, am anderen Ende des Spektrums, ein klar amoralisches Arschloch (obwohl solche Charaktere äußerst rar gesät sind, zumindest als Protagonisten).
    Faust ist dafür eigentlich zu zwiespältig. Er ist zwar ein Egoist, dem es nur um sich selbst geht (bzw. das, wonach er sich sehnt), aber kein schlechter Mensch. Gerade dadurch funktioniert ja auch die Wette zwischen Mephistopheles und Gott.

    Wenn Faust jetzt (um wieder zum aktuellen Fall zurückzukommen) ohnehin ein sich selbst aufopfernder Altruist ist, dem es um das Wohl der Menschheit geht, sehe ich nicht, wieso Mephistipheles sich auf das Spiel überhaupt einlassen sollte. Gut, in Enkidus Review klingt es, als wäre der Ansatzpunkt hier die Verzweiflung, aber das hat dann mit Faust (zumindest Goethes Version, gibt ja auch andere Interpretationen) nicht mehr viel zu tun.
    Zitat Zitat von KingPaddy Beitrag anzeigen
    Sondern wohl eher das Motiv des Mannes, der um Gutes tut, sich mit dem Bösen einlässt, dann auch diese Frage wohl vor allem umwälzt, ob der noch ein guter Mensch sein kann.
    Hmm. Habe wie gesagt Goethes Faust nie gelesen, von daher kann ich nicht allzu sehr auf den Vergleich eingehen. Aber ihr habt den Film nicht gesehen, und den Kommentaren nach zu urteilen befürchte ich, dass ich mit dem einen Satz einen falschen Eindruck erzeugt haben könnte. Der Punkt mit dem Finden eines Heilmittels ist nur am Anfang wirklich von Belang, es ist der Aufhänger, der zu dem Pakt führt. Das mag durchaus eine Verzweiflungstat der Figur gewesen sein, was bei einem Massenpublikum potentiell besser ankommt. Dazu sollte man vielleicht wissen, dass die Seuche überhaupt erst durch den Teufel hervorgerufen wurde, nachdem er mit Gott gewettet hat. Aber ansonsten ist Faust in dem Film von 1926 gewiss nicht als altruistisch-aufopfernder Gutmensch illustriert, sondern auch fehlerbehaftet, zum Teil egoistisch und lustvoll, bzw. generell zutiefst menschlich, was schon noch eine gewisse Ambivalenz mit sich bringt. Während er von Mephistopheles begleitet und bei Laune gehalten wird, findet er Gefallen an den Verzückungen und seiner wiedererlangten Jugend, was Gretchen zum Verhängnis wird.

    Bestimmt bietet diese Verfilmung nicht die philosophische Tiefe und den literarischen Anspruch der berühmten Tragödie, aber sie ist dafür wahrscheinlich zugänglicher und unterhaltsamer, auch dank der spektakulären Schauwerte. Der Streifen gilt heute nicht umsonst als großer Klassiker, und wie oben erwähnt kommt er mit seinen metaphysischen Elementen (neben Der müde Tod und Der Dieb von Bagdad) im Bereich der Stummfilme dem am nächsten, was ich unter "Fantasy-Genre" verstehe. Das war im Grunde genau das, wonach ich gesucht hatte *__*


    Zitat Zitat von KingPaddy Beitrag anzeigen
    Im Übrigen wenn dir der Stoff gefallen hat, kann ich eineFilmaufbereitung einer Theater-Inszenierung des Faust mti dem großartigen Gustaf Gründgens als Mephisto empfehlen. Sind keine opulenten Sets oder Kostüme freilich, ist halt ein Theater-Set aber das Spiel an sich ist hervorragend.

    https://www.youtube.com/watch?v=O2hGhTILFQM
    Cool, danke für den Tipp. Das sieht in der Tat gut und toll gespielt aus. Mit solchen Theater-Kulissen und Kostümen, wo man sich erstmal hineindenken muss, hab ich jetzt kein Problem, wenn alles andere stimmt.

  6. #6
    It's a SILENT night...



    Der Bettelpoet /The Beloved Rogue (1927)



    Die (größtenteils fiktive) Geschichte von François Villon, zu Lebzeiten der berühmteste Poet Frankreichs, aber auch ein Schelm, gelegentlich ein Kleinkrimineller, vor allem aber: Patriot. Der Film erinnert stark an Fairbanks, was ich persönlich toll fand. Hauptdarsteller John Barrymore wurde dafür jedoch ein wenig kritisiert und soll sich in der Rolle selbst nicht gemocht haben. Vielleicht war er ernsteren Stoff gewohnt, keine Ahnung. Coole Story jedenfalls, war mal ein etwas anderer Ansatz mit dem Dichter als Protagonist, mit dem frühen Frankreich-Setting usw.. Einige Elemente wie das Narrenfest oder dieses Gaunerversteck schienen fast unmittelbar dem Glöckner von Notre Dame entsprungen zu sein ^^ Zwar kann The Beloved Rogue bisweilen fies dramatisch werden, aber hat auch massig humorige, leichte Momente. Der Hauptcharakter trägt den Film und ist ein sympathisches Schlitzohr, das in die große Politik hineinstolpert. Eine originelle Idee war, ab und zu kurze Gedichte bzw. Verse per Zwischentitel in den Handlungsverlauf zu integrieren. Das Tempo bleibt angenehm flott. Kann ich empfehlen, aber gibt es leider nicht auf BD und nur im Ausland auf DVD. 7/10




