Fand es eigentlich sehr gut, dass die Superkräfte in LiS2 eher im Hintergrund waren. In LiS1 war die Idee zwar cool, aber am Ende wurde alles zu einem Clusterfuck, der mit "höhö, isso weil Butterfly Effect" erklärt wurde, was schon so ziemlich maximale Suspension of Disbelief erfordert hat.

Bei LiS2 war ich zwar ab Episode 4 auch ein bisschen kritischer, weil es z.B. mit der Kirche sehr schwarzweiß wurde und Rassismus-Sache doch extrem dick aufgetragen war.

Aber einige der Nebencharaktere fand ich verdammt gut umgesetzt. So zum Beispiel die Großeltern, die wirklich vielschichtig waren. Solche Figuren, die wirklich wie aus dem Alltag gegriffen wirken, hab ich in Videospielen sehr selten so gut umgesetzt gesehen. Fand auch Brody super, auch dass man im späteren Verlauf noch ein bisschen mehr über ihn erfahren hat.

Es geht halt um eine Reise und da ist es klar, dass die Nebencharaktere eben Nebencharaktere sind und in ihrer Screentime begrenzt sind. Da baut man vielleicht keine so innige emotionale Beziehung auf, aber das war ja auch gar nicht das Ziel des Spiels. Hat aber imo nichts an der Tiefe der Figuren geändert.

Ich verstehe einige deiner Kritikpunkte durchaus. Aber Lyla kann man ja z.B. zweimal im Spiel anrufen. Das waren wirklich emotionale Momente (das zweite Telefonat war tatsächlich der einzige Moment im Spiel, bei dem meine Augen feucht wurden) und die Tatsache, dass diese Momente so begrenzt waren, hat sie wertvoller gemacht. Das Gefühl der Abgeschiedenheit und Einsamkeit und die Ungewissheit, was anderswo vor sich geht, sind ja auch ein zentraler Teil des Spiels. In dem Sinne hat es mich an Harry Potter 7 erinnert, wo die Ausgangslage ja nicht ganz unähnlich ist. Das zu sehr zu verwässern, um dem Spieler emotionale Genugtuung zu verschaffen, hätte dem Spiel nicht gut getan. Life Is Strange 2 ist in dem Sinne halt kein Comfort Food und die Unbefriedigung, die mit den Dingen einhergeht, die nicht passiert sind, sind imo essenziell für die Erfahrung. Dass das vielen Spielern missfallen hat, ist nicht unverständlich, aber das Dontnod eben nicht den sicheren Weg gegangen, die Art der Dramatik an der emotionalen Erwartungshaltung der Spieler auszurichten, rechne ich ihnen hoch an.

In meinem Playthrough gab es übrigens weder einen Kuss noch eine Romanze. Habe ich auch nicht vermisst und gerade in Kapitel 3 war für mich ziemlich klar, welche Wahl mir im Rahmen der Handlung passender erscheint.