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Thema: Schullektüren - nervig oder interessant?

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  1. #1
    Zitat Zitat von Dhan Beitrag anzeigen
    Ich habe die thematisierte Schullektüre gelesen und bin aus jenem Unterricht erfolgreich hervorgegangen, mag sie aber trotzdem nicht und bin damit nicht allein sondern ein Regelfall.
    Du bist auch kein Mathematiker oder Sportler geworden, obwohl du Unterricht in den Fächern hattest. Wieso sollte es sich beim Deutschunterricht anders verhalten? Es kann beim aktuellen Unterrichtsaufbau nur dahin gehen, dass man den Schülern mal etwas akzeptables vorgesetzt hat. Den Hintergrund um diese Lektüre dann auch im Vollen zu schätzen lernt man entweder privat, auf der Uni oder überhaupt nicht kennen.

    Zitat Zitat
    Nach der Dosenessen-Theorie müsste ich jedoch jene Lektüre mögen. (bedenkt man noch meine hohe Lesequote, so bin ich mit einem literarischen Dosenhappaesser nicht wirklich vergleichbar)
    Nächstes Argument. (und bitte diesmal eines, das tiefer geht und das man nicht auch auf jede x-beliebige andere Lektüre anwenden kann)
    Glaubst du ernsthaft, dass alle Kinder wegen ein paar Stunden Hauswirtschaftskunde zuhause Kochen anfangen? Du überschätzt wieder mal den Einfluss, den sechs Stunden Schule auf 24 Stunden Leben haben. Der Punkt ist, dass man ihnen mal was anständiges vorgesetzt hat. Mehr kann man in der Schule in dem Alter nicht tun.

    Zitat Zitat
    Ah? Konkretisier den Text nochmal, ich versteh ihn nicht. Wäre mir jedenfalls keiner Vorurteile bzgl dieses Themas von meiner Seite bewusst.
    Ich frage mich einfach, auf was dein "Geschmacksurteil" aufbaut? Das groß der Schüler behandeln die Schullektüre wie etwas, dass sie in den Mund nehmen und wieder ausspucken - wie der ganze andere Stoff auch. Das liegt in der Natur des Unterrichts und dem Geschmack kann man da kaum nachfühlen.

    Zitat Zitat
    Bäh, Star Wars find ich langweilig, Stendhal find ich langweilig. Beides Geschmackssache. Ob man jetzt aber das eine besser als das andere findet, wird ja wohl sicher nicht nur mit dem Geschmack zu tun haben...
    Er ist recht gut, wo er aus seiner eigenen Erfahrung schöpft - in der Liebe und im Krieg, aber ja besonders spannend schreibt er nicht. Man hat heutzutage eine andere Sichtweise auf das Leben

    Zitat Zitat
    Für ein Referat durfte ich mir dann noch den Rosenroman antun, ein absolut alptraumhaftes Teil aus dem 14. Jahrhundert. Argh!
    Haha, mein Beileid. Das ist nichts, zu was man irgend jemand zwingen sollte. Ist subjektiv sicherlich noch schlimmer als Goethe. Mittelalterliche Literatur ist trotzdem ganz lolig. Habe vor ein paar Jahren den Parzival aus eigenen Antrieb gelesen und packe den immer wieder gerne aus. Beim Rosenroman tut es mir leid, dass ich den nicht in der Originalsprache lesen kann. Die Übersetzung von Gedichten sind im allgm. recht..dürftig.

  2. #2
    Zitat Zitat von Ianus Beitrag anzeigen
    Du bist auch kein Mathematiker oder Sportler geworden, obwohl du Unterricht in den Fächern hattest. [...]
    ...Ich habe dein Dosenargument augegriffen. Erläutere dieses doch bitte genauer.
    So wie ich das verstanden hatte, entwickeln die Geschmackssinne eines Kindes, das gute Nahrung konsumiert, insofern in eine andere Richtung wie die eines Kindes, das sich nur von Konserven ernährt, dass es überhaupt befähigt ist, gute Nahrung zu genießen. Dieser Teil des Arguments ist noch recht unstrittig. Ich verstehe nur nicht, wie du dies auf "Literatur" überträgst.
    Mit deinem Satz "Geschmack ist Bildungssache und der Bildung wegen schickt man Kinder zur Schule." sagst du doch praktisch aus, dass Literatur lesen zu einem Literaturfan macht, zumindest in einem gewissen Rahmen, n´est pas?
    Zitat Zitat
    Der Punkt ist, dass man ihnen mal was anständiges vorgesetzt hat.
    Hmm du verstehst meine Texte absolut nicht.
    "Dass man ihnen etwas Anständiges vorgesetzt hat" - sagt WER? Und WARUM? Genau dies ist doch über all die Posts meine Frage die du ständig ignorierst.
    Zitat Zitat
    Ich frage mich einfach, auf was dein "Geschmacksurteil" aufbaut? Das groß der Schüler behandeln die Schullektüre wie etwas, dass sie in den Mund nehmen und wieder ausspucken - wie der ganze andere Stoff auch. Das liegt in der Natur des Unterrichts und dem Geschmack kann man da kaum nachfühlen.
    Unterricht zu halten muss Sinn ergeben. Und genau nach diesem frage ich wenn es um Effi Briest geht.
    Wenn du sagst "Unterricht macht Dinge nicht schmackhaft" dann kann der belletristische Wert der besagten Lektüre nicht der Sinn sein. Welcher Sinn bleibt also übrig? (die Frage ist eigentlich rhetorisch, kannst sie aber beantworten wenn du hier eine Antwort hast)