    Der vierte Musketier /The Three Musketeers (1921)



    Der junge und hitzköpfige D'Artagnan gerät in ein Duell mit Athos, Porthos und Aramis, freundet sich währenddessen aber mit diesen an. Gemeinsam versuchen sie den Plan Kardinal Richelieus, die Königin zu diskreditieren, zu vereiteln. Dazu müssen sie eine Brosche zurückholen, die die Königin dem Herzog von Buckingham geschenkt hat. Eine richtig nennenswerte Handlung hat der Film leider erst verdammt spät. Davor, besonders am Anfang, gibt es viele (scheinbare) Belanglosigkeiten und Kitsch. Das Abenteuer-Feeling will nicht so recht rüberkommen, auch hat der gute Doug anderswo schonmal mehr Kämpfe bestritten und Stunts gemacht. Es fehlt an Konflikt und richtig fiesen Schurken - man bekommt nicht das Gefühl, dass jemals viel auf dem Spiel steht. Wie viel Alexandre Dumas genau drinsteckt? Da bin ich überfragt. Die Handlung hält sich auf jeden Fall einigermaßen an die Literaturvorlage, gewiss mehr als diverse spätere Werke, aber ich kann mir dennoch vorstellen, dass das Buch wesentlich aufregender ist. Letztenendes: Nicht schlecht, aber keiner von Fairbanks besten. 6/10




    Die eiserne Maske /The Iron Mask (1929)



    König Ludwig XIII. von Frankreich ist begeistert, als ihm ein Sohn geboren wird - ein Thronerbe! Aber als die Königin noch einen Zwilling zur Welt bringt, sieht Kardinal Richelieu darin das Potential für eine Revolution und lässt ihn daher nach Spanien fortschicken, wo das Kind insgeheim aufwachsen und erzogen werden soll, um eine friedliche Zukunft für Frankreich zu gewährleisten. Doch es kommt zu Komplikationen... Dieses Sequel ist sooo viel besser als der Vorgänger (und auch besser gealtert)! Mehr Energie, Action und Spannung, die Handlung dynamischer, abwechslungsreicher und logischer aufgebaut. Bei so einer Story bleibt man dran.

    Sehr gelungen ist in diesem Zusammenhang der große Zeitsprung von 20 Jahren in der Mitte. Man bekommt den Eindruck, es ist wirklich was passiert und fragt sich, was aus den ganzen Figuren geworden ist. Außerdem traut sich der Film einiges mit mehreren tragischen Charaktertoden (erster und einziger Leinwandtod von Fairbanks soweit ich weiß), mit manchen davon hatte ich ehrlich überhaupt nicht gerechnet. Auch die Schurken haben angemessen Platz in der Erzählung, ansonsten konzentriert sich die Geschichte aber wie üblich auf den von Doug verkörperten Protagonisten, also D'Artagnan.

    Dieser muss in der zweiten Hälfte den wahren König, jetzt unkenntlich gemacht durch die berühmte eiserne Maske, aus einer kleinen Festung mitten im Fluss befreien, nachdem die fiesen Verschwörer den bösen Zwilling auf dem Thron installiert haben. Aber dazu braucht unser Held die Hilfe von drei alten Freunden... Geil. Hätte man die erste Hälfte etwas gestaucht und dafür diese Wiederzusammenkunft und generell den tollen Schlussteil weiter ausgebaut, wäre es von der Struktur her der perfekte Film gewesen. Überhaupt mag ich solche Geschichten vom Zusammentrommeln alter, eingeschworener Grüppchen nach langer Zeit. Schade dass sie da nicht noch mehr rausgeholt haben und näher drauf eingegangen sind, aber ich will gar nicht nörgeln.