  3. #3
    Zitat Zitat von Dhan Beitrag anzeigen
    ...Ich habe dein Dosenargument augegriffen. Erläutere dieses doch bitte genauer.
    So wie ich das verstanden hatte, entwickeln die Geschmackssinne eines Kindes, das gute Nahrung konsumiert, insofern in eine andere Richtung wie die eines Kindes, das sich nur von Konserven ernährt, dass es überhaupt befähigt ist, gute Nahrung zu genießen. Dieser Teil des Arguments ist noch recht unstrittig.
    Das Metapher zeigt auf, dass die Schule ein Ort ist, wo der Schüler mit Dingen konfrontiert werden kann, die ihm neu sind und über die er keine oder nur uninformierte Meinungen hat. Wie das unvermeidliche Kind, dass von mindestens einem Gericht nur Dosenfutter kennt. Die Schule hat die Möglichkeit, diesem Kind auch mal etwas gut verarbeitetes zu servieren.

    Du erziehst damit niemanden, der sich total abhebt von allem Schmutz und Schund. Nur jemanden, dem vielleicht bewusst ist, dass die Literatur sich mit mehr als drei Emotionen und mit anderen Themen als dem Ermorden des Obermotzes befasst hat. Der Wert guter Literatur ist unter anderem, dass du darin jemanden findest, in dem du dich wiedererkennst und der dir sagt, dass du als Person Tiefe besitzten kannst. Dies wird dir bei der üblichen Gebrauchsliteratur, sei das Star Wars oder etwas von R. A. Salvatore, eher selten passieren.

    Zitat Zitat
    Ich verstehe nur nicht, wie du dies auf "Literatur" überträgst.
    Mit deinem Satz "Geschmack ist Bildungssache und der Bildung wegen schickt man Kinder zur Schule." sagst du doch praktisch aus, dass Literatur lesen zu einem Literaturfan macht, zumindest in einem gewissen Rahmen, n´est pas?
    Keineswegs. Der Deutschunterricht in der Unterstufe ist auf den Erwerb von Grundfähigkeiten in Sprachbenutzung und -verständnis ausgelegt, der Literaturunterricht in der Oberstufe dann ist sträflich verkürzte Literaturgeschichte mit extrem starker ideologischer Prägung. Deswegen lesen wir z.B den konservativen Goethe anstatt der ganzen "Hurra, Volksherrschaft und Revolution!"-Schrifsteller seiner Periode. Die wesentlich bessere französische Literatur der Zeit fällt leider, leider unter den Tisch. Wäre erzieherisch zudem sicherlich sinnvoller, De Sade zu lesen als Goethe.
    Es geht in der Schule nicht darum, einen Literaturliebhaber oder Literaturverständigen zu erzeugen sondern darum einen Staatsbürger zu erziehen. Das ist ein trauriger Zustand, aber es hat den Nebeneffekt, dass ein Schüler zumindest mit einigen akzeptablen Werken in Kontakt kommen kann. Rilke war z.B. Teil meiner Deutschmaterialen und Kafka haben wir ebenfalls gelesen. Natürlich geschieht das in einem gänzlich ungeeigneten Rahmen, aber besser als garnichts ist es.

    Zitat Zitat
    Hmm du verstehst meine Texte absolut nicht.
    "Dass man ihnen etwas Anständiges vorgesetzt hat" - sagt WER? Und WARUM? Genau dies ist doch über all die Posts meine Frage die du ständig ignorierst.
    Was Deutschland angeht? Da ist die Literatur angeblich Staatsbürgerschaftskunde. Land der Dichter&Denker und so. Die Auswahl wird im allgemeinen danach getroffen, welche Werke rückblickend von den Nachkommen für eine Epoche als besonders bedeutend angesehen werden. Die Auswahl ist dementsprechend auch durch literaturfremde Kriterien motiviert, wie z.B. der Spaltpilz Goethe, der weitgehend durchgenommen wird weil er zu einer Symbolfigur der deutschen nationalen Identität gemacht worden ist. Oder die Tagebücher der Anne Frank, die man anstelle der Bücher der ganzen dreckigen linken Marxisten liest. Wo kommen wir den hin, wenn unsere Kinder Bücher von Marxisten lesen?

    Als Österreicher ist mir die Effie Briest übrigens erspart geblieben. Kann mich nicht zu dem Buch äußern. Was das 19.Jhdt angeht habe ich Flaubert, Schnitzler und Stendhal gelesen. Kann mich nicht erinnern, dass Nietzsche viel für die deutsche Literatur seiner Epoche übrig hatte und es scheint, als sei sein Urteil begründet gewesen.

    Zitat Zitat
    und gerade die Gegenwartsliteratur ist gefärbt von internationalen Einflüssen
    Literatur war immer gefärbt von internationalen Einflüssen. Zu jeder Zeit. Der strikt nationale Literaturunterricht ist in meinen Augen eine große Perversion.

  4. #4
    Zitat Zitat von Ianus Beitrag anzeigen
    Das Metapher zeigt auf, dass die Schule ein Ort ist, wo der Schüler mit Dingen konfrontiert werden kann, die ihm neu sind und über die er keine oder nur uninformierte Meinungen hat.[...]
    Kk. Bleibt das Argument, dass die Entscheidung, was denn jetzt gehaltreich ist, immer noch subjektiv ist weil ja schließlich nicht alle eher unbekannten Medien unterrichtet werden können.
    Zitat Zitat
    Der Wert guter Literatur ist unter anderem, dass du darin jemanden findest, in dem du dich wiedererkennst und der dir sagt, dass du als Person Tiefe besitzten kannst. Dies wird dir bei der üblichen Gebrauchsliteratur, sei das Star Wars oder etwas von R. A. Salvatore, eher selten passieren.
    Ah. Dann würd ich aber nach der Pre-Definition auch Effi Briest und Die Leiden des jungen Werther nicht als Literatur bezeichnen. Gerade die Rolle der Effi ist ja nicht mehr als ein konfirmistisches, langweiliges Mädchen.
    Zitat Zitat
    Es geht in der Schule nicht darum, einen Literaturliebhaber oder Literaturverständigen zu erzeugen sondern darum einen Staatsbürger zu erziehen.
    Ich seh den erzieherischen Wert nicht. Welche wichtigen Eigenschaften eines vorbildlichen Staatsbürgers werden dadurch gefördert?
    Wahrscheinlich Leidensstärke eh? ^^
    Zitat Zitat
    Natürlich geschieht das in einem gänzlich ungeeigneten Rahmen, aber besser als garnichts ist es.
    Ich habe irgendwann mit 12 oder so Odysee im Weltraum 2001 gesehen und in Englisch mussten wir aus irgendeinem Grund jede Stunde Morning Has Broken singen. Es hat Jahre gebraucht, bis ich Kubrick und Yusuf wieder freiwillig sehen/hören könnte. Heute bin ich Fan von beidem. Ich stelle die These auf dass ich ohne die frühe Kenntnis wesentlich früher beides geschätzt hätte.
    Mit Macbeth und Die fabelhafte Welt der Amelié wars praktisch andersrum, ich kannte und mochte beides schon vorher und die Schule hätte es beinahe geschafft, mir die durch Unterricht zu verleiden. Von daher finde ich den ungeeigneten Rahmen eben gerade nicht besser als gar nichts.
    Zitat Zitat
    Was Deutschland angeht? Da ist die Literatur angeblich Staatsbürgerschaftskunde. Land der Dichter&Denker und so. Die Auswahl wird im allgemeinen danach getroffen, welche Werke rückblickend von den Nachkommen für eine Epoche als besonders bedeutend angesehen werden. Die Auswahl ist dementsprechend auch durch literaturfremde Kriterien motiviert, wie z.B. der Spaltpilz Goethe, der weitgehend durchgenommen wird weil er zu einer Symbolfigur der deutschen nationalen Identität gemacht worden ist. Oder die Tagebücher der Anne Frank, die man anstelle der Bücher der ganzen dreckigen linken Marxisten liest. Wo kommen wir den hin, wenn unsere Kinder Bücher von Marxisten lesen?

    Als Österreicher ist mir die Effie Briest übrigens erspart geblieben. Kann mich nicht zu dem Buch äußern. Was das 19.Jhdt angeht habe ich Flaubert, Schnitzler und Stendhal gelesen. Kann mich nicht erinnern, dass Nietzsche viel für die deutsche Literatur seiner Epoche übrig hatte und es scheint, als sei sein Urteil begründet gewesen.
    Drück dich mal prägnant aus, versteh ich das so richtig, du findest die in deutschen Schulen übliche Literatur auch doof (und nur das Konzept, Schüler mit Literatur zu konfrontieren sinnvoll sofern die Literatur stimmt)? Ich kann echt nicht rauslesen, ob dein Post das jetzt aussagt.

    Geändert von Dhan (02.05.2009 um 00:49 Uhr)

  5. #5
    Zitat Zitat von Dhan Beitrag anzeigen
    Kk. Bleibt das Argument, dass die Entscheidung, was denn jetzt gehaltreich ist, immer noch subjektiv ist weil ja schließlich nicht alle eher unbekannten Medien unterrichtet werden können.
    Tut mir recht leid, dass die Leistung von Literatur nicht auf PS und Megabit reduziert werden kann.

    Zitat Zitat
    Ah. Dann würd ich aber nach der Pre-Definition auch Effi Briest und Die Leiden des jungen Werther nicht als Literatur bezeichnen. Gerade die Rolle der Effi ist ja nicht mehr als ein konfirmistisches, langweiliges Mädchen.
    Es gibt Leute, die erkennen sich in Effi Briest und ihrer Welt wieder.

    Zitat Zitat
    Ich seh den erzieherischen Wert nicht. Welche wichtigen Eigenschaften eines vorbildlichen Staatsbürgers werden dadurch gefördert?
    Wahrscheinlich Leidensstärke eh? ^^
    Deutschland als Nation wurde unter massiver kultureller Propaganda erzeugt - Wagnerverein, Gesangsverein, Trachtenverein und Literaturforschung. Der Literaturunterricht stellt eine mutierte Fortsetzung dieser inzwischen über 300 Jahre alten Bemühungen dar. Das Ziel ist mehr oder weniger, uns die Liebe zum Deutschen anzuerziehen und uns auf die deutsche Kultur zu prägen, denn die einstellung gegenüber der eigenen Kultur ist Schizophren. Einerseits ist man der Meinung, dass ein Deutscher in einer geradezu extremen Weise mit seiner Kultur verwachsen ist und andererseit glaubt man, dass Fragmente amerikanischer (und früher auch französischer, spanischer oder italienischer) Kultur den Deutschen Verderben indem sie ihn aus seiner intimen Verbundenheit mit seiner Kultur lösen.

    Und wenn das passiert, werden Volk und Staat untergehen.

    Und nein, das ist nicht bescheuert. Mit diesen Argumenten wurde die BpS institutionalisiert.