    Die vergleichsweise düsteren Momente war ich von den Filmen des Hauptdarstellers (erneut auch verantwortlich für das Drehbuch) bis jetzt kaum gewohnt - dickes Plus! Thematisch schwingt irgendwie stets ein Hauch von Nostalgie mit, und die Handlung arbeitet mit diversen Rückblenden. Darüber hinaus sind einige schön stimmungsvolle Szenen mit Licht und Schatten und abenteuerlichen Umgebungen vorhanden. Ich mein, ein schwer erreichbares Gefängnis-Castell in einem Fluss, mit einem alten, versiegelten Zugang durch eine Höhle, alles bei Nacht und Gewitter, als Schauplatz für einen wesentlichen Teil des Finales mit furiosem Degen-Gefuchtel ist schon mega-stylish

    Handelt sich um den letzten Stummfilm von Douglas Fairbanks. Gab zwar noch eine Tonvariante davon, die ist aber nicht zu empfehlen, weil dann die ganze Zeit nur der Erzähler (glaube das war sogar Doug selbst) aus dem Off labert und die Szenen beschreibt, was ungeheuer schnell nervig wird. Außerdem ist jene Version geschnitten, wenn ich das noch richtig im Kopf habe. Nee, den Film sollte man möglichst schon als Stummfilm-Original genießen! Mist, wieder keine BD verfügbar. Btw., so sahen damals noch manly men aus, da brauchte es keinen muskelbepackten Vin Diesel oder Dwayne Johnson -_^ 8/10




    Der Mann mit der Peitsche /Don Q, Son of Zorro (1925)



    Don Cesar (Fairbanks) ist der Sohn Zorros. Während seinem Besuch in Spanien umgarnen er und sein Rivale Don Sebastian das gleiche Mädchen, Dolores de Muro (Mary Astor), die Tochter eines Generals. Diese hat natürlich nur Augen für den aufregenderen Don Cesar. Als Don Sebastian auf einer Feier in Rage vor Eifersucht nach einer Provokation den österreichischen Erzherzog umbringt, schiebt er das Verbrechen Don Cesar in die Schuhe. Der taucht unter und wird zum Peitsche-schwingenden Gesetzlosen Don Q, der ein paar Angelegenheiten richtigzustellen hat und seinen Namen reinwaschen möchte. Kurz zwischendurch und für fünf Minuten zum Finale taucht dann auch noch Zorro selbst auf, ebenfalls gespielt von Fairbanks, was zwar ganz cool, aber storymäßig irgendwie auch reichlich überflüssig ist. Wirkte konstruiert und auf den letzten Drücker hineingezwängt.

    Wenig verwunderlich, wenn man die Hintergründe dazu liest. Der Roman von 1909, auf dem der Film lose basiert, hatte ursprünglich nichts mit Zorro zu tun. Die Geschichte wurde umgearbeitet, um daraus ein Sequel zu Das Zeichen des Zorro (1920) zu machen. Anscheinend waren sich die Drehbuch-Autoren nicht sicher, ob dieser Zusammenhang auch wirklich beim Publikum ankommt und verstanden wird, denn die andauernde Betonung wird schnell nervig: "Mein Vater ist der beste und tollste", "Mein Vater kannte deinen Vater" usw., ohne dass das irgendetwas von Wert für die Handlung beitragen würde. Der Protagonist sollte lieber mal selbst überzeugen können. Der Held ist zwar clever, voller Energie und hat den typischen Fairbanks-Charme, aber ein bisschen mehr Profil wäre nicht verkehrt gewesen. Kommt herüber wie "Zorro lite", nichtmal die Peitsche als Markenzeichen wird besonders oft und gekonnt eingesetzt.

    Generell hatte die Geschichte für mich mit ein paar strukturellen Schwierigkeiten zu kämpfen. In der ersten Hälfte verliert sich das Geschehen in wenig interessanten, geradezu heiteren Nebensächlichkeiten. Es gibt keinen Konflikt, noch keine richtigen Schurken, alles belanglos. Es dauert die halbe Spielzeit, bevor doch mal was passiert und ein wenig Spannung aufkommt. Die zweite Hälfte ist dann wesentlich besser, sodass der Film noch die Kurve kriegt. Das Erzähltempo und die Action, wenn denn mal welche vorkommt, sind unterm Strich eigentlich auch gar nicht übel. Wenn sie sich nur für den Anfang nicht so viel Zeit genommen hätten und schneller zum Punkt gekommen wären... Da werden Erinnerungen an Robin Hood wach. 6/10




    Goldrausch /The Gold Rush (1925)



    Wollte einer solchen Berühmtheit doch nochmal eine Chance geben, nachdem das letzte Mal schon ewig her war. Eigentlich ja ganz nett. Der sympathisch-verpeilte Archetyp des mittellosen Tramps, hier auf der Suche nach Gold und Glück im hohen Norden, ist nicht ohne Grund eine Popkultur-Ikone geworden. Doch wenn man den ganzen Slapstick-Kram und Unsinns-Humor fernab physischer oder logischer Gesetzmäßigkeiten weglässt, bleibt höchstens noch ein Drittel des Films bzw. eine halbe Stunde übrig, und genau damit hab ich bei dieser Art von Komödie grundsätzlich ein Problem. Ich lache lieber in Geschichten, die ich an anderen Stellen ernst nehmen kann, oder aber welche, die mit dem Humor so übertrieben und clever-subversiv sind, dass sie eine gewisse, kritisch-satirische Aussagekraft bzw. Mehrdeutigkeit haben.