    Zitat Zitat
    Ich habe irgendwann mit 12 oder so Odysee im Weltraum 2001 gesehen und in Englisch mussten wir aus irgendeinem Grund jede Stunde Morning Has Broken singen. Es hat Jahre gebraucht, bis ich Kubrick und Yusuf wieder freiwillig sehen/hören könnte. Heute bin ich Fan von beidem. Ich stelle die These auf dass ich ohne die frühe Kenntnis wesentlich früher beides geschätzt hätte.
    Mit Macbeth und Die fabelhafte Welt der Amelié wars praktisch andersrum, ich kannte und mochte beides schon vorher und die Schule hätte es beinahe geschafft, mir die durch Unterricht zu verleiden. Von daher finde ich den ungeeigneten Rahmen eben gerade nicht besser als gar nichts.
    Ich habe irgendwo weiter oben erwähnt, dass mir das voll bewusst ist. Schule ist nun mal so, dass man den Stoff runterwürgt und nach der Prüfung wieder auskotzt. Es bleibt nicht viel hängen.

    Zitat Zitat
    Drück dich mal prägnant aus, versteh ich das so richtig, du findest die in deutschen Schulen übliche Literatur auch doof (und nur das Konzept, Schüler mit Literatur zu konfrontieren sinnvoll sofern die Literatur stimmt)? Ich kann echt nicht rauslesen, ob dein Post das jetzt aussagt.
    Ja und ja.

  6. #6
    Zitat Zitat von Ianus Beitrag anzeigen
    Literatur war immer gefärbt von internationalen Einflüssen. Zu jeder Zeit. Der strikt nationale Literaturunterricht ist in meinen Augen eine große Perversion.
    Naja, aber ich finde schon, dass sich das aus historischer Sicht dann auch alles nachvollziehen lässt, nicht zuletzt, weil man ja die tollen Literaturforscher hat, die das für einen rausgefunden haben - man braucht nur mal Rilke zu googlen und schon hat man eine Hand voll Referenzen zu internationaler Literatur. Aber in der Gegenwartsliteratur ist dieser Informationsumfang eben nicht auf dem höchsten Stand, u.a., weil gute Autoren beinahe ein Schattendasein pflegen (eine Autorin wie Leslie Kaplan wird es nie auf eine deutsche Bestsellerliste schaffen, vor allem nicht, wenn dort 5 überhypte Stephenie-Meyer-Romane rumvampiren).
    Ansonsten: Wie gesagt, es ist sehr verständlich, dass man an der Schule die eigene Kultur vertreiben will - ich würde mich auch nicht mit China identifizieren müssen wollen -, aber bis zu einem gewissen Punkt sollte man Einblick in die internationale Welt nehmen dürfen. Und da soll man von mir aus gern den ollen Goethe streichen. Ich würde es vielleicht keine Perversion nennen (obwohl das dem schon recht nahe kommt), aber zumindest unvorteilhaft und falsch.

  7. #7

    Users Awaiting Email Confirmation

    Schullektüren schwanken oft zwischen schön zu lesen und furchtbarster Moppelkotze, aber in beiden Fällen behaupte ich einfach mal, dass es nicht gut gehen kann.

    Schlechte Bücher sind indiskutabel, das ist schonmal klar. Bücher wie "Donna, ich und die Sache mit Tommy" (zwei Mädchen schließen dauernd Wetten miteinander ab, eine verarscht daher den unbeliebtesten Jungen der Klasse, der ist wohl irgendwie kriminell und am Ende wird jeder von jedem gemobbt) und "Die Lunte brennt" (Jugendliche machen Urlaub im Ferienhaus, fahren Autos zu Schrott, jagen Züge in die Luft, konsumieren Drogen und alles dreht sich irgendwie um Sex) gehören weggeschlossen und nicht ahnungslosen Mittelstüflern vorgesetzt ... Wurgs. Auch alte Klassiker wie "Romeo und Julia" in der ältesten deutschen Übersetzung haben im Deutschunterricht nichts zu suchen, wenn 99% der Schüler kaum ein Wort verstehen aufgrund der antiken Sprachweise. Ich liebe alte Sprache, aber da war ich in meiner Klasse eine Ausnahme.

    Gute Bücher ("Andorra" oder "Sansibar" beispielsweise) machen zwar schon irgendwo Freude zu lesen und können streckenweise sogar richtig begeistern, aber das bis zum Erbrechen Auseinandergepuzzele der Lektüre durch die Aufgaben in der Schule verleidet einem jedes noch so gute Buch. Ich hatte jedenfalls nach der Lerneinheit definitiv keinen Bock mehr auf die Teile und mochte sie einfach nicht mehr sehen - Begeisterung für die Werke alter Meister kommt so nicht auf!

    Geändert von Spongie *W* (03.05.2009 um 04:30 Uhr)

  8. #8
    Zitat Zitat
    Literatur war immer gefärbt von internationalen Einflüssen. Zu jeder Zeit. Der strikt nationale Literaturunterricht ist in meinen Augen eine große Perversion.
    Ich sehe keinen Sinn darin, Bücher die einen gewissen Literarischen Anspruch haben, in Übersetzungen zu lesen (nicht so schlimm wie bei Gedichten, aber ähnlich. Übersetzungen von Gedichten, die mehr sind, als bloße Inhaltsangaben entbehren für mich jeder Existenzberechtigung oO")
    Oder dann sollte man zumindest so ehrlich sein, und statt Honoré de Balzac irgend einen Otto Puschinski als Autor angeben -.-"

    Btw, ein IMO sehr gutes Buch für den Schulunterricht ist Homo Faber, leider wird es ausgerechnet an meiner Schule nicht gelesen. Das ist mal was, das ich wirklich lesenswert fand, an solchen semi-klassikern, die sich auch vom Umfang und Schwierigkeitsgrad als Schullektüre eignen.

  9. #9
    homo faber war sehr interessant und tlaulig. verglichen mit so gegenstandlosen dingen wie... ich guck mal gerade in mein regal, wo alle stehen...

    the graduate
    der gute mensch von sezuan
    oder auch
    der schimmelreiter

    ...verglichen damit sehr schön!

  10. #10
    Zitat Zitat von Freierfall Beitrag anzeigen
    Ich sehe keinen Sinn darin, Bücher die einen gewissen Literarischen Anspruch haben, in Übersetzungen zu lesen (nicht so schlimm wie bei Gedichten, aber ähnlich. Übersetzungen von Gedichten, die mehr sind, als bloße Inhaltsangaben entbehren für mich jeder Existenzberechtigung oO")
    Oder dann sollte man zumindest so ehrlich sein, und statt Honoré de Balzac irgend einen Otto Puschinski als Autor angeben -.-"
    Das Problem heutzutage ist eben, dass internationale Literatur nicht mehr international verwendbar sein muss und nur noch selten gewissen literarischen Ansprüchen genügt. Man findet heute spärlich Übersetzer von Gedichten, die ihr Handwerk mit wirklicher Detailliebe durchführen (Übersetzungen von Rimbaud reichen von "Inhaltsangabe" über "gescheiterter Versuch, den Stil beizubehalten" bis zu "annehmbar"); gerade aber verdichtete Texte lassen sich in Übersetzungen oftmals gar nicht mehr so schlecht lesen (manchmal wird ein Schreibstil sogar von einer Übersetzung aufgewertet; Hemmingway beispielsweise schreibt fürchterlich - "Der alte Mann und das Meer" lässt sich aber sehr gut lesen, ohne, dass der Stil stark abweichen würde). Romane und Novellen kann man gut und gerne in Übersetzungen behandeln.

    Heutzutage sind auch bravouröse Shakespeare-Übersetzungen kein Einzelfall mehr, Rilke hat einige dänische Meisterwerke zu deutschen Meisterwerken übersetzt.

    Gut sind auch ganz alte Übersetzungen (Antigone), wo die Leute sich noch im Klaren waren, dass Sprache ein beugsames Gebilde ist und - passende - Genitive und Ellipsen gemischt in Inversionen und Satzverschränkungen noch Gang und Gebe waren.
    Andererseits lassen sich auch moderne Autoren sehr gut übersetzen und existieren deshalb auch schon in solcher Form; Marcel Proust beispielsweise, obwohl der 3 Sätze auf 10 Seiten zieht; für die Franzosen ist es Kafka (der schreibt auch schon so französisch); Kundera... Auch was Gedichte angeht, Israel Eliraz beispielsweise oder Leslie Kaplan, Bei Dao, Hsia Yü, Clara Janés ... Prosadichtung ist das Sonnett des 21ten Jahrhunderts.

    Ich finde jedenfalls nicht, dass man es dran festmachen sollte, ob ein Text übersetzt ist, oder nicht, sondern an der Qualität, denn das Spektrum ist durchaus sehr breit.
    Der kleine Prinz ist übrigens in der Übersetzung von hoher Qualität, was für Saint-Exupérys zwar einfachen, aber aber emotionsgetränken Schreibstil dann doch eine reife Leistung ist.



    Oh, und ja: Der Schimmelreiter ist Gift für die Augen, bereitet Alpträume und führt zwangsläufig dazu, dass man als vergrämter Ostfriese in einem Leuchtturm sitzt und Bierdecken sammelt.

  11. #11
    Das ist dann aber eine Leistung des Übersetzers und nicht des ursprünglichen Autor. Und jeglicher Versuch, das ganze irgendwie zu Interpretieren, insbesondere durch Zeitbezug etc. verkommt zu einem Witz.
    Wie will man die Bedeutung einer bestimmten Metapher feststellen, wenn sie in eine andere Sprache übersetzt keinen Sinn mehr ergibt, oder lediglich übertragen werden konnte, in der Originalsprache jedoch vor dem Zeitgeschichtlichen Kontext jedoch weitere Nebenbedeutungen hatte o.ä.?

  12. #12
    Zitat Zitat von Freierfall Beitrag anzeigen
    Das ist dann aber eine Leistung des Übersetzers und nicht des ursprünglichen Autor. Und jeglicher Versuch, das ganze irgendwie zu Interpretieren, insbesondere durch Zeitbezug etc. verkommt zu einem Witz.
    Wie will man die Bedeutung einer bestimmten Metapher feststellen, wenn sie in eine andere Sprache übersetzt keinen Sinn mehr ergibt, oder lediglich übertragen werden konnte, in der Originalsprache jedoch vor dem Zeitgeschichtlichen Kontext jedoch weitere Nebenbedeutungen hatte o.ä.?
    Das tolle an Allegorien ist, dass sie sich in der Regel in jede Sprache einwandfrei übertragen lassen (zumindest im westlichen Raum, ich habe neulich festgestellt, dass sich im Chinesischen tolle Kombinationen bilden, die man einfach nicht adäquat übersetzen kann). Im Grunde sind formale Aspekte und die Konnotation vieler Wörter das Problem ("blessed are the poor in spirit", "heureux les simples d'esprit", "selig sind, die da geistlich arm sind" - drei Sprachen, drei Bedeutungsebenen) und selbst da lässt sich Abhilfe schaffen, zumal - in Lyrik und Dramatik ist das nicht so, das gebe ich zu, wohl aber in Prosatexten - einzelne Fetzen auch nicht von Bedeutung sind, es kommt auf gewichtige Stellen und den Gesamtinhalt an.