    Gold Rush und Chaplins Werke allgemein wirken auf mich dagegen meist eher wie simple old-school Cartoons, hauptsächlich für eine besonders junge Zielgruppe (vgl. Looney Tunes), auch ganz abgesehen von den Slapstick-Einlagen. Beispielsweise wird der Protagonist hier anfangs gezeigt, wie er die Himmelsrichtungen auf ein Blatt Papier gemalt hat, aber so verwendet, als handle es sich um einen funktionierenden Kompass. It's funny because he's dumb, d'oh. So blöd ist einfach niemand in dem Alter, das stört die Immersion. An einer anderen Stelle bildet sich sein Partner, mit dem er zusammen in der eisigen Hütte hungert, im Wahn ein, Chaplin sei ein Hühnchen, und möchte es entsprechend erlegen und verspeisen. Zugegeben, das war in den 20ern wahrscheinlich noch nicht so ausgelutscht wie heute und ist hier visuell mit einem dicken Gockel-Kostüm zumindest ansprechend umgesetzt. Aber es funktioniert halt nur auf einer einzigen, total banalen Ebene.

    Die Szenen, in denen die Hauptfigur in der Stadt ist und der schönen Georgia hinterherläuft, die ihn unangemessen mies behandelt, fand ich da schon interessanter, weil sich hier ansatzweise ein bisschen Drama mit der Comedy abwechselte. Halte es allerdings für etwas fragwürdig, dass er am Ende tatsächlich mit ihr zusammenkommt, und auch erst, nachdem er Millionär geworden ist. Als triviale, platte, unverfängliche Unterhaltung durchaus in Ordnung und mit einigen schönen, originellen Einfällen für aberwitzige Szenen, hat mir Gold Rush trotzdem abermals bestätigt, dass Chaplin nicht das ist, was ich mir von einem gelungenen (Stumm-)Film erhoffe. 6/10




    Tabu /Tabu: A Story of the South Seas (1931)



    War ganz okay. Leider Murnaus letzter Film, der kam bei einem Autounfall im Alter von nur 43 Jahren ums Leben :-/ Die Handlung dreht sich um ein junges, indigenes Paar auf einer Südseeinsel, deren Liebe bedroht wird, als der Stammesälteste das Mädchen zu einer unantastbaren Jungfrau erklärt. Die Story ist sehr klein und simpel gehalten und mit tragischem Depri-Ende. Dafür ist der halbdokumentarische Stil bemerkenswert, der Zuschauer bekommt viele schicke Umgebungen in diesem vermeintlichen Paradies zu sehen. Es gibt kaum Zwischentitel. Ausschließlich authentische Leute aus Polynesien haben mitgespielt bzw. die entsprechenden Charaktere verkörpert! Echt cool, weil nicht selbstverständlich für damals. Alles andere hätte auch äußerst befremdlich gewirkt. Das bringt eine ganz eigene Exotik rein, die man sonst in dieser Zeit des Kinos kaum finden kann. Das heißt außerdem, dass selbst die beiden Hauptdarsteller Amateure waren, keine gelernten Schauspieler. Ein Glück, dass sie so talentiert waren, denn man merkt meiner Meinung nach kaum einen Unterschied. 6/10




    Der letzte Mann /The Last Laugh (1924)



    Ein alter Portier wird von seinem prestigeträchtigen Job in einem Luxushotel gefeuert, ist dem Hohn der Gesellschaft ausgesetzt und kommt mit der neuen Situation nicht klar. Wow, einer der wichtigsten Filme aller Zeiten, ein Meilenstein! Nicht so sehr wegen der etwas rührselig geratenen Geschichte, sondern weil er, ähnlich wie Eisensteins Panzerkreuzer Potemkin im darauffolgenden Jahr, einen ganz neuen Bereich zur erst noch entstehenden Filmsprache, ein weiteres Puzzlestück zum Repertoire hinzufügte. Man könnte das Werk aus technischer Sicht auch "der Tag, an dem die Kamera befreit wurde" nennen Gab zwar davor schon ein paar Einzelfälle, wo mit einer beweglichen Kamera experimentiert wurde, aber in dem Medium sind bis dahin fast ausschließlich fixierte Positionen oder allenfalls vertikale und horizontale Schwenks benutzt worden. Murnau ging mit Der letzte Mann einen gigantischen Schritt weiter. Jetzt gab es plötzlich eine Perspektive, die den Charakteren frei folgen konnte und sich mit dem Filmgeschehen bewegte, inklusive Zoom. In der heutigen Zeit sind solche Dinge wie Dolly-Shots oder Steadicams fester Bestandteil des Vokabulars und kommen in fast jedem neuen Film auf die eine oder andere Art vor, doch 1924 hat das erst angefangen.