    Bei der Synchronisation von Grey's Anatomy gehen auch 50% der Wortwitze flöten, einfach, weil das Deutsche die Einfachheit des Englischen nicht aufgreifen kann und auch so halt eine andere Sprache ist, aber im Gros bleiben die thematischen Schwerpunkte (das ist nämlich, mal so am Rande erwähnt, das Tolle an der Serie: sie hat welche) und die nuancierten Assoziationen erhalten.

    Bücher sind keine feingespinnstigen sprachlichen Gebilde (wobei ich da mal Rilkes Cornet außen vor lassen will, der Mann ist ein Gott), es sind Gesamtwerke und darauf kommt es schlussendlich an. Und natürlich muss der Übersetzer etwas leisten, bei guter Literatur steht er sogar in der Pflicht, interpretatorisch UND schriftstellerisch zu arbeiten und von dessen Leistung sollte es dann auch abhängen, inwieweit sich das Buch in der Übersetzung noch behandeln lässt.
    Bei Hemmingway würde ich sagen, tut's jede "Inhaltsangabe", George Sand schreibt sowieso zu wuchtig, als dass man ihre Texte jetzt groß mit künstlerischer Sorgfalt behandeln müsste, Hesse soll übersetzen wer will...

    Ab einem gewissen Maß kann man sprachliche Verziertheit vernachlässigen. Dieses Maß geht von dort, wo keine vorhanden ist, bis zu gereimten, freien Versen. Bei strengen Gedichten gebe ich dir recht (aus dem Grund, dass man Baudelaire nur auf Französisch lesen sollte), bei Versdramen mit diszipliniertem Versmaß... aber selbst die kann man angemessen übersetzen (zeigen die Texte Shakespeares auf Deutsch oder die Carroll-Gedichte).

    Man kann übrigens Antigone um-, re- und totinterpretieren, das haben auch unzählige Leute gemacht und der größte Teil von denen konnte kein Altgriechisch. Da sind die tollen Hexameter und Zäsuren auch fein kaputtgehauen worden und es enstand nur noch ein sprachliches Wirrwarr (kurzum: eigentlich ist die Übersetzung gräßlich) - dem Prestigegrad des Dramas hat das jedenfalls keinen Abbruch getan.

  13. #13
    Öh, kurze Überlegung was in meiner Realschulzeit derzeit durchgenommen worde. Da wäre in der 7. Klasse soweit ich mich erinnern kann erstmal "Rolltreppe abwärts" von Hans-Georg Noack. Ich habe keine genaue Erinnerung mehr an das Werk, jedoch hab ich es auch nicht wirklich schlecht in Erinnerung. Das war jedoch zu der Zeit auch nur 'n Buch wo man sich durchgelesen hat weil es gefordert wurde und ich mich somit nicht näher damit beschäftigt habe. In den späteren Schuljahren kann ich mich noch an "Romeo und Julia" erinnern, wo ich feststellen musste, dass Shakespeare nicht so mein Fall ist, da dieser zwar durchaus weiß mit Worten umzugehen und auch Konflikte gut zu repräsentieren, jedoch dass auf mich mit der Zeit einfach ermüdend und platt wirkt. Dann gabs noch "Nathan der Weise" von Lessing, dass aber im Unterricht total unterging aus Gründen des Zeitdrucks. Ich hab demnach das Buch nie wirklich gelesen und kann mir deswegen kein Urteil erlauben. Darauf folgte "Die Räuber" von Schiller. Hiervon hatte ich einen guten Eindruck, gefiel mir alles ziemlich gut, die Konfliktsituation, die einzelnen Motive gepaart mit inneren Gewissensbissen, die Handlung an sich und die Rhetorik. Find ich als Schullektüre auch garnichtmal so unangebracht. "Faust I" von Goethe, wie es doch in vielen Abschlussklassen ein Thema war, war jetzt in der 10. auch bei mir im Lehrplan. Ja was soll ich sagen, nimmt ja doch eine besondere Stellung ein und das durchaus zurecht, obwohl mich der Anfang ziemlich kalt lies und einen ermüdenden Effekt erzielte, wurde der Verlauf mit steigender Handlung immer interessanter/besser/whatever. "Faust II" fand ich nachdem "Faust I" Eindruck hinterließ doch ein stückweit besser, auch wenns jetzt (noch) nicht unter meine Schullektüre fällt. Als letztes bisher war dann "Der Vorleser" von Bernhard Schlink dran. Auch hier durchaus Gefallen daran gefunden, wenn auch zwischendrin mir die Laune verging an wenigen Stellen, schnappt man doch wieder Motivation auf, dass Buch durchzuringen. Einteilung find ich hier äußerst vorteilhaft gewählt und Michael als Charakter ist doch auch interessant gestaltet.
    Fazitmäßig sei zu sagen, dass ich die Auswahl vieler Schulen bezüglich der Lektüre die behandelt wird garnicht schlecht finde, weil sonst sich die Mehrheit (lose Behauptung) wohl eh nicht damit freiwillig beschäftigen würde und gerade einen Faust oder die Räuber sollte man durchaus schonmal durchgeblättert haben. War aufjedenfall kein Beinbruch, eher ne Bereicherung. (Auch wenn sich das jetzt weniger enthusiastisch gelesen haben möge)

  14. #14
    @asphyxiôn
    Nathan der Weise war genial, den hab ich in meiner Auflistung noch vergessen.
    Schade, dass ihr das Buch nicht genauer behandeln konntet, bei uns hat es für 2 Schulaufgaben gereicht.
    Nicht nur wegen der Ringparabel ein sehr interessantes Stück, leider nicht ganz so leicht zu lesen (due to the era). Hätte ihn gerne mal in Prosa gesehen.

  15. #15
    Bei uns gab's in fast jeder Geschichte eine Figur, die Hitler repräsentierte. Irgendwann waren wir so konditioniert, dass wir schon nach ein paar Seiten eines beliebigen Buches problemlos auf mehreren Seiten die Parallelen zum Nationalsozialismus diskutieren konnten. Und wann immer eine negativ besetzte Rolle auftauchte, war schon absehbar, dass früher oder später ein Mitschüler die Theorie aufstellen würde, dass es sich dabei eigentlich um eine menschgewordene Metapher für Hitler handelt.

  16. #16
    Ich persönlich halte viel von Pflichtlektüre, ich finde allerdings, dass man mit der konkreten Behandlung so früh wie möglich anfangen sollte, anstatt einfach nur (wie es zumindest bei uns gehandhabt wurde - aber gut, an unseren Schulen zählen sowieso nur Naturwissenschaften) die ersten 5 Jahre auf "Damit sie mal was gelesen haben" zu pochen, um dann so langsam in die literarische Vielfalt einzusteigen.

    Meine Favoriten, die man gelesen haben MUSS (kein Spruch auf Totalität, es gibt genug Sachen, die ich nicht gelesen hab, die aber das gleiche Niveau aufweisen):
    Antigone (der Archetypus der Frauengestalt, verknüpft mit antiker Demokratie-Philosophie) + mindestens eine Uminterpretation (eine der wenigen Möglichkeiten, mal einen Abstecher in fremdländische Literatur zu machen - ich empfehle die Antigone von Bauchau, die ist zwar lang, aber derart befremdend gefühlsgetränkt, dass man automatisch in eine beobachtende Funktion rutscht, während man mit Poesie überschwämmt wird)
    Faust I (Teil II versinkt noch schlimmer im Goethe'schen Sud des Palaverns*; die Gretchentragödie tritt wenigstens gesellschaftlich hervor)
    Nathan der Weise (eins der wenigen aufklärerischen Dramen, die sich vor den Extremen der Aufbruchsstimmung bewahren)
    Woyzeck + Leonce und Lena (Büchner tütet die Zweiklassengesellschaft zwar schon in Platitüden und Vorbehalte, ist dabei aber doch sehr tiefgründig und beweist einen Sinn für's Stilistische)
    Die Verwandlung (Kafka ist die beste Literatur, die die Schule zu bieten hat)
    Der Steppenwolf (Hesse auf Hochtouren; das Buch mag sich ziehen und manchmal seltsam werden, allerdings ist kein anderes Werk der Epoche so umfangreich aussagekräftig - ich behaupte auch, dass Hesse ansonsten regelrecht uninteressant wäre, gäbe es den Steppenwolf nicht)
    Die Blechtrommel (in der Schule hatten wir "Im Krebsgang" gelesen, das nicht minder gut ist, allerdings ist das Parabelhafte an der Blechtrommel um einiges wichtiger, wenn es auf eine Meinungsbildung zugeht; der Krebsgang ist zu dokumentarisch)

    Außerdem:
    Kurzprosa von Kafka (wenn man lernt, Kafka mit Feingefühl zu interpretieren, ist man bereit für das literarische Deutschland, denn schwerer und hermetischer macht es einem kaum ein anderer Autor)
    Rilke von vorn bis hinten, Trakl (Sprachaffinität, die ihresgleichen sucht)
    Paul Celan, Wolfgang Borchert, Brecht (die Verarbeitung der deutschen Erbschuld in ihren grünen Anfängen; die Keuner-Geschichten sind nahezu die besten politischen Parabeln eines deutschen Autors)
    barocke Sonnette, romantische Balladen (zwei Epochen, die es abzuarbeiten lohnt)


    *Dass Faust so schrecklich daherkommt, rührt übrigens von der Tatsache, dass Goethe ein blöder Arsch ohne Verstand und Ahnung war. Zu dem Urteil kommt man, nachdem man 2 Faust-Teile, einen leidenden Werther und unzählige Schmarotzertexte gelesen hat, die alle nichts aussagen. Goethe immitiert Shakespeare auf eine Art und Weise, die sich an konservativen Werten orientiert, sich dabei aber innovativ schreit, obwohl alles nur geklaut ist (ich glaube bis heute, die Prinzen sangen über Goethe).
    Die Leiden des jungen Werther waren übrigens auch nicht viel besser, sie sind nur ein beeindruckendes Beispiel, wie bescheuert auch ein hochgefeierter Autor sein kann: Werthers Liebe ist die eines ahnungslosen Teenagers, eine Liebe, die dadurch weniger Wahrheitsgehalt hat, aber vom Stürmer&Dränger Goethe als veritabel dargestellt wird. Heutzutage nennt man das Teenie-Kitsch-Roman ohne Sinn und Verstand - oder eben Stephenie Meyer.