    Der letzte Mann war nicht nur der erste, der diese Techniken durchgängig immer wieder verwendete, sondern sie auch bewusst als Mittel des Storytellings benutzte, indem wir damit der Sichtweise des Protagonisten folgen konnten. Alleine schon dadurch eine der faszinierendsten Erfahrungen, die ich in letzter Zeit gemacht habe. Wer sich für die Entstehung und Entwicklung des Kinos im Allgemeinen interessiert, sollte sich das unbedingt mal anschauen. Fühlte sich für mich total seltsam und ungewohnt aber angenehm an, so etwas in einem Stummfilm zu sehen. Unter anderem die ersten Dolly-Shots der Filmgeschichte. Gab aber auch noch diverse weitere beeindruckende Kameratricks wie die Traumsequenzen. Außerdem finden sich auch hier fast keine Zwischentitel, alles wird über die visuellen Eindrücke und die Musik erzählt, was ausgesprochen gut gelungen ist.

    Das Thema selbst macht mich jetzt ehrlich gesagt nicht soo sehr an. Dennoch ist die sehr persönlich gehaltene, kleine Handlung ebenfalls beachtenswert und ziemlich emotional. Man kann darin versinken. Einzig das (Meta-)Ende, obwohl es mich eigentlich gefreut hat, war für meinen Geschmack ein bisschen zu übertrieben und dick aufgetragen. Soll wohl mal anders geplant gewesen sein, aber das andere Extrem hätte ich genausowenig optimal gefunden. Von daher schon nicht verkehrt, so wie es ist. Den Film gibt es zwar auf BD, aber nur in einem teuren Set von Masters of Cinema, zusammen mit vier anderen Filmen von Murnau, die mich leider null kümmern. Brauch ich erstmal nicht für meine Sammlung. 8/10 für die technische Meisterleistung; ohne die stilistischen Faktoren bzw. ausschließlich für die Story wären es auf jeden Fall weniger.

  7. #7
    It's a SILENT night...



    Tagebuch einer Verlorenen /Diary of a Lost Girl (1929)



    Im Leben der jungen und schönen Thymian geht so ziemlich alles schief, was nur schief gehen kann. Ihre Gouvernante wird schwanger aus dem Haus geworfen und später tot aufgefunden - ertrunken. Noch am selben Tag hat der Vater schon jemand neues eingestellt. Noch viel übler: Der Apotheker aus dem unteren Stockwerk, Meinert, nutzt die emotionale Schieflage Thymians aus und schwängert sie. Als sie sich weigert zu heiraten, wird ihr das Kind abgenommen und sie selbst in eine ultrastrenge Erziehungsanstalt mit drakonischer Führung gesteckt. Als der mitellos gewordene Graf Osdorff ihre Familie nicht dazu bringen kann, sie zurückzunehmen, flieht sie mit einer Freundin und landet in einem Edelbordell... Teilweise kommt es zwischenzeitlich sogar noch dicker, bevor es allmählich wieder bergauf gehen kann und sich das Blatt endlich zu ihren Gunsten wendet.

    Stehe normalerweise nicht auf solche Dramen, aber das hier wirkte erstaunlich modern und spricht diverse Themen an, die bis heute noch immer aktuell und relevant sind. Soll heißen, es ist ein modernes Melodrama, und keine von diesen kitschigen Geschichten, die bloß ultra-theatralisch auf die Tränendrüse drücken, wie es sie zu jener Zeit schon zu Hauf gab. Louise Brooks, nach verspäteter Anerkennung eine der ganz großen Stummfilm-Stars, ist eine klasse Hauptdarstellerin! In diesem Fall zuerst naiv, dann verspielter, aber stets voller Energie. Kann nachvollziehen, warum vor Jahrzehnten viele verrückt nach ihr waren. In Tagebuch einer Verlorenen gibt es einige bemerkenswerte Szenen, die in Erinnerung bleiben, wie etwa in dem Heim. Auch so manche creepy Nebencharaktere tauchen auf, es wird ein ziemlich trostloses Bild der Gesellschaft gezeichnet. Dazu passt der wundervolle Schlussatz, der nach wie vor nichts von seiner Gültigkeit verloren hat: "With a little more love, no one on this earth would ever be lost!"

    Es handelt sich um eine deutsche Produktion, Regie führte Georg Wilhelm Pabst. Der Film wurde seinerzeit nach der Premiere stark zensiert, daher musste die Uraufführungsversion aufwändig rekonstruiert werden. Gibts auf BD in einer tollen Ausgabe von Masters of Cinema, yay! Zugegeben, hätte ich das nicht gewusst und hätte mir das Jahr nicht noch gefehlt, hätte ich mir den Film wahrscheinlich nie angeguckt. Nun bin ich froh, dass ich es doch gewagt habe, über den Tellerrand zu schauen. Wieder mal was Gutes entdeckt. 8/10




    Die Büchse der Pandora /Pandora's Box (1929)



    Ebenfalls von Pabst und mit Brooks, aus dem selben Jahr. Der Aufstieg und unausweichliche, tiefe Fall einer amoralischen jungen Frau namens Lulu, deren sorglose Erotik die Lust und Gewalt in jenen Menschen anregt, die sie umgeben. Keine Ahnung, was alle daran finden. Ich mein, war jetzt nicht schlecht als Drama, aber die Figuren entwickeln sich null weiter und bleiben total statisch. Die Handlung ist auch überaus minimalistisch, es ist eine reine Charakterstudie und viele der Szenen wirken seltsam unzusammenhängend (wozu die Unterteilung in einzelne Kapitel leider beiträgt). Wenn die Leute gegen Ende in London sind, stirbt Lulu durch einen random Mörder (Jack the Ripper?) von der Straße. Das mag man zwar auf Meta-Ebene bzw. indirekt und thematisch schön interpretieren können, wegen der ungewöhnlichen Art, wie das genau passiert, aber der Schlussteil hat vordergründig irgendwie überhaupt nichts mehr mit dem Rest der Geschichte zu tun. Mir fehlte eine Art Payoff. Mehrere Handlungsstränge bzw. Charakter-Schicksale bleiben am Schluss einfach ungelöst in der Luft hängen, so etwas kann ich gar nicht leiden.

    Alles dreht sich nur um Lulu. Ja sicher, Louise Brooks ist unglaublich hübsch, und ihre Rolle lebendig, sexuell aufgeladen, verführerisch, aber auch manipulativ und egozentrisch. Obwohl sie im Grunde recht passiv bleibt, zerstört sie alle möglichen Personen (insbesondere Männer, aber nicht nur die) um sich herum. Einige Abschnitte wirken geradezu sinnlos. Weiß nicht, ob die Vorlage auch so eine uninteressante Geschichte war. Der Film ist nur deshalb sehenswert, weil es so eine Freude ist, Brooks beim schauspielern zuzuschauen - sie kommt stets vollkommen authentisch rüber! Tagebuch einer Verlorenen ist nicht halb so bekannt wie Die Büchse der Pandora, aber zehn mal so gut, weil wir dort eine richtige Handlung mit sich entwickelnden Charakteren haben. Hier sucht man danach vergeblich. 6/10




    Sonnenaufgang /Sunrise: A Song of Two Humans (1927)



    Halte ich für drastisch überbewertet. Okay, der Film ist von Murnau, das heißt wenigstens die Sets und Bildkompositionen sind durchweg super, denn das kann er bekanntlich wie das kleine Einmaleins. Die Fehler liegen meiner Meinung nach in der Geschichte. Sunrise wird einem als "allegorische Erzählung" verkauft, das heißt schonmal, dass alle Figuren unbenannt bleiben und die Dialoge bzw. Zwischentitel entsprechend nur sehr selten auftauchen. Doch gerade in einer Handlung, die gerne emotional sein würde, ist es meiner Ansicht nach nötig, eine Nähe des Zuschauers zu den Figuren herzustellen, und das wird hier nicht effektiv gemacht. Teilweise eher im Gegenteil, es fühlt sich seltsam distanziert an.

    Sunrise handelt von einem verheirateten Bauern mit Kind, der eine Affäre mit einer bitchigen Frau aus der Stadt hat, die ihn überredet, seine liebe Ehefrau (zuckersüß gespielt von Janet Gaynor) umzubringen bzw. im See zu ertränken. Das versucht er dann auch tatsächlich auf einem Ausflug. Im letzten Moment kommt er wieder zur Vernunft, seine Ehefrau flieht in die Stadt, er hinterher, die beiden versöhnen sich und verbringen dort eine schöne Zeit, unter anderem auf einem Jahrmarkt. Dieser Mittelteil ist sterbenslangweilig, weil sonst im Prinzip nichts passiert. Heute würde man das wahrscheinlich mit einer Montage von zwei Minuten darstellen, die in ein persönlich-intimes Gespräch mündet oder so, hier dauert der Abschnitt hingegen über eine halbe Stunde und Dialoge sind bekanntlich nicht vorhanden. Würde mehr Sinn machen, wenn wir wenigstens Einblick in das Leben der beiden erhalten oder ihre Gedanken erfahren würden, aber es bleibt alles oberflächlich, oder "allegorisch". Frei nach dem Motto: Keine Ausarbeitung ist auch eine Lösung, soll sich das Publikum selbst was denken. Mir ist schon klar, dass Bilder manchmal mehr sagen können als tausend Worte, aber das hier ging zu weit.