    Was ich übrigens bemängeln würde, ist, dass man dem herkömmlichen Schüler praktisch nur deutsche Literatur auftischt, was sich gerade für das Mittelalter, die Romantik, die Aufklärung oder die Belle Epoque sehr zur Einseitigkeit hinzieht. Es gibt sehr tolle kurze, aber ungenutzte Einblicke in deutscher Sprache in die französische Literatur ("Le Roman de la Rose", Troyes, Proust, George Sand, Rimbaud, Rostand...), die tollsten Briten werden ausgespart (Carroll, Austen, Monmouth, ... Shakespeare), es würde auch helfen, sich nach Osteuropa zu erweitern, wenn man sich mal an die alten Polen rantraut (Dabrowska, Fredro)...

    Mir ist klar, dass es nicht ohne Grund Deutschunterricht heißt und dass man irgendwo der eigenen Kultur zwangsläufig treu bleiben muss, vor allem in Zeiten der kulturellen Überfärbung, allerdings ist diese Kulturfremde, was wenigstens die mitteleuropäische Literatur betrifft, sehr unvorteilhaft, wenn man allgemein mit Kultur in Kontakt kommt; und gerade die Gegenwartsliteratur ist gefärbt von internationalen Einflüssen, über die sich ein Überblick lohnt (wenn man Gegenwartsliteratur in der Schule schon nicht behandelt).
    Mir ist auch klar, dass sich das in einer Umsetzung sehr unpraktisch gestalten würde - wie soll man 50 Schriftsteller aus 5 verschiedenen Ländern auf ein paar Schuljahre verteilen (und das dann auch noch altersgerecht). Allerdings hat man das, mit allem Verständnis für die Priorität von Naturwissenschaften, auch mit Mathematik und Physik/Biologie/Chemie geschafft, wo man auf das kleinste Teilchen eines Teilchens und auf die genauste Berechnung einer Zahl geeicht wird. Ja klar, in der heutigen Welt ist sowas wichtig, immerhin kann man nichmal ungestört Psychologie studieren, ohne intensiv die Statistik zu bemühen - nur ist Literatur doch genauso wichtig, und sei es nur, um aus der Rede des iranischen Präsidenten (hm, mit dem hab ichs derzeit echt...) die Holocaust-Leugnung in jedem verdammten Teilsatz herauszuhören.


    Edit: Der Sinn von Belletristiklektüre ist, sich ein Urteil darüber bilden zu können (wie über jede Belletristik - französische Belletristik ist heutzutage übrigens getränkt von 68er-Parolen, die amerikanische ist voll von Rollenbildern und Pauschalismus; da muss man schonmal mit gutem Stoff in Kotakt gekommen sein). Hinzukommt, dass auch Effi Briest kulturellen Wert hat, sei es nun der Ästhetik wegen (die ausschweifenden Beschreibungen sind ein Relikt der Epoche und konservieren die gesellschaftlichen Zustände - Jane Austen ist nichts anderes, nur, dass sie hinzugenommen noch eine Heldin der Emanzipation ist). So ziemlich jedes Buch lässt sich anständig lesen, selbst Dan Brown; ob die Bücher an sich sehr viel Inhalt, Aussage oder Qualität haben, bleibt natürlich dem Geschmack überlassen, aber dann könnte man auch gleich fragen, was das Tagebuch der Anne Frank an literarischem Anspruch bereit hält, schließlich ist es als Schriftwerk rein dokumentarisch.

    Geändert von Mordechaj (02.05.2009 um 09:58 Uhr)

  17. #17

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    Zitat Zitat von Eynes'Prayer Beitrag anzeigen
    Dass Faust so schrecklich daherkommt, rührt übrigens von der Tatsache, dass Goethe ein blöder Arsch ohne Verstand und Ahnung war. Zu dem Urteil kommt man, nachdem man 2 Faust-Teile, einen leidenden Werther und unzählige Schmarotzertexte gelesen hat, die alle nichts aussagen.
    QFT. Sollte eigentlich Götze heißen...
    Außerdem fand ich Lenaus Faust viel spritziger^^:

    Laß bluten die verharschte Hand,
    Zu schreiben mir das Unterpfand,
    Und daß dazu beitrage jeder,
    Reich ich dir diese Hahnenfeder,
    Die ich in einem Forste jüngst,
    's war grade Sonntag früh, zu Pfingst,
    Dem Raubschütz aus dem Hute zog,
    Als ihm ins Herz die Kugel flog.
    Recht artlich war es anzusehn,
    Wie so der Dieb, im dichten Laub
    Versteckt, auflauscht dem Wildesraub;
    Wie doch vier Jäger ihn erspähn,
    Wie er auf sie drei Kugeln sendet,
    Von denen jed' ein Leben endet,
    Die vierte, ohne Sakrament,
    Ihm selber durch die Lungen rennt.

    Nun, Schullektüre... Bahnwärter Thiel und Brave New World waren beeindruckend, der Rest so lala. Es ging auch eher um das Vermitteln von Literaturgeschichte, weniger um geniale Werke. Von Hölderlin und Novalis hatten wir zB nur ein, zwei Gedichte; Homo Faber soll ja oft Schullektüre sein, gibt aber nur bedingt Frischs Raffinesse wieder - lieber Teile von Gantenbein besprechen. Musil haben wir auch nur gestreift, dabei lassen sich grad aus dem "Mann ohne Eigenschaften" prima einzelne Kapitel herauslösen und diskutieren. Ich wär zB auch dafür das Gilgamesch-Epos zu lesen; mag zwar nicht ganz zu Deutsch passen, aber ist immerhin das älteste erhaltene Epos und einfach eine zu gute Erzählung um sie nicht in den Literaturunterricht aufzunehmen.

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