    Das größte Problem, das ich mit der erwähnten Wendung hatte, ist aber von viel grundsätzlicherer Natur: Der Typ hat einen Mordversuch an seiner Frau begangen. Hallo, gehts noch? Aber sicher, einmal Kuchen und Blumen kaufen und eine fremde Hochzeit besuchen, schon ist alles vergeben und vergessen. WTF? Im letzten Drittel und Schlussteil der Geschichte machen sie dann noch einen Ausflug auf dem See als zweite Flitterwochen (Uhm, gelinde gesagt seltsame Wahl, nach so einem Trauma genau dort kurz vorher), doch ein Sturm zieht auf, Boot kentert. Er kommt an Land, sie nicht. Er veranstaltet Suchaktion mit der Dorfbevölkerung, scheinbar ohne Erfolg. Während er verzweifelt, kommt die miese Stadt-Bitch vom Anfang wieder angekrochen, er will sie aus Rache erwürgen, aber gerade noch rechtzeitig hört er, dass seine Ehefrau doch noch gefunden und gerettet worden ist. Die Drecksbitch reist daraufhin endlich ab und das Paar ist happy, während die Sonne aufgeht. Das wars.

    Tut mir leid, aber diese Handlung ist so knapp und einfach, dass sie höchstens zu einem Kurzfilm gereicht hätte. Vielleicht auch für einen Spielfilm mit einer Länge von einer Stunde. Aber das auf anderthalb zu dehnen hat für mich nicht funktioniert. Schlimmer noch: Ich hab normalerweise nichts gegen Rührseligkeit, aber wenn ich mir denke, dass die männliche Hauptfigur eigentlich ein labiler Psychopath ist (gibt mehrere Stellen im Film, an denen er die Beherrschung verliert), für das was er getan hat eigentlich erstmal eine Weile hinter Gitter gehört (wobei man es ihm nicht nachweisen kann), und seine Frau eindeutig jemand besseren verdient, aber sie aus schwer nachvollziehbaren Gründen trotz allem an ihm hängt, dann sind diese doch recht kitschigen, zu langen und belanglosen Szenen mit Subtilitätsdefizit nur schwierig zu ertragen. Es fehlt an verdienten Sympathiewerten, die der Streifen jedoch einfach so als Vorschuss vom Publikum voraussetzt. Ist wieder einer dieser Fälle, in denen dem Zuschauer indirekt gesagt wird, dass er mit der Figur mitfiebern und auf ihrer Seite sein soll, obwohl dem Zuschauer das möglicherweise vollkommen zuwider ist. Hatte ich zuletzt glaube ich bei The Spectacular Now von 2013, und das war einer der schlechtesten Filme die ich bis jetzt gesehen habe. Bei Sunrise kann man sich wenigstens noch an der schönen Optik erfreuen.

    Noch was Historisches - Dies war sogar DER erste Film mit dem Movietone Sound Verfahren (siehe "The Man Who Laughs", den ich schon behandelt habe). Gesprochene Dialoge gab es hier zwar noch nicht, allerdings einen richtigen, synchronisierten, optischen Soundtrack fest mit dem Film verbunden (wurde nicht mehr mit Live Orchester aufgeführt) sowie mit Soundeffekten, die durchaus viel zur Immersion in einigen Szenen beitragen können. Insofern also kein richtiger Stummfilm im engeren Sinne mehr, aber ich habs hier trotzdem eingefügt, da es sich für heutige Zuschauer weitgehend wie einer anfühlt. Wie dem auch sei, nachdem mir so oft von Sunrise vorgeschwärmt wurde und ich ständig ausschließlich Positives dazu gelesen habe, hat mich der Film doch ziemlich enttäuscht. 5/10




    Die letzte Warnung /The Last Warning (1929)



    Noch ein Nachzügler der Universal Horror Stummfilm Klassiker ^^ Hab den allerdings nur im Internet Archiv in grauenvoller Qualität und mit miesem Soundtrack geguckt, von daher weiß ich gar nicht, wie aussagekräftig oder gerechtfertigt eine Bewertung hier ist. Halt Murder-Mystery um ein Theater, in dem während einer Vorstellung ein fieser Mord geschah. Jahre später, die Tat immer noch ungeklärt, wird es von einem Produzenten wieder aufgemacht und der Versuch unternommen, das Stück von damals neu aufzuführen - mit den gleichen, noch verbliebenen Mitgliedern des Casts. War's vielleicht ein Geist?

    Manchmal etwas schwierig, bei den Charakteren den Überblick zu behalten und der Handlung zu folgen, könnte zum Teil aber auch an der Bildqualität aus der Hölle in der von mir gesichteten Fassung liegen. Regisseur Paul Leni (The Man Who Laughs) hat sich bei den Zwischentiteln oder sonstigen Überleitungen ein paar richtig coole Effekte einfallen lassen. Das Theater-Set ist übrigens anscheinend das gleiche, das zuvor für Das Phantom der Oper (1925) verwendet wurde. Nice! Auch sonst einige sehr atmosphärische "spooky" Orte voller Staub und Spinnweben. Diverse wohlbekannte und angenehme Grusel-Klischees werden ausgepackt. Mit nur ca. 80 Minuten geht der Film zügig rum und ist nicht so übertrieben lang wie gewisse andere Vertreter aus der Zeit. Viel mehr kann ich zu The Last Warning auch schon nicht sagen. 6/10?




    Das Gesetz des Kongo /West of Zanzibar (1928)



    Ein Showmagier in Afrika will sich an dem Mann rächen, der ihn zum Krüppel machte, und an der unehelichen Tochter, die dieser mit der Frau des Magiers zeugte. Hmm. Den Twist kann man leider schon zehn Meilen gegen den Wind riechen. Was ist das überhaupt für eine bescheuerte Idee, das Leben einer unschuldigen jungen Frau ebenfalls zerstören zu wollen, nur weil man mit dem vermeintlichen Vater noch eine Rechnung offen hat? Das Mädel kannte ja nichtmal ihren Vater, hatte mit dem gar nichts zu tun. Hass ist eine Sache, aber das war Irrationalität in höchstem Maße. Naja. Lon Chaney ist wie immer sehenswert. Ansonsten ganz passabel, der Film, aber auf eine seltsame Art und Weise unangenehm. Die Dauer beträgt gerade mal gut eine Stunde, und trotzdem denke ich, dass man daraus vielleicht besser einen Kurzfilm gemacht hätte. Alles in allem wurde das Rachethema jedoch ganz gut umgesetzt. 6/10




    Der Wind /The Wind (1928)



    Die zart-zerbrechliche Letty zieht vom Osten der USA in den rauhen Westen, wo sie Spannungen in der Familie verursacht, während die heftigen Umweltbedingungen sie langsam wahnsinnig werden lassen. HAMMER! Ultradichte Atmosphäre, wie ich sie selten zuvor in einem Film gesehen habe. Der unaufhörlich wehende Wind ist quasi ein eigenständiger, allegorischer Charakter in der Geschichte, für die ungezähmten, unkontrollierbaren Naturgewalten stehend, aber unterstreicht gleichzeitig auch symbolisch das vordergründige Geschehen bzw. die Gefühlslage der Figuren. Das ist nicht nur storymäßig total genial (weckte bei mir Erinnerungen an Hiroshi Teshigaharas Suna no Onna /Die Frau in den Dünen), sondern auch visuell faszinierend und beeindruckend umgesetzt! War bestimmt ne Heidenarbeit für die ganzen Effekte zu sorgen. Obendrein noch in der glühenden Hitze der Mojave-Wüste zu filmen - überliefertermaßen eine Tortur für die Beteiligten Filmemacher und Schauspieler.

    Die Story mit ihren beinahe mystischen Untertönen ist relativ überschaubar und klein, aber gerade das macht sie so effektiv. Der Film ist sehr visuell geprägt und profitiert davon, ein Stummfilm zu sein, nutzt den damaligen Stand des Mediums perfekt. Zu viele Dialoge hätten nur die Stimmung gestört. Dass Lillian Gish in der Hauptrolle wie immer verdammt gut schauspielert, brauche ich eigentlich kaum erwähnen, aber auch ihr Gegenpart, der von dem Schweden Lars Hanson verkörperte Lige, weiß zu überzeugen, zumal letzterer die schwierige Balance zwischen Zuschauer-Sympathie und der ihm von Letty entgegengebrachten Antipathie treffen und halten musste. Zu der Atmosphäre hat ferner wohl auch der recht modern wirkende Soundtrack von 2007 beigetragen, mit dem ich The Wind gesehen habe. Kann gut sein, dass es noch andere gibt, die auch nicht zu verachten sind.

    Letztlich ohne jeden Zweifel der beste Stummfilm-Western, einer meiner Lieblingswestern überhaupt, und der beste Film den ich seit Langem gesehen habe. Und das, obwohl ich mit den älteren US-amerikanischen Genrevertretern normalerweise kategorisch nichts anfangen kann. Nicht so hier, The Wind kommt ganz ohne die üblichen Klischees aus, ja setzt sich weit darüber hinweg und steigt in ganz andere Sphären auf! Wenn ihr die Gelegenheit bekommt, den abzuchecken, nutzt sie. 9/10 AAAHHHRGH!! Warum gibts den nicht auf Blu-ray >_<' ? Nichtmal auf DVD anscheinend. Was für eine Schande. Abschließend muss ich aber unbedingt noch ein paar Zeilen zum Ende loswerden, was ich lieber mal komplett in einen Spoilerkasten packe:


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